You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

49 lines
10 KiB

<!doctype html public "-//W3C//DTD HTML 4.0 //EN">
<html>
<head>
<title>Nutzung einer Teileigentumseinheit im &quot;&Auml;rztehaus&quot; zu Wohnzwecken? </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
<meta name="generator" content="PMzuHTML v2">
<meta name="subject" content="Nr. 061 vom 23.03.18">
<meta name="" content="">
<meta name="LfdNr" content="061">
<meta name="Jahr" content="2018">
<meta name="Senat" content="V. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="V ZR 307/16">
<meta name="Datum" content="23.03.18">
<meta name="" content="23.03.18">
</head>
<body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF" link="#FF0000" alink="#FF0000" vlink="#FF0000">
<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 61/2018 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Nutzung einer Teileigentumseinheit im </b></font></div></p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>&quot;&Auml;rztehaus&quot; zu Wohnzwecken? </b></font></div></p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat heute &uuml;ber einen Rechtsstreit entschieden, in dem mehrere Teileigent&uuml;mer von dem Eigent&uuml;mer einer fr&uuml;her als Arztpraxis genutzten Teileigentumseinheit verlangt haben, dass er es unterl&auml;sst, die Einheit zu Wohnzwecken zu nutzen. </p>
<p align="justify"><b>Sachverhalt: </b></p>
<p align="justify">Die Parteien sind Mitglieder einer Teileigent&uuml;mergemeinschaft. Nach der Teilungserkl&auml;rung von 1989/1990 dient das aus sieben Einheiten bestehende Geb&auml;ude &quot;zur beruflichen und gewerblichen Nutzung&quot;. Die Einheiten d&uuml;rfen &quot;ausdr&uuml;cklich beruflich oder gewerblich, insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden&quot;. Nach der Aufteilung befanden sich zun&auml;chst in sechs Einheiten Arztpraxen, die siebte diente als Apotheke. Der Beklagte ist Eigent&uuml;mer einer der urspr&uuml;nglichen Arztpraxen. Im Jahr 2013 wurde in unmittelbarer N&auml;he zu der Anlage ein gro&szlig;es &Auml;rztehaus errichtet. Die Mieter des Beklagten k&uuml;ndigten das Mietverh&auml;ltnis. Aktuell werden nur noch drei Einheiten als Arztpraxen genutzt. Die Apotheke wurde zu einem Teil an ein B&uuml;ro f&uuml;r Tierschutzhilfe vermietet und steht im &Uuml;brigen leer. In einer der ehemaligen Arztpraxen befindet sich eine Sch&uuml;lernachhilfe. Der Beklagte teilte seine Einheit auf, baute sie um und vermietete beide Teile als Wohnraum. </p>
<p align="justify"><b>Bisheriger Prozessverlauf: </b></p>
<p align="justify">Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl&auml;ger hat das Landgericht ihr stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die Nutzung seiner Einheit zu Wohnzwecken zu unterlassen. Mit der Revision, die der Bundesgerichtshof wegen grunds&auml;tzlicher Bedeutung zugelassen hat, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. </p>
<p align="justify"><b>Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: </b></p>
<p align="justify">Der unter anderem f&uuml;r das Wohnungseigentumsrecht zust&auml;ndige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zur&uuml;ckgewiesen. Er hat die Entscheidung des Landgerichts allerdings nur im Ergebnis f&uuml;r richtig gehalten. </p>
<p align="justify">Im Ausgangspunkt steht den Kl&auml;gern ein Unterlassungsanspruch gem&auml;&szlig; &sect; 15 Abs. 3 WEG zu, weil die Einheit des Beklagten nach der Gemeinschaftsordnung nicht als Privatwohnung, sondern nur f&uuml;r berufliche und gewerbliche Zwecke genutzt werden darf. Zwar kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zul&auml;ssig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr st&ouml;rt als die vorgesehene Nutzung. Das ist aber bei der Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn sich die Einheit - wie hier - in einem ausschlie&szlig;lich beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Geb&auml;ude befindet. In einem solchen Geb&auml;ude ist die Wohnnutzung bei typisierender Betrachtung regelm&auml;&szlig;ig schon deshalb st&ouml;render als die vorgesehene Nutzung, weil sie mit typischen Wohnimmissionen (wie K&uuml;chenger&uuml;chen, Freizeit- und Kinderl&auml;rm oder Musik) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (etwa im Flur herumstehenden Gegenst&auml;nden) einhergeht und zu anderen Zeiten - n&auml;mlich ganzt&auml;gig und auch am Wochenende - erfolgt. Die Teileigent&uuml;mer haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserkl&auml;rung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden k&ouml;nnen, von vornherein zu vermeiden. </p>
<p align="justify">Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt aber in Betracht, dass der Beklagte gem&auml;&szlig; &sect; 10 Abs. 3 Satz 2 WEG die &Auml;nderung der Gemeinschaftsordnung dahingehend verlangen kann, dass seine Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken genutzt werden darf. Mit der Kodifizierung des &sect; 10 Abs. 2 Satz 3 WEG im Jahr 2007 hat der Gesetzgeber die H&uuml;rden an die Anpassung der Gemeinschaftsordnung bewusst etwas absenken wollen. Dass schwerwiegende Gr&uuml;nde im Sinne der Norm vorliegen, kommt in Betracht, wenn - wie es der Beklagte vortr&auml;gt - eine dauerhafte gewerbliche Vermietung angesichts von Lage und Ausstattung des Geb&auml;udes nicht ernsthaft zu erwarten ist; dann w&uuml;rde der Beklagte an einer wirtschaftlichen Verwertung der Einheit gehindert. Mit Erfolg r&uuml;gt die Revision deshalb, dass – wie von dem Beklagten beantragt - ein Sachverst&auml;ndigengutachten eingeholt werden m&uuml;sste, wenn es auf das Bestehen des Anpassungsanspruchs ankommen sollte. Vor dem Hintergrund, dass in der Nachbarschaft ein modernes &Auml;rztehaus entstanden ist, drei der ehemaligen Arztpraxen leer stehen, die Apotheke nicht mehr als solche genutzt wird und das Amtsgericht nach Zeugenvernehmung mehrerer Makler zu der &Uuml;berzeugung gelangt ist, dass eine Vermietung als Praxis oder f&uuml;r &auml;hnliche Zwecke trotz l&auml;ngerer intensiver Bem&uuml;hungen des Beklagten unabh&auml;ngig von dem geforderten Mietzins nicht m&ouml;glich gewesen sei, weil es keine Interessenten gegeben habe, l&auml;sst sich ohne sachverst&auml;ndige Begutachtung nicht ausschlie&szlig;en, dass schwerwiegende Gr&uuml;nde f&uuml;r das Begehren des Beklagten streiten. Dar&uuml;ber hinaus m&uuml;sste gekl&auml;rt werden, welche konkreten Nachteile den Kl&auml;gern daraus erwachsen, dass die Einheit des Beklagten zu Wohnzwecken genutzt wird. Dabei k&ouml;nnten unter anderem die baulichen Gegebenheiten von Bedeutung sein. Bei der von &sect; 10 Abs. 2 Satz 3 WEG geforderten umfassenden Interessenabw&auml;gung m&uuml;sste ggf. auch in den Blick genommen werden, dass sich ein dauerhafter Leerstand f&uuml;r die gesamte Anlage - und damit auch f&uuml;r die Kl&auml;ger - als nachteilig erweisen kann. </p>
<p align="justify">Gleichwohl hat das Berufungsgericht der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Selbst wenn n&auml;mlich ein Anpassungsanspruch gem&auml;&szlig; &sect; 10 Abs. 2 Satz 3 WEG bestehen sollte, m&uuml;sste der Beklagte diesen zun&auml;chst im Wege der Klage durchsetzen. Er darf ihn nicht im Wege der Einrede gegen den Unterlassungsanspruch geltend machen. Diese Frage war bislang umstritten. Der Bundesgerichtshof hat nun gekl&auml;rt, dass berechtigte Anpassungsbegehren erst in der Gemeinschaftsordnung umgesetzt werden m&uuml;ssen, damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen f&uuml;r das Verh&auml;ltnis der Wohnungseigent&uuml;mer untereinander gelten. Dieses Ziel w&uuml;rde verfehlt, wenn man den Anpassungsanspruch im Wege der Einrede geltend machen d&uuml;rfte. Dann w&uuml;rde die Unterlassungsklage zwar wegen des bestehenden Anpassungsanspruchs abgewiesen. Eine &Auml;nderung der Gemeinschaftsordnung unterbliebe aber; es st&uuml;nde auch nicht rechtskr&auml;ftig fest, dass der Anpassungsanspruch besteht, weil sich die Wirkungen der Rechtskraft nicht auf Einreden erstrecken. </p>
<p align="justify">Lie&szlig;e man eine solche Einrede zu, w&uuml;rden die &uuml;brigen Eigent&uuml;mer au&szlig;erdem durch die eigenm&auml;chtige Nutzungs&auml;nderung in die Kl&auml;gerrolle gedr&auml;ngt. Grunds&auml;tzlich muss aber derjenige, der gegen den Willen der &uuml;brigen Wohnungseigent&uuml;mer die Anpassung der Nutzungsregelung erreichen will, eine darauf gerichtete Klage erheben; die neue Nutzung darf er erst dann aufnehmen, wenn er ein entsprechendes rechtskr&auml;ftiges Urteil zu seinen Gunsten erstritten hat. Bis dahin muss die bislang geltende Gemeinschaftsordnung beachtet werden und Nutzungen, die den darin vereinbarten Zweckbestimmungen widersprechen, m&uuml;ssen unterbleiben. </p>
<p align="justify"><b>Urteil vom 23. M&auml;rz 2018 - V ZR 307/16 </b></p>
<p align="justify">AG Dachau – Urteil vom 28. April 2016 – 5 C 18/15 WEG </p>
<p align="justify">LG M&uuml;nchen I – Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 S 9709/16 WEG </p>
<p align="justify"><b>Die ma&szlig;geblichen Vorschriften lauten: </b></p>
<p align="justify"><b>&sect;&nbsp;10 WEG Allgemeine Grunds&auml;tze </b></p>
<p align="justify">Abs. 2 Satz 3 Jeder Wohnungseigent&uuml;mer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gr&uuml;nden unter Ber&uuml;cksichtigung aller Umst&auml;nde des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigent&uuml;mer, unbillig erscheint. </p>
<p align="justify"><b>&sect;&nbsp;15 WEG Gebrauchsregelung </b></p>
<p align="justify">Abs. 3 Jeder Wohnungseigent&uuml;mer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Geb&auml;udeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschl&uuml;ssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigent&uuml;mer nach billigem Ermessen entspricht. </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 23. M&auml;rz 2018 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
</body>
</html>