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<title>Anspruch des Kindes auf Auskunft &uuml;ber Identit&auml;t des anonymen Samenspenders </title>
<meta name="author" content="Pressestelle des BGH">
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<meta name="subject" content="Nr. 014 vom 28.01.15">
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<meta name="LfdNr" content="014">
<meta name="Jahr" content="2015">
<meta name="Senat" content="XII. Zivilsenat">
<meta name="Aktenzeichen" content="XII ZR 201/13">
<meta name="Datum" content="28.01.15">
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<h1>Bundesgerichtshof</h1>
<h2>Mitteilung der Pressestelle</h2>
<hr noshade size="1">
<p align="justify">Nr. 14/2015 </p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>Anspruch des Kindes auf Auskunft &uuml;ber Identit&auml;t </b></font></div></p>
<p><div align="center"><font size="+2"><b>des anonymen Samenspenders </b></font></div></p>
<p align="justify">Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Kind, das durch eine k&uuml;nstliche heterologe Insemination gezeugt wurde, grunds&auml;tzlich von der Reproduktionsklinik Auskunft &uuml;ber die Identit&auml;t des anonymen Samenspenders verlangen kann. Ein bestimmtes Mindestalter des Kindes ist daf&uuml;r nicht erforderlich. Machen die Eltern den Anspruch als gesetzliche Vertreter ihres Kindes geltend, setzt dies voraus, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangt wird. Au&szlig;erdem muss die Abw&auml;gung aller rechtlichen Belange - auch derjenigen des Samenspenders - ein &Uuml;berwiegen der Interessen des Kindes an der Auskunft ergeben. </p>
<p align="justify">Die im Dezember 1997 und im Februar 2002 geborenen Kl&auml;gerinnen verlangen von der beklagten Reproduktionsklinik Auskunft &uuml;ber die Identit&auml;t ihres biologischen Vaters durch Bekanntgabe des Samenspenders. Sie wurden jeweils durch eine k&uuml;nstliche heterologe Insemination gezeugt, die in der Klinik an der Mutter der Kl&auml;gerinnen vorgenommen wurde. Zugrunde lagen diesen Behandlungen Vertr&auml;ge mit der Mutter und dem mit dieser verheirateten (rechtlichen) Vater der Kl&auml;gerinnen. Die Eheleute hatten in einer notariellen Erkl&auml;rung gegen&uuml;ber der Klinik auf Auskunft &uuml;ber die Identit&auml;t der Samenspender verzichtet. </p>
<p align="justify">Das Amtsgericht hat der Auskunftsklage der von ihren Eltern vertretenen Kl&auml;gerinnen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht im November 2013 die Klage abgewiesen. Den Kl&auml;gerinnen stehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch jedenfalls derzeit nicht zu. Mit dem Verlangen nach Auskunft &uuml;ber die Identit&auml;t der Samenspender verfolgten sie ein eigenes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung, das sie jedoch erst mit Vollendung des 16.&nbsp;Lebensjahres geltend machen k&ouml;nnten. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kl&auml;gerinnen ihr Auskunftsbegehren weiter. </p>
<p align="justify">Die Revision hatte Erfolg. Sie f&uuml;hrte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zur&uuml;ckverweisung der Sache an das Landgericht. </p>
<p align="justify">Ein Auskunftsanspruch der durch k&uuml;nstliche Befruchtung gezeugten Kinder kann sich nach den Grunds&auml;tzen von Treu und Glauben aus &sect; 242 BGB ergeben. Sie sind in derartigen Konstellationen in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen der Klinik und den Eltern einbezogen. Hinzukommen muss ein Bed&uuml;rfnis des Kindes f&uuml;r die begehrte Information, es muss also zu erwarten sein, dass die Information von dem Kind ben&ouml;tigt wird. Das ist immer dann der Fall, wenn die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangen. Weder der Auskunftsanspruch noch seine Geltendmachung setzen ein bestimmtes Mindestalter des Kindes voraus. </p>
<p align="justify">Die Auskunftserteilung muss f&uuml;r den Auskunftspflichtigen zumutbar sein. Ob dies der Fall ist, ist durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene, umfassende Abw&auml;gung der durch die Auskunftserteilung ber&uuml;hrten rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen, Belange zu kl&auml;ren. Dabei ist einerseits zu ber&uuml;cksichtigen, dass der Auskunftsanspruch des Kindes Ausfluss seines verfassungsrechtlich gesch&uuml;tzten allgemeinen Pers&ouml;nlichkeitsrechts ist und dazu dient, eine Information zu erlangen, die f&uuml;r die Entfaltung der Pers&ouml;nlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann. Dieser Rechtsposition wird regelm&auml;&szlig;ig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abw&auml;gung zukommen. Dem stehen andererseits die (grund-)rechtlich gesch&uuml;tzten Interessen des Auskunftsverpflichteten gegen&uuml;ber. Die Berufsaus&uuml;bungsfreiheit des Reproduktionsmediziners hat in diesem Zusammenhang keine ma&szlig;gebliche Bedeutung. Zu ber&uuml;cksichtigen ist aber die &auml;rztliche Schweigepflicht, soweit sie dem Schutz Dritter (Samenspender und Kindeseltern) dienen soll. </p>
<p align="justify">Soweit dem Samenspender - den &auml;rztlichen Richtlinien entsprechend - vom Arzt keine Anonymit&auml;t zugesichert worden ist, hat er sich des Schutzes seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung selbst begeben. Andernfalls steht diesem Recht das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen&uuml;ber, dem regelm&auml;&szlig;ig ein h&ouml;heres Gewicht zukommen wird. Zu ber&uuml;cksichtigen sind zudem m&ouml;gliche Auswirkungen der Auskunft auf die private Lebensgestaltung des Samenspenders. Nicht ma&szlig;geblich sind hingegen seine wirtschaftlichen Interessen. Schlie&szlig;lich k&ouml;nnen auch die Interessen der Eltern dem Auskunftsbegehren des Kindes entgegenstehen, wenn sie mit der Auskunftserteilung nicht einverstanden sind. Tats&auml;chlich wird sich insoweit aber kaum ein sch&uuml;tzenswerter rechtlicher Belang ergeben. Denn die entsprechende Klage gegen den behandelnden Arzt kann das Kind nur dann erheben, wenn es zuvor bereits Kenntnis vom Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft und von der Zeugung mittels Samenspende hat. </p>
<p align="justify">Ber&uuml;cksichtigungsf&auml;hige rechtliche Belange hat die Klinik im vorliegenden Fall bislang nicht geltend gemacht. Dem verfassungsrechtlich gesch&uuml;tzten Recht der Kl&auml;gerinnen auf Kenntnis von ihrer Abstammung steht damit derzeit keine Rechtsposition gegen&uuml;ber, die den Auskunftsanspruch zu Fall bringen k&ouml;nnte. Der von den Eltern erkl&auml;rte Verzicht auf die Auskunft wirkt nicht zu Lasten des Kindes. </p>
<p align="justify">Das Landgericht wird daher nun Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information der Kinder begehren. Im Rahmen der Zumutbarkeit der Auskunftserteilung wird es dann die erforderliche Abw&auml;gung der zu ber&uuml;cksichtigenden rechtlichen Interessen vorzunehmen haben. </p>
<p align="justify">Urteil vom 28.&nbsp;Januar 2015 - XII ZR 201/13 </p>
<p align="justify">AG Hameln - Urteil vom 21. Juni 2013 - 20 C 194/12 (2) </p>
<p align="justify">LG Hannover - Urteil vom 6. November 2013 - 6 S 50/13 </p>
<p align="justify">Karlsruhe, den 28. Januar 2015 </p>
<p><font size="-1">
Pressestelle des Bundesgerichtshofs <br>
76125 Karlsruhe<br>
Telefon (0721) 159-5013<br>
Telefax (0721) 159-5501</font></p>
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