Nr. 172/2016
Die Klägerinnen der drei Parallelverfahren verlangen von der beklagten Stadt im Wege der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB* in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG**) den Ersatz von Verdienstausfall wegen der nicht rechtzeitigen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihre im Januar bzw. April 2013 geborenen Kinder.
Die Klägerinnen beabsichtigten, jeweils nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Unter Hinweis darauf meldeten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der Beklagten Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres an. Die Beklagte teilte mit, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen im gesamten Stadtgebiet besonders hoch sei und derzeit die verfügbaren Kapazitäten übersteige. Zum gewünschten Termin erhielten die Klägerinnen von der Beklagten - auch nach wiederholten Anfragen - keinen Betreuungsplatz nachgewiesen. Aufgrund eigenständiger Bemühungen konnten die Klägerinnen jeweils einige Zeit später einen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden.
Für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der erfolgreichen Beschaffung eines Betreuungsplatzes verlangen die Klägerinnen Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls (unter Anrechnung von Abzügen für anderweitige Zuwendungen und ersparte Kosten belaufen sich die Forderungen auf 4.463,12 €, 2.182,20 € bzw. 7.332,93 €). Sie machen geltend, aus dem Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII*** folge die Amtspflicht der Beklagten, nach rechtzeitiger Bedarfsanmeldung Kindern bei Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese Amtspflicht beziehe sich nicht allein auf das betreuungsbedürftige Kind, sondern auch auf das berufliche Erwerbsinteresse seiner Eltern. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, weil der Kapazitätsengpass frühzeitig vorherzusehen gewesen und nichts Ausreichendes hiergegen unternommen worden sei.
Die Beklagte ist der Rechtsauffassung der Klägerinnen entgegengetreten. Sie hat weiterhin entgegnet, sie habe eine ordnungsgemäße Bedarfsplanung vorgenommen; Verzögerungen bei der Errichtung von zusätzlichen Betreuungseinrichtungen habe sie selbst nicht zu vertreten.
Das Landgericht Leipzig hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Dresden die Klagen abgewiesen. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Klägerinnen.
Vorinstanzen:
III ZR 278/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 1928/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 320/15
III ZR 302/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 1455/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 319/15
III ZR 303/15
LG Leipzig – Urteil vom 2. Februar 2015 – 07 O 2439/14
OLG Dresden – Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 321/15
Karlsruhe, den 28. September 2016
* § 839 BGB:
(1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2…
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** Artikel 34 Grundgesetz:
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. 2…
*** § 24 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII):
(1) …
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. …
…
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