Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 166/2008

Verfahren gegen Eltern wegen tödlicher Vernachlässigung eines Kleinkindes muss neu verhandelt werden

Das Landgericht Marburg hat die Angeklagte J.H. wegen Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und ihren Ehemann, den Angeklagten G.H., wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts vernachlässigte die Angeklagte J.H. ihre am 14. Januar 2006 geborene Tochter Jacqueline ab Anfang Februar 2007 in grober Weise. Sie fütterte sie nicht mehr ausreichend und säuberte und pflegte sie nicht angemessen. Durch die Mangelernährung magerte das Kind extrem ab und litt zudem infolge der fehlenden Säuberung an einer schmerzhaften Windeldermatitis. Am 24. März 2007 verstarb es infolge Verhungerns und Verdurstens, was die Angeklagte billigend in Kauf genommen hatte.

Der Angeklagte G.H. kümmerte sich nicht um seine Tochter. Als er sie am 11. März 2007 zum letzten Mal sah, erkannte er zwar ihre Unterernährung und Mangelversorgung. Dennoch unternahm er pflichtwidrig bis zu ihrem Tod nichts.

Gegen dieses Urteil hat sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Lasten der Angeklagten eingelegten Revisionen gewendet, mit denen sie die Verurteilung der Angeklagten J.H. wegen Mordes und des Angeklagten G.H. wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erstrebt hat. Auch die beiden Angeklagten haben gegen das Urteil Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft aufgehoben.

Die Beweiswürdigung, auf Grund derer das Landgericht die Mordmerkmale der Grausamkeit, der Verdeckungsabsicht und der sonstigen niedrigen Beweggründe bei der Angeklagten J.H. verneint hatte, hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage das Landgericht einen Tötungsvorsatz des Angeklagten G.H. verneint hatte, war ebenfalls rechtsfehler- und lückenhaft. Darüber hinaus hat das Landgericht hinsichtlich dieses Angeklagten den Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu Unrecht verneint und den der Aussetzung (§ 221 StGB) gar nicht geprüft.

Deshalb hat der 2. Strafsenat das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Gießen zurückverwiesen.

Die Revisionen der Angeklagten hat der 2. Strafsenat als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben hat und auch das Verfahren aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden war.

Urteil vom 3. September 2008 – 2 StR 305/08

Landgericht Marburg – Urteil vom 25. Januar 2008 – 6 Ks 4 Js 4330/07

Karlsruhe, den 3. September 2008

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