Dein Anwalt und du
images/73212_0002_fmt
Mit Anwälten ist es wie mit Ärzten: Gerne geht man da nicht hin, aber manchmal muss es eben sein. Dabei gibt es gar keinen Grund, Angst vor dem Gang zum Rechtsanwalt zu haben. Denn wer mit seinem Anwalt richtig kommuniziert, der kann viel Geld und Ärger sparen!
Das Erstgespräch
Schon beim Erstgespräch mit dem Anwalt werden wichtige Weichen gestellt:
sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Interessanter Fall. Schicken Sie mir doch einfach Ihre Unterlagen, dann prüfe ich das alles ganz genau und schicke Ihnen eine schriftliche Stellungnahme.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

… und statt einer billigen Erstberatungsgebühr kann ich dir gleich eine volle Gebühr abrechnen.

lupe

Hintergrund:

Eine Erstberatung – ob am Telefon oder persönlich – darf bei Verbrauchern maximal 190,- Euro zzgl. Mehrwertsteuer kosten. Nur wenn der Anwalt tiefer in den Fall einsteigt, kann er mehr Honorar verlangen. Deshalb ist es sinnvoll, den Anwalt erst einmal nur um eine Erstberatung zu bitten. Mit ein wenig Glück lassen sich so bereits alle Fragen klären. Nur wenn das nicht möglich ist, wird man um höhere Kosten nicht herumkommen.
merke_blau

Merke: Das kostensparende Zauberwort im ersten Telefonat mit dem Anwalt heißt „Erstberatung“.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Wie viel wollen Sie denn einklagen?
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Wie viel verdiene ich denn mit dem Fall?

lupe

Hintergrund:

Die Höhe der Anwaltsgebühren hängt ab vom Gegenstandswert, also zum Beispiel von der Klagesumme. Wenn der Anwalt Sie nach der Höhe der Klagesumme fragt, werden Sie nach Ihrer Antwort am anderen Ende der Leitung ein leises Rascheln hören. Denn auf jedem Anwaltsschreibtisch liegt stets griffbereit eine Gebührentabelle, in der der Anwalt sofort nachschlagen kann, wie viel er mit dem Fall verdient. Je nach Gegenstandswert kann es sein, dass das Gespräch wie folgt weitergeht:
sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Ich kann den Fall leider nicht übernehmen, weil ich arbeitsüberlastet bin.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Mit deinem Fall verdiene ich nichts. Geh zu einem anderen Anwalt.

missing image file
lupe

Hintergrund:

An Fällen mit geringen Streitwerten verdienen Anwälte nichts, sondern zahlen sogar drauf. Trotzdem müssen sie grundsätzlich solche Fälle annehmen. Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel. Die beliebteste Ausre… – Verzeihung – Ausnahme ist „Arbeitsüberlastung“. Anwälte, die zu viel zu tun haben, müssen keine weiteren Mandate mehr annehmen. Arbeitsüberlastung tritt bei Anwälten daher manchmal überraschend schnell auf.
merke_blau

Merke: Bevor der Wunschanwalt Gelegenheit hat, ganz beiläufig nach dem Gegenstandswert zu fragen, kann man ihn ebenso beiläufig fragen, ob er gerade sehr arbeitsüberlastet sei. Das wirkt sehr fürsorglich. Und dass man genau 18,60 € einklagen will, kann man ihm ja immer noch sagen, wenn er das Mandat angenommen hat …

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Sind Sie einverstanden, dass wir eine Gebührenvereinbarung schließen?
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Sind Sie einverstanden, dass ich Ihnen mehr abrechne, als ich ohne Gebührenvereinbarung abrechnen dürfte?

lupe

Hintergrund:

Ohne Honorarvereinbarung kann der Anwalt nur die gesetzlichen Gebühren abrechnen. Und die sind oft sehr niedrig. Mit einer Honorarvereinbarung, zum Beispiel auf Stundensatzbasis, kann er deutlich mehr verlangen. Ob der Mandant die Vereinbarung unterschreibt oder nicht, ist natürlich ihm überlassen.
merke_blau

Merke: Wenn der Anwalt mal wieder unter Arbeitsüberlastung leidet, können Honorarvereinbarungen wahre Wunder bewirken: Ganz plötzlich fühlt er sich gar nicht mehr so schrecklich überlastet!

Die Beratung
Wenn das Erstgespräch überstanden ist, geht es in die eigentliche Beratung, also zur Sache. Jetzt will der Mandant wissen: Wie stehen meine Chancen? Gewinne ich den Fall?
sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Kann es nicht doch sein, dass Ihnen – bevor Sie nur scheinbar völlig grundlos eine Vollbremsung hingelegt haben – plötzlich und überraschend ein Reh vor den Kühler gesprungen ist und Sie dafür auch noch einen Beifahrer als Zeugen haben?
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Lüg mir was vor, aber so, dass ich es nicht merke!

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Was haben Sie gesagt? Die Telefonverbindung war gerade ganz schlecht!
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Falsche Antwort. Denk noch mal nach! Da war doch ein Reh!? Und du hattest einen Beifahrer als Zeugen, oder …!!!?

lupe

Hintergrund:

Viele wird das überraschen: Anwälte müssen vor Gericht die Wahrheit sagen! Und was noch überraschender ist: Die meisten Anwälte halten sich sogar daran! Denn wenn sie vor Gericht beim Lügen erwischt werden, riskieren sie ihre Anwaltszulassung. Anders sieht es aus, wenn der Anwalt gar nicht weiß, dass er Stuss erzählt. Wenn die Mandanten ihren Anwalt also an den kritischen Stellen geschickt belügen, darf der vortragen, was man ihm erzählt hat.
merke_blau

Merke: Man sollte seinem Anwalt immer die Wahrheit sagen – es sei denn, man hat den Eindruck, dass er sie gar nicht hören will.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Das kommt darauf an.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Ja, ich wüsste auch gerne, ob du den Prozess gewinnst. Ich weiß es aber nicht, deshalb halte ich mir mal alles offen.

lupe

Hintergrund:

»Das kommt darauf an« ist der Lieblingssatz eines jeden Juristen. Fragen Sie einen beliebigen Juristen nach der Rechtslage in einem beliebigen Fall, Sie werden mit größter Wahrscheinlichkeit diese Antwort hören. Und warum? Weil das Recht eben nicht eindeutig ist. Und weil Anwälte möglicherweise sogar auf Schadensersatz haften, wenn sie eine falsche Rechtsauskunft geben, werden sie in aller Regel den Teufel tun und ihrem Mandanten sagen: „Klar hast du recht!“
Deshalb gibt es in der Juristerei kein Schwarz oder Weiß, sondern immer nur viele hübsche Grauschattierungen.
merke_blau

Merke: Schwarz und weiß sind bei Anwälten nur die Robe und die Krawatte (in Einzelfällen höchstens noch die Einnahmen und die Nasenscheidewand).
Ansonsten ist Jura eine ziemlich graue Angelegenheit.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Der Fall ist bisher nicht entschieden worden. Da betreten wir juristisches Neuland.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Ich bin entweder zu blöd, zu faul oder zu schlecht mit juristischer Literatur ausgestattet, um das richtige Urteil für deinen Fall zu finden. Also sage ich mal, es gibt gar keins. Wie es vor Gericht ausgeht, sehen wir dann ja.

lupe

Hintergrund:

Mandanten wollen natürlich wissen, wie ihr Fall ausgeht. Leider weiß der Anwalt das aber nicht immer. Das kann viele Ursachen haben: Eine Recherche würde sich bei dem niedrigen Streitwert nicht lohnen. In der Bibliothek des Junganwalts mit seiner Wohnzimmerkanzlei stehen nur drei alte Lehrbücher aus dem Studium oder – ja auch das gibt es – der Anwalt ist ganz einfach zu dumm, um die Lösung zu finden. Soll er deshalb etwa »Keine Ahnung« sagen und mit den Schultern zucken? Aber nein, damit ist wirklich niemandem gedient. »Ihr Fall ist etwas ganz Besonderes. So was gab es noch nie. Sie schreiben Rechtsgeschichte, aber ich weiß halt noch nicht welche!« – Das klingt doch schon ganz anders …
merke_blau

Merke: Juristisches Neuland ist manchmal nur für den Anwalt juristisches Neuland.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Das machen wir schon.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Was genau wir „schon machen“ und ob du gewinnst, weiß ich allerdings nicht.

lupe

Hintergrund:

Mandanten wollen mit einem guten Gefühl vom Anwalt zurückkommen. Dafür bezahlen sie ihn schließlich. Also nicken Anwälte ihren Mandanten zum Abschied sanft lächelnd zu und beruhigen sie mit Weisheiten von sorgfältig dosierter Verbindlichkeit wie »Das machen wir schon«. Der Mandant muss dann nur noch daran glauben – und schon geht es ihm besser.
merke_blau

Merke: Salbungsvolle Worte zu Glaubensfragen gibt es beim Pfarrer zwar deutlich billiger, der ist allerdings nur für das Jüngste Gericht zuständig. Wer aufmunternden Zuspruch für die irdischen Instanzen sucht, für den lohnt sich nach wie vor der Gang zum Anwalt.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Ja, aber natürlich können Sie mich gerne jederzeit anrufen, wenn Sie noch Fragen haben.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Auch noch Ansprüche stellen bei dem läppischen Streitwert! Sobald die Vorschussrechnung bezahlt ist, wirst du nicht mehr durchgestellt!

lupe

Hintergrund:

Auch ein Anwaltstag hat nur 24 Stunden. Anwälte benötigen daher nicht unbedingt täglich einen Anruf ihrer sämtlichen Mandanten, in dem diese sich „nur mal kurz nach dem Zwischenstand in meinem Verfahren“ erkundigen wollen.
merke_blau

Merke: Vertrauen Sie Ihrem Anwalt, er meldet sich schon von selbst, wenn es etwas Neues zu berichten gibt.

Vor Gericht
Manchmal geht es leider nicht anders und ein Fall landet vor Gericht. Auch hier kann es nicht schaden, wenn man weiß, was der Anwalt wirklich sagen will:
sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Mein Mandant kann aufgrund einer plötzlichen Erkrankung heute leider nicht selbst an der mündlichen Verhandlung teilnehmen.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Ich habe meinem Mandanten gesagt, dass er bloß nicht herkommen soll, damit er hier kein dummes Zeug redet.

lupe

Hintergrund:

Manche Mandanten hinterlassen beim Richter den besten Eindruck, wenn sie zu Hause bleiben. Anwälte entwickeln mit der Zeit ein sicheres Gespür dafür, wen man vor Gericht präsentieren kann und wen man lieber zu Hause lässt.
Manchmal kommt es allerdings auch vor, dass der Mandant ohne Absprache mit seinem Anwalt nicht in der Verhandlung erscheint. Das ist meistens gar nicht gut. Für den Richter ist der Unterschied allerdings kaum erkennbar. Denn der überraschte Anwalt wird zur Entschuldigung des Mandanten in der Regel ebenfalls etwas von »plötzlicher Erkrankung« oder »Stau auf der Autobahn« murmeln.
merke_blau

Merke: Wenn der Anwalt Ihnen sagt, dass Ihre Gerichtsverhandlung zwar bestimmt interessant wird, er Ihnen aber ans Herz legt, stattdessen die noch viel interessantere Wiederholung des Musikantenstadl zu gucken, dann sollten Sie seiner Menschenkenntnis Vertrauen schenken. Für seinen Musikgeschmack mag etwas anderes gelten.

sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Ich muss die Gegenseite nachdrücklich an ihre Wahrheitspflicht erinnern.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Frechheit, der Gegner lügt ja genauso unverfroren wie wir.

lupe

Hintergrund:

Das gegenseitige Erinnern an die Wahrheitspflicht ist ein beliebtes Ritual unter Rechtsanwälten. Es entspricht im Kern dem bekannten, meist länger zurückliegenden Dialog:
»Lügner!«»Selber Lügner!«
»Ich sag’s der Mama!«»Ich auch!«
und wird vom Richter auch ähnlich ernst genommen.
Mandanten mögen es trotzdem, wenn ihr Anwalt solche Dinge sagt. Und deshalb sagt er sie auch immer wieder.
merke_blau

Merke: Frühkindliche Prägungen spielen auch für die Streitkultur vor Gericht eine nicht zu unterschätzende Rolle.

sprechblase_frage

Anwalt sagt (zum jüngeren Gegenanwalt):

Lieber junger Kollege!
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Du Anfänger!

sprechblase_frage

Anwalt sagt (zum älteren Gegenanwalt):

Das war zu Ihrer Zeit natürlich anders, aber ich erläutere Ihnen das gerne!
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Du bist senil. Geh in Rente!

lupe

Hintergrund:

Vor Gericht spielt Psychologie eine wichtige Rolle. Es kann niemals schaden, den gegnerischen Anwaltskollegen ein wenig zu verunsichern. Ältere Anwälte schlagen gegenüber jüngeren Kollegen daher gerne einen väter-lich herablassenden Ton an. Damit ärgern sie den Jungspund und kompensieren gleichzeitig ihren Neid auf dessen noch uneingeschränkt bestehende Zeugungsfähigkeit. Der Junganwalt revanchiert sich am besten, indem er betont laut und deutlich spricht und immer wieder besorgt nachfragt, ob denn der ältere Kollege „AUCH WIRKLICH ALLES MITBEKOMMEN HAT“.
sprechblase_frage

Anwalt sagt:

Natürlich verschließt sich mein Mandant nicht einem vernünftigen Vergleich. Auch er will sich lieber gütlich einigen.
sprechblase_ausruf_blau

Anwalt meint:

Frieden? Niemals! Mein Mandant will den Gegner bluten sehen.

lupe

Hintergrund:

Für den Richter ist es immer bequemer, wenn die Prozessparteien einen gütlichen Vergleich schließen. Denn dann muss er kein Urteil schreiben und hat die Akte vom Tisch. Also erklärt er dem Kläger und dem Beklagten, dass eigentlich beide Seiten unrecht haben und deshalb auch beide den Prozess verlieren. Das ist zwar völlig unlogisch, funktioniert aber immer wieder: Irgendwann sind beide Seiten so mürbe, dass sie froh über irgendeinen Kompromiss sind, den der Richter vorschlägt.
Manchmal hat eine der beiden Seiten aber definitiv keine Lust auf den vorgeschlagenen Vergleich, sondern will noch eine Verbesserung erreichen. Das ist dann ein Problem. Denn wer sich störrisch zeigt, auf den prügelt der Richter in der mündlichen Verhandlung besonders übel ein. Der Gegner bekommt dann wieder Oberwasser und es wird noch schwieriger, einen besseren Vergleich herauszuholen. Also ist es furchtbar wichtig, ständig zu betonen, dass man ja „eigentlich“ einigungsbereit sei und nur der böse Gegner sich hartnäckig verweigere und deshalb richterliche Prügel verdiene.
merke_blau

Merke: Niemals empört dazwischenbrüllen und den Anwalt für bekloppt erklären, wenn der mit treuherzigem Blick behauptet, dass Sie sich eigentlich schon lange nach einer Aussöhnung mit Ihrer Exfrau sehnen und sich im Unterhaltsprozess für Ihre drei untergeschobenen Kuckuckskinder gütlich mit der gierigen Schlampe und ihrem neuen Lover einigen wollen.