Nie ohne Anwalt ...
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Warum fahren Sie in Urlaub? Richtig: Sie wollen entspannen, die Sonne genießen, billigen Rotwein trinken … Aber der wichtigste Grund, aus dem Deutsche in Urlaub fahren, ist: sich hinterher beschweren zu können.
»Boah, ich hab 2.800 Euro bezahlt und nicht mal Meerblick gehabt!«
»Ja, dann hätten Sie halt nicht in die Schweiz fahren dürfen!«
Oder man findet eine Kakerlake, und anstatt sie still und leise zu akzeptieren, macht man 4.000 Beweisfotos, jagt sie drei Tage, ruiniert dabei das halbe Hotelzimmer, schürft sich Arme und Beine auf, fängt sie schließlich, tut sie in ein Schraubglas, bringt das Corpus Delicti als Beweisstück mit nach Hause, nur um hinterher beim Anwalt zu sagen:
»Gucken Sie mal: Griechenland! Wie viel Prozent krieg ich denn da zurückerstattet?«
Gut, das sind jetzt kleine Beschwerden, aber in einem realen Fall hat ein deutscher Tourist mitten in Italien am Strand Wesen vorgefunden, skandalös, die waren noch deutlich größer als Kakerlaken – und als er dann in Brehms Tierleben nachschlug, da fand er heraus, das sind doch tatsächlich: ITALIENER!
Das muss man sich mal vorstellen – mitten in Italien, zivilisiertes EU-Land, und plötzlich sind da Italiener! Kein Mensch weiß, wo die herkommen, aber sie sind da! Und dann reden die auch noch laut! Italienisch! Also hat dieser Tourist beim Amtsgericht Aschaffenburg auf Minderung des Reisepreises geklagt, frei nach dem Motto: Italien wäre ja ganz schön, wenn nur die ganzen Italiener nicht wären! Und wenn es schon bei einer Kakerlake von 2,3 Gramm fünf Prozent zurückgibt, dann muss doch bei einem ausgewachsenen Italienerrudel richtig was an Kohle zurückkommen!
Aber da hatte Justitia wohl auf einem Auge eine Pizza – das Gericht urteilte nämlich, dass der Einheimische per se kein Reisemangel sei. Mit Italienern muss man in Italien also rechnen!
Ein Reisemangel ist es übrigens auch nicht, wenn Sie einmal im Leben in der Businessclass reisen: Schaumwein, Kanapees und liebreizendes Personal – die schönsten und teuersten Stunden Ihres Lebens –, aber der Mensch neben Ihnen schnarcht so laut, dass Sie nach getanem Trinkwerk nicht ebenfalls einschlafen können.
Ja, liebe Leser … das dürfen Mitreisende. Straflos. Weil das Schnarchen eine klassenunabhängige Eigenschaft ist. Und deshalb blieb ein Businessclass-Tourist mit seiner Klage auf Reisepreisminderung wegen eines schnarchenden Sitznachbarn vor dem Amtsgericht Frankfurt ohne Erfolg.
Ums Schlafen ging es auch in einem anderen Fall, allerdings ums Beischlafen. Ein Paar hatte sich auf Menorca ein Doppelzimmer gemietet und beide waren fest gewillt, das Urlaubserlebnis durch den einen oder anderen in gegenseitigem Einvernehmen vollzogenen Kopulationsakt sinnlich aufzuwerten. Doch beim Betreten der Verrichtungsstätte dann – blankes Entsetzen: Es stand kein Doppelbett zur Verfügung, sondern nur zwei Einzelbetten! Klarer Fall von Sabotage! Deutschland vergreist ohnehin schon und da wirft eine kinderreiche Insel wie Menorca vermehrungswilligen Deutschen noch Knüppel beim Kindermachen zwischen die Beine.
Also, was tun? Jetzt kann man sich natürlich sagen:
»Gut, Beischlaf fällt flach, lesen wir eben mal wieder ein gutes Buch.«
Aber das wäre natürlich demoskopisch unverantwortlich. Man kann auch sagen:
»O.K., paaren wir uns eben auf einem Einzelbett, das hat damals in der Jugendherberge ja auch geklappt.«
Jaja, aber für die Jugendherberge haben Sie nicht 1.800 Euro die Woche gezahlt und in der Jugendherbergszeit waren Sie auch noch nicht per Sie mit Ihrer Bandscheibe. Also wird im Urlaub gemuffelt und zu Hause geklagt.
Aber wie ist die Rechtslage? Gibt es wirklich Geld zurück, wenn die Betten nicht zusammenstehen? Nein, gibt es nicht, fand das Amtsgericht Mönchengladbach, denn: »dem Gericht waren mehrere Formen des Beischlafs bekannt, in denen ein Bett ausgereicht hätte!«
Außerdem, so das Gericht, hätten die beiden die Betten ja zusammenbinden können, zum Beispiel mit ihren Gürteln. Die brauche man in dieser Situation schließlich nicht.
Ob diese Einschätzung des Gerichts nicht ein wenig fantasielos ist, sei einmal dahingestellt.
Immerhin hatte die Sache ein Gutes – der Richter konnte vor dem Verhandlungstermin ganz offen im Kamasutra lesen und seiner Frau sagen:
»Es ist nicht, was du denkst, das ist rein beruflich!«
Wir fassen zusammen: Italiener am Strand, Schnarcher in der Businessclass und Einzelbetten im Doppelzimmer sind also keine Reisemängel. Aber wofür gibt es Geld zurück? Diese Frage beantwortet die vom Landgericht Frankfurt aufgestellte „Frankfurter Tabelle“. Sie listet alle erdenklichen Mängel zu den Bereichen „Unterkunft“, „Verpflegung“, „Transport“ und „Sonstiges“ auf und sagt auch, wie viel Prozent es zurückgibt, wenn irgendetwas nicht stimmt.
Sie möchten in Ihrem nächsten Urlaub mal richtig viel Spaß haben und auch noch Geld sparen? Dann drucken Sie sich doch die „Frankfurter Tabelle“ aus dem Internet aus und halten sie im nächsten Urlaub immer griffbereit. Unterziehen Sie Hotel, Strand und Personal einer gewissenhaften Überprüfung und arbeiten Sie alle Punkte der Tabelle ab. Sie können aus der Reisemängelsuche auch ein lustiges Gesellschaftsspiel machen. Suchen Sie mit Ihren Mitreisenden um die Wette! Wer am Ende des Urlaubs die prozentträchtigsten Mängel gefunden und mit der Kamera dokumentiert hat, hat gewonnen!.
Von der Rückerstattungssumme für zwei Wochen Malediven ist in der Regel noch einmal locker eine Woche Türkei drin. Die wiederum reicht für ein verlängertes Wochenende im Weserbergland, und wenn es da genauso hakt, springt am Schluss vielleicht sogar noch ein Wellnesstag in Ihrem örtlichen Spaßbad heraus.
Gute Erholung!
Bevor Sie sich aber an die ausführliche Liste wagen – hier zum Einlesen die

TOP 5 der lohnendsten Urlaubspannen

Reisepreisminderung – sehr frei nach der „Frankfurter Tabelle“

Das „Hotel am Strand“ liegt in Wahrheit …

im nahen Stadtkern, etwa 300 m vom Strand.

5 %

im reizenden Hinterland, ca. 2,5 km vom Strand.

10–15 %

Welcher Strand?

50–100 %

Das Doppelzimmer eines Ehepaares ist tatsächlich …

ein Dreibettzimmer, zusätzlich belegt mit dem 10-jährigen Sohn.

10 %

ein Dreibettzimmer, zusätzlich belegt mit sechs englischen Fußballfans.

100 %

ein Dreibettzimmer, zusätzlich belegt mit zwei blonden schwedischen Stewardessen. Die Ehefrau wird in ein 60 km entferntes Hotel ausquartiert.

Hört auf zu träumen, Männer!

Das gebuchte Zimmer „mit Bad und WC“ …

teilt sich Bad und WC mit drei anderen Zimmern.

15–25 %

teilt sich Bad und WC mit drei anderen Etagen.

50 %

Bad und WC? Das kann man auch alles im Meer erledigen.

100 %

Das Essen im Hotel …

besteht jeden zweiten Tag aus Spaghetti mit Ketchup.

5 %

besteht jeden zweiten Tag aus kalten, versalzenen Spaghetti mit Ketchup.

20–30 %

besteht jeden Tag aus keinen Spaghetti und auch sonst aus nichts.

50 %

Ungeziefer im Hotelzimmer

Vereinzelte Kakerlaken verstecken sich vor Schreck hinter dem Kleiderschrank, wenn die Urlauber nachts das Licht anschalten.

10–20 %

Die Urlauber verstecken sich vor Schreck im Kleiderschrank, wenn sie nachts das Licht anschalten.

50 %

Ein Kleiderschrank ist hinter den Kakerlaken nicht mehr erkennbar, wenn die Urlauber nachts das Licht anschalten.

100 %