... ins Bett
Das Recht regelt bekanntlich alle Bereiche unseres Lebens. Auch unser Intimleben bleibt nicht davor verschont, von Juristen bis ins letzte Detail ausgeleuchtet, definiert und beurteilt zu werden. Was verstehen eigentlich Juristen unter Beischlafpflicht, Ehebruch und „normalem“ Sex? Na, das wollen wir uns doch einmal genauer ansehen!
Beischlafpflicht
Der Mann kommt abends ins Schlafzimmer zu seiner Frau. – Die Situation kennen alle.
Er hat auch noch Lust auf seine Frau. – Die Situation kennen einige.
Doch die Gattin ist „müde“ oder leidet wahlweise an Kopfschmerzen, Keuchhusten oder Cholera. Da fragt sich der Mann natürlich irgendwann:
»Darf die das eigentlich? Oder kann man von ihr nicht auch mal verlangen, dass sie sich ein Aspirin ein-wirft oder einen Kaffee trinkt gegen die ewige Müdigkeit?«
Und genau so ist es. Schauen wir mal ins Gesetz. Dort ist die Beischlafpflicht charmant umschrieben geregelt:
Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet.
(BGB § 1353 Absatz 1)
Das musste doch mal gesagt werden! Und wie muss der Sex dann ablaufen? Gibt es zu dieser Frage auch ein Gesetz? Das nicht. Aber trotzdem hatte der Bundesgerichtshof dazu noch in den Sechzigerjahren seine klaren Vorstellungen:
Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung (…) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Widerwillen oder Gleichgültigkeit zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet.
(BGH NJW 1967, 1078)
Wer heiratet, der verpflichtet sich also zu lebenslangem Sex – natürlich mit dem Ehepartner, das ist der Haken. Aber immerhin! Die gute Nachricht an diesem Urteil für alle Frauen: Damit ist nun endlich geklärt, dass das Vortäuschen des Orgasmus völlig legal ist. Manchmal kann es sogar rechtlich geboten sein!
Bevor jetzt empörte Briefe kommen: Ja, die Beischlafpflicht gilt natürlich für beide Partner, also auch umgekehrt für den Mann!
Aber was passiert eigentlich, wenn der Partner, egal ob Mann oder Frau, sich nicht an die eheliche Sexpflicht hält? Soll man dann vielleicht den Gerichtsvollzieher herbeirufen und mit einer sogenannten „Ersatzvornahme“ nach § 887 Zivilprozessordnung beauftragen? Wenn das ginge, würde der Beruf des Gerichtsvollziehers möglicherweise ganz neuen Zulauf erhalten. Leider – oder zum Glück – wird es so weit aber nicht kommen. Denn gerichtlich durchsetzbar ist die eheliche „Sexpflicht“ natürlich nicht.
Ganz ungeschoren kommt der Sexmuffel aber möglicherweise trotzdem nicht davon. Denn nach der Scheidung können ihm (oder ihr) die Unterhaltsansprüche gekürzt werden. So geschah es einer Frau, die ihren Mann in drei Jahren Ehe immer nur hingehalten hatte. „Zur Strafe“ gab es für sie deutlich weniger Unterhalt:
Die grundlos gebliebene, weil von ihr nie erklärte Verweigerung der Klägerin reduzierte die nur äußerlich gelebte Gemeinschaft der Ehegatten derart, dass auch ihr Anspruch auf Unterhalt zu reduzieren ist.
(AG Brühl, NJWE-FER 2000, Heft 03 51)
Praxistipp: Bei Ihnen herrscht Flaute im Ehebett? Dann bringen Sie doch mal wieder ein bisschen Feuer in die Beziehung! Nehmen Sie beim nächsten Mal das Bürgerliche Gesetzbuch mit ins Bett und hauen Sie Ihrem lustlosen Partner § 1353 Absatz 1 BGB um die Ohren! Das wirkt nicht? Dann drohen Sie mit der Kürzung von Unterhaltsansprüchen! Funktioniert auch nicht? – Dann lässt sich Liebe wohl auch nicht mit dem Anwalt erzwingen. Wer hätte das gedacht?
Ehebruch
Argumentative Schützenhilfe für Fremdgeher kommt manchmal von völlig unerwarteter Seite. Das Reichsgericht musste Ende des 19. Jahrhunderts einmal definieren, was eigentlich unter Ehebruch zu verstehen sei. Wer von seinem Ehepartner beim Flirten mit einem oder einer anderen erwischt wird, sollte unbedingt diese beiden Entscheidungen parat haben:
Der Ehebruch, ein „Vergehen gegen die Sittlichkeit“, wird, der Natur der Sache (…) entsprechend, durch die Geschlechtsvereinigung eines Ehegatten mit einer dritten Person erfüllt.
(RGSt. 7, S. 298, 299)
Dagegen stellt ein unerlaubter schamloser Verkehr des einen Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts, mag er noch so sehr den Regeln und Geboten der Ehre, Zucht und Sitte Hohn sprechen, für sich allein, falls es faktisch nicht bis zur Vollziehung des Beischlafs gekommen ist, einen Ehebruch (…) nicht dar, gibt daher dem unschuldigen Ehegatten keinen Scheidungsgrund aus diesem Gesetze.
(RGSt. 14, S. 352, 354)
Na das ist doch eine Aussage! Das nächste Mal, wenn Sie nackt in einem fremden Kleiderschrank aufgegriffen werden, müssen Sie also nicht wieder behaupten, Sie seien der Heizungsableser. Es reicht völlig, wenn Sie sagen:
»Ätsch, du kannst uns gar nichts, wir haben nämlich nur Petting gemacht!«
Ob Sie mit dieser Nummer durchkommen, dafür übernimmt der Langenscheidt-Verlag allerdings keine Haf-tung …
Liebhaber verprügeln
Ein Ehemann kam früher als erwartet von der Schicht und erwischte seine Frau dabei, wie sie sich im Ehebett mit einem anderen Mann vergnügte. Dem bekam das Abenteuer gar nicht gut, denn der gehörnte Ehemann prügelte ihn grün und blau. Vor dem Landgericht Paderborn sahen sich die beiden wieder, denn der verprügelte Liebhaber klagte auf Schmerzensgeld. Die Richter sahen die Klage kritisch:
Trifft ein Ehemann im Schlafzimmer der Ehewohnung seine Ehefrau in flagranti mit einem Dritten an und greift er daraufhin in aufflammendem Zorn den Liebhaber der Ehefrau tätlich an und verletzt ihn, so kann das Mitverschulden des Verletzten im Einzelfall so hoch zu bewerten sein, dass jedenfalls ein Schmerzensgeldanspruch nicht besteht. So liegt der Fall hier. (…) Der Schmerzensgeldanspruch dient grundsätzlich nicht dem Zweck, demjenigen, der in eine fremde Ehe eindringt, hierbei im ehelichen Schlafzimmer in flagranti gestellt wird und sich dann einem nach den Umständen zu erwartenden körperlichen Angriff des Ehemannes ausgesetzt sieht, hierfür noch eine Genugtuung in Form eines Schmerzensgeldes zu verschaffen. (LG Paderborn, NJW 1990, S. 260)
Praxistipp: Den Liebhaber der Ehefrau zu verprügeln kann sehr befreiend sein – und es kostet noch nicht einmal etwas!
Stellungswechsel
Licht aus, Socken anlassen und dann 12 Minuten Missionarsstellung. So läuft ordnungsgemäßer Sex in Deutschland ab. Aber kann man von seinem Ehepartner auch einmal einen Stellungswechsel verlangen? Oder ist so etwas unnormal und eine unzumutbare Schweinerei? Allerdings! – meinte jedenfalls ein Richter am Oberlandesgericht Stuttgart:
Lehnt ein Ehegatte Geschlechtsverkehr außerhalb der normalen Stellung oder Art (Petting) ab, so hat sich der andere zu fügen und zu der normalen Art zurückzukehren.
(BGB-RGRK, 12. Aufl. 1984, § 1353, Rn. 33)
Unwilligen Ehepartnern, denen die Beischlafpflicht aus § 1353 Abs. 1 BGB vorgehalten wird, kann diese Rechtsauffassung zumindest eine gewisse Erleichterung verschaffen:
»Na gut Eberhard, aber ich muss nur in der normalen Stellung und in der normalen Art. Also komm mal schön wieder runter von der Kommode und zieh gefälligst meine Pumps aus!«
Poppen
Was bedeutet eigentlich „poppen“? Diese Frage musste das Oberlandesgericht Hamburg klären, denn eine Beklagte fand, dass unter diesem Begriff doch wohl jeder das Gleiche verstehe – nämlich die Herstellung von Popcorn.
Entgegen der Annahme der Beklagten ist den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, keineswegs seit frühester Kindheit die Herstellung von Popcorn als „poppen“ bekannt. Den Begriff „poppen“ kennen die Senatsmitglieder zwar, allerdings nicht von Kindesbeinen an, sondern erst etwa seit der Pubertät und in einem völlig anderen Zusammenhang, was hier aber nicht vertieft zu werden braucht. Die Verbindung zu Popcorn hilft also nicht weiter.
(OLG Hamburg GRUR-RR 2003, S. 266)
Zungenkuss
Ein Autofahrer hatte einer Anhalterin mit beiden Händen die Kiefer auseinandergepresst und seine Zunge dreimal hintereinander in ihren Mund gesteckt. Soll das etwa schon eine strafbare Unzucht sein?
Oder ist so etwas noch keine unzüchtige Handlung, sondern höchstens eine Nötigung? Schauen wir mal, was der BGH noch 1963 von aufgezwungenen Zungen-küssen hielt:
Zungenküsse aus Sinnenlust sind nicht ohne Weiteres unzüchtige Handlungen. Sie sind es in der Regel, wenn sie Kindern unter 14 Jahren oder von einem Manne einem anderen Manne gegeben werden. (…) Der dreifache Zungenkuss spielte sich (…) verhältnismäßig schnell ab. Der Angeklagte betastete dabei auch nicht den weiblichen Körper. Unter diesen Umständen waren die Zungenküsse trotz der wollüstigen Absicht nur eine ungehörige handgreifliche Zudringlichkeit, die das allgemeine geschlechtliche Scham- und Sittlichkeitsgefühl nicht in einem solchen Maß verletzte, dass eine unzüchtige Handlung (…) vorläge.
(BGH NJW 1963, S. 597)
Nur eine harmlose Zudringlichkeit also! Oder mit anderen Worten: Wenn ein Mann einer Frau Zungenküsse aufzwingt, dann ist das nur dann unzüchtig, wenn es zu lange dauert, er die Frau außerdem noch begrapscht – oder sich herausstellt, dass die Frau eigentlich ein Mann ist.
Nicht, was Sie denken!
Nicht alles, was nach Sex klingt, ist auch wirklich sexy. Manche rechtlichen Fachbegriffe sind viel harmloser als sie auf den ersten Blick scheinen! Hätten Sie vermutet, was ein Jurist unter den folgenden Begriffen versteht?
Abgang
Wer die so bezeichnete Flucht aus der Justizvollzugsanstalt geschafft hat, hat aus Freude darüber manchmal gleich noch einen – und das endlich wieder, ganz ohne dass die Wachen ihm dabei zugucken können.
Befriedigung
Anderes Wort für die Erfüllung eines Rechtsanspruchs. Mehr sollten Sie sich hiervon bitte nicht erhoffen!
besorgen (Es ist zu ~)
Juristen würden niemals sagen, dass etwas „zu befürchten“ ist. Sie verwenden stattdessen lieber Begriffe, die man normalerweise nur aus ganz anderen Zusammenhängen kennt. Eine Aufforderung zur Vornahme unzüchtiger Handlungen ist damit jedoch nicht verbunden.
Fruchtlosigkeitsbescheinigung
Damit bestätigt Ihnen der Gerichtsvollzieher, nachdem er Sie aufgesucht und eingehend überprüft hat, dass bei Ihnen wirklich nichts mehr geht. Sie suchen ein bisschen Zärtlichkeit und wollen jetzt wissen, wie man sich von dem Herrn oder der Dame mal unverbindlich überprüfen lassen kann? Vergessen Sie es! Mit diesem Wisch bekommen Sie lediglich bestätigt, dass Sie nichts mehr zahlen können. Eine gerichtliche Zwangsvollstreckung bei Ihnen wäre also zwecklos. Alles andere geht (hoffentlich) noch.
Veranlagung
Dieser Begriff beschreibt nicht die Gesamtheit der kleinen Schweinereien, mit denen sich manch einer immer so viel Spaß bereitet, sondern die Gesamtheit der großen Schweinereien, mit denen das Finanzamt manch einem immer so wenig Spaß bereitet.
Verkehr
Das, was Sie jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit erleben – nein, nicht im Auto, sondern drumherum.
Zuchtmittel
Sie werden vom Gericht verhängt, wenn Sie nicht parieren. Vom Gericht! Nicht von Ihren zweifelhaften Kontakten aus den hinteren Seiten der Tageszeitung!