Nr. 46/2008
Das Landgericht Kassel hat den Angeklagten Werner H. wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten und seine Ehefrau Michaela H. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Geschädigte, ein 1973 geborener, geistig leicht behinderter Mann, seit Ende 2002 im Haushalt der Eheleute H. Die Eheleute verwendeten die an den Geschädigten ausgezahlten Sozialleistungen zusammen mit dem übrigen Familieneinkommen, ohne dass dieser hierauf Zugriff hatte. Auf Grund körperlicher Misshandlungen durch Werner H. und unzureichender Ernährung verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Geschädigten bis zum Sommer des Jahres 2003 zunehmend.
Am Abend des 6. Juli 2003 misshandelte Werner H. den Geschädigten aus nichtigem Anlass, wobei er ihm mit einem hölzernen Schemel mindestens sechsmal auf Kopf und Oberkörper schlug; der Geschädigte erlitt dabei neben anderen Verletzungen mehrere Knochenbrüche im Gesichtsbereich. Am Abend des nächsten Tages erkannten die Eheleute H., dass der Geschädigte jedenfalls ohne ärztliche Hilfe noch im Laufe der nächsten Nacht versterben würde. Sie entschlossen sich, den Geschädigten in Thüringen auszusetzen, um behaupten zu können, er sei aus eigenem Entschluss von ihnen weggegangen, und so sein Verschwinden zu vertuschen. Mit Hilfe eines mitangeklagten Mannes und einer in einem gesonderten Verfahren verfolgten Frau brachten die Eheleute H. den noch lebenden Geschädigten mit einem Kleinbus zum Bahnhof in Eisenach, wo Werner H. den Mitfahrenden jedoch erklärte, den Geschädigten nun doch in ein Krankenhaus in Kassel bringen zu wollen. Während einer Rast an einem Parkplatz bei Eisenach stellten die Angeklagten fest, dass der Geschädigte inzwischen gestorben war. Sie ließen seine Leiche darauf in einem Waldstück in der Nähe, versteckt hinter einem Holzstapel, liegen, wo sie am 18. Juli 2003 entdeckt wurde.
Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten Werner H. vom 6. Juli 2003 als gefährliche Körperverletzung gewürdigt, da sich hinreichende Anhaltspunkte für einen Tötungsvorsatz nicht ergeben hätten und sich auch eine Ursächlichkeit dieser Tat für den Tod des Geschädigten nicht sicher habe feststellen lassen. Das Verhalten der beiden Angeklagten in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2003 hat das Landgericht als versuchten Verdeckungsmord durch Unterlassen gewertet. Das Landgericht ist nur von einem Versuch des Mordes ausgegangen, weil es zu Gunsten der Angeklagten angenommen hat, der Geschädigte sei auch bei sofortigem ärztlichem Eingreifen schon nicht mehr zu retten gewesen.
Auf die Revision der Mutter des Getöteten, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat, hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Urteil des Landgerichts aufgehoben, soweit es die angeklagten Eheleute H. betrifft, und hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen, weil die Beweiswürdigung in verschiedener Hinsicht Lücken enthält und deshalb rechtsfehlerhaft ist. Das Landgericht ist zur Frage der Ursächlichkeit der Tat vom 6. Juli 2003 für den Tod des Geschädigten von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und hat trotz der Massivität und Vielzahl der Schläge und Tritte auch an die Annahme eines Tötungsvorsatzes zu hohe rechtliche Anforderungen gestellt. Zudem hat es rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 221 Abs. 1, 3 StGB (Aussetzung) sowie des § 225 Abs. 1 in Verbindung mit § 227 Abs. 1 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) nicht geprüft.
Der neue Tatrichter wird danach insgesamt neu zu prüfen haben, ob und in welcher Weise den angeklagten Eheleuten H. der Tod des Geschädigten rechtlich zuzurechnen ist.
Urteil vom 5. März 2008 – 2 StR 626/07
Landgericht Kassel – Urteil vom 29. Juni 2007 - 6 Ks 2620 Js 46369/05
Karlsruhe, den 5. März 2008
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