Bundesgerichtshof
Nr. 3/2003
Bundesgerichtshof erklärt Wiederaufnahme eines Verfahrens
wegen Völkermordes teilweise für zulässig
Der Antragsteller, ein bosnischer Serbe, ist rechtskräftig wegen Völkermordes in Tateinheit mit Mord in 30 Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In dem Urteil ist die besondere Schwere der Schuld festgestellt, so daß er nicht mit einer Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe rechnen kann.
Nach dem Urteil wirkte der Verurteilte in Bosnien im Rahmen von sogenannten "ethnischen Säuberungen" an der Tötung von 30 Menschen der muslimischen Bevölkerungsgruppe mit und erschoß dabei Mitte Juni 1992 gemeinsam mit einem weiteren Täter 22 Frauen, Behinderte und ältere Männer in dem Ort Grabska. Die Feststellungen zu den Erschießungen in Grabska beruhten allein auf der Aussage des Zeugen Mirsad H., der seinen Angaben zufolge das Geschehen beobachtet hatte.
Der Verurteilte hat die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt und Gründe dafür vorgetragen, daß es sich bei dem Belastungszeugen "Mirsad H." tatsächlich um dessen Bruder Enes H. gehandelt habe. Dieser habe unter Eid falsche Personalien angegeben und die Vorgänge, die er als Zeuge in der Hauptverhandlung geschildert habe, nicht wahrnehmen können, da er zur angeblichen Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Antrag als unzulässig verworfen, weil es auch beim Wegfall der 22 Mordfälle in Grabska bei einer Verurteilung wegen Völkermordes in Tateinheit mit Mord in (nunmehr noch) acht Fällen verbliebe und sich auch an der lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der Feststellung der besonderen Schuldschwere nichts änderte.
Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Tötung der 22 Einwohner von Grabska die Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig erklärt. Maßgeblich dafür war die Erwägung, daß die Korrektur eines den Verurteilten schwer belastenden Schuldspruchs (Aufhebung der Verurteilung wegen Mordes in 22 Fällen) auch dann möglich sein müsse, wenn die verbleibende Verurteilung wegen Völkermordes in Tateinheit mit Mord in acht Fällen eine Änderung der verhängten Strafe nicht zulasse.
Das Wiederaufnahmeverfahren wird von dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf durchgeführt werden.
Beschluß vom 20. Dezember 2002 - StB 15/02
Karlsruhe, den 22. Januar 2003
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