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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. XII ZR 93/99
  4. URTEIL
  5. in dem Rechtsstreit
  6. Verkündet am:
  7. 10. Oktober 2001
  8. Breskic,
  9. Justizangestellte
  10. als Urkundsbeamtin
  11. der Geschäftsstelle
  12. -2-
  13. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 10. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
  15. Richter Gerber, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats
  18. des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 24. Februar 1999
  19. im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des
  20. Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 10. März
  21. 1998 wegen eines 28.200 DM zuzüglich Zinsen übersteigenden
  22. Betrages zurückgewiesen worden ist.
  23. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
  24. und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  25. Von Rechts wegen
  26. Tatbestand:
  27. Die Parteien (beziehungsweise auf seiten der Beklagten zu 2 deren
  28. Rechtsvorgängerin) schlossen am 10. Mai 1995 einen schriftlichen Mietvertrag
  29. über ein gewerbliches Grundstück in G.. Der Beklagte betrieb in Form einer
  30. von ihm beherrschten GmbH eine Citroën-Vertragswerkstatt und wollte diesen
  31. Betrieb in den neu angemieteten Räumen weiterführen. Als Mietzins wurden
  32. -3-
  33. 17.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer pro Monat vereinbart. Das Vertragsverhältnis sollte am 1. April 1996 beginnen und bis zum 31. März 2006 andauern.
  34. In § 1 Nr. 2 des Mietvertrages heißt es:
  35. "Der Vermieter vermietet an den Mieter die in der als Anlage 1
  36. diesem Vertrag beigefügten Lageplanskizze rot umrandete Gebäudefläche des Grundstücks in ... mit einer ungefähren Fläche
  37. von 1100 qm sowie benötigte Sozialräume im Nebengebäude (rot
  38. schraffiert). Ein geeigneter Lagerplatz für den anfallenden Gewerbemüll (ca. 60 qm) wird ebenfalls zur Verfügung gestellt.
  39. Ca. 100 Stellplätze stehen zur Mitbenutzung zur Verfügung."
  40. Die Firma Citroën fand das Anwesen in der bestehenden Form nicht hinreichend attraktiv und verlangte den Bau einer besonderen Ausstellungshalle
  41. für Neufahrzeuge und das Anbringen einer großen Leuchtreklame. Beides
  42. konnte wegen einer Veränderungssperre nicht genehmigt werden. Das führte
  43. dazu, daß die Firma Citroën den Vertragshändlervertrag mit dem Beklagten
  44. kündigte. Der Beklagte war um eine Auflösung des Mietverhältnisses bemüht
  45. und teilte im Oktober 1995 den Vermietern und auch der bisherigen Mieterin,
  46. der Firma R. (dieser mit Schreiben vom 30. Oktober 1995) mit, daß er das Objekt wegen der Kündigung des Vertragshändlervertrages nicht beziehen werde.
  47. Die Firma R. wandte sich daraufhin an die Vermieter mit der Bitte, mit ihr einen
  48. Fortsetzungsmietvertrag abzuschließen.
  49. Mit Schreiben vom 22. März 1996 boten die Vermieter dem Beklagten
  50. die Übergabe des Mietobjekts zum 1. April 1996 an. Gleichzeitig teilten sie mit,
  51. wenn der Beklagte das Mietobjekt nicht nutzen wolle, könne ein Mietvertrag mit
  52. der Firma R. geschlossen werden, allerdings zu einem niedrigeren Mietzins.
  53. Sie forderten den Beklagten auf, sein Einverständnis mitzuteilen. Der Beklagte
  54. antwortete mit Telefax vom 23. März 1996, er gehe davon aus, daß ein Mietvertrag mit ihm nicht mehr bestehe, hilfsweise erkläre er die Anfechtung des
  55. -4-
  56. Vertrages. Mit Schreiben vom 25. März 1996 teilten die Vermieter dem Beklagten mit, sie hätten inzwischen einen Mietvertrag mit der Firma R. abgeschlossen, sich darin aber einen Rücktritt vorbehalten für den Fall, daß der Beklagte das Mietobjekt doch noch übernehmen wolle. Außerdem kündigten sie
  57. an, daß sie gegen den Beklagten die Differenz zwischen dem mit ihm und dem
  58. mit der Firma R. vereinbarten Mietzins (17.000 DM - 7.600 DM = 9. 400 DM)
  59. geltend machen würden.
  60. Mit der Klage begehren die Kläger die Mietzinsdifferenz für den Zeitraum
  61. von April bis einschließlich Dezember 1996. Das Landgericht hat der Klage bis
  62. auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Die Berufung des
  63. Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen
  64. Antrag auf Klageabweisung weiter. Durch Beschluß vom 27. Juni 2001 hat der
  65. Senat die Annahme der Revision abgelehnt, soweit den Klägern durch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten 28.200 DM zuzüglich Zinsen zugesprochen worden sind. Das ist die geltend gemachte Mietzinsdifferenz bis einschließlich Juni 1996.
  66. Entscheidungsgründe:
  67. Im Umfang der Annahme führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  68. 1. Zu Unrecht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme
  69. des Berufungsgerichts, es liege kein wucherähnliches Geschäft vor und des-
  70. -5-
  71. halb sei der Mietvertrag nicht nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Diese Annahme ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft
  72. nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem
  73. auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (Senatsurteil BGHZ 141, 257, 263 m.N.). Das Berufungsgericht hat die Behauptung der Kläger, der mit der Firma R. vereinbarte Mietzins
  74. sei marktüblich, als richtig unterstellt und deshalb ist in der Revisionsinstanz
  75. davon auszugehen, daß bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag objektiv ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Rechtlich nicht zu beanstanden sind jedoch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, eine verwerfliche Gesinnung der Vermieter
  76. könne nicht festgestellt werden. Der für solche Mietobjekte zu erzielende Mietzins unterliege starken Preisschwankungen und es sei "äußerst schwierig" zu
  77. erkennen, welcher Preis für ein solches Objekt marktüblich sei. Wenn ein Vermieter in dieser Situation zu einem - objektiv betrachtet - überhöhten Mietzins
  78. abschließe, könne man allein daraus nicht herleiten, daß er sich von einer ve rwerflichen Gesinnung habe leiten lassen. Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des Senates zu dieser Frage (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - ZIP 2001, 1633, 1635 f.).
  79. 2. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Anspruch der Kläger
  80. auf Zahlung der Mietzinsdifferenz stehe nicht entgegen, daß sie das Mietobjekt
  81. an die Firma R. weitervermietet hätten, steht im Einklang mit der inzwischen
  82. ergangenen Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 22. Dezember
  83. 1999 - XII ZR 339/97 - ZMR 2000, 207 f. m.N.).
  84. -6-
  85. 3. Das Berufungsurteil kann aber keinen Bestand haben, soweit den
  86. Klägern die Mietzinsdifferenz zugesprochen worden ist für die Zeit nach dem
  87. 30. Juni 1996. Die Kläger können einen solchen Anspruch nämlich nicht geltend machen für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses. Nach den
  88. bisherigen tatsächlichen Feststellungen ist es aber nicht auszuschließen, daß
  89. das Mietverhältnis durch ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1996 beendet
  90. worden ist. Zwar haben die Vertragsparteien eine feste Laufzeit des Mietvertrages bis zum Jahre 2006 vereinbart. Eine solche Laufzeitvereinbarung ist
  91. jedoch nur wirksam, wenn der Mietvertrag dem Schriftformerfordernis des
  92. § 566 BGB a.F. = § 550 BGB n.F. entspricht. Die Schriftform ist nach ständiger
  93. Rechtsprechung des Senats nur eingehalten, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen, zu denen die genaue Bezeichnung des Mietgegenstandes
  94. gehört, aus der Vertragsurkunde ergeben (Senatsurteil BGHZ 142, 158, 161
  95. m.N.). In dem zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Mietvertrag
  96. wird zur Bezeichnung des Mietobjekts auf eine Anlage verwiesen. Diese Anlage ist nicht zu den Akten gereicht worden und es fehlt auch jeder Vortrag der
  97. Kläger dazu, ob sie bei Vertragsschluß vorgelegen hat und welche Angaben in
  98. ihr enthalten waren. Wenn die Vertragsschließenden wesentliche Bestandteile
  99. des Mietvertrages nicht in die Vertragsurkunde selbst aufnehmen, sondern in
  100. andere Schriftstücke auslagern, so daß sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bestimmungen ergibt, muß zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht werden (Senatsurteil BGHZ aaO m.N.). Da diese Voraussetzungen für
  101. die Einhaltung der Schriftform nicht festgestellt worden sind, ist für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß der Mietvertrag in den Jahren 1995/1996
  102. nach der damals geltenden gesetzlichen Regelung (§ 566 BGB a.F.) unter Ein-
  103. -7-
  104. haltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum "Schluß des ersten Jahres" gekündigt werden konnte.
  105. b) Eine Kündigung kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen,
  106. wenn sich aus ihm zweifelsfrei ergibt, daß eine Partei das Mietverhältnis beenden möchte (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet- Pacht- und
  107. Leasingrechts, 8. Aufl., Rdn. 864). Das Berufungsgericht hat - in anderem Zusammenhang - festgestellt, der Beklagte habe den Klägern bereits im Oktober
  108. 1995 mitgeteilt, daß er das Mietobjekt (wegen der Kündigung seines Vertragshändlervertrages durch die Firma Citroën) definitiv nicht beziehen werde (BU 9
  109. unten). Diese Mitteilung ist als schlüssig erklärte Kündigung des Vertrages
  110. auszulegen. Nach der damals geltenden Rechtslage war die Kündigung eines
  111. Mietverhältnisses auch schon vor der Überlassung der Mietsache zulässig
  112. (Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 920 m.N.) und das erste Jahr, für dessen Schluß
  113. die Kündigung nach § 566 BGB a.F. frühestens zulässig war, rechnete bei einem noch nicht vollzogenen Mietvertrag vom Abschluß des Vertrags und nicht
  114. von der Übergabe der Mietsache an (BGHZ 99, 54; Senatsurteil vom
  115. 22. Dezember 1999 - XII ZR 339/97 - aaO). Der Mietvertrag datiert vom 10. Mai
  116. 1995, so daß die Sperrfrist des § 566 BGB a.F. am 10. Mai 1996 abgelaufen
  117. ist. Auf die Wirksamkeit einer im Jahre 1995 erklärten Kündigung hat die Einführung des neuen Mietrechts zum 1. September 2001 (§§ 550, 578 BGB n.F.)
  118. keinen Einfluß. Nach dem am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen § 565
  119. Abs. 1 a BGB a.F. konnte der Beklagte das Mietverhältnis im Oktober 1995
  120. zum 30. Juni 1996 kündigen.
  121. 4. Soweit den Klägern Ansprüche für die Zeit nach dem 30. Juni 1996
  122. zugesprochen worden sind, kann das Berufungsurteil deshalb keinen Bestand
  123. haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden
  124. -8-
  125. (§ 565 Abs. 3 ZPO). Daß mangels Einhaltung der Schriftform eine ordentliche
  126. Kündigung des Mietvertrages in Betracht kommt, ist in den Tatsacheninstanzen
  127. weder von den Parteien noch vom Gericht gesehen worden. Hätte das Berufungsgericht dies gesehen, hätte es den Klägern einen entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO) geben müssen. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß
  128. die Kläger nach einem solchen Hinweis in der Lage gewesen wären, die in dem
  129. schriftlichen Mietvertrag erwähnte Anlage vorzulegen und darzulegen, daß diese Anlage bei Vertragsschluß vorgelegen hat, daß in ihr das Mietobjekt hinre ichend genau bezeichnet ist und daß die Zusammengehörigkeit der Anlage mit
  130. dem schriftlichen Mietvertrag zweifelsfrei kenntlich gemacht worden ist. Die
  131. Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit die Parteien Gelegenheit haben, hierzu vorzutragen, und damit das Berufungsgericht
  132. anschließend
  133. die
  134. notwendigen
  135. Feststellungen
  136. nachholen
  137. kann
  138. (vgl.
  139. MünchKommZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 565 Rdn. 22 m.N.).
  140. Blumenröhr
  141. Gerber
  142. We-
  143. ber-Monecke
  144. Fuchs
  145. Ahlt