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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 33/04
  5. Verkündet am:
  6. 18. Oktober 2006
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB §§ 543 Abs. 2 Satz 1, 536 b, 539 a.F.
  18. An der Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung
  19. wegen eines Sachmangels in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F.
  20. (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663) wird unter dem seit 1. September 2001 geltenden Mietrecht nicht mehr festgehalten.
  21. Mit dem Mietrechtsreformgesetz ist die Grundlage für eine analoge Anwendung
  22. des § 539 BGB a.F./§ 536 b BGB entfallen (Fortführung des Senatsbeschlusses
  23. vom 16. Februar 2005 - XII ZR 24/02 - NZM 2005, 303 zur Frage des Minderungsrechts).
  24. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04 - OLG Naumburg
  25. LG Magdeburg
  26. -2-
  27. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 18. Oktober 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
  29. Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
  32. des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Januar 2004 aufgehoben.
  33. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  34. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines gewerblichen Mietvertrages und über rückständige Mietzinsen.
  39. 2
  40. Mit Vertrag vom 6. Dezember 1995 mietete die Beklagte von der Klägerin
  41. ein Grundstück mit 3.239 m² Gebäudefläche und 2.537 m² Verkehrsfläche zunächst bis 31. Dezember 2000. Am 12. September 2000 wurde die Mietzeit bis
  42. 31. Dezember 2005 verlängert. Mit Schreiben vom 3. Juli 2001, 27. Juli 2001
  43. und 15. November 2001 zeigte die Beklagte der Klägerin an, dass es in der Halle 11 aufgrund der Undichtigkeit des Daches bei starken Regenfällen zu Über-
  44. -3-
  45. schwemmungen komme und kündigte mit Schreiben vom 3. Juli 2002 das Mietverhältnis außerordentlich zum 30. September 2002 mit der Begründung, dass
  46. ihr die Klägerin die Nutzungsmöglichkeit für das Gebäude 14 entzogen habe.
  47. Den Mietzins zahlte die Beklagte bis September 2002 ohne Vorbehalt.
  48. 3
  49. Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis
  50. zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum 30. September 2002 beendet worden sei, stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 107.352 € nebst Zinsen
  51. verurteilt. Die Berufung, mit der die Beklagte in erster Linie die Wirksamkeit ihrer außerordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufrechnung mit Mietrückzahlungsansprüchen wegen Minderung geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg
  52. geblieben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Oberlandesgericht
  53. zugelassenen Revision.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. 4
  56. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
  57. zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
  58. 5
  59. 1. Das Oberlandesgericht führt aus, die außerordentliche Kündigung der
  60. Beklagten vom 3. Juli 2002 habe das Mietverhältnis nicht zum 30. September
  61. 2002 beendet. Zwar bedürfe die Kündigung im Bereich der gewerblichen Miete
  62. keiner Begründung. Jedoch berechtige die von der Beklagten im Kündigungsschreiben aufgeführte Vorenthaltung des Gebäudes 14 nicht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 BGB. Diese sei auch durch die im Kündigungsschreiben nicht erwähnte Undichtigkeit des Daches und die unzureichende Ka-
  63. -4-
  64. pazität der Kanalisation sowie die dadurch entstandenen Schäden nicht gerechtfertigt.
  65. 6
  66. Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass das Gebäude 14 lediglich 2 % der 5.776 m² großen Gesamtfläche betrage und es deshalb an einer
  67. erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung fehle.
  68. 7
  69. In Bezug auf die Undichtigkeit des Daches liege zwar eine Entziehung im
  70. Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 BGB vor. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Beklagte aus diesem
  71. Grunde nicht mehr zumutbar sei. Denn dieser Mangel sei der Beklagten bereits
  72. bei Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen. Zwar habe die Beklagte
  73. vorgetragen, dass der Mangel bis heute nicht behoben sei. Sie habe den Mangel aber über einen Zeitraum von sieben Jahren hingenommen, ohne das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Gleiches gelte im Hinblick auf die behauptete
  74. unzureichende Kanalisation und die durch sie verursachten Wasserschäden.
  75. Auf diese habe die Beklagte mit Schreiben vom 15. November 2001 hingewiesen. Die außerordentliche Kündigung sei aber erst nach Ablauf von neun Monaten erfolgt.
  76. 8
  77. Ferner sei nach § 542 BGB a.F. in Verbindung mit § 539 BGB a.F. bzw.
  78. § 543 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 536 b BGB zu berücksichtigen, dass die
  79. Beklagte trotz der aus ihrer Sicht bestehenden Gebrauchsbeeinträchtigungen
  80. die Miete bis einschließlich September 2002 vorbehaltlos gezahlt habe. Vor
  81. diesem Hintergrund habe das Landgericht zutreffend angenommen, dass etwaige Minderungsansprüche der Beklagten verwirkt seien. Selbst wenn die von
  82. der Beklagten behaupteten Zusagen im Rahmen der Verhandlungen zu den
  83. Nachträgen zuträfen, ändere dies nichts daran, dass die Beklagte mit der vorbehaltlosen Zahlung der Miete bis September 2002 bei der Klägerin das Ver-
  84. -5-
  85. trauen hervorgerufen habe, sie werde wegen der Mängel keine Minderung geltend machen. Deshalb habe die Klägerin allenfalls damit rechnen müssen, dass
  86. die Beklagte auf einer Mängelbeseitigung bestehe, nicht aber, dass sie die Miete mindere. Für den vor dem 1. September 2001 liegenden Zeitraum (Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes) entspreche es einhelliger Auffassung, dass
  87. der Mieter sein Recht zur Minderung nach § 539 BGB a.F. (vorliegend: Undichtigkeit des Daches) bzw. in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F.
  88. (vorliegend: Unzureichende Kanalisation und hierdurch verursachte Schäden)
  89. verliere, wenn er den Mietzins vorbehaltlos und ungemindert über einen Zeitraum von sechs Monaten gezahlt habe. Die Gewährleistungsrechte des Mieters
  90. seien damit für die Vergangenheit und die Zukunft ausgeschlossen, ohne dass
  91. ein weiterer Vertrauenstatbestand aufseiten des Vermieters bestehen müsse.
  92. Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 16. Juli 2003
  93. (- VIII ZR 274/02 - NJW 2003, 2601 f.) entschieden habe, dass ab dem
  94. 1. September 2001 ein Minderungsrecht des Mieters wieder auflebe, weil ein
  95. Mietzinsanspruch für jeden Monat neu entstehe, schließe sich das Berufungsgericht dieser Auffassung nicht an und gehe weiter davon aus, dass ein einmal
  96. verwirktes Recht jedenfalls so lange als erloschen anzusehen sei bzw. seine
  97. Geltendmachung ausgeschlossen sei, bis sich an den Umständen etwas ändere. Deshalb sei das Minderungsrecht wegen der streitgegenständlichen Mängel
  98. aufgrund der vorbehaltlosen Zahlung des Mietzinses von über sechs Monaten
  99. für die Zukunft und somit auch für den Zeitraum ab 1. September 2001 erloschen.
  100. 9
  101. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  102. 10
  103. Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass die vom Berufungsgericht
  104. angeführten Gründe den Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nach
  105. § 543 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht tragen. Nach dieser Bestimmung liegt ein wichti-
  106. -6-
  107. ger Grund für die außerordentliche Kündigung vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht rechtzeitig gewährt oder wieder
  108. entzogen wird. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon
  109. aus, dass in der Undichtigkeit des Hallendaches eine Entziehung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen ist. Soweit das Berufungsgericht allerdings meinen sollte, dass für die Beklagte die Fortsetzung des Mietverhältnisses deshalb nicht
  110. unzumutbar sei, könnte ihm nicht gefolgt werden. Zu Recht macht die Revision
  111. nämlich geltend, dass es nicht darauf ankommt, ob dem Mieter die Fortsetzung
  112. des Mietverhältnisses zugemutet werden kann. Wenn einer der Tatbestände
  113. des § 543 Abs. 2 BGB vorliegt, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen, wie etwa die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, müssen in diesem Falle nicht zusätzlich
  114. vorliegen (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 8. Aufl. § 543 BGB Rdn. 3 m.w.N.;
  115. Kandelhardt/Herrlein Mietrecht 2. Aufl. § 543 Rdn. 3).
  116. 11
  117. Die Ausführungen des Berufungsgerichts legen allerdings den Schluss
  118. nahe, dass es - entgegen der von ihm gewählten Formulierung - für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 BGB nicht ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit einführen wollte, sondern die Kündigung
  119. trotz Vorliegens der Voraussetzungen als "verwirkt" angesehen hat. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass das Recht der außerordentlichen Kündigung
  120. aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles verwirkt sein kann (Gramlich in
  121. Bub/Treier Handbuch des Geschäfts- und Wohnraummietrechts 3. Aufl. Kap. 6
  122. Rdn. 117). Die Voraussetzungen dafür liegen aber entgegen der Auffassung
  123. des Oberlandesgerichts im Streitfall nicht vor.
  124. 12
  125. a) Soweit das Berufungsgericht den Ausschluss des Kündigungsrechts
  126. damit begründet, dass der Beklagten die Undichtigkeit des Daches bereits vor
  127. Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen sei, sie das aber sieben Jahre
  128. -7-
  129. hingenommen habe, ohne das Mietverhältnis zu kündigen, berücksichtigt es die
  130. Umstände nicht, warum die Beklagte die Mängel so lange hingenommen hat.
  131. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin vor Abschluss
  132. des Vertrages der Beklagten zugesagt, das Hallendach zu sanieren, und dann
  133. in den Jahren 1995 bis 2001 tatsächlich Sanierungsarbeiten durchgeführt. Nach
  134. dem Vorbringen der Beklagten, das revisionsrechtlich als zutreffend zu unterstellen ist, hat der Geschäftsführer der Klägerin bei sämtlichen Verhandlungen, die zum Abschluss der Nachtragsvereinbarungen geführt haben, zugesichert, dass die erforderlichen Arbeiten durchgeführt würden. Wenn die Beklagte
  135. unter diesen Umständen die zugesagten Sanierungsarbeiten abgewartet hat,
  136. kann das nicht zum Ausschluss des Kündigungsrechts durch Verwirkung führen. Im Gegenteil hätte sich die Beklagte den Vorwurf der unzulässigen
  137. Rechtsausübung gefallen lassen müssen, hätte sie trotz Kenntnis des Mangels
  138. bei Vertragsschluss und der erklärten Bereitschaft der Klägerin, diese Mängel
  139. zu beseitigen, das Ende der Sanierungsarbeiten nicht abgewartet.
  140. 13
  141. b) Dass die Beklagte, obwohl nach ihrer Behauptung das Dach nach Abschluss der Arbeiten weiter undicht war und die Halle bei starken Regenfällen
  142. vollständig unter Wasser stand (Schreiben der Beklagten vom 3. Juli 2001) und
  143. zudem noch Wasser aus der Kanalisation die Halle überschwemmte (Schreiben
  144. der Beklagten vom 15. November 2001) erst am 3. Juli 2002 die außerordentliche Kündigung erklärte, erlaubt nicht die Annahme der Verwirkung. Ein Recht
  145. ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieses Recht in Zukunft nicht geltend
  146. gemacht werde (BGHZ 84, 281). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf
  147. dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seine Ansprüche
  148. nicht mehr geltend machen.
  149. -8-
  150. 14
  151. Die Klägerin hatte keinen Anlass darauf zu vertrauen, die Beklagte werde
  152. nicht außerordentlich kündigen. Einen dahingehenden Anschein hat die Beklagte durch ihr Zuwarten nicht erweckt. Aufgrund der bisherigen Sanierungsbemühungen der Klägerin durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin
  153. nach den erneuten Überschwemmungen weitere Sanierungsmaßnahmen
  154. durchführen würde. Zum anderen war für die Klägerin ohne weiteres klar, dass
  155. der Beklagten eine ausreichende Frist zur Prüfung zugebilligt werden musste,
  156. ob sie einen geeigneten Ersatz für das bisherige Objekt mit einer Gebäudefläche von 3.239 m² und einer Verkehrsfläche von 2.537 m² finden konnte und
  157. eine Ersatzanmietung vornehmen wollte.
  158. 15
  159. c) Der außerordentlichen Kündigung steht auch nicht entgegen, dass die
  160. Beklagte die Miete bis einschließlich September 2002 vorbehaltlos gezahlt hat.
  161. Soweit das Berufungsgericht aus § 542 BGB a.F. in Verbindung mit § 539 BGB
  162. a.F. bzw. aus § 543 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 536 b BGB von einer Verwirkung ausgeht, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung nicht näher begründet. Aus der unmittelbar folgenden Begründung, mit der das Berufungsgericht die Minderung ausgeschlossen hat, kann
  163. aber entnommen werden, dass es nicht nur die Minderung, sondern auch die
  164. außerordentliche Kündigung deshalb ausschließen wollte, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR
  165. 41/98 - NJW 2000, 2663, 2664) bei vorbehaltloser Zahlung der vollen Miete über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht nur das Recht auf Minderung,
  166. sondern auch das auf außerordentliche Kündigung ausgeschlossen war. An
  167. dieser Rechtsprechung kann aber unter dem seit 1. September 2001 geltenden
  168. Recht nicht festgehalten werden.
  169. 16
  170. aa) Der VIII. Zivilsenat (Urteil vom 16. Juli 2003 aaO) hat für das Wohnraummietrecht und ihm folgend der erkennende Senat (Beschluss vom
  171. -9-
  172. 16. Februar 2005 - XII ZR 24/02 - NZM 2005, 303) für die Geschäftsraummiete
  173. entschieden, dass für nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes
  174. fällig gewordene Mieten eine analoge Anwendung des § 536 b BGB, der an die
  175. Stelle des § 539 BGB a.F. getreten ist, ausscheidet. § 536 c BGB enthalte eine
  176. abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel mit der Folge,
  177. dass für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke im Rahmen des
  178. § 536 c BGB und die dadurch eröffnete Möglichkeit einer Analogie zu § 536 b
  179. BGB kein Raum bleibe. Das gilt auch für Verträge, die vor dem 1. September
  180. 2001 abgeschlossen wurden. Soweit das Minderungsrecht nach dem
  181. 1. September 2001 nicht entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. erloschen ist, bleibt lediglich zu prüfen,
  182. ob der Mieter dieses Recht unter den strengen Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) oder des stillschweigenden Verzichts verloren hat.
  183. 17
  184. bb) Ob das seit 1. September 2001 geltende Recht bei längerer vorbehaltloser Zahlung der Miete - wie bisher - auch das Recht der außerordentlichen
  185. Kündigung ausschließt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Die
  186. Frage ist zu verneinen. Wenn nach dem Willen des Gesetzgebers eine planwidrige Regelungslücke nicht mehr angenommen werden kann mit der Folge, dass
  187. der Mieter nunmehr die Miete trotz längerer vorbehaltloser Zahlung wegen solcher Mängel (wieder) mindern kann, hinsichtlich derer er nach altem Recht die
  188. Minderungsbefugnis verloren hatte, dann kann für das Recht der außerordentlichen Kündigung nichts anderes gelten. Soweit das Berufungsgericht in seinen
  189. Ausführungen zum Minderungsrecht unter Heranziehung von Stimmen in der
  190. Literatur von der Entscheidung des VIII. Zivilsenat ausdrücklich abgewichen ist
  191. (die Entscheidung, mit der sich der erkennende Senat für den Bereich der Geschäftsraummiete dem VIII. Zivilsenat angeschlossen hat, ist erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangen), kann ihm nicht gefolgt werden.
  192. Seine Auffassung, ein einmal verwirktes Recht sei jedenfalls so lange als erlo-
  193. - 10 -
  194. schen anzusehen bzw. seine Geltendmachung sei ausgeschlossen, bis sich an
  195. den Umständen etwas ändere, berücksichtigt nicht ausreichend, dass seit dem
  196. 1. September 2001 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten ist.
  197. Mit dem Mietrechtsreformgesetz ist - wie ausgeführt - die Grundlage für eine
  198. analoge Anwendung des § 539 BGB a.F./§ 536 b BGB entfallen. Da Übergangsvorschriften fehlen, gilt das neue Recht auch für "Altfälle", soweit über sie
  199. nicht rechtskräftig entschieden ist. Danach kann der Mieter in diesen Fällen seine Gewährleistungsrechte und auch das Recht der außerordentlichen Kündigung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 536 c Abs. 2 BGB sowie
  200. dann, wenn der allgemeine Verwirkungstatbestand gegeben ist, verlieren
  201. (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 8. Aufl. § 536 b BGB Rdn. 49, 50).
  202. 18
  203. 3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte das Hallendach vor der Sanierung bei starken Regenfällen lediglich "geringfügige" Undichtigkeiten aufgewiesen. Im Jahre 2001 wurde
  204. das Dach total saniert. Es steht nicht fest, ob und ggf. in welchem Umfang das
  205. Dach zum Kündigungszeitpunkt noch undicht gewesen ist.
  206. 19
  207. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass durch den Bau der Halle 12 neben
  208. der Halle 11 durch die fehlende Regenwasserversickerung bei starken Regenfällen Regenwasser aus der Kanalisation in der Halle 11 hochgedrückt wird und
  209. dies seit Abschluss der Baumaßnahmen im Jahre 2001 zweimal geschehen ist.
  210. Die Behauptung der Beklagten, dass es durch die Wassereinbrüche zu Produktionsausfällen sowie kostspieligen Reparaturen gekommen sei, hat die Klägerin
  211. aber bestritten.
  212. 20
  213. Daher bedarf es einer tatrichterlichen Würdigung, ob die behaupteten
  214. Mängel vorliegen und eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 (BGB) rechtfertige. Eine unerhebliche Hinderung bzw. Vorenthaltung würde das Kündigungs-
  215. - 11 -
  216. recht der Beklagten ausschließen (Schmidt-Futterer/Blank aaO § 543 Rdn. 37;
  217. Herrlein/Kandelhardt aaO § 543 Rdn. 42; Emmerich/Sonnenschein Miete
  218. 8. Aufl. § 543 Rdn. 19).
  219. Hahne
  220. Wagenitz
  221. Ahlt
  222. Fuchs
  223. Vézina
  224. Vorinstanzen:
  225. LG Magdeburg, Entscheidung vom 16.07.2003 - 9 O 2464/02 OLG Naumburg, Entscheidung vom 20.01.2004 - 9 U 134/03 -