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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 120/02
  5. Verkündet am:
  6. 3. November 2004
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in der Familiensache
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB §§ 1573 Abs. 2, 1578 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 323 Abs. 1
  18. Die Abweisung einer Klage auf künftigen Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit für die Zeit ab der letzten mündlichen Verhandlung entfaltet auch dann keine materielle Rechtskraft für die Zukunft, wenn zugleich rückständiger Unterhalt
  19. zugesprochen wurde. Deswegen ist künftiger Unterhalt, der im Hinblick auf die
  20. geänderte Rechtsprechung des Senats zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse bei Hausfrauenehen begehrt wird, mit der Leistungsklage und nicht
  21. mit der Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO geltend zu machen (Fortführung der Senatsurteile vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89 - FamRZ 1990,
  22. 863 und vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376; Abgrenzung
  23. zu dem Senatsurteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 347/81 - FamRZ 1984, 353).
  24. BGH, Urteil vom 3. November 2004 - XII ZR 120/02 - OLG Düsseldorf
  25. AG Duisburg
  26. -2-
  27. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 3. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
  29. Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Senats für
  32. Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai
  33. 2002 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision aufgehoben.
  34. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
  35. Duisburg vom 13. Dezember 2001 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie
  36. folgt neu gefaßt:
  37. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober 2001 bis Dezember 2001
  38. in Höhe von monatlich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002
  39. in Höhe von monatlich 648 € zu zahlen.
  40. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  41. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
  42. Von Rechts wegen
  43. -3-
  44. Tatbestand:
  45. Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt.
  46. Die Parteien sind seit dem 11. Januar 1997 rechtskräftig geschieden. Mit
  47. Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 13. März 2001 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis zum 21. Dezember 2000 monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 975 DM zu zahlen. Für
  48. die Folgezeit wies das Amtsgericht die Klage rechtskräftig ab, weil die Klägerin
  49. über anrechenbare Einkünfte verfügte, die ihren nach der Anrechnungsmethode
  50. ermittelten Unterhaltsbedarf deckten. Dabei ging das Gericht von eheprägenden Einkünften des Beklagten in Höhe von 5.231,42 DM und einem Unterhaltsbedarf der Klägerin in Höhe von 2.242,04 DM aus. Darauf rechnete es für die
  51. Zeit bis zum 21. Dezember 2000 Einkünfte der Klägerin in Höhe von 1.240 DM
  52. und für die Zeit danach solche in bedarfsdeckender Höhe an.
  53. Mit der am 4. Oktober 2001 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin
  54. unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
  55. Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen innerhalb einer
  56. Hausfrauenehe die Abänderung des Urteils vom 13. März 2001. Hilfsweise verfolgt sie ihren Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab Oktober 2001 auch im Wege der Leistungsklage.
  57. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß in Abänderung des
  58. Urteils vom 13. März 2001 verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 1.320 DM für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 und in Höhe von 660 € für die Zeit ab Januar 2002 zu zahlen. Auf die
  59. Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil nur geringfügig
  60. abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 in Höhe von monat-
  61. -4-
  62. lich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002 in Höhe von monatlich 648 € zu
  63. zahlen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision
  64. des Beklagten.
  65. Entscheidungsgründe:
  66. Die Revision ist im wesentlichen unbegründet und führt lediglich aus prozessualen Gründen, nicht aber in der Sache zu einer Änderung des Urteilstenors.
  67. I.
  68. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 1574 veröffentlicht ist, hat die Revision wegen der Rechtsfrage zugelassen, ob die Abänderung eines Unterhaltsurteils nach § 323 ZPO trotz gleich gebliebener Einkommensverhältnisse allein wegen der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse in einer
  69. Hausfrauenehe (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 – BGHZ
  70. 148, 105 = FamRZ 2001, 986) zulässig ist. Auf diese Rechtsfrage, die der Senat inzwischen mit Urteil vom 5. Februar 2003 (- XII ZR 29/00 - BGHZ 153, 372
  71. = FamRZ 2003, 848) im Sinne des angefochtenen Urteils entschieden hat,
  72. kommt es indes nicht an. Denn das Begehren der Klägerin ist nicht im Wege
  73. der Abänderungsklage, sondern entsprechend ihrem Hilfsantrag nur in der
  74. Form einer neuen Leistungsklage nach § 258 ZPO zulässig.
  75. -5-
  76. II.
  77. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klage als Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zulässig ist. Es hat den Beklagten deswegen auf
  78. den Hauptantrag der Klägerin unter Abänderung des Urteils vom 13. März 2001
  79. zu Unterhaltszahlungen ab Oktober 2001 verurteilt. Dem ist das Oberlandesgericht im Grundsatz gefolgt. Insoweit hält die rechtliche Beurteilung den Angriffen
  80. der Revision nicht stand.
  81. 1. Der Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß ein Unterhaltsverlangen, das wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers rechtskräftig abgewiesen worden ist, nach Eintritt der vormals fehlenden Anspruchsvoraussetzungen im Wege einer neuen Leistungsklage, die nicht an die Voraussetzungen
  82. des § 323 ZPO gebunden ist, geltend zu machen ist (Senatsurteile vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376, 377 und vom 13. Dezember
  83. 1989 - IVb ZR 22/89 - FamRZ 1990, 863, 864). Denn die Abänderung eines
  84. Urteils nach § 323 ZPO setzt schon nach dem Wortlaut eine Verurteilung zu
  85. künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen voraus. Nur ein der Unterhaltsklage für die Zukunft wenigstens teilweise stattgebendes Urteil wirkt
  86. über den Zeitpunkt der Entscheidung hinaus, indem seine Rechtskraft auch die
  87. erst künftig zu entrichtenden Unterhaltsleistungen erfasst, deren Festsetzung
  88. auf einer Prognose der künftigen Entwicklung beruht. Weicht die tatsächliche
  89. Entwicklung von dieser Prognose ab, handelt es sich deswegen nicht um eine
  90. neue Tatsachenlage, sondern um einen Angriff gegen die Richtigkeit des früheren Urteils, das mit Hilfe von § 323 ZPO unter Durchbrechung seiner Rechtskraft den veränderten Urteilsgrundlagen angepaßt werden kann.
  91. Ist die Klage hingegen abgewiesen worden, weil der geltend gemachte
  92. Unterhaltsanspruch nicht bestand, so liegt der Abweisung für die Zukunft keine
  93. -6-
  94. sachliche Beurteilung nach den voraussichtlich in der Zukunft bestehenden
  95. Verhältnissen zugrunde. Deswegen kommt einem solchen klagabweisenden
  96. Urteil auch keine in die Zukunft reichende Rechtskraftwirkung zu, für deren
  97. Durchbrechung es der Vorschrift des § 323 ZPO bedürfte. Tritt in diesen Fällen
  98. die vormals fehlende Anspruchsvoraussetzung später ein, steht die Rechtskraft
  99. des klagabweisenden Urteils einer neuen Leistungsklage ebensowenig im Wege wie in sonstigen Klagabweisungsfällen, in denen eine neue Tatsache eintritt,
  100. die einen anderen, vom rechtskräftigen Urteil nicht erfaßten Lebensvorgang
  101. schafft (Senatsurteil vom 30. Januar 1985 aaO; so auch Wendl/ Thalmann Das
  102. Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 8 Rdn. 142 a ff.;
  103. Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln 3. Aufl. Rdn. 78; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozeß 3. Aufl. Rdn. 5316; Thomas/Putzo
  104. ZPO 23. Aufl. § 323 Rdn. 42).
  105. Die gegen diese Rechtsprechung angeführten Argumente (vgl. Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 2386 m.w.N.) überzeugen nicht. Zwar
  106. ist der Ausgang des Vorprozesses letztlich ausschlaggebend dafür, ob eine
  107. neue Forderung im Wege der Abänderungsklage oder der Leistungsklage geltend zu machen ist. Das ist jedoch zwingend durch den Umfang der Rechtskraft
  108. der abzuändernden Entscheidung vorgegeben. Einer Urteilsabänderung nach
  109. § 323 ZPO als Durchbrechung der materiellen Rechtskraft bedarf es nur, wenn
  110. die frühere Entscheidung tatsächlich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung
  111. für die Zukunft enthält. Umgekehrt steht die frühere Entscheidung einer neuen
  112. Leistungsklage nicht entgegen, wenn ihre Rechtskraft sich auf die Vergangenheit beschränkt. Ob dieses der Fall ist, kann sich nur aus dem Inhalt der Entscheidung ergeben, nämlich daraus, ob sich die frühere Entscheidung im Wege
  113. einer Prognose der künftigen Verhältnisse mit den Voraussetzungen des künftigen Unterhaltsanspruchs befaßt hat. Das ist bei Abweisung der Klage schon
  114. auf der Grundlage der gegenwärtigen Verhältnisse nicht der Fall.
  115. -7-
  116. Die Rechtsprechung des Senats führt auch nicht zu der Konsequenz,
  117. daß im Falle eines der Klage auf laufenden Unterhalt nur teilweise stattgebenden Ersturteils hinsichtlich des abgewiesenen Teils eine neue Klage und im übrigen eine Abänderungsklage zulässig ist (so aber Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 2386 unter Hinweis auf Wax FamRZ 1982, 347, 348). Solche
  118. Ausgangsurteile beruhen, auch wenn sie der Klage nur teilweise stattgegeben
  119. haben, stets auf einer Prognose für die Zukunft und erwachsen damit auch für
  120. diese Zeit in Rechtskraft. Auch sie können deswegen insgesamt nur unter
  121. Durchbrechung dieser Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden. Diese
  122. Auffassung steht auch im Einklang mit dem Senatsurteil vom 30. Januar 1985
  123. (a.a.O.), in dem der Senat eine Abänderungsklage gegen ein klagabweisendes
  124. Urteil für zulässig erachtet hat. Das abzuändernde Urteil beruhte dort nämlich
  125. trotz der Klagabweisung auf einer Zukunftsprognose, weil es seinerseits ein
  126. früheres (stattgebendes) Urteil auf künftige Unterhaltszahlungen abgeändert
  127. hatte.
  128. 2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Begehren der Klägerin nicht als Abänderungsklage, sondern als neue Leistungsklage zulässig.
  129. Das Amtsgericht hatte den Beklagten am 13. März 2001 zu (rückständigem) nachehelichem Ehegattenunterhalt für die Zeit vom 1. Juli bis zum 21. Dezember 2000 verurteilt und die Klage für die Folgezeit abgewiesen, weil der Unterhaltsbedarf gedeckt war. Schon im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
  130. bestand deswegen auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse kein Unterhaltsanspruch mehr. Die Klagabweisung für die Zukunft beruhte deswegen
  131. nicht auf einer Prognose der künftigen Entwicklung für die Zeit ab der letzten
  132. mündlichen Verhandlung, sondern auf den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung. Die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich deswegen auch nicht
  133. auf künftige Unterhaltsansprüche der Klägerin. Darin unterscheidet sich der vor-
  134. -8-
  135. liegende Fall von dem Sachverhalt im Senatsurteil vom 26. Januar 1983
  136. (- IVb ZR 347/81 - FamRZ 1984, 353). Dort hatte das Ausgangsgericht einen
  137. Unterhalt über den Entscheidungszeitpunkt hinaus zugesprochen, der erst in
  138. der Zukunft entfallen sollte. Jene Entscheidung beruhte deswegen auf einer
  139. Zukunftsprognose, ist somit auch insoweit in Rechtskraft erwachsen und konnte
  140. nur unter Durchbrechung der Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden.
  141. Die Rechtskraft des hier vorliegenden Urteils vom 13. März 2001 erfasst hingegen künftige Unterhaltsansprüche nicht und steht deswegen einer neuen Leistungsklage auch nicht entgegen. Das Urteil kann somit mangels Rechtskraft
  142. für die Zukunft auch nicht im Wege des § 323 ZPO abgeändert werden. Weil
  143. die Klägerin ihr Begehren allerdings hilfsweise auch im Wege der Leistungsklage verfolgt hat, kann der Senat den Entscheidungstenor auf der Grundlage des
  144. feststehenden Sachverhalts ändern.
  145. III.
  146. Soweit das Berufungsgericht den nach § 1573 Abs. 2 BGB geschuldeten nachehelichen Ehegattenunterhalt im Wege der Differenzmethode ermittelt hat, entspricht dieses der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Senatsurteile vom
  147. 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986 und vom
  148. -9-
  149. 5. Mai 2004 - XII ZR 132/02 - FamRZ 2004, 1173) und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Unterhaltsberechnung beruht auch nicht auf den Besonderheiten der Abänderungsklage nach § 323 ZPO und ist deswegen auf die
  150. Unterhaltsbemessung im Wege der Leistungsklage übertragbar.
  151. Hahne
  152. Sprick
  153. Wagenitz
  154. Weber-Monecke
  155. Dose