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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZR 114/13
  4. vom
  5. 31. Juli 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 durch den Vorsitzenden
  8. Richter
  9. Dose,
  10. die
  11. Richterin
  12. Dr.
  13. Vézina
  14. und
  15. die
  16. Richter
  17. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
  18. beschlossen:
  19. Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 20. Dezember 2012 in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts München
  20. vom 19. Juni 2013 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
  21. Gründe:
  22. I.
  23. 1
  24. Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts vom 20. Dezember 2012
  25. zur Räumung und Herausgabe von Büroräumen verurteilt worden. Mit als Beschluss bezeichnetem Ergänzungsurteil hat das Landgericht am 15. April 2013
  26. der Gehörsrüge der Beklagten stattgegeben, den Tatbestand seines Urteils
  27. vom 20. Dezember 2012 um den von der Beklagten gestellten Antrag nach
  28. § 712 ZPO ergänzt und diesen in den Entscheidungsgründen abgewiesen, da
  29. die Beklagte einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung nicht
  30. dargetan habe.
  31. 2
  32. Das Berufungsgericht hat die gegen beide Entscheidungen eingelegten
  33. Berufungen verbunden und die gegen das Räumungsurteil gerichtete Berufung
  34. der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Es hat
  35. seinen Beschluss und das Urteil des Landgerichts für vorläufig vollstreckbar
  36. erklärt und der Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Si-
  37. -3-
  38. cherheitsleistung in Höhe von 60.000 € abzuwenden, sofern der Kläger nicht
  39. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  40. 3
  41. Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Beklagte
  42. innerhalb verlängerter Begründungsfrist, die Zwangsvollstreckung aus dem
  43. landgerichtlichen Urteil in Verbindung mit dem Berufungsbeschluss einstweilen
  44. einzustellen. Zur Begründung trägt sie vor, die Räumungsvollstreckung habe für
  45. sie nicht mehr auszugleichende Nachteile zur Folge. Sie nutze die Räume als
  46. Betriebsstätte und wäre im Fall der Räumung gezwungen, ihren Betrieb einzustellen, wodurch die von ihr geschaffenen Arbeitsplätze gefährdet würden. Sie
  47. sei auf die räumliche Nähe zu ihren Kunden angewiesen und es sei ihr nicht
  48. möglich, die von ihr noch angemieteten Räume im Untergeschoss des Gebäudes ersatzweise zu nutzen, da diese durch das Verschulden des Klägers nicht
  49. fertig gestellt seien.
  50. II.
  51. 4
  52. Der Einstellungsantrag der Beklagten ist nicht begründet.
  53. 5
  54. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen
  55. nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes
  56. Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über
  57. die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2
  58. ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine
  59. solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im
  60. -4-
  61. Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu
  62. stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre
  63. (Senatsbeschlüsse vom 6. April 2011 - XII ZR 111/10 - FamRZ 2011, 884
  64. Rn. 4; vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088 Rn. 5 und vom
  65. 4. September 2002 - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650). An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier. Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug zum einen beantragt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die
  66. Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungsanspruchs ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird. Diesen Antrag hat das Berufungsgericht
  67. gemäß §§ 719, 707 ZPO abgelehnt. Dieser Antrag, der nur für die Dauer des
  68. Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus
  69. wirkt, ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, dass das Berufungsgericht der Beklagten auch bei seiner Entscheidung
  70. Vollstreckungsschutz
  71. gewähren
  72. sollte
  73. (vgl.
  74. Senatsbeschlüsse
  75. vom
  76. 4. September 2002 - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, 1650 f.; vom 22. April 2004
  77. - XII ZR 16/04 - GuT 2004, 129 f. und vom 21. September 2005 - XII ZR
  78. 126/05 - Grundeigentum 2005, 1347).
  79. 6
  80. Einen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht gestellt. Der Einstellungsantrag im Rahmen der Berufung gegen
  81. das Ergänzungsurteil zielte allein auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung
  82. aus dem Räumungstitel des Landgerichts für die Dauer des Berufungsverfahrens. Dafür spricht neben der ausdrücklichen Begründung auch, dass die Beklagte eine Entscheidung nach § 718 Abs. 1 ZPO beantragt hat, der die Korrektur einer vorinstanzlichen fehlerhaften Entscheidung vor der zweitinstanzlichen
  83. Sachentscheidung ermöglicht (Zöller/Herget ZPO 29. Aufl. § 718 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Hess ZPO 4. Aufl. § 718 Rn. 1 ff.; Stein/Jonas/Münzberg ZPO
  84. 22. Aufl. § 718 Rn. 1).
  85. -5-
  86. 7
  87. Es war der Beklagten auch nicht aus besonderen Gründen unmöglich, im
  88. Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen. Zwar ist der
  89. Antrag nach § 712 ZPO ein Sachantrag, der - ebenso wie die Berufungsanträge - gemäß § 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss
  90. (Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 - FamRZ 2003, 598). In
  91. einem Verfahren, in dem das Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche
  92. Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist, ist für eine
  93. Anwendung von § 297 ZPO aber kein Raum. In solchen rein schriftlichen Verfahren werden Anträge bereits durch die Einreichung des Schriftsatzes wirksam
  94. gestellt (Hk-ZPO/Saenger 4. Aufl. § 297 Rn. 9; Musielak/Huber ZPO 10. Aufl.
  95. § 297 Rn. 3). Aufgrund des Hinweises des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO konnte
  96. sich die Beklagte darauf einstellen, dass voraussichtlich keine Gelegenheit bestehen werde, einen etwaigen Vollstreckungsschutzantrag in einer mündlichen
  97. Verhandlung zu stellen. Gründe, weshalb es ihr nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, dem durch Stellung eines schriftsätzlichen Schutzantrages Rechnung zu tragen, hat sie nicht dargelegt (vgl. BGH Beschluss vom
  98. 20. März 2012 - V ZR 275/11 - NJW 2012, 1292 Rn. 7).
  99. 8
  100. Abgesehen davon stellt die Verpflichtung zur Räumung von Büroräumen,
  101. die zur Berufsausübung genutzt werden, auch keinen unersetzlichen Nachteil
  102. im Sinne des § 712 Abs. 1 ZPO dar, hinter dem die Gläubigerinteressen ausnahmsweise zurücktreten müssten. Der Beklagten ist dadurch ihre weitere Berufstätigkeit keineswegs erschwert oder gar unmöglich gemacht worden. Es ist
  103. -6-
  104. ihr unbenommen, sich um Ersatzräume zu bemühen und dort ihre Berufsausübung fortzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. August 1998 - XII ZR
  105. 167/98 - NJW-RR 1998, 1603). Dass ihr dies nicht möglich sei, hat sie weder
  106. dargetan noch glaubhaft gemacht.
  107. Dose
  108. Vézina
  109. Günter
  110. Klinkhammer
  111. Nedden-Boeger
  112. Vorinstanzen:
  113. LG München I, Entscheidung vom 20.12.2012 - 34 O 16621/12 OLG München, Entscheidung vom 19.06.2013 - 32 U 358/13 und 32 U 1970/13 -