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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 577/14
  4. vom
  5. 22. April 2015
  6. in der Betreuungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. BGB §§ 1897 Abs. 4 Satz 1, 1899 Abs. 1
  14. Läuft der Vorschlag des Betroffenen zur Auswahl des Betreuers seinem Wohl in
  15. einem bestimmten Aufgabenkreis zuwider, hat das Betreuungsgericht im Hinblick auf die weiteren Angelegenheiten die Anordnung einer Mitbetreuung zu
  16. prüfen, um dem Vorschlag des Betroffenen möglichst weitgehend Rechnung zu
  17. tragen.
  18. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 - XII ZB 577/14 - LG Augsburg
  19. AG Nördlingen
  20. -2-
  21. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.April 2015 durch den
  22. Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
  23. Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
  24. beschlossen:
  25. Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der
  26. Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom
  27. 10. Oktober 2014 aufgehoben.
  28. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  29. über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
  30. Wert: 5.000 €
  31. Gründe:
  32. I.
  33. 1
  34. Die 1965 geborene Betroffene leidet an einer spastischen Spinalparalyse
  35. mit kognitiven Störungen. Sie lebt in einem Heim.
  36. 2
  37. Mit der Begründung, dass sich die Zusammenarbeit mit den Angehörigen
  38. der Betroffenen äußerst schwierig gestalte, ist seitens des Heims die Bestellung
  39. eines Betreuers angeregt worden. Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2 als
  40. Berufsbetreuer bestellt und folgende Aufgabenkreise festgelegt: Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrags, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vermögenssorge, Entgegennahme
  41. -3-
  42. sowie Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise.
  43. 3
  44. Die am Verfahren beteiligte Mutter der Betroffenen (Beteiligte zu 1) hat
  45. mit dem Ziel Beschwerde eingelegt, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden.
  46. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die
  47. Rechtsbeschwerde der Mutter, die ihr Anliegen weiterverfolgt.
  48. II.
  49. 4
  50. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
  51. 5
  52. 1. Nach näher begründeter Auffassung des Landgerichts ist die Mutter im
  53. Bereich der Gesundheitsfürsorge nicht geeignet, so dass dem von der Betroffenen geäußerten Wunsch, ihre Mutter zur Betreuerin zu bestellen, nicht zu entsprechen sei. Entgegen dem Vorschlag des Verfahrenspflegers, die Aufgabenkreise mit Ausnahme der Gesundheitsfürsorge der Mutter zu übertragen, sei
  54. der Bereich der Vermögenssorge jedoch sehr eng mit der Gesundheitsfürsorge
  55. verbunden und dürfe daher nicht der Einflussnahme der hierfür nicht geeigneten Mutter unterliegen. Ähnliches gelte auch für die weiteren Aufgabenkreise.
  56. 6
  57. 2. Das hält nicht in jeder Hinsicht rechtlicher Überprüfung stand.
  58. 7
  59. Das Landgericht ist aufgrund der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen
  60. Feststellungen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Mutter zur Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge nicht geeignet
  61. ist und auch einem diesbezüglichen Vorschlag der Betroffenen gemäß § 1897
  62. -4-
  63. Abs. 4 Satz 1 BGB insoweit nicht entsprochen werden kann. Von einer weiteren
  64. Begründung wird insoweit gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
  65. 8
  66. Nicht frei von Bedenken bleibt indessen die vom Landgericht gezogene
  67. Schlussfolgerung, dass die Mutter auch zur Wahrnehmung der weiteren Aufgabenkreise ungeeignet sei. Dies mag für die Heimangelegenheiten und die darauf bezogene Aufenthaltsbestimmung noch nahe liegen. Eine Unbeachtlichkeit
  68. des Vorschlags der Betroffenen nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB in den übrigen
  69. Angelegenheiten, insbesondere den gesamten Vermögensangelegenheiten, ist
  70. jedoch vom Landgericht nicht hinreichend begründet worden. Im angefochtenen
  71. Beschluss ist insoweit lediglich auf bestehende Zusammenhänge hingewiesen
  72. worden, was aber ohne nähere Angaben noch nicht zu begründen vermag,
  73. dass die Mutter auch insoweit ungeeignet ist.
  74. 9
  75. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend auf die Möglichkeit der Anordnung einer Mitbetreuung hin, die nach § 1899 BGB angeordnet werden kann
  76. und insbesondere zur möglichst weitgehenden Berücksichtigung des Willens
  77. der Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB in Betracht gezogen werden muss.
  78. -5-
  79. 10
  80. 3. Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der Senat hat
  81. von einer nur teilweisen Aufhebung (§ 74 Abs. 5 FamFG) wegen des Zusammenhangs der Aufgabenkreise abgesehen, um das Landgericht in die Lage zu
  82. versetzen, erneut umfassend über die Betreuung zu entscheiden.
  83. Dose
  84. Weber-Monecke
  85. Nedden-Boeger
  86. Klinkhammer
  87. Guhling
  88. Vorinstanzen:
  89. AG Nördlingen, Entscheidung vom 14.04.2014 - XVII 80/14 LG Augsburg, Entscheidung vom 10.10.2014 - 51 T 2139/14 -