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6.3 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 123/14
  4. vom
  5. 15. Juli 2015
  6. in der Betreuungssache
  7. -2-
  8. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2015 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
  10. Dr. Botur und Guhling
  11. beschlossen:
  12. Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
  13. Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom
  14. 11. Februar 2014 aufgehoben.
  15. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
  16. über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  17. Wert: 341 €
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 (Staatskasse), mit der er eine Festsetzung der Betreuervergütung mit einem Stundensatz von 27 € statt
  21. eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 € begehrt, führt zur Aufhebung der
  22. Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
  23. 2
  24. 1. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, wonach die Betreuerin durch
  25. ihre im Jahr 1995 abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel für
  26. die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben
  27. habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die
  28. maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig ermittelt und bei der Würdigung
  29. einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
  30. -3-
  31. 3
  32. a) Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermittelt, indem es die Verordnung über die Berufsausbildung im Einzelhandel in den
  33. Ausbildungsberufen Verkäufer/Verkäuferin und Kaufmann im Einzelhandel/
  34. Kauffrau im Einzelhandel vom 16. Juli 2004 (BGBl. I S. 1806; im Folgenden:
  35. EzHdlAusbV 2004) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Denn für die 1995
  36. abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin war die Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel
  37. vom 14. Januar 1987 (BGBl. I S. 153; im Folgenden: EzHdlKfmAusbV 1987) die
  38. maßgebliche Ausbildungsordnung. Da diese den Prüfungs- und Ausbildungsinhalt, insbesondere auch in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als für die
  39. Betreuung nutzbar bewerteten Inhalte, in nicht unerheblicher Weise anders regelt als die EzHdlAusbV 2004, beruht die Tatsachenfeststellung auf diesem
  40. Fehler. Dies gilt auch in Anbetracht der erfolgten Anhörung der Betreuerin, deren Ergebnis keine hinreichende Grundlage für die Feststellung bietet, dass die
  41. Ausbildung einen anderen Inhalt hatte, als in der maßgeblichen Ausbildungsordnung festgelegt war.
  42. 4
  43. b) Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass ein
  44. erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat, sondern dass vielmehr erforderlich ist, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - juris Rn. 4 und vom 16. Januar 2014
  45. - XII ZB 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN).
  46. 5
  47. Rechtlich zu beanstanden ist jedoch die Annahme, es sei ausreichend,
  48. dass die vermittelten, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse für den erlernten
  49. -4-
  50. Beruf prägend seien. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und
  51. dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht
  52. (Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - juris Rn. 4 und vom
  53. 16. Januar 2014 - XII ZB 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN). Allein daraus,
  54. dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung
  55. sind, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch
  56. durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden,
  57. was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG führt (Senatsbeschluss vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 22).
  58. Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2
  59. VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts
  60. der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung
  61. nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit
  62. feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 252/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 5 und
  63. vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 19). Der Umfang
  64. bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei
  65. nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben
  66. werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands
  67. oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt.
  68. 6
  69. Hier hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Umfang und
  70. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbaren Wissens an der Gesamtausbildung der Betreuerin getroffen. Die vorgenommene Schätzung im Rahmen
  71. der Kontrollüberlegung hat insoweit keine hinreichende Tatsachengrundlage.
  72. -5-
  73. Ferner fehlt es an der Feststellung, ob bzw. inwieweit das angenommene für
  74. die Betreuung nutzbare Wissen über Grundwissen hinausgeht.
  75. 7
  76. 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Da
  77. die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Die Sache ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 S. 2 FamFG).
  78. 8
  79. Bei der erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht nicht nur die
  80. EzHdlKfmAusbV 1987 und die Anhörung der Betreuerin zu würdigen, sondern
  81. - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht vorbringt - auch den Ausbildungsrahmenplan (Anlage 1 zu § 4 EzHdlKfmAusbV 1987), der die Ausbildungsinhalte
  82. -6-
  83. und den Zeitpunkt, wann sie zu vermitteln sind, genauer beschreibt, zu berücksichtigen und sich mit den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hierzu auseinanderzusetzen haben.
  84. Dose
  85. Günter
  86. RiBGH Dr. Klinkhammer hat
  87. Urlaub und ist deswegen an
  88. einer Unterschrift gehindert
  89. Dose
  90. Botur
  91. Guhling
  92. Vorinstanzen:
  93. AG Bautzen, Entscheidung vom 23.09.2013 - 33 XVII 569/12 LG Görlitz, Entscheidung vom 11.02.2014 - 4 T 89/13 -