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326 lines
19 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 52/08
  5. Verkündet am:
  6. 21. Dezember 2010
  7. Herrwerth,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 133 C, § 157 F
  19. a) Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Zinsänderungsklausel zu laufenden Zinsen in einem Sparvertrag (im Anschluss an BGH, Urteil vom
  20. 13. April 2010 - XI ZR 197/09).
  21. b) Soweit statistische Daten eines geeigneten Referenzzinses nicht während der gesamten Laufzeit eines Sparvertrags zur Verfügung stehen, kann dem im zeitlichen
  22. Anschluss durch Heranziehung der Zinsentwicklung eines neuen Referenzzinses
  23. Rechnung getragen werden. Diese Referenzzinssätze müssen unabhängig von
  24. Unterschieden in ihrer Erhebung und Berechnung jeweils für sich die Zinsentwicklung des konkreten Sparvertrags möglichst weitgehend abbilden.
  25. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08 - OLG Köln
  26. LG Köln
  27. -2-
  28. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 14. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die
  30. Richterin Mayen, die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats
  33. des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Januar 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin
  34. entschieden worden ist.
  35. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
  36. und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
  37. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  38. Von Rechts wegen
  39. Tatbestand:
  40. 1
  41. Die Klägerin begehrt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihrer
  42. Geschwister von den beklagten Banken die Zahlung weiterer Zinsbeträge aus
  43. ausgelaufenen Sparverträgen.
  44. 2
  45. Die Klägerin und ihre fünf Geschwister schlossen, vertreten durch ihre
  46. Eltern, zwischen dem 25. September 1986 und dem 30. März 1989 mit der Beklagten zu 1) insgesamt 24 Sparverträge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren ab, die neben laufender Verzinsung bei Beendigung zeitlich gestaffelte, bis
  47. -3-
  48. auf 15% der Sparsumme ansteigende Bonuszahlungen vorsahen. Die Sparguthaben wurden in einem Betrag jeweils zu Vertragsbeginn eingezahlt. Alle Verträge sahen eine Kündigungsfrist von vier Jahren vor. Die Sparverträge von drei
  49. der Geschwister übernahm später die Beklagte zu 2). In den "Bedingungen für
  50. Sparkonten" der Beklagten zu 1), die den Sparverträgen zugrunde lagen (im
  51. Folgenden: AGB), wurde die Anpassung der laufenden Verzinsung wie folgt
  52. geregelt:
  53. "Die Bank vergütet dem Sparkontoinhaber im Rahmen der geltenden Bestimmungen die von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinsen. Eine
  54. Änderung des Zinssatzes tritt auch für bestehende Sparguthaben
  55. ohne besondere Mitteilung mit dem Tage in Kraft, der durch Aushang im Kassenraum bekannt gegeben wird."
  56. 3
  57. Entsprechend dieser Regelung und auf Grundlage der von der Bundesbank veröffentlichten "Zeitreihe WZ9816" wurden von den Beklagten die Zinsen
  58. angepasst, den Sparverträgen, wie in den AGB weiter festgelegt war, jährlich
  59. Zinserträge gutgeschrieben und am Ende der regulären Vertragslaufzeit das
  60. sich daraus ergebende Guthaben zuzüglich des jeweiligen Bonus ausbezahlt.
  61. 4
  62. Die Klägerin hält die Zinsänderungsklausel für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge gewährte Verzinsung für zu niedrig.
  63. 5
  64. Die Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten zu 1) Zahlung von
  65. 38.698,62 € und von der Beklagten zu 2) Zahlung von 37.812,57 € jeweils zuzüglich Zinsen begehrt hat, ist in erster Instanz abgewiesen worden. Auf die
  66. Berufung der Klägerin sind die Beklagten zur Zahlung von jeweils 4.074,24 €
  67. nebst Zinsen verurteilt worden; im Übrigen ist die Berufung zurückgewiesen
  68. -4-
  69. worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre
  70. weitergehenden Zahlungsanträge weiter.
  71. Entscheidungsgründe:
  72. 6
  73. Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  74. I.
  75. 7
  76. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit dies für die Revisionsinstanz von Bedeutung ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:
  77. 8
  78. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei die von
  79. den Beklagten verwendete Zinsanpassungsklausel unwirksam. Stattdessen sei
  80. den Banken aufgegeben, unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarkts diejenige
  81. auszuwählen, die den tatsächlichen Gegebenheiten der Zinsanpassung bei den
  82. vorliegenden Verträgen möglichst nahe komme. Dem werde die von den Beklagten vorgenommene Zinsberechnung gerecht, da sie das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahre und sich deshalb im Rahmen des § 315 BGB halte. Die
  83. Beklagten hätten sich zu Recht an einem Zinssatz nach der Methode gleitender
  84. Durchschnitte und einer Ablauffiktion von fünf Jahren orientiert. Wie der Sachverständige überzeugend dargestellt habe, komme diese Berechnung den tatsächlichen Gegebenheiten am Kapitalmarkt am ehesten nahe, da in der Bankpraxis variable Geschäfte produktweise - nicht einzelgeschäftsbezogen - gesteuert und deswegen üblicherweise mit dieser Methode kalkuliert würden. Das
  85. -5-
  86. Äquivalenzprinzip sei gewahrt, da die bei Vertragsbeginn zwischen den Vertragsparteien implizit vereinbarte Marge für die gesamte Laufzeit des Vertrages
  87. bestehen bleibe. Eine Orientierung am Spareckzins scheide aus, da sich dieser
  88. auf eine dreimonatige Kündigungsfrist beziehe, während die Parteien eine Kündigungsfrist von 48 Monaten vereinbart hätten. Zudem müsse die Auswahl der
  89. Bezugsgröße dem geschäftspolitischen Ermessen der Bank überlassen bleiben, sofern – wie im vorliegenden Fall – das Äquivalenzprinzip gewahrt sei.
  90. 9
  91. Kapitalertragsteuer sei entsprechend der Nachberechnung des Sachverständigen zu berücksichtigen, da die Klägerin nicht schlüssig dargetan habe, ob
  92. und in welchem Umfang für die einzelnen Sparverträge Freistellungsaufträge
  93. erteilt worden seien.
  94. II.
  95. 10
  96. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden
  97. Punkten nicht stand. Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann
  98. das Begehren der Klägerin auf Zahlung weiterer Zinsen aus den Sparverträgen
  99. (§ 700 Abs. 1, § 488 Abs. 1, § 398 BGB) nicht zurückgewiesen werden.
  100. 11
  101. 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
  102. dass die in den AGB der Beklagten zu 1) enthaltene Zinsänderungsklausel
  103. nach § 10 Nr. 4 AGBG, soweit die Sparverträge vor dem 1. Januar 2003 ausgelaufen sind, bzw. nach § 308 Nr. 4 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für nach
  104. diesem Zeitpunkt endende Verträge unwirksam ist, da die Befugnis eines Kreditinstituts, dem Sparer den jeweils durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu zahlen, nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (Senat, Urteile vom 17. Februar 2004 - XI ZR
  105. -6-
  106. 140/03, BGHZ 158, 149, 153 ff., vom 10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, WM 2008,
  107. 1493 Rn. 12 und vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 15).
  108. 12
  109. Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht unausgesprochen angenommen, dass von der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel nicht die
  110. zugrunde liegende Vereinbarung eines variablen Zinssatzes erfasst wird, da es
  111. sich dabei um eine eigenständige, ihrerseits nicht gegen ein Klauselverbot verstoßende, kontrollfreie Preisregelung handelt (Senat, Urteile vom 10. Juni 2008
  112. - XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 Rn. 16 f. und vom 13. April 2010 - XI ZR
  113. 197/09, WM 2010, 933 Rn. 16).
  114. 13
  115. 2. Zu Unrecht geht jedoch das Berufungsgericht im Weiteren von einem
  116. einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der beklagten Banken nach § 315
  117. Abs. 1 BGB aus.
  118. 14
  119. a) Eine Regelungslücke, die durch die Unwirksamkeit einer Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstanden ist, kann nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein
  120. einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank entsprechend § 315 BGB geschlossen werden. Dazu hätte es der wirksamen Vereinbarung bedurft, einer
  121. Vertragspartei das einseitige Leistungsbestimmungsrecht zu übertragen. Ist
  122. jedoch - wie hier - die in den Vertragsbedingungen enthaltene Preisanpassungsklausel unwirksam, so ist damit zugleich ein darin enthaltenes einseitiges
  123. Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders ersatzlos entfallen (vgl.
  124. BGH, Urteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 72 f. und vom
  125. 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 19 mwN).
  126. 15
  127. b) Ein einseitiges Zinsbestimmungsrecht steht den Beklagten auch nicht
  128. als Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung zu.
  129. -7-
  130. 16
  131. Da einerseits die unwirksame Zinsänderungsklausel nicht durch dispositives Recht ersetzt werden kann und andererseits das Gefüge der vorliegenden
  132. Sparverträge ohne eine Regelung zur Zinsanpassung nachhaltig gestört wäre,
  133. ist diese Regelungslücke im Grundsatz zwar durch ergänzende Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB auszufüllen (vgl. BGH, Urteil vom
  134. 13. November 1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 157; Senat, Urteil vom
  135. 10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 Rn. 18 mwN). Aus der bei
  136. Schließung von Regelungslücken in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebotenen objektiv-generalisierenden Sicht (vgl. BGH, Urteile vom 7. März 1989
  137. - KZR 15/87, BGHZ 107, 273, 276 f. und vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03,
  138. BGHZ 164, 297, 317) ist aber der hypothetische Vertragswille typischer Parteien, sofern ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bei Vertragsschluss bekannt
  139. gewesen wäre, nicht darauf gerichtet, eine unwirksame, den Vertragspartner
  140. des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende Klausel durch eine
  141. der unausgewogenen Regelung im Kern gleichende Gestaltung zu ersetzen
  142. (BGH, Urteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 78 und vom
  143. 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 315). Deswegen kann an die
  144. Stelle einer unwirksamen, einseitigen Zinsanpassungsklausel kein einseitiges
  145. Leistungsbestimmungsrecht der Bank treten, das - ungeachtet der nach § 315
  146. Abs. 3 BGB bestehenden Billigkeitskontrolle - die unwirksame Klausel entgegen
  147. der Wertung von § 10 Nr. 4 AGBG aF bzw. § 308 Nr. 4 BGB im Wesentlichen
  148. wirkungsgleich ersetzen würde (vgl. Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR
  149. 197/09, WM 2010, 933 Rn. 19).
  150. 17
  151. c) Die Beklagten hatten demnach nicht die Rechtsmacht, einseitig die
  152. Parameter für eine Neuberechnung der Zinsen festzulegen. Ebenso besteht
  153. - anders als das Berufungsgericht ausführt - hierzu kein Raum für ein geschäftspolitisches Ermessen der beklagten Banken. Vielmehr ist vom Gericht im
  154. Wege ergänzender Vertragsauslegung Anpassungsmaßstab und -modus zu
  155. -8-
  156. bestimmen, wobei in sachlicher und zeitlicher Hinsicht Parameter zu wählen
  157. sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (Senat, Urteile vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ
  158. 180, 257 Rn. 35 und vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 19).
  159. 18
  160. 3. Weiter rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht Zinsansprüche der
  161. Klägerin um Kapitalertragsteuer gekürzt, die während der Laufzeit der Sparverträge für zusätzlich geschuldete Zinszahlungen im Falle einer Auszahlung angefallen wäre. Dabei ist es - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unerheblich, ob die Klägerin und ihre Geschwister Freistellungsaufträge in entsprechender Höhe erteilt haben. Bisher ist ihnen in Höhe der streitgegenständlichen Zinsnachzahlungen jedenfalls kein steuerbares Einkommen zugeflossen.
  162. Kapitalertragsteuer entsteht nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in
  163. dem die Zinsen dem Gläubiger von Kapitalerträgen zufließen. Nach § 11 Abs. 1
  164. Satz 1 EStG gelten Einnahmen als zugeflossen, wenn der Gläubiger darüber
  165. wirtschaftlich verfügen kann (BFHE 134, 315, 317; BFHE 140, 542, 545; BFHE
  166. 229, 141 Rn. 28 ff.). Dafür reicht nicht aus, dass der Gläubiger einen - hier zudem bestrittenen - Anspruch auf Zahlungen hat (BFH/NV 2002, 643). Vielmehr
  167. fließen Einnahmen im Allgemeinen dem Gläubiger erst mit tatsächlicher Gutschrift auf einem Bankkonto zu (BFHE 134, 315, 317; BFHE 140, 542, 545).
  168. 19
  169. Für eine Kürzung bislang streitiger und nicht erfüllter Zinsansprüche um
  170. fiktive Steuerzahlungen fehlt mithin eine Grundlage. Soweit die Beklagten während der Laufzeit der Sparverträge auf von ihnen gebuchte Zinsen für die Klägerin und deren Geschwister Kapitalertragsteuer abgeführt haben, ist diese im
  171. Umfang der tatsächlichen Zahlungen zu berücksichtigen. Fiktive Steuern, die
  172. bei Zahlung höherer Zinsen in zurückliegenden Jahren aufgrund eines anderen
  173. Anpassungsverfahrens möglicherweise angefallen wären, sind bisher weder
  174. entstanden noch von den Beklagten aus dem Sparguthaben tatsächlich an die
  175. -9-
  176. Finanzbehörden abgeführt worden, konnten mithin während nachfolgender
  177. Zinsperioden das zu verzinsende Kapital nicht mindern und beeinflussen damit
  178. das bei Beendigung der Sparverträge bestehende Guthaben nicht. Dies gilt ungeachtet einer möglichen Pflicht der beklagten Banken, im Falle einer tatsächlichen Nachzahlung von Zinsen für die Klägerin Steuern an die zuständigen Finanzbehörden abzuführen.
  179. III.
  180. 20
  181. Das Berufungsurteil ist somit im Umfang der Anfechtung aufzuheben
  182. (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur abschließenden Entscheidung reif
  183. ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
  184. 21
  185. 1. Vom Berufungsgericht werden im Wege ergänzender Vertragsauslegung die Parameter einer Zinsanpassung festzustellen sein, die in sachlicher
  186. und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Dabei
  187. kommt es nicht darauf an, ob Anpassungsmaßstab und -methode, die die Beklagten der tatsächlich vorgenommenen Zinsanpassung zugrunde gelegt haben, einer Inhaltskontrolle standhalten würden, da diese nicht Inhalt der Sparverträge geworden sind (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM
  188. 2010, 933 Rn. 19). Wegen des Vorrangs einer ergänzenden Vertragsauslegung
  189. wird auch nicht der von der Revision vertretenen Ansicht zu folgen sein, die
  190. durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Vertragslücke
  191. sei nach § 316 BGB durch ein Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin zu
  192. schließen (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933
  193. Rn. 18).
  194. - 10 -
  195. 22
  196. 2. Der Referenzzins, dessen Veränderung Anlass und Höhe einer Zinsanpassung bestimmt, hat sich bei Spareinlagen, die - wie hier - wegen des damit verbundenen Verlustes der Abschlussprämie wirtschaftlich sinnvoll nicht
  197. vorzeitig gekündigt werden, grundsätzlich an Zinsen für vergleichbare langfristige Spareinlagen zu orientieren (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09,
  198. WM 2010, 933 Rn. 22 f.). Diesem Grundsatz kommt für die vorliegenden Sparverträge besondere Bedeutung zu, da das gesamte Sparguthaben jeweils in
  199. einem Betrag bei Abschluss der Sparverträge und nicht in laufenden monatlichen Raten eingezahlt worden ist. Diesen Anforderungen entspricht die vom
  200. Berufungsgericht akzeptierte "Zeitreihe WZ9816" weder sachlich noch zeitlich,
  201. da es sich um die Abbildung einer rechnerisch ermittelten Zinsstrukturkurve für
  202. börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Laufzeit von fünf Jahren handelt.
  203. Ebenso kann der von der Revision angesprochene Spareckzins nicht als Referenz herangezogen werden, da er den Zinssatz für Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von lediglich drei Monaten angibt (Senat, Urteil vom 13. April 2010
  204. - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 22).
  205. 23
  206. 3. Die Anpassung des Vertragszinses wird weiter nicht nach der vom Berufungsgericht gebilligten Methode gleitender Durchschnitte bei einer Ablauffiktion von fünf Jahren erfolgen können, da die Parteien im Sparvertrag keine Anpassungsschwelle vorgesehen haben. Nach den AGB der Beklagten zu 1) sollte jede Veränderung des dort genannten – unzulässigen – Referenzzinssatzes
  207. sogleich zu einer entsprechenden Anpassung des Vertragszinses führen. Dann
  208. erscheint es beiderseits interessengerecht, dass auch jede Veränderung des
  209. zutreffenden Referenzzinses ohne Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes und ohne zeitliche Verzögerung zu einer entsprechenden Anpassung des
  210. Vertragszinses führt (vgl. auch Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09,
  211. WM 2010, 933 Rn. 25).
  212. - 11 -
  213. Ein Anpassungsmodus, dem fünfjährige gleitende Durchschnittszinsen
  214. 24
  215. aus einem Referenzzins für Wertpapiere mit fünfjähriger Laufzeit zugrunde liegen, würde zudem einseitig das Interesse der beklagten Banken berücksichtigen, Zinsänderungseffekte im Passivgeschäft durch produktspezifische Gegengeschäfte zu festen Zinssätzen auszugleichen. Demgegenüber wäre der Sparer
  216. - entgegen seiner Erwartung - bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
  217. überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend
  218. ihrem Zeitanteil an dem unterstellten Anlagezeitraum von fünf Jahren einfließen.
  219. 25
  220. 4. Das Berufungsgericht wird schließlich den von ihm bei der Berechnung des laufenden Vertragszinses hingenommenen absolut gleich bleibenden
  221. Abstand zum Referenzzins zu überprüfen haben. Die damit erzielte Sicherung
  222. einer fixen absoluten Marge der Bank entspricht im Allgemeinen nicht sachgerechter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien. Eine darauf
  223. aufbauende Zinsanpassung kann bei fallenden Zinsen nicht nur zu einer im
  224. Verhältnis zum Vertragszins überzogenen Marge führen, sondern birgt die Gefahr einer negativen Verzinsung des angesparten Kapitals. Zwar müssen auch
  225. nach einer Anpassung günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ebenso
  226. ungünstige Zinskonditionen ungünstig. Dieser Grundsatz ist jedoch gewahrt,
  227. wenn der anfängliche relative Abstand des Vertragszinses vom Referenzzins
  228. für die Vertragslaufzeit beibehalten wird (Senat, Urteil vom 13. April 2010
  229. - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 27).
  230. 26
  231. 5. Das Berufungsgericht wird daher nach ergänzendem Vortrag der Parteien gegebenenfalls sachverständig beraten zu klären haben, welcher konkrete
  232. in der von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Zinsstatistik veröffentlichte Zins als maßgebliche Referenz herangezogen werden
  233. - 12 -
  234. kann (vgl. Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933
  235. Rn. 23). Soweit eine danach geeignete Zeitreihe nicht während der gesamten
  236. Laufzeit einzelner Sparverträge - unverändert - fortgeführt wird, kann dem im
  237. zeitlichen Anschluss durch Heranziehung der Zinsentwicklung einer neuen Zeitreihe Rechnung getragen werden. Diese Zeitreihen müssen unabhängig von
  238. Unterschieden in ihrer Erhebung und Berechnung jeweils für sich die Zinsentwicklung des konkreten Sparvertrags möglichst weitgehend abbilden. Abweichungen in der Höhe des Zinssatzes zwischen zeitlich aneinander anschließenden Zeitreihen stehen dem nicht von vorneherein entgegen, da die Zinsanpassung nicht an dem absoluten Wert des jeweiligen Referenzzinses, sondern
  239. an dessen Änderung auszurichten ist.
  240. Wiechers
  241. Mayen
  242. Maihold
  243. Vorinstanzen:
  244. LG Köln, Entscheidung vom 19.01.2006 - 15 O 393/05 OLG Köln, Entscheidung vom 16.01.2008 - 13 U 27/06 -
  245. Grüneberg
  246. Pamp