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25 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. X ZR 42/16
  5. Verkündet am:
  6. 28. November 2017
  7. Anderer
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. BGB § 307 Bj, Ci, Cl
  19. a) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens für ein Flugprämienprogramm, bei dem die Mitglieder Status- und Prämienmeilen sammeln und
  20. dabei verschiedene Statuskategorien ("Ivory", "Silver", "Gold", "Platinum") erringen
  21. können, benachteiligen die Klauseln
  22. "Für Ivory-Mitglieder haben Prämienmeilen eine Gültigkeit von 20 Monaten."
  23. und
  24. "Hat ein Mitglied in einem Zeitraum von 20 Monaten keine die Gültigkeit verlängernden Aktivitäten erbracht, behält sich die Gesellschaft das Recht vor, die Prämienmeilen zu streichen."
  25. die Mitglieder entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und
  26. sind unwirksam.
  27. b) Die Kündigungsklauseln in solchen Teilnahmebedingungen
  28. "Bei Empfang der Karte muss die Gesellschaft die Mitgliedschaft aufheben, woraufhin ein Mitglied ab Aufhebungsdatum sechs Monate Zeit hat, um alle angesammelten Prämienmeilen einzulösen."
  29. und
  30. "Wenn die Gesellschaft den Vertrag kündigt, erlöschen alle Status- und Prämienmeilen mit Ablauf von sechs Monaten nach der Benachrichtigung über die Kündigung."
  31. benachteiligen die Mitglieder entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch
  32. dann unangemessen und sind unwirksam, wenn Prämienflugtickets längere Zeit ab
  33. Ausstellungsdatum gültig bleiben und Prämienmeilen auch gegen andere Waren
  34. oder Dienstleistungen eingelöst werden können (Weiterführung von BGH, Urteil vom
  35. 28. Januar 2010 - Xa ZR 37/09, NJW 2010, 2046).
  36. BGH, Urteil vom 28. November 2017 - X ZR 42/16 - OLG Frankfurt am Main
  37. LG Frankfurt am Main
  38. ECLI:DE:BGH:2017:281117UXZR42.16.0
  39. -2-
  40. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  41. vom 28. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
  42. die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Bacher sowie die Dr. Richterin
  43. Kober-Dehm
  44. für Recht erkannt:
  45. Auf die Revision wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2016 aufgehoben,
  46. soweit zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
  47. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer
  48. des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2015 wird auch
  49. insoweit zurückgewiesen.
  50. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
  51. Von Rechts wegen
  52. Tatbestand:
  53. 1
  54. Die beklagte Luftfahrtgesellschaft bietet gemeinsam mit einem niederländischen Luftfahrtunternehmen unter der Bezeichnung "F.
  55. B. " (FB) ein
  56. Flugprämienprogramm an, bei dem die Mitglieder Status- und Prämienmeilen
  57. sammeln können und für das Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten ("Allgemeine Bestimmungen des F.
  58. -B. -Programms", im Folgenden nur: All-
  59. gemeine Bestimmungen).
  60. 2
  61. Zur Inanspruchnahme der im FB-Programm angebotenen Dienstleistungen und Vergünstigungen sind die Mitglieder berechtigt, die nach Annahme ih-
  62. -3-
  63. res Aufnahmeantrags eine Mitgliedskarte erhalten haben. Sie werden zunächst
  64. in den Basisstatus (Ivory-Status) eingegliedert, an den sich die höheren Statuskategorien "Silver", "Gold" und "Platinum" anschließen. Auf den Status werden "Statusmeilen" angerechnet. Diese können auf Flügen der Beklagten, von
  65. K. oder näher bestimmten anderen Fluggesellschaften ("Sky-Team-Partner"),
  66. aber auch durch andere dafür qualifizierte Aktivitäten gesammelt werden. Den
  67. Status "Silver" erwerben Mitglieder mit Anschrift in Frankreich oder Monaco bei
  68. 25.000 Statusmeilen oder 15 anerkannten Flügen innerhalb eines Kalenderjahres, die übrigen Mitglieder bei 30.000 Statusmeilen oder 15 anerkannten Flügen
  69. im gleichen Zeitraum. Am Ende jedes Jahres wird anhand der in seinem Verlauf
  70. gesammelten Statusmeilen oder anerkannten Flüge der für das folgende Jahr
  71. geltende Programmstatus eines Mitglieds bestimmt. Hat es in einem Jahr keine
  72. Statusmeilen angesammelt, wird es auf den Basisstatus zurückgesetzt; hat es
  73. zwar Statusmeilen gesammelt, aber nicht genug, um den aktuellen Status zu
  74. erhalten, wird es um eine Klasse zurückgestuft (Abschnitt 1.2.8 der Allgemeinen
  75. Bestimmungen).
  76. 3
  77. Der Kläger, ein nach § 4 UKlaG als qualifizierte Einrichtung anerkannter
  78. Verbraucherschutzverband, hat von der Beklagten verlangt, die Verwendung
  79. mehrerer Klauseln der Allgemeinen Bestimmungen zu unterlassen. Gegenstand
  80. des Revisionsverfahrens sind noch vier Bestimmungen, die die Gültigkeit der
  81. Prämienmeilen während der Programm-Mitgliedschaft und nach deren Kündigung betreffen. Abschnitt 1.2.9 der Allgemeinen Bestimmungen, dessen Sätze
  82. 1 und 3 der Kläger angreift, lautet:
  83. "1Für Ivory-Mitglieder haben Prämienmeilen eine Gültigkeit von 20 Monaten. 2Ausschließlich das Sammeln von Meilen auf Flügen von A.
  84. , K. , Sky Team-Partnern oder andere, in der FBKommunikation bezeichnet als die Gültigkeit verlängernde, qualifizierte
  85. Aktivitäten, werden als solche begriffen. 3Hat ein Mitglied in einem Zeitraum von 20 Monaten keine die Gültigkeit verlängernden Aktivitäten erbracht, behält sich die Gesellschaft das Recht vor, die Prämienmeilen zu
  86. streichen."
  87. -4-
  88. 4
  89. Abschnitt 1.2.2 betrifft die Beendigung der Mitgliedschaft. Jede Partei
  90. kann die vertragliche Vereinbarung jederzeit kündigen. Kündigt das Mitglied den
  91. Vertrag, muss es die Mitgliedskarte durchgeschnitten an die Gesellschaft zurückschicken. In Abschnitt 1.2.2 Satz 4 ist in diesem Zusammenhang geregelt:
  92. "Bei Empfang der Karte muss die Gesellschaft die Mitgliedschaft aufheben, woraufhin ein Mitglied ab Aufhebungsdatum sechs Monate Zeit hat,
  93. um alle angesammelten Prämienmeilen einzulösen."
  94. Satz 5 bestimmt schließlich:
  95. "Wenn die Gesellschaft den Vertrag kündigt, erlöschen alle Status- und
  96. Prämienmeilen mit Ablauf von sechs Monaten nach der Benachrichtigung
  97. über die Kündigung."
  98. 5
  99. Das Landgericht hat der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die vier angegriffenen Klauseln im Verhältnis zu Verbrauchern zu
  100. verwenden oder sich darauf zu berufen. Das Berufungsgericht hat die Klage
  101. insoweit abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
  102. verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
  103. Entscheidungsgründe:
  104. 6
  105. I.
  106. Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffenen Klau-
  107. seln wichen nicht im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von wesentlichen
  108. Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und benachteiligten die Vertragspartner der Beklagten auch sonst nicht entgegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
  109. unangemessen. Der Kunde erhalte eine unentgeltliche Zusatzleistung, die er
  110. auf vielfältige Weise selbstbestimmt nutzen könne. Die Gültigkeit der Flugprämien sei im Streitfall schon während des laufenden Programms grundsätzlich
  111. auf 20 Monate beschränkt; die Prämienmeilen könnten außerdem nicht nur
  112. durch Anrechnung auf den Preis eines neu zu buchenden Fluges der Beklagten
  113. -5-
  114. eingelöst werden, sondern auch bei zahlreichen anderen international tätigen
  115. Fluggesellschaften und seien zudem unentgeltlich auf Dritte übertragbar; zudem werde eine Fülle alternativer Einlösungsmöglichkeiten angeboten, wie etwa für zusätzlichen Service oder Komfort auf Flügen, Hotelaufenthalte, Mietwagenanmietungen, Geschenkboxen, Sportveranstaltungen, den Kauf von zahlreichen Artikeln wie Bekleidung, Schmuck, Lederwaren, Unterhaltungselektronik oder das Spenden von Meilen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, wenn die Fluggesellschaft nach Aufhebung der Mitgliedschaft oder
  116. deren Kündigung binnen eines Zeitraumes von sechs bzw. 20 Monaten die Abwicklung beendet sehen möchte. Der Kunde könne sich darauf in Anbetracht
  117. der großen Bandbreite von Einlösungsmöglichkeiten auch einstellen. Zugunsten
  118. der Beklagten falle ins Gewicht, dass mit einer längeren Bevorratung ein erheblicher Verwaltungsaufwand einhergehe, der sich auch bei der späteren Einlösung der Prämien manifestiere.
  119. 7
  120. II.
  121. Gegen diese Beurteilung wendet die Revision sich mit Erfolg. Die
  122. Verwendung der angegriffenen Klauseln benachteiligt die Vertragspartner der
  123. Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307
  124. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
  125. 8
  126. 1.
  127. Entgegen der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht zu
  128. Recht angenommen, dass die Klauseln in den Sätzen 1 und 3 des Abschnitts
  129. 1.2.9 (oben Rn. 3) der Allgemeinen Bestimmungen der Inhaltskontrolle unterliegen.
  130. 9
  131. a)
  132. Der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur
  133. solche Allgemeine Geschäftsbedingungen unterworfen, die von Rechtsvorschriften im engeren Sinne abweichen, sondern - insbesondere beim Fehlen
  134. einschlägiger dispositiver Gesetzesregelungen - auch Klauseln, die wesentliche, sich aus der Natur des Vertrages ergebende Rechte und Pflichten zum
  135. Nachteil des Vertragspartners einschränken oder sonst gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstoßen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH,
  136. -6-
  137. Urteil vom 28. Oktober 2014 - X ZR 79/13, NJW 2015, 687 Rn. 23; Urteil vom
  138. 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 Rn. 20). Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind lediglich Bestimmungen über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung. Nicht kontrollfähige Leistungsbeschreibungen in
  139. diesem Sinne sind Regelungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten
  140. Leistung so festlegen, dass der wesentliche Inhalt des Vertrages bestimmt oder
  141. bestimmbar wird (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - XI ZR 274/00, BGHZ 148,
  142. 74, 78), während Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken,
  143. ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind (BGH, Urteil vom
  144. 20. Mai 2010 - Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 Rn. 26).
  145. 10
  146. b)
  147. Danach unterliegen die genannten Klauseln der Inhaltskontrolle.
  148. 11
  149. aa)
  150. Wie der Bundesgerichtshof in Bezug auf ein vergleichbares Flug-
  151. prämienprogramm bereits entschieden hat, kann der Verwender im Rahmen
  152. solcher Kundenbindungsprogramme mangels eines gesetzlich geregelten Leitbilds und entsprechender Vorgaben hierfür autonom bestimmen, welche Anreize er zur Bindung seiner Kunden an sein Unternehmen setzen will (vgl. BGH,
  153. Urteil vom 28. Oktober 2014 - X ZR 79/13, NJW 2015, 687 Rn. 25). Das
  154. schließt Festlegungen zur Gültigkeitsdauer des Rückvergütungsversprechens
  155. zur Einlösung der Prämienmeilen grundsätzlich durchaus ein (BGH, Urteil vom
  156. 28. Januar 2010 - Xa ZR 37/09, NJW 2010, 2046 Rn. 16).
  157. 12
  158. bb)
  159. Das Hauptleistungsversprechen bestand in jenem Fall darin, dass
  160. der teilnehmende Kunde mit jeder Buchung eines Fluges bei der dortigen Beklagten eine flugstreckenabhängige Anzahl von Bonuspunkten gutgeschrieben
  161. bekam und sich diese innerhalb von fünf Jahren nach Flugdatum beim Erwerb
  162. eines Prämientickets auf den Flugpreis anrechnen lassen konnte. Davon unterscheidet sich die Regelung in Abschnitt 1.2.9 Satz 3 der Allgemeinen Bestimmungen, so wie diese aus der maßgeblichen Sicht verständiger und redlicher
  163. Vertragspartner und unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise
  164. beteiligten Verkehrskreise (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15,
  165. -7-
  166. NJW-RR 2016, 526 Rn. 17; Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, BGHZ 185,
  167. 310 Rn. 14) verstanden wird, in einem entscheidenden Punkt. Die Prämienmeilen eines Mitglieds sind danach zunächst für einen Zeitraum von 20 Monaten
  168. vorbehaltlos gültig. Sie verfallen auch nach Ablauf dieser Zeitspanne nicht ohne
  169. Weiteres, selbst wenn keine Meilen auf Flügen der Beklagten, von K. bzw.
  170. Sky Team-Partnern Meilen gesammelt oder andere in der FB-Kommunikation
  171. als gültigkeitsverlängernde Ereignisse anerkannte Aktivitäten entfaltet werden
  172. (Abschnitt 1.2.9 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen), sondern erst dadurch,
  173. dass die Beklagte die Prämienmeilen streicht.
  174. 13
  175. Die Klausel gestattet den Mitgliedern also im Ausgangspunkt die Einlösung von Prämienmeilen auf unbestimmte Zeit und der Beklagten das Recht,
  176. dieses umfassende Leistungsversprechen nachträglich einzuschränken. Jedenfalls wegen dieses Vorbehalts ist sie der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3
  177. BGB unterworfen, auch wenn die Einschränkungsmöglichkeit fakultativ ausgestaltet ist und nicht auf alle betroffenen Vertragspartner gleichermaßen zur Anwendung kommen mag.
  178. 14
  179. 2.
  180. Bei seiner Annahme, Abschnitt 1.2.9 Satz 3 der Allgemeinen Best-
  181. immungen benachteilige die Mitglieder nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen, hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass das
  182. bürgerliche Recht für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut
  183. der Verjährung kennt, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung
  184. unabhängige Ausschlussfristen (BGHZ 148, 74, 82) und dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel auch anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung
  185. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Verjährungsregelungen, von
  186. denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). So
  187. verhält es sich im Streitfall.
  188. 15
  189. a)
  190. Ansprüche auf Einlösung der in einem Flugprämienprogramm der
  191. vorliegenden Art gesammelten Prämienmeilen unterliegen ohne Weiteres, wo-
  192. -8-
  193. von auch die Parteien übereinstimmend ausgehen, der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Für deren Beginn ist der Schluss des
  194. Jahres maßgeblich, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1
  195. BGB). Auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung könnte ein Mitglied die
  196. Einlösung von Prämienmeilen deshalb in einem Zeitraum von drei Jahren, faktisch aber, je nach dem konkreten Tag des Prämienmeilenanfalls im Verlauf
  197. eines Jahres, bis zu vier Jahre lang erwarten.
  198. 16
  199. b)
  200. Die Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren gehört
  201. zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts (BGH, Urteil vom
  202. 21. April 2015 - XI ZR 200/14, BGHZ 205, 83 Rn. 17). Ihr ist deshalb bei der
  203. Inhaltskontrolle Leitbildfunktion im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB beizulegen.
  204. Abweichungen sind nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zwar nicht
  205. schlechterdings ausgeschlossen (vgl. Palandt/Ellenberger, 76. Aufl., § 202
  206. Rn. 13). Dabei sind aber die für die Ausgestaltung vertraglicher Beziehungen
  207. durch vorformulierte Bedingungen allgemein geltenden Dispositionsgrundsätze
  208. und -grenzen zu beachten. Danach ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender eigene Interessen einseitig auf
  209. Kosten derjenigen seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dass
  210. dessen Benachteiligung durch höherrangige oder zumindest gleichwertige eigene Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom
  211. 1. Februar 2005 - X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775). Bei der hieran orientierten Bewertung erweist sich die angegriffene Regelung als unangemessen.
  212. 17
  213. aa)
  214. Ob und inwieweit die Verjährungsfrist für ein (Mengen-)Rabattver-
  215. sprechen, als das die Gutschrift von Prämienmeilen bei Flugprämienprogrammen der vorliegenden Art der Sache nach anzusehen ist (BGH, NJW 2010,
  216. 2046 Rn. 16), verkürzt werden darf, kann je nach Art, Gegenstand und finanzieller Größenordnung der Geschäfte, auf die sich das Versprechen bezieht, unterschiedlich zu beantworten sein.
  217. -9-
  218. 18
  219. Im Streitfall geht es in erster Linie um die Rabattgewährung auf Linienflüge der Beklagten und der mit ihr kooperierenden Luftfahrtunternehmen (Abschnitt 2.4 der Allgemeinen Bestimmungen). Dabei handelt es sich um Leistungen, die einerseits nach ihrer durchschnittlichen finanziellen Größenordnung
  220. und dem durchschnittlichen Bedarf für ihre Inanspruchnahme deutlich aus dem
  221. für Geschäfte des täglichen Bedarfs zu steckenden Rahmen fallen. Andererseits muss der Fluggast sie aber doch in einem gewissen Umfang wiederholt in
  222. Anspruch genommen haben, bevor er die für die Einlösung einer attraktiven
  223. Prämie notwendige Anzahl von Prämienmeilen angesammelt hat. Die berechtigten Erwartungen der Mitglieder gehen in Anbetracht der Höhe der danach für
  224. den Erwerb von Prämienmeilen einzusetzenden eigenen Mittel dahin, die Möglichkeit zur Einlösung der Prämienmeilen in einem angemessenen Zeitraum
  225. gewahrt zu sehen. Dem wird die angegriffene Regelung nicht gerecht. Dass die
  226. angesammelten Prämienmeilen nach 20 Monaten Inaktivität verfallen, wenn die
  227. Beklagte von ihrem Streichungsrecht Gebrauch macht, wirkt sich in der Sache
  228. vielmehr als eine die gesetzliche Verjährungsfrist empfindlich verkürzende Regelung aus. Daran ändert nichts, dass Meilengutschriften auch durch andere
  229. anerkannte kommerzielle Aktivitäten der Mitglieder ausgelöst werden können.
  230. 19
  231. bb)
  232. Die Abstriche von der Länge des von den Mitgliedern erwarteten
  233. Nutzungszeitraums, welche die Beklagte sich mit Abschnitt 1.2.9 Satz 3 ihrer
  234. Allgemeinen Bestimmungen ausbedingt, sind nicht durch höherrangige oder
  235. zumindest gleichwertige eigene Interessen gerechtfertigt.
  236. 20
  237. (1)
  238. Durch den Streichungsvorbehalt sollen die Mitglieder im Interesse
  239. der Absatzsteigerung dazu animiert werden, "rechtzeitig" in dem vorgegebenen
  240. Zeitintervall Aktivitäten zu entfalten, die die Gültigkeit ihrer Prämienmeilen erhalten, namentlich weitere Flüge zu buchen.
  241. 21
  242. (2)
  243. Entgegen dem Berufungsgericht und der Revisionserwiderung ist
  244. es für die Bewertung der beteiligten Interessen nicht von erheblicher Bedeutung, dass die Prämienmeilen unentgeltlich und freiwillig gutgeschrieben wer-
  245. - 10 -
  246. den. Die Beklagte gewährt sie zwar, wie jeden Rabatt freiwillig, gleichwohl aber
  247. eigennützig (BGH, NJW 2010, 2046 Rn. 16). Der Flugpreis mag für Mitglieder
  248. nicht höher sein als für außenstehende Vertragspartner der Beklagten, dennoch
  249. muss die Rabattgewährung mit den Einkünften aus allen Flugbuchungen erwirtschaftet werden. Auf die Höhe der dafür kalkulierten Preise kann es sich nur
  250. dämpfend auswirken, dass nicht alle Vertragspartner der Beklagten zugleich
  251. Mitglieder des FB-Programms und damit prämienberechtigt sind. Ein Grund
  252. dafür, der Beklagten das Recht einzuräumen, den Mitgliedern die Vorteile dieses Rabatts in dem Umfang zu nehmen, wie sie sich dies mit Klausel 1.2.9
  253. Satz 3 ermöglicht, ist deshalb nicht ersichtlich (vgl. BGH, NJW 2010, 2046
  254. Rn. 16).
  255. 22
  256. (3)
  257. Zu Recht rügt die Revision auch, dass das Berufungsgericht den
  258. mit längerfristiger Bevorratung von Prämien einhergehenden Verwaltungsaufwand als Rechtfertigungsgrund für die Gültigkeitsverkürzung der Prämienmeilen
  259. anerkannt hat.
  260. 23
  261. Die Beklagte bietet für den Einsatz von Prämienmeilen zahlreiche Leistungen und Güter an. Soweit damit ein erhöhter Verwaltungsaufwand einhergeht, ist dieser durch ihre eigene, ersichtlich wettbewerbsorientierte Grundentscheidung veranlasst, das Prämienangebot attraktiv zu gestalten, und insoweit
  262. nicht bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigungsfähig. Ins Gewicht fallen könnte dies hier nur, wenn daraus, dass die Verfallfrist
  263. während der laufenden Mitgliedschaft nicht auf 20 Monate, und, worauf zurückzukommen sein wird, nach Kündigung nicht auf sechs Monate begrenzt ist, unzumutbarer zusätzlicher Bevorratungsaufwand entstünde. Dafür ist jedoch
  264. nichts ersichtlich und die Revisionserwiderung zeigt auch keinen in den Vorinstanzen gehaltenen, aber unbeachtet gebliebenen Sachvortrag auf, der eine
  265. entsprechende Prognose tragfähig stützen könnte. Sie räumt ein, dass die Bereitstellung zusätzlicher Flugkapazitäten nicht in Rede steht und die Mitglieder
  266. sich damit abfinden müssen, wenn einzelne Leistungen als Wunschprämien
  267. - 11 -
  268. nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen, sondern verweist insoweit auf ihre
  269. generelle Pflicht, diese Leistungen überhaupt erst zur Verfügung zu stellen.
  270. Diese Pflicht beruht aber, wie aufgezeigt, im Wesentlichen auf der im Interesse
  271. des eigenen Wettbewerbs vorgenommenen Ausgestaltung des Prämienangebots.
  272. 24
  273. 3.
  274. Für die Unwirksamkeit von Abschnitt 1.2.9 Satz 1 der Allgemeinen
  275. Bestimmungen, wonach die Prämienmeilen von Ivory-Mitgliedern eine Gültigkeit
  276. von 20 Monaten haben, gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß.
  277. 25
  278. Nach dem eigenen Verständnis der Beklagten gilt auch in Bezug auf diese Regelung, dass sich die Gültigkeit der Prämienmeilen durch Aktivitäten innerhalb eines Zeitintervalls von 20 Monaten verlängert. Danach schränkt auch
  279. diese Klausel eine umfassende Hauptleistung nachträglich ein. Das Gleiche gilt
  280. im Übrigen auch deshalb, weil Mitglieder den Basisstatus nicht nur unmittelbar
  281. nach dem Beitritt erhalten, sondern auch durch Rückstufung bei unzureichender
  282. Ansammlung von Meilen im Referenzzeitraum (oben Rn. 2) und folglich auch
  283. Prämienmeilen betroffen sind, die sie in einem höheren Status und damit jedenfalls im Ausgangspunkt unbefristet erworben haben.
  284. 26
  285. 4.
  286. Die Regelungen in den weiter angegriffenen Klauseln 1.2.2 Satz 4
  287. und 5, wonach ein Mitglied nach eigener Kündigung sechs Monate Zeit hat, alle
  288. angesammelten Prämienmeilen einzulösen, und bei Kündigung durch die Beklagte alle Status- und Prämienmeilen im gleichen Zeitraum verfallen, benachteiligt die Mitglieder entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
  289. 27
  290. Dafür kann dahingestellt bleiben, ob dies vor dem Hintergrund des vorstehend Ausgeführten ohne Weiteres schon deshalb gilt, weil diese Regelungen
  291. wie eine nochmalige Verkürzung der Verjährungsfrist zu bewerten sind, oder ob
  292. Bestimmungen zur Verjährungserleichterung in einem anderen Licht zu sehen
  293. - 12 -
  294. sein könnten, wenn sie an die Zäsur einer Kündigung des Vertragsverhältnisses
  295. anknüpfen. Die Klausel ist ungeachtet dessen unwirksam.
  296. 28
  297. a)
  298. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klau-
  299. sel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens für
  300. dessen Flugprämienprogramm unwirksam, nach der die Prämieneinheiten innerhalb von sechs Monaten ab Zugang der Kündigung durch das Unternehmen
  301. oder des Teilnehmers verfallen, wenn die reguläre vertragliche Verfallfrist für
  302. die Prämieneinheiten auf 60 Monate bemessen ist (BGH, NJW 2010, 2046).
  303. 29
  304. b)
  305. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtfertigen die
  306. im Streitfall zu berücksichtigenden Gesamtumstände keine abweichende Beurteilung.
  307. 30
  308. aa)
  309. Soweit der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung
  310. hervorgehoben hat, dass der Verfallzeitraum für die Prämieneinheiten nach
  311. Kündigung auf ein Zehntel der regulären Laufzeit verkürzt wurde (BGH, NJW
  312. 2010, 2046 Rn. 12, 15), besagt dies nichts darüber, inwieweit diese Kündigungsfrist bei einem kürzeren Referenzzeitraum als angemessen zu bewerten
  313. sein könnte. Soweit das Berufungsgericht die Kündigungsfrist im Streitfall für
  314. unbedenklich gehalten hat, weil die Gültigkeit der Prämienmeilen von vornherein auf 20 Monate begrenzt sei, beruht dies auf der unzutreffenden Prämisse,
  315. dass diese Begrenzungsregelung der Inhaltskontrolle standhält.
  316. 31
  317. bb)
  318. Eine von dem genannten Fall abweichende Bewertung ist nicht
  319. deshalb gerechtfertigt, weil die Prämien nach Kündigung lediglich innerhalb eines halben Jahres beantragt werden müssen, bei Wahl eines Prämientickets
  320. die betreffende Flugreise aber noch während eines längeren Zeitraums danach
  321. angetreten werden kann. Dies ändert nichts daran, dass die Vertragspartner vor
  322. die Notwendigkeit gestellt werden, die Disposition über ihre Prämienmeilen innerhalb der für den Kündigungsfall eingeräumten Frist zu treffen und sich
  323. grundsätzlich für ein bestimmtes Reiseziel zu entscheiden, das danach nur
  324. - 13 -
  325. noch unter bestimmten Bedingungen geändert werden kann (Abschnitt 3.4 der
  326. Allgemeinen Bestimmungen).
  327. 32
  328. Die Notwendigkeit, solche Auswahlentscheidungen innerhalb der eingeräumten Frist in die weitere Zukunft hinein planen zu müssen, kann die Vertragspartner bei ihren Auswahlentscheidungen über den Einsatz ihrer Prämienmeilen deshalb sinnwidrig und ohne dass dem erhebliche Interessen der Beklagten gegenüberstünden, unter Druck setzen. Das gilt in gesteigertem Maße
  329. dann, wenn angesammelte Prämienmeilen für mehrere Einlösungsmöglichkeiten ausreichen. Soweit die Revisionserwiderung unter den vielfältigen alternativen Möglichkeiten für deren Verwertung auf Hotelübernachtungen und Mietwagen verweist, ändert das nichts daran, dass die Vertragspartner auch insoweit,
  330. nur um dem Verfall der Prämienmeilen vorzubeugen, Dispositionen treffen
  331. müssen, deren Geeignetheit für die eigenen Zwecke sie ohne den durch die
  332. angegriffenen Klauseln ausgelösten zeitlichen Entscheidungsdruck möglicherweise anders eingeschätzt hätten. Das gilt in vergleichbarer Weise auch für die
  333. weiteren von der Revisionserwiderung angeführten Einlösungsmöglichkeiten
  334. wie den Erwerb von Kleidung, Accessoires oder von Unterhaltungselektronik.
  335. 33
  336. III.
  337. Das angefochtene Urteil kann nach alldem keinen Bestand haben,
  338. soweit das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers entschieden hat und ist
  339. insoweit aufzuheben. Der Senat kann insgesamt in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 2 ZPO), weil der Rechtsstreit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist und weitere Feststellungen
  340. nicht zu erwarten sind.
  341. - 14 -
  342. 34
  343. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
  344. Meier-Beck
  345. Gröning
  346. Bacher
  347. Grabinski
  348. Kober-Dehm
  349. Vorinstanzen:
  350. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.06.2015 - 2-24 O 138/14 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.03.2016 - 16 U 160/15 -