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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ARZ 381/06
  4. vom
  5. 30. Januar 2007
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. ZPO § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
  13. Wird ein Beklagter wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrages auf
  14. Schadensersatz in Anspruch genommen, findet § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO
  15. keine Anwendung, auch wenn sich der Beklagte bei der Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat.
  16. BGH, Beschl. v. 30. Januar 2007 - X ARZ 381/06 - OLG Düsseldorf
  17. -2-
  18. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2007 durch
  19. den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf
  20. beschlossen:
  21. Als zuständiges Gericht wird das Landgericht München I bestimmt.
  22. Gründe:
  23. I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz. Er trägt zur
  24. 1
  25. Begründung seiner Klageforderung vor:
  26. Er sei vom Geschäftsführer und Mitarbeitern der Beklagten zu 2 telefo-
  27. 2
  28. nisch und schriftlich über eine Beteiligung an dem "VIP 4-Fonds" beraten worden. Die Beklagte zu 2 habe dabei einen Prospekt "VIP Medienfonds 4" und
  29. diverse andere Informationsschriften verwandt. Aufgrund dieser Beratung habe
  30. er
  31. mit
  32. der
  33. M.
  34. GmbH
  35. ei-
  36. nen Treuhandvertrag über eine Kommanditbeteiligung an der …
  37. GmbH
  38. &
  39. Co.
  40. KG
  41. in
  42. Höhe
  43. von
  44. 25.000,-- €
  45. ge-
  46. schlossen. Er habe an die Fondsgesellschaft einschließlich eines Agios von
  47. 1.250,-- € insgesamt 14.875,-- € gezahlt. Den Rest habe die Beklagte zu 3 finanziert. Gegenstand des VIP 4-Fonds habe die Herstellung und der Vertrieb
  48. von Kino-, Fernseh- und Musikproduktionen mit einem angeblich abschrei-
  49. -3-
  50. bungsfähigen Aufwand im Jahre 2004 von 338.830.143,39 € sein sollen. In den
  51. öffentlich vertriebenen Prospekten der VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG sei
  52. nicht darüber aufgeklärt worden, dass das Großteil des Fondsvermögens nicht
  53. für die Produktion von Filmen verwendet worden sei und dass die Fonds keine
  54. echten Garantiefonds seien. Hätte die Beklagte zu 2 ihn hierüber ordnungsgemäß beraten, so hätte er sich an dem Fonds nicht beteiligt. Der Beklagte zu 1
  55. hafte als Initiator und Hintermann, die Beklagte zu 3 sei für den verwendeten
  56. Prospekt verantwortlich.
  57. 3
  58. Der Beklagte zu 1 befindet sich in München in Untersuchungshaft, die
  59. Beklagte zu 2 hat ihren Sitz in Neuss, die Beklagte zu 3 in München. Der Kläger
  60. hat beim Landgericht Düsseldorf Klage eingereicht, die allen Beklagten zugestellt worden ist. Der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 3 haben die örtliche
  61. Unzuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf gerügt. Mit Schriftsatz vom
  62. 11. Juli 2006 hat der Kläger das Oberlandesgericht Düsseldorf um Gerichtsstandsbestimmung ersucht und in erster Linie beantragt, das Landgericht Düsseldorf als zuständiges Gericht zu bestimmen.
  63. 4
  64. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich zwar gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3
  65. ZPO als berufen angesehen, den Gerichtsstand zu bestimmen. Es möchte jedoch von einer solchen Bestimmung absehen, da für alle Beklagten der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO
  66. begründet sei.
  67. 5
  68. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Sache dem Bundesgerichtshof
  69. vorgelegt, weil es mit der beabsichtigten Entscheidung von den Entscheidungen
  70. anderer Oberlandesgerichte abweichen würde.
  71. 6
  72. II. Die Vorlage ist zulässig.
  73. -4-
  74. 7
  75. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen,
  76. wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor.
  77. 8
  78. Das vorlegende Oberlandesgericht will seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, eine Gerichtsstandsvereinbarung sei deshalb nicht erforderlich, weil für alle Beklagten der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand
  79. des § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO begründet sei. Mit dieser Rechtsauffassung
  80. würde das vorlegende Oberlandesgericht jedenfalls von derjenigen der Oberlandesgerichte Stuttgart, Celle, Frankfurt und Hamburg abweichen, die einen
  81. gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstand deswegen verneint haben, weil
  82. jedenfalls in Bezug auf denjenigen von mehreren Beklagten, der die Beteiligung
  83. an dem Fonds lediglich vermittelt habe, § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO nicht
  84. anzuwenden sei. Das Oberlandesgericht Düsseldorf würde zudem auch von der
  85. Entscheidung des Oberlandesgerichts München abweichen, das § 32 b ZPO für
  86. nicht anwendbar gehalten hat, weil diese Vorschrift bei Vermögensanlagen des
  87. ungeregelten sog. Grauen Kapitalmarkts nicht gelte (ZIP 2006, 1699).
  88. 9
  89. III. Der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung ist begründet. Ein gemeinsamer besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand für alle Beklagten liegt
  90. nicht vor. Die Voraussetzungen für die ausschließliche Zuständigkeit nach
  91. § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind hinsichtlich der Beklagten zu 2 nicht erfüllt.
  92. 10
  93. Allerdings setzt die Anwendung der Vorschrift nicht voraus, dass Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, die auf bestimmten spezialgesetzlichen Regelungen beruhen; sie umfasst alle Haftungstatbestände. Voraus-
  94. -5-
  95. setzung ist nur, dass der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen
  96. entstanden ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 15/5091
  97. S. 33 zu Nr. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 32 b Rdn. 5). Der Begriff
  98. der öffentlichen Kapitalmarktinformation ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) definiert. Danach sind öffentliche Kapitalmarktinformationen solche, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte
  99. Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten enthalten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter
  100. von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dieser Begriff war im Regierungsentwurf enger gefasst und ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses
  101. (BT-Drucks. 15/5695 S. 23) erweitert worden auf "alle Anbieter sonstiger Vermögensanlagen". Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München
  102. (aaO) werden damit auch diejenigen Kapitalanlagen erfasst, für die eine Prospektpflicht gesetzlich nicht geregelt ist. Die Vorschrift setzt eine Prospektpflicht
  103. nicht voraus, sie knüpft vielmehr daran an, dass der Schaden aufgrund falscher,
  104. irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursacht worden ist.
  105. 11
  106. Gleichwohl ist § 32 b Abs. 1 ZPO nicht anwendbar, soweit der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2 gerichtet ist. Denn diese wird wegen ihrer falschen oder unzureichenden Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrags in Anspruch genommen und nicht aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen. Anspruchsgrundlage ist insoweit eine Verletzung des Anlageberatungsvertrags, der nicht
  107. schon deshalb öffentliche Kapitalmarktinformationen zum Gegenstand hat, weil
  108. sich die Beklagte zu 2 bei ihrer Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat. Die Beklagte ist auch nicht Anbieter i.S. von § 32 b
  109. ZPO. Anbieter ist nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermö-
  110. -6-
  111. gensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt
  112. (Begründung des Regierungsentwurfs eines Anlegerschutzverbesserungsgesetzes - AnSVG -, BT-Drucks. 15/3174 S. 42). Diese Voraussetzungen treffen
  113. auf die Beklagte zu 2 nicht zu.
  114. 12
  115. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung
  116. lässt sich nach dem Vortrag des Klägers ebenfalls nicht feststellen. Ein anderer
  117. gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten ist mithin nicht begründet, so dass
  118. eine Gerichtsstandsbestimmung erforderlich ist.
  119. 13
  120. IV. Der Senat hat es für zweckmäßig gehalten, als zuständiges Gericht
  121. das Landgericht München I zu bestimmen. Dort hat die Beklagte zu 3 ihren allgemeinen Gerichtsstand. Für den Beklagten zu 1 und die Beklagte zu 3 ist dort
  122. auch der Gerichtsstand des § 32 b ZPO. Außerdem sind beim Landgericht
  123. -7-
  124. München I eine Vielzahl von Parallelverfahren anhängig, so dass es auch zur
  125. Erreichung einer einheitlichen Behandlung sinnvoll erscheint, das Landgericht
  126. München I als zuständiges Gericht zu bestimmen.
  127. Melullis
  128. Keukenschrijver
  129. Meier-Beck
  130. Mühlens
  131. Asendorf
  132. Vorinstanz:
  133. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.10.2006 - I-5 Sa 88/06 -