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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZR 84/11
  4. vom
  5. 13. September 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2011 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin
  10. Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider und die Richterin Dr. Fetzer
  11. beschlossen:
  12. Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene
  13. Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss nach § 552a
  14. ZPO zurückzuweisen. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die von
  15. der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgesprochene Kündigung
  16. vom 15. April 2009 richtet, beabsichtigt der Senat, die Revision als
  17. unzulässig zu verwerfen.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. 1. Die Revision ist vom Berufungsgericht nur hinsichtlich der von der
  21. Klägerin ausgesprochenen Kündigung vom 20. März 2010, nicht dagegen im
  22. Hinblick auf die von ihrer Rechtsvorgängerin am 15. April 2009 erklärte Kündigung zugelassen worden. Sie ist daher insoweit als unzulässig zu verwerfen
  23. (§ 552 Abs. 1, 2 ZPO).
  24. 2
  25. a) Eine beschränkte Revisionszulassung liegt bereits dann vor, wenn die
  26. Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen
  27. hat, nur für einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitgegenstands erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, NJW 2010, 2879
  28. Rn. 15 mwN). So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat die Revision
  29. -3-
  30. auf die Frage beschränkt zugelassen, ob im Falle eines dem Vermieter gehörenden Mehrfamilienhauses für das Vorliegen erheblicher Nachteile im Sinne
  31. des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf die wirtschaftliche Verwertung des gesamten
  32. Grundstücks oder nur auf die Verwertung der betroffenen Wohnung abzustellen
  33. ist. Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage stellt
  34. sich bei der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgesprochenen Kündigung nicht, weil diese schon aus anderen Gründen unwirksam ist.
  35. 3
  36. b) Die damit vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist
  37. auch wirksam, denn der auf die Kündigung der Klägerin vom 20. März 2010
  38. gestützte Räumungsanspruch bildet einen abgrenzbaren, rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und auf den die Klägerin ihre Revision hätte beschränken können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Juli
  39. 2010 - VIII ZR 129/09, aaO Rn. 17 mwN).
  40. 4
  41. 2. Soweit hinsichtlich der von der Klägerin selbst ausgesprochenen Kündigung der Zugang zur Revisionsinstanz eröffnet ist, besteht ein Grund für die
  42. Zulassung der Revision nicht.
  43. 5
  44. a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass sich der Bundesgerichtshof noch nicht mit der Frage befasst habe, ob
  45. für das Vorliegen eines erheblichen Nachteils im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3
  46. BGB bei einem dem Vermieter gehörenden Mehrfamilienhaus die gesamten
  47. Grundstücksverhältnisse entscheidend seien oder ob auch die Verhinderung
  48. einer sich nur auf einzelne Wohnungen beziehenden Verwertungsabsicht mit
  49. entsprechenden Nachteilen verbunden sein könne. Anders als die Revision
  50. meint, beruht die Zulassung daher nicht auf der ein anderes Tatbestandsmerkmal des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB betreffenden und im Streitfall nicht entschei-
  51. -4-
  52. dungserheblich gewordenen Rechtsfrage, ob ein Vermieter an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Grundstücks schon dann gehindert
  53. ist, wenn die geplante Verwertungsmaßnahme nur einen Teil des Grundstücks
  54. betrifft (zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vgl. etwa Staudinger/Rolfs,
  55. BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rn. 149 einerseits und Rn. 166 ff. anderseits).
  56. 6
  57. b) Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung trägt keinen der im
  58. Gesetz genannten Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat
  59. weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert.
  60. 7
  61. aa) Ob die Verhinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks für den Vermieter mit erheblichen Nachteilen im Sinne
  62. des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB verbunden ist, hängt - wie das Berufungsgericht in
  63. Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zutreffend ausgeführt hat - von
  64. den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 2009 - VIII ZR
  65. 8/08, BGHZ 179, 289 Rn. 15; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, NJW 2011,
  66. 1135 Rn. 19; jeweils mwN).
  67. 8
  68. bb) Der vorliegende Fall bietet auch keine Veranlassung, höchstrichterliche Leitsätze aufzustellen. Für die Entwicklung solcher Leitsätze zur Fortbildung des Rechts besteht nur dann ein Bedürfnis, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an
  69. einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.;
  70. vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288,
  71. 292 mwN). Die Beantwortung der im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfrage hängt
  72. weitgehend von der dem Tatrichter übertragenen Würdigung der betreffenden
  73. -5-
  74. Einzelfallumstände ab. Den rechtlichen Rahmen für die nach § 573 Abs. 2 Nr. 3
  75. BGB vorzunehmende Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters
  76. und dem Verwertungsinteresse des Vermieters hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 28. Januar 2009 (VIII ZR 8/08, aaO Rn. 14 ff., vom 9. Februar
  77. 2011 (VIII ZR 155/10, aaO) und vom 8. Juni 2011 (VIII ZR 226/09, WuM 2011,
  78. 426 Rn. 11 f.) abgesteckt.
  79. 9
  80. cc) An diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht orientiert, so
  81. dass auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts gefordert ist.
  82. 10
  83. 3. Der Rechtsstreit ist auch in der Sache richtig entschieden worden. Die
  84. dem Tatrichter obliegende Beurteilung, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietvertrags ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3
  85. BGB entsteht, kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüft
  86. werden, ob das Berufungsgericht die Wertungsgrenzen erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze beachtet hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Januar 2009 - VIII ZR
  87. 8/08, aaO Rn. 15; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, aaO; vom 8. Juni 2011
  88. - VIII ZR 226/09, aaO Rn. 12). Einen dem Berufungsgericht in dieser Hinsicht
  89. unterlaufenen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht
  90. hat die für die Abwägung bedeutsamen Umstände umfassend und zutreffend
  91. gewürdigt.
  92. -6-
  93. 11
  94. 4. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen
  95. ab Zustellung dieses Beschlusses.
  96. Ball
  97. Dr. Frellesen
  98. Dr. Schneider
  99. Dr. Milger
  100. Dr. Fetzer
  101. Hinweis:
  102. Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
  103. Vorinstanzen:
  104. AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 15.07.2010 - 214 C 78/10 LG Berlin, Entscheidung vom 01.02.2011 - 65 S 298/10 -