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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 246/03
  5. Verkündet am:
  6. 20. Oktober 2004
  7. Potsch,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 20. Oktober 2004 durch die Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert, Dr. Wolst
  15. sowie die Richterin Hermanns
  16. für Recht erkannt:
  17. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des
  18. Landgerichts Dresden vom 5. August 2003 wird auf ihre Kosten
  19. zurückgewiesen.
  20. Von Rechts wegen
  21. Tatbestand:
  22. Die Klägerin ist seit 1992 Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks U.
  23. straße
  24. in D.
  25. . Die Beklagten haben seit 1959 im
  26. Erdgeschoß (Hochparterre) des Hauses eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche
  27. und Bad mit einer Größe von ca. 70 m2 gemietet. Die Klägerin bewohnt zwei
  28. weitere Zimmer im Erdgeschoß nebst Küche mit einer Wohnfläche von ca.
  29. 90 m2. Die Toilette der Klägerin ist nur über den Flur des Erdgeschosses zu
  30. erreichen, der den Eingangsbereich für beide Wohnungen bildet. Über ein Bad
  31. verfügt die Wohnung der Klägerin, die seit 1996 an Lungenkrebs erkrankt und
  32. darüber hinaus stark sehbehindert ist, nicht. Die Klägerin benutzt das Bad im
  33. Untergeschoß (Hangwohnung), welches innerhalb des Hauses über eine steinerne Wendeltreppe oder von außen über einen abschüssigen, schlecht befestigten Weg um das Haus herum erreichbar ist. Die Wohnung im ersten Stock,
  34. die ebenfalls über ein Bad verfügt, steht leer.
  35. -3-
  36. Die Klägerin hat gegenüber den jetzt 81 und 82 Jahre alten Beklagten
  37. mit Schreiben vom 6. April 2000 eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen.
  38. Sie hat geltend gemacht, sie wolle die Erdgeschoßwohnung des Anwesens zu
  39. einer Fünf-Zimmer-Wohnung umbauen, damit ihre in Köln lebenden Eltern dort
  40. zumindest zeitweise mit ihr zusammen wohnen und sie pflegen könnten, wenn
  41. ihr Gesundheitszustand dies erfordere. Es sei ihren betagten Eltern nicht möglich, die Wohnung im Obergeschoß zu nutzen. Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen. Sie bestreiten den Eigenbedarf der Klägerin und machen
  42. darüber hinaus geltend, aufgrund ihres Gesundheitszustandes - die Beklagte
  43. zu 1 ist an Krebs erkrankt - sei es ihnen nicht zumutbar, in eine andere Wohnung umzuziehen.
  44. Die Klägerin begehrt die Räumung der von den Beklagten bewohnten
  45. Wohnung im Erdgeschoß. Das Amtsgericht hat nach Einnahme eines Augenscheins im Anwesen U.
  46. straße
  47. die Klage abgewiesen. Das Landgericht
  48. hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer
  49. vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Räumungsantrag weiter.
  50. Entscheidungsgründe:
  51. I.
  52. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
  53. Die Kündigung der Klägerin rechtfertige einen Räumungsanspruch gegen die Beklagten nicht. Ein Vermieter könne ein Mietverhältnis über Wohnraum grundsätzlich nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an
  54. der Beendigung habe. Dieses sei insbesondere dann gegeben, wenn er die
  55. -4-
  56. Räume als Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen benötige. Das sei
  57. dann der Fall, wenn vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes sprächen, wobei nur auf die Interessen des
  58. Vermieters abzustellen sei. Die besonderen Belange des Mieters seien bei einer Abwägung im Rahmen der Härteklausel des § 574 BGB (vorher § 556 a
  59. BGB a.F.) zu beachten.
  60. Nach diesen Grundsätzen sei Eigenbedarf zu bejahen. Vor dem Hintergrund von stationären Krankenhausaufenthalten und einer begleitenden Chemotherapie der Klägerin sei offensichtlich, daß sie der Pflege und Unterstützung
  61. durch ihre Eltern bedürfe. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, daß sich
  62. die Eltern der Klägerin aufgrund der Krebserkrankung ihrer Tochter ernsthaft
  63. entschlossen hätten, nach D.
  64. zu ziehen, um ihr beizustehen und sie zu
  65. unterstützen. Selbst wenn sie die von ihnen derzeit bewohnten Räumlichkeiten
  66. in K.
  67. beibehalten und die Wohnung der Beklagten vor allem in den Zeiten
  68. nutzen wollten, in denen ihre Tochter aufgrund ihrer Erkrankung der Hilfe und
  69. Pflege bedürfe, stehe dies einem berechtigten Interesse der Klägerin an der
  70. Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten nicht entgegen.
  71. Eine Beendigung des Mietverhältnisses komme jedoch deshalb nicht in
  72. Betracht, weil die Kündigung für die Beklagten eine Härte bedeute, die auch
  73. unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen
  74. sei. Die Beklagte zu 1 sei schwer krebskrank. Das durch das Attest vermittelte
  75. Gesamtbild mache es auch angesichts des Alters der Beklagten nachvollziehbar, daß die mit einem Umzug einhergehenden physischen und psychischen
  76. Belastungen erheblichen negativen Einfluß haben würden. Hinzu komme, daß
  77. der Umzug in eine andere Umgebung bereits für sich eine Härte bedeute, weil
  78. Menschen im Alter der Beklagten an ihre Umgebung gewöhnt und dort verwurzelt seien, so daß sie sich in einem neuen Umfeld nicht mehr eingewöhnen und
  79. -5-
  80. zurechtfinden könnten. Allerdings konkurriere mit den gesundheitlichen und
  81. persönlichen Belangen der Beklagten in gleicher Weise der Wunsch der Klägerin nach gegenseitiger Unterstützung und Hilfe innerhalb der Familie. In dieser
  82. schwierigen Konfliktsituation gingen die Belange der Beklagten vor, da es der
  83. Klägerin immerhin in begrenztem Umfang möglich sei, ihre Eltern während deren zeitweiligen Aufenthaltes in D.
  84. im Hause selbst anderweitig unterzu-
  85. bringen, da jedenfalls im Dachgeschoß ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehe. Zwar sei für die Mutter der Klägerin das Treppensteigen mit Beschwerlichkeiten verbunden. Es erscheine jedoch zumutbar, daß die Klägerin
  86. mechanische Hilfsvorrichtungen zur Überwindung der Stockwerke (Treppenlift
  87. oder ähnliches) anbringe, um auf diese Art den mit der Nutzung einer Treppe
  88. einhergehenden Schwierigkeiten zu begegnen.
  89. II.
  90. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
  91. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht das Vorliegen von Eigenbedarf
  92. (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) auf seiten der Klägerin in Übereinstimmung mit der
  93. Rechtsprechung
  94. des
  95. Bundesverfassungsgerichts
  96. (z.B.
  97. Beschluß
  98. vom
  99. 3. Oktober 1989, NJW 1990, 309 ff.) bejaht. Diese Würdigung wird von der Klägerin als ihr günstig nicht angegriffen.
  100. 2. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt,
  101. daß die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der aufgezeigten Interessen der Klägerin
  102. nicht zu rechtfertigen ist.
  103. -6-
  104. Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 574 BGB nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung, unter anderem auf der Grundlage eines Augenscheins im Wohnanwesen durch das Gericht erster Instanz, den Belangen der Beklagten ein
  105. größeres Gewicht beigemessen. Dies beruht auf einer Subsumtion des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht unter die unbestimmten
  106. Rechtsbegriffe des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Insoweit hat das Revisionsgericht
  107. den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum der Instanzgerichte zu respektieren.
  108. Es kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe
  109. verkannt hat und ob dem Tatgericht von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht
  110. vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (z.B. BGH, Urteil vom
  111. 29. März 1990 - I ZR 2/89, NJW 1990, 2889 unter I 2 b). Hiernach zu berücksichtigende Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
  112. III.
  113. Danach war die Revision zurückzuweisen.
  114. Dr. Beyer
  115. Ball
  116. Dr. Wolst
  117. Dr. Leimert
  118. Hermanns