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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 244/00
  5. Verkündet am:
  6. 21. März 2001
  7. Mayer,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. ZPO §§ 181 Abs. 1, 187 Satz 1
  16. Eine mißglückte Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 ZPO kann nach § 187 Satz 1
  17. ZPO geheilt werden, wenn der Adressat das zuzustellende Schriftstück "in die Hand
  18. bekommen" hat.
  19. BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 244/00 - OLG Dresden
  20. LG Leipzig
  21. -2-
  22. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  23. vom 21. März 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
  24. Dr. Beyer, Ball, Wiechers und Dr. Wolst
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. August 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  27. Von Rechts wegen
  28. Tatbestand:
  29. Der in L.
  30. wohnende Beklagte bezog im Rahmen seines Gewerbebe-
  31. triebes im Juli 1990 von der Klägerin Videorecorder im Gesamtwert von
  32. 23.461,20 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Da die Bezahlung ausblieb, beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid. Der entsprechende Antrag ist am
  33. 30. Dezember 1994 beim Amtsgericht eingegangen; der am 24. Januar 1995
  34. erlassene Mahnbescheid ist am 27. Januar 1995 durch einen Bediensteten der
  35. Post an B.
  36. P.
  37. übergeben worden, die mit dem Beklagten und weiteren
  38. Personen in einer Wohngemeinschaft lebte. Am 27. Februar 1995 hat das
  39. Amtsgericht antragsgemäß einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Dieser ist
  40. am 27. April 1995 an D. H.
  41. übergeben worden, die ebenfalls der genann-
  42. ten Wohngemeinschaft angehörte. Mit Schriftsatz vom 3. November 1999 hat
  43. der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt.
  44. -3-
  45. Die Klägerin hält beide Zustellungen für wirksam und führt aus: Ein etwaiger Fehler bei der Zustellung des Mahnbescheids sei geheilt worden. Die
  46. Zustellung des Vollstreckungsbescheids sei wirksam, weil D. H.
  47. sei-
  48. nerzeit in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem Beklagten gelebt habe und zum
  49. Zustellungszeitpunkt Mitglied der bereits genannten Wohngemeinschaft gewesen sei. Abgesehen davon verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn sich
  50. der Beklagte auf etwaige Zustellungsmängel berufe; die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei rechtsmißbräuchlich.
  51. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit
  52. der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt,
  53. verfolgt die Klägerin ihren Kaufpreisanspruch weiter.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. I. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung wie folgt begründet:
  56. 1. Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid sei nicht verspätet
  57. gewesen. Da dieser nicht wirksam zugestellt worden sei, habe die Einspruchsfrist nicht zu laufen begonnen. Die Übergabe des Vollstreckungsbescheids an
  58. D.
  59. H.
  60. sei keine wirksame Ersatzzustellung gewesen, weil § 181 ZPO
  61. auch nicht analog auf Mitglieder einer Wohngemeinschaft angewendet werden
  62. könne. Zwar sei eine Ersatzzustellung an den nichtehelichen Lebensgefährten
  63. in entsprechender Anwendung von § 181 ZPO wirksam. Doch habe die Beweisaufnahme ergeben, daß nach Beendigung einer Liebesbeziehung zwischen D.
  64. H.
  65. und dem Beklagten im Jahre 1991 zum Zeitpunkt der
  66. Zustellung lediglich im Rahmen der Wohngemeinschaft ein freundschaftliches
  67. -4-
  68. Verhältnis zwischen beiden bestanden habe, nicht aber eine darüber hinausgehende Verbundenheit.
  69. 2. Dem Kaufpreisanspruch stehe die vom Beklagten erhobene Einrede
  70. der Verjährung entgegen. Nach den anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sei Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1994 eingetreten. Die am 27. Januar 1995 erfolgte Zustellung des am 30. Dezember 1994
  71. beantragten Mahnbescheids habe den Lauf der Verjährungsfrist nicht unterbrochen. Eine Ersatzzustellung an die Mitbewohnerin einer Wohngemeinschaft sei
  72. nicht wirksam. Die fehlerhafte Zustellung sei auch nicht geheilt worden. Zwar
  73. möge die Postsendung mit dem Mahnbescheid, wie von der Klägerin behauptet, von der Empfängerin B.
  74. P.
  75. damals auf den Küchentisch der
  76. Wohngemeinschaft gelegt worden sein. Damit sei aber nicht bewiesen, daß der
  77. Beklagte den Mahnbescheid auch tatsächlich erhalten habe. Dies sei indes
  78. Voraussetzung einer Heilung der fehlerhaften Zustellung.
  79. Anhaltspunkte für ein rechtsmißbräuchliches oder treuwidriges Verhalten
  80. des Beklagten seien nicht ersichtlich.
  81. II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung
  82. stand.
  83. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der am
  84. 3. November 1999 eingelegte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid
  85. vom 27. Februar 1995 nicht verspätet war. Die Ersatzzustellung am 27. April
  86. 1995 an D.
  87. H.
  88. hat die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 700 Abs. 1
  89. in Verbindung mit § 339 Abs. 1 ZPO nicht in Gang gesetzt. Diese Zustellung
  90. war fehlerhaft. Als mögliche Form einer Ersatzzustellung kommt vorliegend allein § 181 Abs. 1 ZPO in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
  91. -5-
  92. a) D.
  93. H.
  94. war Mitglied der Wohngemeinschaft, in welcher der
  95. Beklagte damals lebte. Ein Mitglied einer Wohngemeinschaft ist weder ein zur
  96. Familie des Zustellungsadressaten gehörender Hausgenosse, noch eine in
  97. dieser Familie dienende Person. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift
  98. auf
  99. Mitglieder
  100. einer
  101. Wohngemeinschaft
  102. scheidet
  103. aus
  104. (vgl.
  105. Rosen-
  106. berg/Schwab/Gottwald, ZPO, 15. Aufl., § 74 III 1 a; Fischer, JuS 1994, 416,
  107. 419).
  108. Allerdings hat der Senat bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften
  109. § 181 Abs. 1 ZPO entsprechend herangezogen und die an einen nichtehelichen Lebensgefährten bewirkte Ersatzzustellung jedenfalls dann als wirksam
  110. angesehen, wenn der Adressat mit einer Familie zusammenlebt, sei es, daß es
  111. sich um seine eigenen Verwandten, um Verwandte seines Lebensgefährten
  112. oder um gemeinschaftliche Kinder handelt (BGHZ 111, 1; vgl. auch BGHSt 34,
  113. 250, 254 f). Mit der Vorschrift des § 181 Abs. 1 ZPO (in der noch geltenden
  114. Fassung) wollte der Gesetzgeber nämlich den Zugang zustellungsbedürftiger
  115. Schriftstücke durch Aushändigung an solche Personen ermöglichen, von denen nach der Lebenserfahrung zu erwarten ist, daß sie wegen ihres nach außen zum Ausdruck gebrachten Vertrauensverhältnisses zum Adressaten die
  116. Sendung diesem aushändigen werden. Entscheidend muß deshalb in erster
  117. Linie das Bestehen eines solchen Vertrauensverhältnisses und nicht die Frage
  118. sein, ob das Verhältnis eine familienrechtliche Grundlage hat (BGHZ, aaO
  119. S. 5). Ein derartiges in § 181 Abs. 1 ZPO vorausgesetztes gleichsam familiäres
  120. Vertrauensverhältnis, das äußerlich durch ein ständiges Zusammenleben mit
  121. dem Adressaten in einer besonderen Form der Hausgenossenschaft in Erscheinung tritt, ist entgegen der Annahme der Revision bei einer Wohngemeinschaft nicht ohne weiteres vorhanden (Musielak/Wolst, ZPO 2. Aufl., § 181
  122. Rdnr. 5; MünchKomm-Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 181 Rdnr. 13). Typischerweise
  123. -6-
  124. schließen sich die Mitglieder einer Wohngemeinschaft aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen auf Zeit zur Nutzung einer gemeinsamen Wohnung zusammen. Die Wohngemeinschaft wechselt mehr oder minder häufig in ihrer Zusammensetzung, so auch im Falle der Wohngemeinschaft des Beklagten.
  125. Dann ist aber die Annahme nicht gerechtfertigt, aufgrund der gegenseitigen
  126. Verbundenheit sei davon auszugehen, daß das zuzustellende Schriftstück den
  127. Adressaten der Sendung mit einiger Sicherheit erreichen werde.
  128. Zwar ist nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 des Regierungsentwurfs zu einem Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren
  129. (Zustellungsreformgesetz - ZustRG) vorgesehen, daß eine Ersatzzustellung
  130. auch an einen "erwachsenen ständigen Mitbewohner" erfolgen kann. Dies würde auch die Mitbewohner einer Wohngemeinschaft umfassen, wenn die gemeinsame Nutzung der Wohnung von einiger Dauer ist. Der genannte Entwurf
  131. ist jedoch (noch) nicht geltendes Recht. Der Umstand, daß nach der jetzigen
  132. Rechtslage Mitbewohner einer Wohngemeinschaft keine tauglichen Personen
  133. einer Ersatzzustellung sein können, ist gerade Anlaß der geplanten Gesetzesänderung. Nach der amtlichen Begründung des Entwurfs soll durch die beabsichtigte Regelung der Kreis der empfangsberechtigten Personen erweitert
  134. werden.
  135. b) Zu Recht hat es das Berufungsgericht für eine wirksame Zustellung
  136. nicht ausreichen lassen, daß D.
  137. H.
  138. bis zum Jahre 1991 eine Liebes-
  139. beziehung zu dem Beklagten unterhalten, möglicherweise eine nichteheliche
  140. Lebensgemeinschaft mit ihm gebildet hatte. Da sie nach den Feststellungen
  141. des Berufungsgerichts zur Zeit der Zustellung nicht enger mit dem Beklagten
  142. verbunden war als die übrigen Mitbewohner, sogar räumlich getrennt von ihm
  143. in einer anderen Etage wohnte und bereits seit längerem eine Beziehung zu
  144. -7-
  145. einem anderen Mann eingegangen war, lag das für eine Analogie zu § 181
  146. Abs. 1 ZPO erforderliche, durch ein familienähnliches Zusammenleben geprägte Vertrauensverhältnis nicht vor (vgl. BVerwG, DVBl. 1958, 208 für einen
  147. geschiedenen Ehepartner).
  148. c) Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung vom 27. April 1995 nach
  149. § 187 Satz 1 ZPO scheidet aus (§ 187 Satz 2 ZPO), weil mit der Zustellung des
  150. Vollstreckungsbescheids eine Notfrist in Gang gesetzt wurde (§§ 700 Abs. 1,
  151. 339 Abs. 1 ZPO).
  152. 2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß
  153. dem Kaufpreisanspruch der Klägerin die rechtshemmende Einrede der Verjährung durch den Beklagten entgegensteht.
  154. a) Das Oberlandesgericht hat auf den Kaufvertrag der Parteien einschließlich der Verjährung des Kaufpreisanspruchs entsprechend Art. 28
  155. EGBGB zutreffend das Recht des BGB angewendet (BGHZ 127, 368, 370 f).
  156. Gleiches gilt für die Annahme des Oberlandesgerichts, gemäß § 196 Abs. 2
  157. BGB sei Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1994 eingetreten, sofern der
  158. Lauf der Frist nicht vorher gehemmt oder unterbrochen worden sei.
  159. b) Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte aufgrund
  160. des am 30. Dezember 1994 beantragten und am 27. Januar 1995 an B.
  161. P.
  162. , ein anderes Mitglied der damaligen Wohngemeinschaft des Beklagten,
  163. übergebenen Mahnbescheids eine Unterbrechung des Laufs der Verjährung
  164. gemäß § 209 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB annehmen müssen.
  165. aa) Die Zustellung vom 27. Januar 1995 erfolgte allerdings noch "demnächst" im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat das Amtsgericht die Klägerin mit Verfügung vom 2. Januar
  166. -8-
  167. 1995 auf die noch ausstehende Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses
  168. hingewiesen. Dieser ist am 19. Januar 1995 entrichtet worden. Soweit damit
  169. die Verzögerung der Zustellung der Klägerin angelastet werden kann, ist diese
  170. Verzögerung geringfügig (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, 2. Aufl., § 270 Rdnr. 17
  171. m.zahlr. Hinweisen zur Rechtsprechung). Die Ersatzzustellung gegenüber B.
  172. P.
  173. war jedoch nicht wirksam. Wie oben (II 1 a) bereits dargelegt, kann
  174. durch Übergabe an Mitglieder einer Wohngemeinschaft eine Ersatzzustellung
  175. nicht wirksam vorgenommen werden.
  176. bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist die fehlerhafte Zustellung des
  177. Mahnbescheids nicht nach § 187 Satz 1 ZPO geheilt worden. Eine Heilung
  178. durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks im Sinne des § 187 Satz 1
  179. ZPO setzt voraus, daß das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten
  180. gelangt, daß er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von
  181. dessen Inhalt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1977 - VIII ZR 107/76,
  182. NJW 1978, 426 unter II, 2 a; Musielak/Wolst aaO § 187 Rdnr. 3). Dies war bei
  183. dem Beklagten jedenfalls nicht in einem Zeitpunkt der Fall, zu dem der Erhalt
  184. des Schriftstücks noch als "demnächst" im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO hätte
  185. angesehen werden können.
  186. Der Empfänger eines zuzustellenden Schriftstücks soll in die Lage versetzt werden, seine Rechte zu wahren, ihm soll rechtliches Gehör gewährt
  187. werden. Zweck der Zustellung ist es daher, dem Empfänger eine zuverlässige
  188. Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück zu verschaffen (BGHZ 118, 45,
  189. 47; BGH, Urteil vom 22. November 1988 - VI ZR 226/87, NJW 1989, 1154
  190. = WM 1989, 238 unter II 3 a aa). Deshalb besteht nach § 170 Abs. 1 ZPO die
  191. Zustellung grundsätzlich in einer Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks
  192. an den Adressaten. Bei Zustellungen nach den §§ 181, 183, 184 ZPO erfolgt
  193. -9-
  194. zwar eine Übergabe an eine andere Person als den Adressaten. Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung der Interessen des Zustellungsveranlassers
  195. und auch derjenigen des Zustellungsadressaten unter den dort genannten
  196. Voraussetzungen eine Übergabe des Schriftstücks an eine andere Person als
  197. den Zustellungsadressaten für genügend gehalten. Bei diesem eng begrenzten
  198. Personenkreis besteht im Rahmen der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise eine ausreichende Gewähr dafür, daß das Schriftstück dem Adressaten
  199. auch wirklich ausgehändigt wird. Sind die Erfordernisse einer wirksamen Zustellung nach diesen Vorschriften nicht erfüllt, reicht die bloße Möglichkeit einer Kenntnisnahme seitens des Adressaten für die Zustellung nicht aus. Die
  200. Vorschrift des § 182 ZPO für eine Ersatzzustellung durch Niederlegung hingegen setzt als Ausnahmebestimmung voraus, daß das Schriftstück weder dem
  201. Adressaten noch einer Ersatzperson in seiner Wohnung übergeben werden
  202. konnte.
  203. Da die Zustellungsvorschriften jedoch nicht Selbstzweck sind, verlieren
  204. sie an Bedeutung, wenn ihre Funktion auf andere Weise erreicht ist, wenn dem
  205. Empfänger mithin eine zuverlässige Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück vermittelt wurde. Das ist im allgemeinen dann geschehen, wenn der
  206. Adressat der Zustellung trotz Verletzung der Zustellungsvorschriften das zuzustellende Schriftstück "in die Hand bekommen hat" (vgl. BGH, Urteil vom
  207. 22. November 1988, aaO; BGH, Beschluß vom 21. Dezember 1983 - IVb ZB
  208. 29/82, NJW 1984, 926 unter II 3). Dies ist bei dem Beklagten nicht dadurch
  209. erfolgt, daß die Mitbewohnerin P.
  210. nach der Behauptung der Klägerin - wie
  211. bei Posteingängen in der Wohngemeinschaft üblich - den Mahnbescheid auf
  212. den Tisch in der Küche gelegt hat. Die bloße Ablage zusammen mit der Post
  213. der anderen Mitglieder der Wohngemeinschaft an einer Stelle, an der sämtli-
  214. - 10 -
  215. che Mitbewohner Zugriff auf das Schriftstück hatten, erfüllt die genannten Voraussetzungen nicht.
  216. Im Ergebnis setzt damit eine Heilung nach § 187 Satz 1 ZPO mehr voraus als eine Zustellung durch Niederlegung nach § 182 ZPO. Dort reicht es
  217. aus, abgesehen von der Niederlegung, eine schriftliche Mitteilung hierüber in
  218. den Briefkasten einzuwerfen. Hier dagegen wird verlangt, daß der Adressat
  219. das Schriftstück "in die Hand bekommt". Dies ist kein Widerspruch, weil hier
  220. eine grundsätzlich durch Übergabe zu erfolgende (Ersatz-)Zustellung geheilt
  221. werden soll.
  222. cc) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der
  223. Klägerin übergangen (§ 286 ZPO), der Beklagte habe sich nach Zustellung des
  224. Mahnbescheids mit ihrem Geschäftsführer in Verbindung gesetzt und um eine
  225. vergleichsweise Regelung nachgesucht, greift nicht durch. Hieraus ist nicht
  226. darauf zu schließen, daß er den Mahnbescheid erhalten hatte; die Revision
  227. vermag keinen Vortrag der Klägerin über Äußerungen des Beklagten bei dem
  228. Telefongespräch aufzuzeigen, denen zu entnehmen wäre, daß er den Mahnbescheid in Händen hatte. Darüber hinaus fehlt es an Vorbringen zu dem Zeitpunkt einer etwaigen Inempfangnahme des Bescheids, mindestens zu dem
  229. Zeitpunkt des Telefongesprächs, aus dessen Inhalt sich eine vorherige Entgegennahme des Mahnbescheids hätte ergeben sollen. Eine Angabe der genauen Daten wäre aber deshalb von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, weil
  230. das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung nach § 187 Satz 1 ZPO zu der
  231. Überzeugung hätte gelangen müssen, daß der Beklagte den Mahnbescheid zu
  232. einem Zeitpunkt erlangt hatte, als die Zustellung noch als "demnächst" im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO hätte angesehen werden können.
  233. - 11 -
  234. dd) Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die spätere Unterrichtung des
  235. Beklagten durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und die möglicherweise
  236. erhaltene Akteneinsicht den tatsächlichen Zugang des Mahnbescheides nicht
  237. ersetzt haben (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1980 - II ZR 51/80, NJW
  238. 1981, 1041 = WM 1981, 138), im übrigen eine rechtzeitige Heilung nach § 187
  239. Satz 1 ZPO nicht bewirken konnten.
  240. 3. Tatsächliche Anhaltspunkte für ein treuwidriges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht zu erkennen vermocht. Dies ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision
  241. auch nicht angegriffen.
  242. Dr. Deppert
  243. Dr. Beyer
  244. Wiechers
  245. Ball
  246. Dr. Wolst