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26 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 109/18
  5. Verkündet am:
  6. 14. November 2018
  7. Reiter,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 328
  19. Bei der in einem Kaufvertrag des Vermieters über ein Hausgrundstück enthaltenen Vereinbarung, wonach der Mieter einer Wohnung des Hauses ein lebenslanges Wohnrecht haben und eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses
  20. durch den in den Mietvertrag eintretenden Erwerber ausgeschlossen sein soll,
  21. handelt es sich um einen (echten) Vertrag zugunsten Dritter (hier: des Mieters)
  22. gemäß § 328 BGB. Der Mieter erwirbt hierdurch unmittelbar das Recht, auf
  23. Lebenszeit von dem Käufer die Unterlassung einer ordentlichen Kündigung des
  24. Mietverhältnisses zu verlangen.
  25. BGH, Urteil vom 14. November 2018 - VIII ZR 109/18 - LG Bochum
  26. AG Bochum
  27. ECLI:DE:BGH:2018:141118UVIIIZR109.18.0
  28. -2-
  29. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 14. November 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die
  31. Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger und
  32. Dr. Schmidt
  33. für Recht erkannt:
  34. Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des
  35. Landgerichts Bochum vom 3. April 2018 wird zurückgewiesen.
  36. Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Die Beklagten mieteten im Jahr 1981 von einer der Rechtsvorgängerinnen der Kläger die Erdgeschosswohnung eines Siedlungshauses mit zwei
  41. Wohnungen. Der Beklagte zu 2 hat als ehemaliger Bergmann einen sogenannten Bergmannsversorgungsschein.
  42. 2
  43. Die Kläger erwarben das Siedlungshaus, in dem die Klägerin zu 2 inzwischen die Wohnung im ersten Stock bewohnt, im Jahr 2012 von der Stadt
  44. Bochum als Voreigentümerin. Der notarielle Kaufvertrag vom 4. Juli 2012 enthält unter anderem folgende Regelungen:
  45. "§ 2 b) Übernahme von Belastungen, Rechten und Pflichten
  46. […]
  47. -3-
  48. (4) Dem Käufer ist ferner bekannt, dass im Hause "H.
  49. " eine Wohnung im Erdgeschoss an die Eheleute L.
  50. und M.
  51. D.
  52. vermietet ist (Vertragsbeginn 16.06.1981). Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis.
  53. Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen
  54. der Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen
  55. Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen. Im
  56. Rahmen einer Wohnungsmodernisierung notwendige Vertragskündigung
  57. mit gleichzeitiger Versorgung/Umsetzung der Mieter in eine gleichwertige
  58. Wohnung im Bestand zu vergleichbaren Konditionen ist zulässig.
  59. Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lastenund schuldenfrei wiederzukaufen.
  60. Wiederkaufspreis ist der in § 4 angegebene Kaufpreis zuzüglich desjenigen Betrages, der dem Wert etwa vorgenommener Investitionen auf dem
  61. Kaufgrundstück zum Zeitpunkt der Ausübung des Wiederkaufrechtes entspricht.
  62. Falls sich die Beteiligten über den Wert der inzwischen vorgenommenen
  63. Investitionen nicht einigen, wird dieser Wert durch einen von beiden Parteien übereinstimmend zu benennenden Sachverständigen für beide Parteien verbindlich festgestellt. Kommt keine Einigung über den zu beauftragenden Sachverständigen zustande, wird die örtlich zuständige Architektenkammer mit der Benennung eines geeigneten vereidigten Sachverständigen beauftragt.
  64. Die Kosten der Durchführung eines solchen Wiederkaufs einschließlich
  65. der Kosten eines etwaigen Wertgutachtens, eine daraufhin etwa anfallende Grunderwerbsteuer sowie ein Verwaltungskostenbeitrag von 3 v.H.
  66. des Kaufpreises gehen zu Lasten des Käufers (Wiederverkäufers).
  67. Der sich aus dem Wiederkaufsrecht ergebende Anspruch wird grundbuchlich durch eine Rückauflassungsvormerkung zugunsten des Verkäufers
  68. gesichert.
  69. Des Weiteren wird das geschützte Mietverhältnis durch ein Vorkaufsrecht
  70. gemäß § 1094 Abs. 1 BGB zugunsten des Verkäufers gesichert.
  71. […]
  72. (5) Der Käufer verpflichtet sich weiter,
  73. -4-
  74. […]
  75. d) sämtliche vorstehenden Verpflichtungen seinen etwaigen Rechtsnachfolgern im Grundeigentum mit der Verpflichtung zur jeweiligen Weitergabe
  76. vertraglich aufzuerlegen."
  77. 3
  78. Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 kündigten die Kläger das mit den
  79. Beklagten bestehende Mietverhältnis nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Sie machen geltend, in dem notariellen
  80. Kaufvertrag vom 4. Juli 2012 sei zu ihren Gunsten ein lebenslanges Wohnrecht
  81. vereinbart, das sie den Klägern entgegenhalten könnten und das der Kündigung deshalb entgegenstehe.
  82. 4
  83. Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung
  84. sowie auf Zahlung rückständiger Miete gerichtete Klage abgewiesen. Das
  85. Landgericht hat die gegen die Abweisung der Räumungs- und Herausgabeklage gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Räumungs- und Herausgabebegehren
  86. weiter.
  87. Entscheidungsgründe:
  88. 5
  89. Die Revision hat keinen Erfolg.
  90. I.
  91. 6
  92. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  93. 7
  94. Den Klägern stehe der geltend gemachte Räumungsanspruch gegen die
  95. Beklagten nicht zu. Der Mietvertrag zwischen den Parteien sei nicht durch die
  96. -5-
  97. von den Klägern erklärte Kündigung beendet worden. Diese sei unwirksam, da
  98. sie gegen § 2 b (4) des zwischen der Stadt Bochum und den Klägern geschlossenen notariellen Kaufvertrags vom 4. Juli 2012 verstoße. Hierbei handele es
  99. sich um einen zugunsten der im Vertrag namentlich benannten Beklagten geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB.
  100. 8
  101. Ob die nicht am Vertragsschluss beteiligten Beklagten ein unmittelbares
  102. Recht aus dem notariellen Kaufvertrag gegen die Kläger erwerben sollten, wonach diese es zu unterlassen haben, bestimmte Kündigungsrechte auszuüben,
  103. sei durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Auslegung der
  104. vertraglichen Regelung ergebe, dass die Kündigungsausschlussklausel unzweifelhaft unmittelbare Rechtswirkungen zugunsten der Beklagten habe entfalten
  105. sollen. So spreche bereits die Terminologie der Klausel "lebenslanges Wohnrecht" dafür, dass den Beklagten eine gesicherte Rechtsposition habe eingeräumt werden sollen und diese nicht ihren bisherigen Wohnraum verlieren sollten, sofern sie dies nicht selbst zu vertreten hätten.
  106. 9
  107. Für die gewollte unmittelbare Wirkung des Kündigungsausschlusses gegenüber den Beklagten spreche auch die Schutzbedürftigkeit der Beklagten als
  108. Mieter. Es handele sich um ein bereits außergewöhnlich lange, nämlich über
  109. mehr als 30 Jahre, andauerndes Mietverhältnis. Zu berücksichtigen sei auch
  110. der Bergmannsversorgungsschein des Beklagten zu 2, der in seinen Wirkungen
  111. der Einstufung als Schwerbehinderter ähnele. Zudem handele es sich bei der
  112. Stadt Bochum um einen kommunalen Eigentümer und Veräußerer, der in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet sei und bei dem die Mieter nicht
  113. mit einer Kündigung hätten zu rechnen brauchen, sofern sie hierfür nicht selbst
  114. die Ursache gesetzt hätten.
  115. -6-
  116. 10
  117. Auch das der Stadt Bochum im notariellen Kaufvertrag eingeräumte
  118. Wiederkaufsrecht spreche dafür, dass die Parteien sich bewusst gewesen seien
  119. und sicherstellen wollten, dass die Mieter dauerhaft in ihrer Wohnung verbleiben könnten.
  120. 11
  121. Durch die Vereinbarung der Kündigungsausschlussklausel im notariellen
  122. Kaufvertrag sei nicht lediglich ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
  123. zum Schutz der Mieter gewollt gewesen. Die politischen Entscheidungsträger
  124. auf Verkäuferseite hätten ein ganz erhebliches Interesse daran gehabt, dass
  125. eine Kündigung gegenüber den Mietern im bloßen Vermieterinteresse gerade
  126. nicht möglich sein solle.
  127. 12
  128. Die Kündigungsausschlussklausel sei dahingehend auszulegen, dass sie
  129. auch eine Kündigung gemäß § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließe. Diese
  130. werde zwar in der Regelung nicht ausdrücklich angesprochen. Jedoch werde
  131. aus der Formulierung "insbesondere" deutlich, dass es sich um eine nicht abschließende Aufzählung handele. Noch deutlicher werde diese Zielrichtung
  132. durch die im Klauseltext folgende Regelung, dass lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen möglich sein solle. Die Kündigung nach § 573a BGB setze aber
  133. gerade keinerlei Pflichtverletzung oder Verschulden auf Mieterseite voraus.
  134. Schließlich werde auch aus der Formulierung zum Wiederkaufsrecht deutlich,
  135. dass den Klägern als Erwerbern lediglich eine außerordentliche Kündigung
  136. möglich bleiben solle. Denn nur im Falle der außerordentlichen Kündigung sollten die Erwerber ohne Verpflichtung zur Rückübertragung der Immobilie das
  137. Mietverhältnis kündigen können.
  138. -7-
  139. 13
  140. Die Kündigungsschutzregelung sei auch nicht nach § 573a Abs. 4 BGB
  141. unwirksam, da sie nicht zum Nachteil der Mieter, sondern zu deren Gunsten
  142. von § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB abweiche.
  143. 14
  144. Entgegen der Auffassung der Kläger ergebe sich eine Unwirksamkeit der
  145. Kündigungsschutzregelung in der oben genannten Auslegung auch nicht aus
  146. dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen unangemessener
  147. Benachteiligung der Kläger. Es erscheine bereits fraglich, ob wegen des erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Vortrags, dass es sich um Vereinbarungen handele, die die Stadt Bochum bei einer Vielzahl von Immobilienveräußerungen verwendet habe, überhaupt vom Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen ausgegangen werden könne. Dies könne jedoch offenbleiben, da die
  148. streitige Klausel jedenfalls nicht gemäß §§ 307 ff. BGB unwirksam sei. Sie benachteilige die Kläger entgegen ihrer Ansicht nicht unangemessen (§ 307
  149. Abs. 1, 2 BGB).
  150. 15
  151. Insgesamt erscheine das Regelungswerk ausgewogen und berücksichtige sowohl die Interessen des Vermieters als auch die des Mieters. Der Einräumung einer dauerhaften Wohnmöglichkeit für den Mieter stehe die Möglichkeit
  152. der außerordentlichen Kündigung durch den Vermieter gegenüber. Insbesondere in dem praktisch bedeutsamen Fall des Zahlungsverzugs sowie bei anderen
  153. erheblichen Pflichtverletzungen könne der Vermieter kündigen. Der Kündigungsausschluss sei zudem sowohl in seinem persönlichen Anwendungsbereich als auch in zeitlicher Hinsicht begrenzt. So betreffe er ausschließlich die
  154. im notariellen Vertrag namentlich bezeichneten Beklagten und keine nachfolgenden Mieter. Die Klausel werde zudem mit dem Tod des Längstlebenden der
  155. beklagten Mieter gegenstandslos, da sie dann keinen Anwendungsbereich
  156. mehr habe.
  157. -8-
  158. II.
  159. 16
  160. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist
  161. daher zurückzuweisen.
  162. 17
  163. Den Klägern steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Räumung und
  164. Herausgabe der von ihnen gemieteten Erdgeschosswohnung (§ 546 Abs. 1,
  165. § 985 BGB) nicht zu. Die Kündigung der Kläger ist unwirksam, weil ihr das im
  166. notariellen Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und den Klägern vereinbarte lebenslange Wohnrecht der Beklagten entgegensteht. Das Berufungsgericht
  167. hat darin zu Recht einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) gesehen, der den Beklagten eigene Rechte gegenüber den Klägern einräumt und
  168. eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB sowie nach § 573a BGB
  169. ausschließt. Dies gilt, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, unabhängig davon, ob die im Kaufvertrag enthaltenen Bestimmungen
  170. zum lebenslangen Wohnrecht der Beklagten als Individualvereinbarung oder als
  171. Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind.
  172. 18
  173. 1. Bei einer Individualvereinbarung kann die Auslegung einer Vertragsklausel durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln,
  174. Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff
  175. außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; Senatsurteile vom 27. April 2016
  176. - VIII ZR 61/15, NJW-RR 2016, 910 Rn. 26; vom 26. April 2017 - VIII ZR
  177. 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 17; jeweils mwN). Dieser Prüfung hält die Auslegung des Berufungsgerichts stand. Sie begegnet aber auch bei einer darüber
  178. hinausgehenden uneingeschränkten rechtlichen Nachprüfung (siehe hierzu
  179. -9-
  180. nachfolgend unter 2) keinen Bedenken (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember
  181. 2014 - VIII ZR 224/13, WuM 2015, 80 Rn. 37).
  182. 19
  183. a) Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bildet der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende
  184. objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB
  185. vorzunehmenden Auslegung; darüber hinaus sind insbesondere der mit der
  186. Vereinbarung verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu beachten,
  187. ferner die sonstigen Begleitumstände, die den Sinngehalt der gewechselten
  188. Erklärungen erhellen können (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 27. April 2016
  189. - VIII ZR 61/15, aaO Rn. 27; vom 27. September 2017 - VIII ZR 271/16, NJW
  190. 2018, 146 Rn. 30; jeweils mwN).
  191. 20
  192. b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht die in
  193. § 2 b (4) enthaltenen Regelungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass mit
  194. dem dort genannten lebenslangen Wohnrecht der Beklagten und dem Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs und wirtschaftlicher Verwertung
  195. nicht nur eine Verpflichtung der Kläger gegenüber der Stadt Bochum, sondern
  196. eigene Rechte der Beklagten begründet werden sollten, die sie den Klägern
  197. direkt entgegenhalten konnten.
  198. 21
  199. aa) Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden lebenslangen Wohnrecht der Mieter und einer Übernahme des Mietverhältnisses
  200. durch die Kläger die Rede ist, deutet - wie das Berufungsgericht richtig gesehen
  201. hat - darauf hin, dass den Mietern auf diese Weise eine gesicherte Rechtsposition auch gegenüber den Klägern als Käufern eingeräumt werden sollte und die
  202. Mieter ihren bisherigen Wohnraum nicht verlieren sollten, sofern sie dies nicht
  203. selbst zu vertreten hätten.
  204. - 10 -
  205. 22
  206. bb) Die hohe Schutzbedürftigkeit der Beklagten als langjährige Mieter,
  207. die sich zusätzlich daraus ergibt, dass dem Beklagten zu 2 ein Bergmannsversorgungsschein erteilt ist, sowie die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler Eigentümer und Veräußerer sprechen - wie das Berufungsgericht auch
  208. richtig gesehen hat - ebenfalls dafür, dass mit dieser Regelung eine Absicherung in der Form einer unmittelbaren Wirkung des Kündigungsausschlusses
  209. den Klägern gegenüber gewollt war.
  210. 23
  211. cc) Einen Rechtsfehler dieser Auslegung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Aus dem Umstand, dass der ursprünglich zwischen der Stadt
  212. Bochum oder ihrer Rechtsvorgängerin und den Beklagten abgeschlossene
  213. Mietvertrag ein lebenslanges Wohnrecht nicht vorsah, ergibt sich keineswegs,
  214. dass die Regelung in § 2 b (4) des Kaufvertrages widersprüchlich oder gar wegen "Perplexität" unwirksam wäre. Im Gegenteil unterliegt es bei verständiger
  215. Betrachtung keinem Zweifel, dass mit der kaufvertraglichen Regelung ein lebenslanges Wohnrecht der Mieter und dessen Übernahme durch die Käufer im
  216. Rahmen des Übergangs des Mietverhältnisses festgelegt werden sollte; dies
  217. wird durch die weiteren Sätze, nach denen eine ordentliche Kündigung des
  218. Mietvertrags seitens der Kläger ausgeschlossen ist, eindeutig bestätigt.
  219. 24
  220. Soweit sich die Revision auf das Wiederkaufsrecht beruft, welches der
  221. Stadt Bochum im Kaufvertrag für den Fall eingeräumt ist, dass die Kläger das
  222. Mietverhältnis ohne deren Zustimmung oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes kündigen, verkennt sie, dass diese Regelung
  223. nicht gegen, sondern gerade für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht.
  224. 25
  225. Der sich aus dem Wiederkaufsrecht ergebende Anspruch wird nach
  226. § 2 b (4) des notariellen Kaufvertrags zusätzlich durch eine im Grundbuch einzutragende Rückauflassungsvormerkung zugunsten der Stadt Bochum ge-
  227. - 11 -
  228. sichert. Außerdem haben sich die Kläger als Käufer gemäß § 2 b (5) d) weiter
  229. verpflichtet, sämtliche vorstehenden Verpflichtungen etwaigen Rechtsnachfolgern im Grundeigentum mit der Verpflichtung zur jeweiligen Weitergabe vertraglich aufzuerlegen und wird das geschützte Mietverhältnis außerdem durch ein
  230. Vorkaufsrecht gemäß § 1094 Abs. 1 BGB zugunsten des Verkäufers, der Stadt
  231. Bochum, gesichert.
  232. 26
  233. Diesen auf einen umfassenden Schutz des Mieters abzielenden Regelungen des Kaufvertrages hat das Berufungsgericht zu Recht entnommen, dass
  234. die Mieter mit dem Wohnrecht im Wege eines (echten) Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) ein unmittelbares Recht gegen die Kläger erwerben sollten, das
  235. noch zusätzlich dadurch abgesichert war, dass den Klägern bei einem Verstoß
  236. gegen die Mieterschutzbestimmung und einer dadurch möglichen Ausübung
  237. des Wiederkaufsrechts empfindliche finanzielle Belastungen durch die nach
  238. dem Kaufvertrag von ihnen zu tragenden Folgekosten drohten.
  239. 27
  240. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Revision, eine besondere
  241. Schutzbedürftigkeit der Beklagten sei deshalb zu verneinen, weil diese schon
  242. durch die gesetzlichen Regelungen des Mietrechts, etwa § 573 BGB, ausreichend geschützt seien. Die Revision verkennt insoweit, dass es in dem Kaufvertrag gerade darum ging, zugunsten der langjährigen Mieter der Stadt
  243. Bochum einen über § 573 BGB hinausgehenden Schutz vor ordentlichen Vermieterkündigungen zu gewähren, die ihren Grund nicht in einem vertragswidrigen Verhalten der Mieter haben.
  244. 28
  245. dd) Schließlich hat das Berufungsgericht die vorgenannten Regelungen
  246. zutreffend dahingehend ausgelegt, dass diese auch eine Kündigung gemäß
  247. § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB - wie hier vorliegend - ausschließen. Zwar wird die
  248. erleichterte Kündigungsmöglichkeit des im selben Hause wohnenden Vermie-
  249. - 12 -
  250. ters gemäß § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB im Kaufvertragstext nicht (ausdrücklich)
  251. angesprochen. Jedoch wird schon aus der Formulierung "insbesondere" deutlich, dass es sich bei den benannten Kündigungen wegen Eigenbedarfs (§ 573
  252. Abs. 2 Nr. 2 BGB) und wegen der Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Da eine Kündigung gemäß § 573a BGB gerade keine Pflichtverletzung oder ein Verschulden auf Mieterseite voraussetzt, wird schließlich
  253. auch durch die im Vertragstext folgende Regelung, wonach "lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen" möglich sein soll, besonders deutlich, dass auch die
  254. Kündigung gemäß § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB vom Kündigungsausschluss mitumfasst ist. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
  255. 29
  256. 2. Für den Fall, dass es sich bei den streitbefangenen Klauseln, wie die
  257. Revision geltend macht, aufgrund einer Verwendung seitens der Stadt Bochum
  258. in einer Vielzahl von Immobilienkaufverträgen für ähnliche Siedlungshäuser um
  259. von ihr vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305
  260. Abs. 1 Satz 1 BGB handelte, die der eigenen Auslegung und uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat unterliegen (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom
  261. 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13, aaO Rn. 16; vom 29. Juni 2016 - VIII ZR
  262. 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 20; jeweils mwN), gilt nichts anderes. Auch in diesem Fall und unter Anwendung des hierfür geltenden Maßstabs der Auslegung
  263. nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden
  264. (vgl. hierzu Senatsurteile vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13, aaO; vom
  265. 6. Dezember 2017 - VIII ZR 246/16, NJW 2018, 1957 Rn. 32; jeweils mwN;
  266. st. Rspr.), wären die streitigen Klauseln dahin auszulegen, dass den Beklagten
  267. mit dem lebenslangen Wohnrecht ein Recht eingeräumt wird, das sie den Klä-
  268. - 13 -
  269. gern unmittelbar entgegen halten können und das die ordentliche Kündigung
  270. des Mietverhältnisses ausschließt.
  271. 30
  272. Entgegen der Auffassung der Revision wären die betreffenden Bestimmungen des Kaufvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen in der vorgenannten Auslegung weder als überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB)
  273. nicht Bestandteil des Kaufvertrags geworden noch wegen unangemessener
  274. Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) unwirksam.
  275. 31
  276. a) Von einer überraschenden Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB kann
  277. von vornherein nicht die Rede sein, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang
  278. eindeutig ergibt, dass es der Stadt Bochum als Verkäuferin darum ging, die
  279. Mietverhältnisse ihrer langjährigen Mieter für deren Lebenszeit gegen eine nicht
  280. auf Vertragsverletzungen gestützte ordentliche Kündigung abzusichern; dies
  281. kann den Klägern nicht verborgen geblieben sein und sie hatten deshalb mit
  282. den hier im Streit stehenden Regelungen in § 2 b (4) und (5) des notariellen
  283. Kaufvertrags zu rechnen.
  284. 32
  285. b) Eine unangemessene Benachteiligung der Kläger durch die streitigen
  286. Klauseln ergibt sich weder daraus, dass diese nicht klar und verständlich wären
  287. (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), noch aus einer inhaltlichen Unausgewogenheit
  288. (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
  289. 33
  290. aa) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt dies allerdings nicht bereits daraus, dass die genannten Klauseln gemäß § 307 Abs. 3
  291. Satz 1 BGB einer - über das Transparenzerfordernis (§ 307 Abs. 3 Satz 2,
  292. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) hinausgehenden - Inhaltskontrolle entzogen wären,
  293. weil sich der im notariellen Kaufvertrag vorgesehene Mieterschutz als eine wesentliche Leistungspflicht der Kläger als Käufer und damit als ein "essentialium
  294. negotii" darstelle. Zwar unterliegen mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit Abre-
  295. - 14 -
  296. den über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sogenannte Leistungsbeschreibungen), ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht
  297. mehr angenommen werden kann, nicht der Inhaltskontrolle (vgl. BGH, Urteile
  298. vom 15. November 2007 - III ZR 247/06, NJW 2008, 360 Rn. 18; vom 9. April
  299. 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 43 f.; vom 25. Oktober 2016 - XI ZR
  300. 9/15, BGHZ 212, 329 Rn. 21; Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl., § 307 Rn. 42 f.;
  301. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., § 307 Rn. 37, 40 f.;
  302. MünchKommBGB/Wurmnest, 7. Aufl., § 307 Rn. 12).
  303. 34
  304. Um solche Leistungsbeschreibungen handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Vereinbarungen eines lebenslangen Wohnrechts der beklagten
  305. Mieter und eines Ausschlusses der ordentlichen Kündigung jedoch nicht. Zu
  306. den "essentialia negotii" in dem vorgenannten Sinne gehören bei einem Kaufvertrag - wie hier - regelmäßig die Vertragsparteien, der Kaufgegenstand und
  307. der Kaufpreis (vgl. bereits RGZ 124, 81, 83 f.; siehe ferner BGH, Urteil vom
  308. 23. August 2018 - III ZR 506/16, juris Rn. 23; Staudinger/Beckmann, BGB,
  309. Neubearb. 2013, § 433 Rn. 18; jurisPK-BGB/Backmann, Stand 19. Mai 2017,
  310. § 145 Rn. 15; jurisPK-BGB/Pammler, Stand 1. Dezember 2016, § 433 Rn. 19;
  311. Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., Einf. v. § 433 Rn. 1 f.).
  312. 35
  313. Der Inhaltskontrolle unterworfen sind hingegen Klauseln, die - wie die
  314. hier in Rede stehenden Klauseln - das Hauptleistungsversprechen (lediglich)
  315. einschränken, verändern, modifizieren oder näher ausgestalten (BGH, Urteile
  316. vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, aaO Rn. 44; vom 25. Oktober 2016 - XI ZR
  317. 9/15, aaO; Erman/Roloff, aaO Rn. 42, 44; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen,
  318. aaO Rn. 38; MünchKommBGB/Wurmnest, aaO).
  319. - 15 -
  320. 36
  321. bb) Die vorgenannten Klauseln verstoßen - entgegen der Auffassung der
  322. Revision - nicht gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
  323. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen
  324. von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner
  325. möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Senatsurteile vom 9. April 2014
  326. - VIII ZR 404/12, aaO Rn. 37; vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 48/05, BGHZ
  327. 165, 12, 21 f.; jeweils mwN). Dies ist hier der Fall. Wie bereits ausgeführt, lassen die im Zusammenhang mit dem lebenslangen Wohnrecht der Beklagten
  328. getroffenen Regelungen keinen Zweifel daran, dass ein unmittelbarer Schutz
  329. der Mieter gegenüber etwaigen Kündigungen der Käufer bezweckt und damit
  330. die ordentliche Kündigung, soweit diese nicht auf Vertragsverletzungen der Mieter gestützt wird, ausgeschlossen ist.
  331. 37
  332. cc) Auch eine inhaltliche Unausgewogenheit der streitbefangenen Regelungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die im
  333. notariellen Kaufvertrag enthaltenen Regelungen zum lebenslangen Wohnrecht
  334. der Beklagten und zum Kündigungsausschluss weder mit den Grundgedanken
  335. der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren seien (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich
  336. aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
  337. 38
  338. Zwar wird den Klägern durch die Regelung über das lebenslange Wohnrecht der Mieter eine ordentliche Kündigung, die nicht auf Vertragsverletzungen
  339. gestützt ist, für die Lebenszeit der aktuellen Mieter versagt, woraus sich für die
  340. Kläger gewisse Einschränkungen der Nutzbarkeit der Kaufsache während dieses Zeitraums ergeben. Darin hat das Berufungsgericht jedoch völlig zu Recht
  341. weder eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild noch eine Vertragszweckge-
  342. - 16 -
  343. fährdung des Kaufvertrages gesehen. Der von der Revision herangezogene
  344. Umstand, dass § 573 BGB verschiedene Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung des Vermieters vorsehe, liegt schon deshalb neben der Sache, weil Abweichungen zugunsten des Mieters gerade zulässig sind (§ 573 Abs. 4 BGB).
  345. 39
  346. Die Regelungen zum lebenslangen Wohnrecht der Beklagten und zum
  347. Kündigungsausschluss halten schließlich auch sonst der Inhaltskontrolle nach
  348. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten,
  349. dass die kaufvertraglichen Bestimmungen, mit denen das Recht der Erwerber
  350. zur ordentlichen Kündigung für die Lebensdauer der aktuellen Mieter eingeschränkt, ihnen das Recht zur außerordentlichen Kündigung hingegen belassen
  351. wird, eine inhaltlich ausgewogene Regelung für den Verkauf eines im kommunalen Eigentum stehenden, von langjährigen Mietern bewohnten Siedlungshauses darstellen.
  352. Dr. Milger
  353. Dr. Hessel
  354. Dr. Bünger
  355. Dr. Schneider
  356. Dr. Schmidt
  357. Vorinstanzen:
  358. AG Bochum, Entscheidung vom 13.09.2017 - 47 C 291/14 LG Bochum, Entscheidung vom 03.04.2018 - I-9 S 80/17 -