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8.0 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. VIII ZB 60/09
  4. vom
  5. 10. November 2009
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 91 Abs. 1, § 522 Abs. 1, RVG § 13 i.V.m. Nr. 3200 RVG VV
  14. Weist das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 522 Abs. 1 ZPO auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung hin und bringt es diesen Hinweis auch
  15. dem Berufungsbeklagten zur Kenntnis, hat der Berufungsbeklagte regelmäßig keine
  16. Veranlassung, innerhalb der mit dem Hinweis verbundenen Stellungnahmefrist kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen.
  17. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - VIII ZB 60/09 - OLG München
  18. LG Kempten
  19. -2-
  20. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 durch
  21. den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles
  22. und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer
  23. beschlossen:
  24. Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des
  25. 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Juni
  26. 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  27. Beschwerdewert: 245,14 €
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Die in erster Instanz unterlegenen Beklagten haben gegen das Urteil des
  32. Landgerichts Kempten vom 9. September 2008 Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt und diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. Dezember 2008 durch Telefax vom 15. Dezember 2008
  33. begründet. Das Berufungsgericht hat durch Verfügung vom gleichen Tage folgenden Hinweis erteilt:
  34. "I. Die Frist zur Berufungsbegründung ist - nach Verlängerung - am
  35. 12. Dezember 2008 abgelaufen. Die Berufungsbegründung ist hier
  36. per Fax am 15.12.2008 eingegangen. Auf § 522 Abs. 1 ZPO wird
  37. hingewiesen.
  38. II. Frist zur Stellungnahme: 3 Wochen ab Zustellung ..."
  39. 2
  40. Auf diese Verfügung haben die Beklagten, ohne eine Stellungnahme abzugeben, ihre Berufung am 4. Februar 2009 zurückgenommen, woraufhin das
  41. -3-
  42. Berufungsgericht ihnen durch Beschluss vom gleichen Tage die Kosten der Berufung auferlegt hat. Zuvor hatten die Prozessbevollmächtigten der Kläger unmittelbar nach Eingang der Verfügung unter dem 30. Dezember 2008 eine Stellungnahme abgegeben und dabei beantragt, die Berufung als unzulässig zu
  43. verwerfen.
  44. 3
  45. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren haben die Kläger eine
  46. 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG zuzüglich einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zur Erstattung angemeldet. Das Landgericht
  47. hat die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe des 1,1-fachen Betrages (zuzüglich
  48. der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) festgesetzt. Die sofortige Beschwerde, mit der die Kläger eine Festsetzung der von ihnen angemeldeten
  49. 1,6-fachen Verfahrensgebühr weiterverfolgt haben, hat das Oberlandesgericht
  50. zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
  51. II.
  52. 4
  53. Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
  54. 5
  55. 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt:
  56. 6
  57. Die Frage, ob im Falle einer nicht rechtzeitig begründeten Berufung ein
  58. nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vom Berufungsbeklagten gestellter
  59. Verwerfungsantrag einen Erstattungsanspruch auf die volle Verfahrensgebühr
  60. auslöse, sei zwar in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten.
  61. Richtigerweise sei jedoch die sofortige Stellung eines solchen Antrags überflüssig und widerspreche dem Grundsatz einer sparsamen Prozessführung. Hiernach bestehe ein Erstattungsanspruch nur für solche Maßnahmen, die für eine
  62. zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung objektiv not-
  63. -4-
  64. wendig seien (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Daran fehle es schon deshalb, weil das
  65. Berufungsgericht die Fristeinhaltung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohnehin
  66. von Amts wegen zu prüfen habe. Erst recht müsse dies gelten, wenn dem Verwerfungsantrag ein gerichtlicher Hinweis vorausgegangen sei, wie er hier erteilt
  67. worden sei. Da im Verhältnis zu den Klägern dieser Hinweis an sich noch nicht
  68. einmal erforderlich gewesen sei, habe für sie auch keine Veranlassung zur Stellungnahme bestanden, zumal nach dem Inhalt der gerichtlichen Verfügung die
  69. Fristsetzung ab Zustellung habe gelten sollen, der Hinweis den Prozessbevollmächtigten der Kläger jedoch lediglich formlos übersandt worden sei. Für die
  70. Kläger wäre erst dann eine Stellungnahme angezeigt gewesen, wenn die Beklagten aus Anlass des Hinweises Gründe für eine Wiedereinsetzung in den
  71. vorigen Stand vorgetragen hätten.
  72. 7
  73. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
  74. 8
  75. a) Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG entsteht im
  76. Berufungsverfahren nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben
  77. des Geschäfts, zu dem unter anderem das Einreichen von Schriftsätzen bei
  78. Gericht gehört. Allerdings ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201
  79. VV RVG bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags auf das 1,1-fache. Eine
  80. solche vorzeitige Beendigung liegt vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der
  81. Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Danach ist hier für die Prozessbevollmächtigten der Kläger aufgrund des von ihnen eingereichten Schriftsatzes vom 30. Dezember 2008 die
  82. 1,6-fache Verfahrensgebühr entstanden.
  83. 9
  84. Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die Kläger diese Kosten in voller Höhe von den Beklagten erstattet verlangen können. Die Erstattungsfähigkeit setzt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO voraus, dass der den
  85. -5-
  86. Antrag auf Verwerfung der Berufung enthaltende Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Eine Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei nur
  87. insoweit beanspruchen, als sie ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten
  88. (BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2009 - V ZB 54/09, NJW 2009, 3102, Tz. 9; vom
  89. 3. Juli 2007 - VI ZB 21/06, NJW 2007, 3723, Tz. 6 m.w.N).
  90. 10
  91. b) Ob ein Berufungsbeklagter diese Obliegenheit verletzt, wenn er nach
  92. Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung die Verwerfung des Rechtsmittels
  93. beantragt, wird in der Spruchpraxis der Oberlandesgerichte sowie im kostenrechtlichen Schrifttum unterschiedlich beurteilt (zum Meinungsstand KG, NJWRR 2009, 1007, 1008). Die hier gegebene Fallgestaltung ist - anders als diejenige, die dem Beschluss des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli
  94. 2009 (V ZB 54/09, z.V.b.) zugrunde gelegen hat - dadurch gekennzeichnet,
  95. dass das Berufungsgericht auf den nach Aktenlage eindeutig verspäteten Eingang der Berufungsbegründung durch Bezugnahme auf § 522 Abs. 1 ZPO und
  96. damit auf die hierin geregelte Amtsprüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen
  97. sowie die beabsichtigte Verwerfung der Berufung durch Beschluss als unzulässig hingewiesen und dies auch den Klägern/Berufungsbeklagten zur Kenntnis
  98. gebracht hat. Bei dieser Sachlage wird einhellig angenommen, dass für einen
  99. Berufungsbeklagten keine Veranlassung besteht, kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen. Denn nach der ihm vorteilhaften Ankündigung des Berufungsgerichts, in der zugleich eine weitgehend abgeschlossene Meinungsbildung in der Beurteilung der Zulässigkeitsfrage zum Ausdruck kommt, hat ein
  100. Berufungsbeklagter durch ein Untätigbleiben jedenfalls bis zum Ablauf der gesetzten Frist ersichtlich weder Rechtsnachteile zu befürchten noch Anlass, die
  101. Prozesssituation als für sich risikobehaftet einzuschätzen, noch kann er sonst
  102. davon ausgehen, durch Abgabe einer Stellungnahme einen Verfahrensab-
  103. -6-
  104. schluss wesentlich zu beschleunigen (vgl. BGHZ 166, 117, Tz. 20 zur Ankündigung einer Einspruchsverwerfung gemäß § 341 ZPO; BAG, NJW 2008, 1340,
  105. 1341; OLG Koblenz, MDR 2007, 866; LAG Düsseldorf, JurBüro 1994, 424, 425;
  106. Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 91 Rdnr. 14; MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl.,
  107. § 91 Rdnr. 96; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdnr. 13 "Berufung"; Thomas/
  108. Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rdnr. 21). Dem schließt sich der Senat an.
  109. Ball
  110. Dr. Milger
  111. Dr. Schneider
  112. Dr. Achilles
  113. Dr. Fetzer
  114. Vorinstanzen:
  115. LG Kempten, Entscheidung vom 03.03.2009 - 3 O 1731/07 OLG München, Entscheidung vom 17.06.2009 - 11 W 1346/09 -