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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 97/04
  5. Verkündet am:
  6. 12. Mai 2005
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. EStG § 48
  17. a) Der Leistungsempfänger ist im Falle der Abtretung der Werklohnforderung durch
  18. den Leistenden nur dann von der Abzugspflicht entbunden, wenn eine für den Leistenden erteilte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird.
  19. b) Nimmt ein Leistungsempfänger den Steuerabzug vor und führt den Abzugsbetrag
  20. an das Finanzamt ab, tritt hinsichtlich der Werklohnforderung Erfüllungswirkung
  21. ein, es sei denn, für den Leistungsempfänger war aufgrund der ihm zum Zeitpunkt
  22. der Zahlung bekannten Umstände eindeutig erkennbar, daß eine Verpflichtung
  23. zum Steuerabzug nicht bestand (im Anschluß an BGH, Urteil vom 17. Juli 2001 X ZR 13/99, BauR 2001, 1906).
  24. BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - VII ZR 97/04 - OLG Köln
  25. LG Köln
  26. -2-
  27. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 28. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
  29. Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und die Richterin Safari Chabestari
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats
  32. des Oberlandesgerichts Köln vom 2. April 2004 wird zurückgewiesen.
  33. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung, welche die
  37. Beklagte wegen einer Werklohnforderung im Umfang des von der Klägerin abgeführten Steuerabzugs nach § 48 EStG in Höhe von 3.599,36 € betreibt.
  38. Die Klägerin beauftragte die inzwischen liquidierte Firma A. mit Bauarbeiten für eine Kläranlage. Nach Abrechnung der Arbeiten trat diese den Werklohnanspruch im November 2000 an die Beklagte ab. Die Beklagte machte die
  39. Werklohnforderung in einem Vorprozeß mit umgekehrten Parteirollen geltend.
  40. Die jetzige Klägerin wurde mit Urteil vom 5. November 2002 verurteilt, an die
  41. Beklagte 23.995,75 € zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig. Nachdem die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg zur Vorlage einer Freistellungsbescheinigung der
  42. Zedentin gemäß § 48 b EStG aufgefordert hatte, zahlte sie im März 2003 an die
  43. -3-
  44. Beklagte 85 % der titulierten Forderung. Die restlichen 15 %, also 3.599,36 €,
  45. führte sie als Steuerabzug an das für die Zedentin zuständige Finanzamt ab.
  46. Die Beklagte betreibt wegen dieses Betrages von 3.599,36 € die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 5. November 2002.
  47. Auf die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin hat das Landgericht die
  48. Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
  49. Entscheidungsgründe:
  50. Die Revision hat keinen Erfolg.
  51. I.
  52. Das Berufungsgericht meint, der Zahlung des Leistungsempfängers
  53. (= Bestellers) an den durch das gesetzliche Abzugsverfahren des § 48 EStG
  54. gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger komme für die zugrundeliegende
  55. Werklohnforderung Erfüllungswirkung zu, wenn und soweit der Abzug zu Recht
  56. und dem Umfang nach richtig vorgenommen worden sei. Der Steuergläubiger
  57. könne in Höhe des Abzugsbetrags kraft gesetzlicher Überleitung die Forderung
  58. aus dem Werkvertrag zur Tilgung der Steuerschuld des Werklohngläubigers
  59. beanspruchen.
  60. Auch im Falle der Abtretung unterliege die vom Leistungsempfänger zu
  61. entrichtende Gegenleistung für eine im Inland erbrachte Bauleistung unter den
  62. -4-
  63. Voraussetzungen des § 48 EStG dem Steuerabzug für Rechnung des Leistenden. Mit der Abtretung trete der Zessionar nicht an die Stelle des Leistenden im
  64. Sinne des § 48 EStG. Der Abzug sei nur dann nicht vorzunehmen, wenn der
  65. Zessionar eine Freistellungsbescheinigung des Zedenten vorlegen könne. Dem
  66. Leistungsempfänger entstehe durch den Abzug kein Nachteil, weil der Zahlung
  67. an das Finanzamt auch im Falle der Abtretung der Forderung Erfüllungswirkung
  68. zukomme. Es sei nicht Sache der Zivilgerichte zu entscheiden, ob § 48 EStG
  69. anwendbar sei, wenn die Abtretung der Gegenforderung zu einem Zeitpunkt
  70. erfolge, in dem das Inkrafttreten dieser Regelung noch nicht absehbar gewesen
  71. sei. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung liege allein bei
  72. den Finanzbehörden. Trotz der ungeklärten Rechtslage, wer im Falle der Abtretung als Leistender anzusehen sei und ob gegen die Anwendung des
  73. § 48 EStG auf eine Abtretung, die vor Inkrafttreten dieser Bestimmung vorgenommen worden sei, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, sei zugunsten der Klägerin von einer Erfüllungswirkung der abgeführten Zahlung auszugehen.
  74. II.
  75. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
  76. 1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß die Abführung
  77. des Abzugsbetrags durch den Leistungsempfänger an das für den Leistenden
  78. zuständige Finanzamt gemäß § 48 EStG (in der Fassung vom 19. Oktober
  79. 2002, BGBl. I 4210) die Erfüllung der zugrundeliegenden Werklohnforderung
  80. bewirkt hat.
  81. -5-
  82. a) Ein Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder eine juristische Person
  83. des öffentlichen Rechts ist als Auftraggeber einer Bauleistung, die im Inland
  84. erbracht wird, nach § 48 Abs. 1 EStG zu einem Abzug in Höhe von 15 % des
  85. Bruttobetrages der Gegenleistung und zur Abführung dieses Betrags an das für
  86. den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden verpflichtet. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 EStG ist nach § 52 Abs. 56 EStG erstmals
  87. auf Gegenleistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 erbracht
  88. werden. Die Abzugspflicht besteht nicht, wenn die Gegenleistung im laufenden
  89. Kalenderjahr vorbehaltlich der Sonderregelung des § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
  90. EStG einen Mindestbetrag von 5.000 € nicht übersteigt oder der Leistende dem
  91. Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 48 b EStG
  92. vorlegt (§ 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Leistender ist derjenige, der die Erbringung der Bauleistung schuldet.
  93. b) Mit der in § 48 Abs. 1 EStG geregelten Abzugsverpflichtung tritt in Höhe des Abzugsbetrags für den Leistungsempfänger neben seine zivilrechtliche
  94. Leistungsverpflichtung gegenüber dem Leistenden eine öffentlich-rechtliche
  95. Zahlungsverpflichtung und Haftung gegenüber dem Finanzamt des Leistenden.
  96. Das zivilrechtliche Vertragsverhältnis wird durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung abgabenrechtlich überlagert. Sofern der Leistungsempfänger seiner
  97. bestehenden Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt des Leistenden zur
  98. Vermeidung einer Haftung nach § 48 a Abs. 3 Satz 1 EStG nachkommt, verhält
  99. er sich im Verhältnis zum Leistenden nicht vertragswidrig. Der Leistungsempfänger erfüllt in Höhe des Abzugsbetrags seine zivilrechtliche Leistungspflicht,
  100. indem er der ihm abgabenrechtlich auferlegten Abzugsverpflichtung gegenüber
  101. dem Finanzamt des Leistenden nachkommt (vgl. BGH Urteil vom 17. Juli 2001
  102. - X ZR 13/99, BauR 2001, 1906, 1909 = NJW-RR 2002, 591).
  103. -6-
  104. 2. Der von der Revision erhobene Einwand, daß die Werklohnforderung
  105. nicht durch Zahlung an das Finanzamt habe teilweise erfüllt werden können,
  106. weil sie bereits an die Beklagte abgetreten und damit nicht mehr Bestandteil
  107. des Vermögens der Zedentin als Leistender gewesen sei, greift nicht durch.
  108. Denn das Berufungsgericht nimmt weiter zu Recht an, daß auch im Falle
  109. der Abtretung einer Werklohnforderung für eine Bauleistung, die im Inland gegenüber einem Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder einer juristischen
  110. Person des öffentlichen Rechts erbracht wird, eine Abzugsverpflichtung des
  111. Leistungsempfängers nach § 48 EStG bestehen kann. Die gesetzliche Pflicht
  112. zur Abführung eines Abzugsbetrags knüpft nach dem Wortlaut des § 48
  113. Abs. 1 EStG an die Erbringung der Gegenleistung durch den Leistungsempfänger an. Die Abzugspflicht besteht unabhängig davon, wann die Bauleistung erbracht worden ist und ob die Gegenleistung dem Leistenden zivilrechtlich noch
  114. zusteht oder nicht (vgl. BT-Drucks. 14/4658 S. 11).
  115. 3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Auffassung des
  116. Berufungsgerichts, daß die Abzugsverpflichtung im Falle der Abtretung der
  117. Werklohnforderung nicht entfällt, wenn der Zessionar dem Leistungsempfänger
  118. eine auf ihn lautende Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG vorlegt.
  119. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 EStG muß der Steuerabzug nicht vorgenommen
  120. werden, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der
  121. Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48 b Abs. 1 Satz 1
  122. EStG vorlegt. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Leistungsempfänger im Falle der Abtretung nur dann von der Abzugspflicht entbunden ist,
  123. wenn der Zessionar eine für den Leistenden i.S.d. § 48 EStG erteilte Freistellungsbescheinigung vorlegt.
  124. -7-
  125. Das Gesetz unterwirft die Werklohnforderung desjenigen, der im Inland
  126. Bauleistungen gegenüber einem Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbringt, der Abzugsverpflichtung des § 48 EStG. Damit soll die Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung hinsichtlich des Gewinns des die Bauleistung erbringenden Unternehmers
  127. sowie die Besteuerung des Arbeitslohns der beim Erbringen der Bauleistung
  128. eingesetzten Arbeitnehmer in gewissem Umfang gesichert werden (vgl. § 48 c
  129. EStG). Der damit verfolgte Sicherungszweck entfällt regelmäßig, wenn für den
  130. Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG erteilt worden ist
  131. (vgl. BT-Drucks. 14/4658 S. 11). Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung
  132. setzt nach § 48 b Abs. 1 Satz 1 EStG voraus, daß der zu sichernde Steueranspruch gegen den Leistenden nicht gefährdet erscheint. Der Steuerabzug wird
  133. für Rechnung desjenigen vorgenommen, der die Bauleistung erbracht hat. Für
  134. diesen ist eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48 b EStG vorzulegen. Der
  135. Zessionar hat die Bauleistung nicht erbracht. Seine Steuerverpflichtungen sollen nach dem Gesetzeszweck nicht gesichert werden. Es kommt daher nicht
  136. darauf an, ob der Zessionar mit einer ihm nach § 48 b EStG erteilten Freistellungsbescheinigung belegen kann, daß gegen ihn bestehende Steueransprüche nicht gefährdet sind.
  137. 4. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß in Höhe des von der Klägerin an das Finanzamt abgeführten
  138. Betrages die Werklohnforderung der Beklagten erfüllt worden ist, auch wenn
  139. nicht abschließend steuerrechtlich geklärt ist, ob die Vorschrift des § 48 EStG
  140. im Falle einer vor Inkrafttreten dieser Regelung vorgenommenen Abtretung der
  141. Werklohnforderung Anwendung findet und die Klägerin zum Steuerabzug verpflichtet war oder ob dem das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot entgegensteht.
  142. -8-
  143. a) Daß die Erfüllungswirkung durch Steuerabzug auch dann eintritt, wenn
  144. die steuerrechtliche Lage zur Zeit der Zahlung an das Finanzamt ungeklärt ist,
  145. hat der Bundesgerichtshof unter Geltung des § 18 Abs. 8 UStG in einem Fall
  146. bejaht, in dem die Finanzbehörde die Steuerpflicht des Werkunternehmers festgestellt und den Besteller der Werkleistung zur Zahlung aufgefordert hatte
  147. (BGH Urteil vom 17. Juli 2001 - X ZR 13/99, BauR 2001, 1906 = NJW-RR 2002,
  148. 591). Der Bundesgerichtshof hat seinerzeit ausdrücklich offengelassen, ob dies
  149. auch gilt, wenn der Besteller ohne vorherige Steuerfestsetzung und ohne Aufforderung der Finanzbehörde an diese zahlt. Diese Frage ist nunmehr dahin zu
  150. beantworten, daß Erfüllungswirkung grundsätzlich auch in einem solchen Falle
  151. eintritt, es sei denn, für den Besteller war aufgrund der ihm im Zeitpunkt der
  152. Zahlung bekannten Umstände eindeutig erkennbar, daß eine Verpflichtung zum
  153. Steuerabzug nach § 48 EStG für ihn nicht besteht. Die Unklarheiten der steuerrechtlichen, möglicherweise sogar durch Verfassungsrecht beeinflußten Lage
  154. betreffen in erster Linie das steuerrechtliche Verhältnis zwischen Werkunternehmer als Steuerschuldner und der Finanzbehörde. § 48 EStG schaltet den
  155. Besteller als zunächst Außenstehenden lediglich in die Abwicklung dieses für
  156. ihn fremden Steuerverhältnisses ein. Demgemäß können nicht ihm die Risiken
  157. solcher Unklarheiten auferlegt werden; diese müssen vielmehr dem Steuerschuldner verbleiben. Der danach gebotene Schutz des Bestellers vor Gefahren, wie sie ansonsten durch doppelte Inanspruchnahme, gerichtliche Auseinandersetzungen einerseits mit den Finanzbehörden, andererseits mit dem
  158. Gläubiger der Werklohnforderung etc. drohen, wird interessengerecht dadurch
  159. gewährleistet, daß der Besteller den Steuerabzug nach § 48 EStG unter den
  160. genannten Voraussetzungen auch dann mit Erfüllungswirkung vornehmen
  161. kann, wenn die steuerrechtliche Lage nicht geklärt ist.
  162. b) Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn die Werklohnforderung
  163. an einen Dritten abgetreten ist. Der Zessionar, der das Risiko der Werthaltigkeit
  164. -9-
  165. und Durchsetzbarkeit der ihm abgetretenen Forderung trägt, muß sich gegebenenfalls wegen der Nachteile, die sich für ihn aus den steuerlichen Verhältnissen des Zedenten ergeben, an diesen als seinen Vertragspartner halten. Die
  166. Position des Bestellers kann sich hinsichtlich der Regelung des § 48 EStG
  167. durch die Abtretung nicht verschlechtern.
  168. c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin durch den
  169. Steuerabzug in Höhe von 3.599,36 € und die Abführung dieses Betrages an
  170. das für die Zedentin zuständige Finanzamt die restliche titulierte Werklohnforderung der Beklagten erfüllt. Der Klägerin lag trotz Aufforderung keine Freistellungsbescheinigung der Zedentin vor. Es war für sie auch aus den sonstigen ihr
  171. bekannten Umständen nicht eindeutig erkennbar, daß eine Steuerabzugspflicht
  172. nicht besteht.
  173. Dressler
  174. Haß
  175. Kuffer
  176. Hausmann
  177. Safari Chabestari