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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 176/09
  5. Verkündet am:
  6. 22. Juli 2010
  7. Boppel,
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1
  19. Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz
  20. statt der Leistung wegen der Mängel an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die
  21. voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer.
  22. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09 - OLG München
  23. LG München II
  24. -2-
  25. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 24. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und den
  27. Richter Leupertz
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2009 aufgehoben.
  31. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
  32. München II vom 20. April 2009 teilweise abgeändert und wie folgt
  33. neu gefasst:
  34. Die Klage wird abgewiesen.
  35. Die Kläger werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten 1.186,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
  36. dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. Juli 2008 zu zahlen. Die
  37. weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
  38. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Beklagte 82 % und die Kläger als Gesamtschuldner 18 %.
  39. Der Beklagte trägt die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens des Landgerichts München II -
  40. .
  41. Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
  42. Von Rechts wegen
  43. -3-
  44. Tatbestand:
  45. 1
  46. Die Parteien streiten darüber, ob ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten einen Betrag für Umsatzsteuer umfasst.
  47. 2
  48. Die Kläger erwarben von dem Beklagten ein von diesem zu errichtendes
  49. Einfamilienhaus. Abnahme und Übergabe erfolgten am 14. Dezember 2002.
  50. Zuletzt stand ein Restwerklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 10.591 €
  51. offen. Die Kläger erklärten gegenüber diesem Anspruch die Aufrechnung mit
  52. einem Schadensersatzanspruch wegen baulicher Mängel des Hauses. Diese
  53. sind im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden; ihre bisher nicht erfolgte
  54. Beseitigung erfordert einen Betrag von 9.405 € netto.
  55. 3
  56. Die Kläger sind der Auffassung, ihr Schadensersatzanspruch betrage
  57. insgesamt unter Berücksichtigung der auf die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten zu zahlenden Umsatzsteuer von 19 % 11.191,95 € (9.405 € +
  58. 1.786,95 €), so dass der Restwerklohnanspruch insgesamt, also nicht nur in
  59. Höhe von 9.405 €, durch die Aufrechnung erloschen sei.
  60. 4
  61. Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass dem Beklagten gegen die Kläger keine einredefreien "Kaufpreisansprüche aus dem Kaufvertrag"
  62. der Parteien mehr zustehen. Die Widerklage des Beklagten auf Zahlung eines
  63. Restwerklohns in Höhe von 6.686 € nebst Zinsen hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Feststellungsklage und die
  64. Verurteilung der Kläger zur Zahlung von noch 1.186 € nebst Zinsen begehrt hat,
  65. ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
  66. verfolgt der Beklagte dieses Begehren weiter.
  67. -4-
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 5
  70. Die Revision ist begründet.
  71. I.
  72. 6
  73. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Kläger zu dem Nettobetrag der Mängelbeseitigungskosten vom Beklagten als Schadensersatz auch
  74. die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verlangen könnten, auch wenn
  75. sie die Nachbesserungsarbeiten bisher nicht durchgeführt hätten. § 249 Abs. 2
  76. Satz 2 BGB sei im Werkvertragsrecht für Schadensersatzansprüche gemäß
  77. § 634 Nr. 4 BGB nicht anwendbar. Der Gesetzgeber habe mit der Reform des
  78. § 249 BGB mit Wirkung ab 1. August 2002 durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften eine Einschränkung der Sachschadensabrechnung durch einen Ausschluss fiktiver Umsatzsteuer nur für die Restitutionsfälle des § 249 BGB einführen wollen. Demgegenüber handele es sich bei
  79. dem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz nicht um den Ausgleich
  80. eines Integritätsschadens wegen Beschädigung einer Sache, sondern um den
  81. Ausgleich eines Vermögensschadens aufgrund der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung. Dieser Anspruch sei auf eine Geldzahlung gerichtet und
  82. die Umsatzsteuer gehöre dabei zu den erforderlichen Kosten, die der Geschädigte für die Schadensbeseitigung aufwenden müsse.
  83. -5-
  84. II.
  85. 7
  86. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat hat in der
  87. Sache selbst zu entscheiden, da sie zur Endentscheidung reif ist, § 563
  88. Abs. 3 ZPO.
  89. 8
  90. 1. Dem Restwerklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 10.591 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB steht ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der
  91. Kläger wegen der Mängel an dem Bauwerk gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3,
  92. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in Höhe von 9.405 € gegenüber, so dass ein Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von noch 1.186 € verbleibt und die
  93. Hauptforderung der Widerklage in der zuletzt verfolgten Höhe begründet ist.
  94. 9
  95. Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches der Kläger ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen, die die Kläger aufwenden
  96. müssten, wenn sie die Mängel durch Dritte beseitigen ließen.
  97. 10
  98. a) Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln
  99. eines Werkes ist abweichend von § 249 Satz 1 BGB nicht auf Naturalrestitution
  100. in Form der Mängelbeseitigung, sondern auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet. Das folgt daraus, dass nach § 281 Abs. 4 BGB der Anspruch auf die
  101. Leistung, der hier in der Herstellung der Mangelfreiheit besteht, ausgeschlossen
  102. ist. Die Rechtslage unterscheidet sich insofern nicht von derjenigen, die bis zum
  103. 31. Dezember 2001
  104. galt
  105. (vgl.
  106. hierzu
  107. BGH,
  108. Urteil
  109. vom
  110. 28. Juni 2007
  111. - VII ZR 8/06 Tz. 10 ff., BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580 = ZfBR 2007, 677
  112. m.w.N.).
  113. 11
  114. b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann dieser auf Zahlung eines
  115. Geldbetrages gerichtete Schadensersatzanspruch nach Wahl des Bestellers
  116. entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werkes oder nach den
  117. -6-
  118. Kosten berechnet werden, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung
  119. erforderlich sind (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991,
  120. 744 = ZfBR 1991, 265 m.w.N.). Letzteres gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lässt (vgl. BGH,
  121. Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06 Tz. 10, 13 aaO zur bis zum
  122. 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats, von der das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, gehört zu
  123. den Kosten, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung in diesem Sinne
  124. erforderlich sind, auch die von einem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Besteller an dritte Unternehmer zu zahlende Umsatzsteuer (vgl. BGH, Urteil vom
  125. 18. Januar 1990 - VII ZR 171/88, BauR 1990, 360, 361 = ZfBR 1990, 171, 172
  126. unter II. 3. b). Hieran hält der Senat nicht mehr uneingeschränkt fest.
  127. 12
  128. aa) Zwar ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend annimmt, die
  129. Berücksichtigung der Umsatzsteuer nicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn und soweit sie tatsächlich (noch) nicht angefallen ist. Diese
  130. Vorschrift findet auf den werkvertraglichen Schadensersatzanspruch keine Anwendung. Sie gilt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur in den Fällen,
  131. in denen wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist. Dies
  132. ist bei dem Schadensersatzanspruch, der wegen Mängeln und damit wegen
  133. nicht ordnungsgemäßer Herstellung des geschuldeten Werkes besteht, nicht
  134. der Fall. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bezieht sich zudem ausdrücklich nur auf den
  135. nach Satz 1 erforderlichen Geldbetrag. Dieser kann statt der nach § 249
  136. Abs. 1 BGB auch geschuldeten Herstellung verlangt werden. Bei dem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln eines Werkes schuldet der Unternehmer
  137. den Schadensersatz jedoch nicht wegen der Vorschrift des § 249 Abs. 2
  138. Satz 1 BGB in Geld, sondern ausschließlich deshalb, weil er an die Stelle des
  139. Erfüllungsanspruches tritt (vgl. oben unter a).
  140. -7-
  141. 13
  142. bb) Nach Auffassung des Senats ist die Bemessung des Vermögensschadens des Bestellers in Fällen, in denen er den Mangel nicht hat beseitigen
  143. lassen, nach den erforderlichen Mängelbeseitigungskosten unter Einschluss
  144. einer zu zahlenden Umsatzsteuer jedoch nicht gerechtfertigt.
  145. 14
  146. Im Lichte der Erwägungen, die den Gesetzgeber bei Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung einer Sache bewogen haben, die Umsatzsteuer
  147. aus der Berechnung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages herauszunehmen, sofern sie nicht tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks. 14/7752
  148. S. 13), hält es der Senat auch bei einem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, Abs. 3,
  149. § 281 BGB für eine Überkompensation des Schadens des Bestellers, wenn die
  150. nicht angefallene Umsatzsteuer berücksichtigt wird.
  151. 15
  152. (1) Die Bemessung eines bereits durch den Mangel des Werkes und
  153. nicht erst durch dessen Beseitigung entstandenen Schadens kann nicht ohne
  154. eine Wertung vorgenommen werden. Diese muss zum einen die berechtigte
  155. Erwartung des Bestellers berücksichtigen, den Schaden - nach seiner Wahl - an
  156. den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordern, weil
  157. der Anspruch an die Stelle des geschuldeten Erfüllungsanspruchs tritt. Gerade
  158. die Erfahrungen im Bauvertragsrecht zeigen jedoch, dass die Schadensberechnung nach geschätzten Mängelbeseitigungskosten häufig insoweit zu einer
  159. Überkompensation führt, als dem Geschädigten rechnerische Schadensposten
  160. ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht anfallen. Der Senat hält es deshalb für gerechtfertigt, den
  161. Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher auch daran auszurichten,
  162. welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung
  163. trifft. Dies gilt jedenfalls für den Anteil, der wie die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstellt, der keinem der an einer Mängelbeseitigung Beteilig-
  164. -8-
  165. ten zugutekommt und der in seiner Entstehung von steuerrechtlichen Vorgaben
  166. abhängt. Es ist gerechtfertigt, gerade bei der Umsatzsteuer eine derartige Einschränkung zu machen, weil dieser Anteil eindeutig und leicht feststellbar und
  167. abgrenzbar ist und den größten preisbildenden Faktor unter den durchlaufenden Posten der Mängelbeseitigungskosten darstellt (vgl. BT-Drucks. 14/7752
  168. S. 13).
  169. 16
  170. (2) Schutzwürdige Interessen des Bestellers werden durch diese Einschränkung nicht beeinträchtigt. Unbeschadet bleibt die Ersatzfähigkeit eines
  171. Betrages in Höhe der Umsatzsteuer, wenn der Besteller diese tatsächlich aufgewendet hat und nicht im Rahmen eines Vorsteuerabzugs erstattet bekommt.
  172. Einer Vorleistungspflicht in dieser Höhe kann der Besteller entgehen, indem er
  173. einen Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB geltend macht. Beabsichtigt
  174. er zunächst keine Mängelbeseitigung, ist es ihm zumutbar, einer drohenden
  175. Verjährung durch Erhebung einer Feststellungsklage zu begegnen, falls er sich
  176. die Möglichkeit einer späteren Mängelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers erhalten will.
  177. 17
  178. 2. Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
  179. 18
  180. 3. Die Klage ist bereits unzulässig. Eine Leistungsklage lässt, soweit sich
  181. die Streitgegenstände decken, die Sachurteilsvoraussetzung des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) grundsätzlich entfallen, sobald die Leistungsklage nicht
  182. mehr einseitig zurückgenommen werden kann (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil
  183. vom 21. Dezember 2005 - X ZR 17/03, BGHZ 165, 305, Tz. 12 m.w.N.). So liegt
  184. der Fall hier seit der Erhebung der Widerklage und der Verhandlung über sie.
  185. Aus den unter 1. erläuterten Gründen war die Klage darüber hinaus von Anfang
  186. an unbegründet. Dem Beklagten steht noch ein Restwerklohnanspruch zu.
  187. -9-
  188. III.
  189. 19
  190. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 96 ZPO.
  191. Kniffka
  192. Bauner
  193. Halfmeier
  194. Safari Chabestari
  195. Leupertz
  196. Vorinstanzen:
  197. LG München II, Entscheidung vom 20.04.2009 - 11 O 6481/08 OLG München, Entscheidung vom 29.09.2009 - 28 U 3123/09 -