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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 134/08
  5. Verkündet am:
  6. 23. Juli 2009
  7. Schick
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB §§ 635, 638 a.F.
  19. Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind nicht auf
  20. einen Architekten anwendbar, der lediglich mit den Aufgaben der Grundlagenermittlung bis zur Vorbereitung der Vergabe (Leistungsphasen 1 bis 6 des § 15 Abs.
  21. 2 HOAI) beauftragt worden ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. Januar 1996
  22. - VII ZR 85/95, BauR 1996, 418 = ZfBR 1996, 155).
  23. BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08 - OLG Naumburg
  24. LG Dessau
  25. -2-
  26. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  27. vom 23. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter
  28. Dr. Kuffer, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter
  29. Halfmeier
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des
  32. 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. April
  33. 2008 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau
  34. vom 25. Mai 2007 aufgehoben.
  35. Die Klage wird abgewiesen.
  36. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Der beklagte Architekt wendet sich gegen seine Verurteilung zur Zahlung
  41. von Schadensersatz. Im Revisionsverfahren geht es darum, ob er sich auf die
  42. Einrede der Verjährung berufen kann.
  43. 2
  44. Der Beklagte wurde von den Klägern im Jahre 1992 mit den Grundleistungen der Phasen 1 bis 6 des § 15 Abs. 2 HOAI für die Errichtung des Hauses
  45. der Kläger beauftragt. Das Grundstück befindet sich 100 Meter von der Elbe
  46. -3-
  47. entfernt. Die Planung des Beklagten sah keine Abdichtung gegen drückendes
  48. Grundwasser vor.
  49. 3
  50. Nach Abnahme des Hauses im Januar 1994 trat erstmals im April des
  51. Jahres 1994 Wasser in den Keller ein. Die Kläger wandten sich deswegen an
  52. die bauausführende Firma, die selbst nichts unternahm, jedoch den Beklagten
  53. über den Wassereintritt und ihre Auffassung informierte, es liege kein Ausführungsfehler vor. Der Beklagte blieb untätig.
  54. 4
  55. Nach einem neuen Wassereintritt im Jahre 2002 beauftragten die Kläger
  56. einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Ursachen und der Prüfung, welcher Aufwand zur Beseitigung der Mängel erforderlich sei. Der Sachverständige
  57. stellte fest, dass eine fehlende Abdichtung gegen drückendes Grundwasser
  58. schadensursächlich war.
  59. 5
  60. Die Kläger verlangen vom Beklagten 45.583,46 € für die Schadensbeseitigung.
  61. 6
  62. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
  63. 7
  64. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Klageabweisung weiter.
  65. Entscheidungsgründe:
  66. 8
  67. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
  68. -4-
  69. 9
  70. Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 EGBGB).
  71. I.
  72. 10
  73. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Ihn treffe eine Sekundärhaftung, die zum Ausschluss der Verjährungseinrede führe. Aufgrund seiner Sachwalterhaftung sei
  74. er mit dieser Einrede ausgeschlossen. Dem Beklagten habe die objektive Untersuchung des in unverjährter Zeit aufgetretenen Mangels und die Information
  75. der Bauherren über das Ergebnis der Untersuchung oblegen.
  76. II.
  77. 11
  78. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht
  79. versagt dem Beklagten zu Unrecht in Anwendung der Grundsätze der sogenannten Sekundärhaftung des Architekten die Einrede der Verjährung.
  80. 12
  81. Nach der Rechtsprechung des Senats obliegt dem umfassend beauftragten Architekten im Rahmen seiner Betreuungsaufgabe nicht nur die Wahrung
  82. der Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern, sondern auch und
  83. zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Eine Vertragsverletzung durch
  84. pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der
  85. Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeiführt, begründet - nicht anders als eine falsche Beratung - einen
  86. weiteren Schadensersatzanspruch dahin, dass die Verjährung der gegen ihn
  87. -5-
  88. gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt (BGH, Urteil vom 16. März 1978 - VII ZR 145/76, BGHZ 71, 144, 148;
  89. Urteil vom 27. September 2001 - VII ZR 320/00, BauR 2002, 108 = ZfBR 2002,
  90. 61 = NZBau 2002, 42).
  91. 13
  92. Anknüpfungspunkt für die Sekundärhaftung des Architekten ist der übernommene Aufgabenkreis. Eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler muss
  93. sich aus den übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben. Derartige Betreuungspflichten folgen für den umfassend beauftragten Architekten daraus, dass
  94. er die Objektüberwachung und die Objektbetreuung übernommen hat. Er ist
  95. verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und dem Besteller
  96. auch nach Fertigstellung des Bauwerks bei der Untersuchung und Behebung
  97. des Baumangels zur Seite zu stehen. Mit der umfassenden Beauftragung eines
  98. Architekten räumt der Besteller diesem eine zentrale Stellung bei der Planung
  99. und Durchführung des Bauwerks ein. Er ist der primäre Ansprechpartner des
  100. Bestellers, wenn es zu Problemen bei der Bauabwicklung kommt. Dies setzt
  101. sich auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens fort. Deshalb ist der Architekt auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens Sachwalter des Bestellers,
  102. der ihm bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten behilflich sein muss (BGH, Urteil vom 27. September 2001
  103. - VII ZR 320/00, aaO m.w.N.).
  104. 14
  105. Ist ein Architekt mit den Aufgaben der Grundlagenermittlung bis zur Vorbereitung der Vergabe betraut, hat er zwar einen erheblichen Teil der Planungsaufgaben übernommen. Seine Aufgaben gehen auch über die reine Planung hinaus, weil er grundsätzlich die Leistungen anderer Planer integrieren
  106. und die Leistungsbeschreibungen der an der Planung fachlich Beteiligten abstimmen und koordinieren muss. Er ist auch derjenige, der - abhängig von dem
  107. Inhalt des Auftrages - gehalten ist, mit den Behörden und anderen an der Pla-
  108. -6-
  109. nung fachlich Beteiligten die Verhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit
  110. zu führen. Das alles belegt, dass die Aufgabe des Architekten für das Gelingen
  111. des Bauwerks von hoher Wichtigkeit ist.
  112. 15
  113. Es belegt jedoch entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung
  114. (Weise, Baurechtliche Schriften Bd. 38, S. 35) keine derartige zentrale Stellung
  115. bei der Durchführung des gesamten Bauwerks, die es rechtfertigt, die Grundsätze über die Sekundärhaftung anzuwenden. Denn mit der Errichtung des
  116. Bauwerks ist der lediglich mit den Leistungsphasen 1 bis 6 des § 15 Abs. 2
  117. HOAI beauftragte Architekt in keiner Weise befasst. Weder wirkt er bei der Vergabe mit, noch obliegen ihm die Aufgaben der Objektüberwachung und Objektbetreuung. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 27. September 2001
  118. (VII ZR 320/00, aaO) herausgestellt, dass die die Sekundärhaftung rechtfertigenden Betreuungspflichten sich insbesondere aus der Objektüberwachung
  119. und Objektbetreuung ergeben. Erst die Realisierung der Planung in der Errichtung des Bauwerks begründet die besondere Vertrauensstellung des Architekten, aus der sich seine Sachwalterhaftung ableitet. Der lediglich planende Architekt steht, soweit es um die Betreuung des Bauvorhabens geht, anderen Fachplanern und auch dem Bauunternehmer gleich. Seine qualifizierte Stellung als
  120. Planer allein rechtfertigt es nicht, ihn in dem Sinne als Sachwalter des Bauherrn
  121. anzusehen, dass er verpflichtet wäre, unabhängig von seinen Aufgaben im
  122. Rahmen der Mängelhaftung, Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen, dass
  123. der Anspruch gegen ihn nicht verjährt.
  124. 16
  125. Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des
  126. Senats vom 11. Januar 1996 (VII ZR 85/95, BauR 1996, 418 = ZfBR 1996, 155
  127. = NJW 1996, 1278). In diesem Fall hatte der Architekt nicht die volle Objektüberwachung übernommen, sich jedoch verpflichtet, neben der öffentlichrechtlichen Bauleitung die "technische Oberleitung" zu übernehmen und im
  128. -7-
  129. Rahmen dieses Aufgabenkreises Ratschläge während der Bauausführung zu
  130. erteilen. In diesem Zusammenhang hat der Senat entschieden, dass Voraussetzung für die Pflicht des Architekten, über eigene Fehler aufzuklären, nicht
  131. eine umfassende Beauftragung aller Leistungsphasen ist. Der Architekt sei im
  132. Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabenkreises vielmehr gehalten, als
  133. Sachwalter tätig zu werden. Damit hat er nicht zum Ausdruck bringen wollen,
  134. dass der Architekt unabhängig von den übernommenen Aufgaben Sachwalter
  135. des Auftraggebers im dargestellten Sinne ist. Vielmehr hat er ergänzend darauf
  136. hingewiesen, dass sich der Umfang der Beratungspflicht nach der übernommenen Aufgabe richtet, und insofern im Auge gehabt, dass der Architekt in dem zu
  137. entscheidenden, besonders gelagerten Fall - wenn auch nicht umfassend Betreuungsaufgaben übernommen hatte.
  138. III.
  139. 17
  140. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden.
  141. 18
  142. 1. Nach den getroffenen Feststellungen war der Beklagte mit den Grundleistungen der Phasen 1 bis 6 des §≥ 15 Abs. 2 HOAI beauftragt. Diese Feststellungen sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung dahin zu
  143. verstehen, dass keine weiteren Leistungen der nachfolgenden Phasen beauftragt worden sind. Die Kläger weisen zwar in dem Revisionsverfahren darauf
  144. hin, dass nach Ziffer 12 der zusätzlichen Vereinbarung des Architektenvertrages der Beklagte die Baubetreuung mit übernommen hat und im Bedarfsfall zur
  145. Verfügung stand. Dieser Vertragsteil ist jedoch nicht Gegenstand des klägerischen Vorbringens gewesen. Diese haben vorgetragen, der Beklagte sei mit
  146. den Leistungsphasen 1 bis 6 beauftragt gewesen. Sie haben diesen Vortrag
  147. -8-
  148. bestätigt, nachdem der Beklagte vorgetragen hat, er sei mit der Objektüberwachung nicht beauftragt gewesen. Auf dieser Grundlage fehlt für die Annahme
  149. der Kläger, das Berufungsgericht habe hinsichtlich des Leistungsumfangs keine
  150. abschließende Feststellung treffen wollen, sondern offengelassen, ob der Beklagte auch mit der Objektüberwachung beauftragt gewesen sei, jeder Anhaltspunkt.
  151. 19
  152. 2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass das Werk des Beklagten am 2. Juli 1993 abgenommen worden ist und der Schadensersatzanspruch
  153. der Kläger wegen der mangelhaften Planungsleistung im Zeitpunkt der Klageerhebung verjährt war. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus.
  154. Die Kläger haben das nicht in Frage gestellt und gehen auch in der Revisionserwiderung noch von dieser Verjährung aus. Auf dieser Grundlage ist die Einrede der Verjährung begründet und die Klage durch den Senat abzuweisen.
  155. -9-
  156. IV.
  157. 20
  158. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
  159. Kniffka
  160. Kuffer
  161. Safari Chabestari
  162. Bauner
  163. Halfmeier
  164. Vorinstanzen:
  165. LG Dessau, Entscheidung vom 25.05.2007 - 2 O 1129/02 OLG Naumburg, Entscheidung vom 22.04.2008 - 12 U 98/07 -