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31 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 594/15
  5. Verkündet am:
  6. 8. November 2016
  7. Böhringer-Mangold
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2; § 203 Satz 1
  19. a) Ansprüche aus Behandlungsfehlern können zu anderen Zeiten verjähren als
  20. solche aus Aufklärungsversäumnissen.
  21. b) Nach § 203 Satz 1 BGB endet die Hemmung der Verjährung auch durch das
  22. Einschlafen der Verhandlungen. Das ist der Zeitpunkt, in dem spätestens eine Erklärung der jeweils anderen Seite - sei es des Gläubigers oder des
  23. Schuldners - zu erwarten gewesen wäre.
  24. BGH, Urteil vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15 - OLG Koblenz
  25. LG Koblenz
  26. ECLI:DE:BGH:2016:081116UVIZR594.15.0
  27. - 2 -
  28. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 8. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter
  30. Wellner, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler und den Richter Dr. Klein
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision der Beklagten zu 1 bis 3 wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. September
  33. 2015 aufgehoben.
  34. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  35. über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Parteien streiten, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse,
  40. darüber, ob Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 1 bis 3 (nachfolgend: Beklagten) wegen ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit seiner Geburt verjährt sind.
  41. 2
  42. Der Kläger wurde am 22. November 2003 mit einem Gewicht von 5100
  43. Gramm im Krankenhaus der Beklagten zu 1 geboren. Die Geburt wurde zu-
  44. - 3 -
  45. nächst von der Beklagten zu 3 als der diensthabenden Stationsärztin geleitet.
  46. Später übernahm die Beklagte zu 2 als gynäkologische Chefärztin die Geburtsleitung. Während der Geburt trat eine Schulterdystokie auf, weshalb die Beklagte zu 2 die Entscheidung zu einer vaginal-operativen Entbindung traf. Nach der
  47. Entbindung war der linke Arm des Klägers mit Hämatomen besetzt und schlaff.
  48. Später wurden eine obere und untere Parese des Plexus brachialis links sowie
  49. eine Claviculafraktur diagnostiziert.
  50. 3
  51. Die Mutter des Klägers fertigte am 4. August 2006 ein umfangreiches
  52. Gedächtnisprotokoll, in dem sie die Ereignisse von ihrer Aufnahme ins Krankenhaus der Beklagten zu 1 bis zur Geburt des Klägers detailliert beschrieb und
  53. Kritik an der angewandten geburtshilflichen Technik sowie daran übte, dass
  54. eine Risikoaufklärung unterblieben und keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Auf Aufforderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers
  55. übersandte die Beklagte zu 1 ihnen am 22. September 2006 die aus 91 Seiten
  56. bestehende Dokumentation über den stationären Aufenthalt der Mutter des
  57. Klägers. Eine Seite des Geburtsprotokolls, die den Zeitraum von der Aufnahme
  58. der Mutter des Klägers bei der Beklagten zu 1 am Nachmittag des 19. Novembers 2003 bis um 13.40 Uhr am Folgetag dokumentiert, fehlte zunächst und
  59. wurde erst im Mai 2008 übermittelt.
  60. 4
  61. Mit Schreiben vom 9. August 2007 erhoben die damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers Ansprüche gegen die Beklagte zu 1, deren Haftpflichtversicherer in einem Schreiben vom 20. August 2007 ankündigte, Einsicht
  62. in die Behandlungsunterlagen zu nehmen sowie ärztliche Stellungnahmen einzuholen und sich anschließend zur Deckungs- und Haftungsfrage zu äußern.
  63. Am 26. Oktober 2007 lehnte der Haftpflichtversicherer eine Haftung der Beklagten ab. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
  64. - 4 -
  65. " ... in vorbezeichneter Angelegenheit konnten wir zwischenzeitlich die Ihre Mandantschaft betreffenden Behandlungsunterlagen einsehen. Darüber
  66. hinaus liegt uns eine Stellungnahme der Ärzte zu dem Geschehnis vor.
  67. Nach Auswertung und Überprüfung unserer Unterlagen müssen wir Ihnen
  68. jedoch mitteilen, dass wir ein die Haftung begründendes Fehlverhalten der Ärzte
  69. unserer Versicherungsnehmerin bei der Entbindung ... nicht festzustellen vermögen."
  70. Im Folgenden ging der Haftpflichtversicherer auf die Vorwürfe ein. Abschließend formulierte er:
  71. "Zusammenfassend ist nach medizinischer Auswertung der uns vorliegenden Unterlagen zu sagen, dass ... . ………
  72. Ihre Mandantin wurde sehr wohl dahingehend aufgeklärt, dass es sich
  73. wiederum um ein makrosomes Kind handelt und infolge dessen über Risiken und
  74. Alternativen aufgeklärt. ….
  75. Nach alledem ergibt sich, dass in dem Vorgehen der Ärzte bei der Entbindung kein Behandlungsfehler zu erkennen ist. Vielmehr ergibt sich aus den Unterlagen, dass ... mit aller Sorgfalt vorgegangen wurde.
  76. Demnach ergibt sich aus obigen Erörterungen, dass eine Haftung bereits
  77. dem Grunde nach abzulehnen ist.
  78. Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können, hoffen jedoch insoweit auf das Verständnis Ihrer Mandantschaft. Im Übrigen gehen
  79. wir davon aus, dass etwaige von Ihnen geltend gemachte Schmerzensgeldansprüche bereits verjährt sind."
  80. 5
  81. Am 13. November 2007 baten die Prozessbevollmächtigten des Klägers
  82. um eine nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage und um die Überlassung weiterer Unterlagen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1
  83. übersandte am 5. Mai 2008 die fehlende erste Seite der Dokumentation des
  84. stationären Aufenthalts der Mutter des Klägers unter Hinweis darauf, man halte
  85. an der bereits im Schreiben vom 26. Oktober 2007 bekundeten Auffassung fest.
  86. Auf nochmalige Aufforderung vom 2. Juni 2008 übersandte der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 am 5. August 2008 weitere Unterlagen. Die Prozess-
  87. - 5 -
  88. bevollmächtigten des Klägers reagierten darauf mit Schreiben vom 12. Juni
  89. 2009.
  90. 6
  91. Mit der am 29. Oktober 2010 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt
  92. der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung eines
  93. Schmerzensgeldes von mindestens 40.000 €, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und die Feststellung der Pflicht zum Ersatz der materiellen und weiteren
  94. immateriellen Schäden. Das Landgericht hat die Beklagten wegen ärztlicher
  95. Behandlungsfehler mit Ausnahme vorgerichtlicher Anwaltskosten antragsgemäß verurteilt, die Beklagten zu 1 und 3 auch wegen Aufklärungsfehlern. Die
  96. Berufung der Beklagten, die dieses Urteil ausschließlich mit der Begründung
  97. angegriffen haben, die vom Landgericht zuerkannten Forderungen seien verjährt, hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
  98. verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter.
  99. Entscheidungsgründe:
  100. I.
  101. 7
  102. Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in VersR 2016, 1004 veröffentlicht ist, hält die geltend gemachten Ansprüche für nicht verjährt. Gemäß § 199
  103. Abs. 1 BGB habe der Verjährungslauf für die grundsätzlich mit der Geburt des
  104. Klägers entstandenen Schadensersatzansprüche zwar Ende des Jahres 2006
  105. eingesetzt, weil der Kläger sich insoweit das Wissen seiner Eltern und der seinerzeit mit der Rechtsverfolgung betrauten Prozessbevollmächtigten habe zurechnen lassen müssen. Dieses Wissen habe ihn in die Lage versetzt, eine hinlänglich aussichtsreiche Feststellungsklage zu erheben. Dass ihm zu dieser Zeit
  106. eine die Phase rund 48 Stunden vor der Geburt abdeckende Seite des Ge-
  107. - 6 -
  108. burtsprotokolls nicht vorgelegen habe, ändere daran nichts, da sich aus ihr kein
  109. relevanter Erkenntnisgewinn und keine zuvor noch nicht vorhandene Zusatzinformation habe ergeben können, ohne die eine Klageerhebung nicht zumutbar
  110. gewesen wäre. Die damit grundsätzlich am 31. Dezember 2009 vollendete Verjährung sei gemäß § 203 Satz 1 BGB wegen schwebender Verhandlungen aber
  111. für mehr als ein Jahr gehemmt worden, weshalb die Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist rechtshängig geworden sei. Ausgelöst worden sei die Hemmung
  112. durch das Schreiben der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom
  113. 9. August 2007. Sie habe nur dadurch enden können, dass der eine oder der
  114. andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigerte oder dass die Klägerseite die Verhandlungen einschlafen ließ, indem sie den Zeitpunkt versäumte, zu dem eine Antwort auf die letzte an sie gerichtete Anfrage spätestens zu
  115. erwarten gewesen wäre. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 habe
  116. sich nicht geweigert, die Verhandlungen fortzusetzen. Zwar habe er im Schreiben vom 26. Oktober 2007 mitgeteilt, dass eine Haftung der Beklagten zu 1 bereits dem Grunde nach abzulehnen sei und seiner Ansicht nach etwaige
  117. Schmerzensgeldansprüche verjährt seien. Jedoch habe er, indem er seine Beurteilung relativierend auf eine Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen
  118. gegründet habe, nicht klar herausgestellt, dass er jede weitere Verhandlung
  119. verweigere. Dazu hätte es einer klaren und zweifelsfreien Erklärung bedurft.
  120. Dasselbe gelte für den Hinweis im Schreiben vom 5. Mai 2008, an der im
  121. Schreiben vom 26. Oktober 2007 bereits bekundeten Auffassung festzuhalten.
  122. Von einem die Hemmung beendenden Einschlafenlassen der Verhandlungen
  123. sei frühestens Anfang September 2008 auszugehen, nachdem der Kläger auf
  124. das Schreiben des auch die Beklagten zu 2 und 3 vertretenden Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 5. August 2008 erst am 12. Juni 2009 reagiert
  125. habe. Ein Einschlafenlassen durch die Beklagten als Schuldner, das die Verjäh-
  126. - 7 -
  127. rungshemmung irgendwann um die Jahreswende 2007/2008 beendet hätte, sei
  128. rechtlich hingegen nicht möglich.
  129. II.
  130. 8
  131. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  132. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind auf Aufklärungsfehler gestützte Ansprüche verjährt. Eine Verjährung von Ansprüchen des Klägers wegen ärztlicher Behandlungsfehler kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden, da insoweit der Beginn der Verjährungsfrist nicht
  133. rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Die Annahme einer länger andauernden
  134. Hemmung der Verjährung erweist sich als rechtsfehlerhaft.
  135. 9
  136. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass gem. § 199
  137. Abs. 1 BGB die hier maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem
  138. Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger
  139. von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
  140. Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, dass der Kläger seine Ansprüche
  141. auf Aufklärungsfehler und Behandlungsfehler stützt. Die Revisionserwiderung
  142. rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Verjährung schon am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen habe. Dies erweist sich
  143. bezogen auf Ansprüche, die auf Aufklärungsfehler gestützt werden, als nicht
  144. durchgreifend. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche auf Behandlungsfehler
  145. gestützt hat, tragen die bisherigen Feststellungen die Annahme dieses Verjährungsbeginns aber nicht.
  146. - 8 -
  147. 10
  148. a) Ansprüche aus Behandlungsfehlern können zu anderer Zeit verjähren
  149. als solche aus Aufklärungsversäumnissen (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR
  150. 2014, 1305, 1307; OLG Hamm, MedR 2010, 563, 565; OLG München, VersR
  151. 2006, 705; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14 mwN, Rn. E 26;
  152. Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Aufl., Rn. 543 mwN). Zwischen den Ansprüchen
  153. wegen unzureichender ärztlicher Aufklärung einerseits und wegen fehlerhafter
  154. Behandlung andererseits besteht zwar eine Verknüpfung dergestalt, dass es
  155. Ziel des Schadensersatzbegehrens des Patienten ist, eine Entschädigung für
  156. die bei ihm aufgrund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile
  157. zu erlangen, doch liegen den Haftungstatbeständen verschiedene voneinander
  158. abgrenzbare Pflichtverletzungen zugrunde (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember
  159. 2006 - VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414, 415). Dies kann auch zu unterschiedlichen Verjährungsfristen führen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007
  160. - V ZR 25/07, NJW 2008, 506, 507; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB
  161. 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; Urteil vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, NJW-RR
  162. 2011, 842 Rn. 14).
  163. 11
  164. b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung bezogen auf die Ansprüche aus Aufklärungsfehlern mit Beginn des Jahres 2007 begonnen hat. Es hat insoweit zutreffend angenommen, dass die Mutter des Klägers, auf deren Wissensstand als gesetzlicher Vertreterin es ankommt (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995,
  165. 659, 660; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66 Rn. 21, jeweils
  166. mwN), schon im Jahr 2006 die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche
  167. Kenntnis von den den Anspruch wegen Aufklärungsmängeln begründenden
  168. Umständen hatte (vgl. OLG Hamm, MedR 2010, 563, 566; OLG Düsseldorf,
  169. NJW-RR 1999, 823, 824; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. D 14).
  170. Dies ergibt sich insbesondere aus ihrem Gedächtnisprotokoll vom 4. August
  171. 2006. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht abweichend vom
  172. - 9 -
  173. Landgericht nicht deshalb einen späteren Verjährungsbeginn angenommen hat,
  174. weil dem Kläger im Jahr 2006 eine Seite des Geburtsprotokolls noch nicht vorlag. Dabei spielt es keine Rolle, ob darin eine Aufklärung dokumentiert war,
  175. nachdem die Mutter des Klägers schon in ihrem Gedächtnisprotokoll den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers erhoben hatte, weil eine Risikoaufklärung unterblieben und ihr keine Kaiserschnittentbindung angeboten worden sei. Denn die
  176. Verjährungsfrist
  177. beginnt
  178. dann
  179. zu
  180. laufen,
  181. wenn
  182. dem
  183. Geschädigten
  184. oder seinem Vertreter bei seinem Kenntnisstand die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen eine bestimmte Person - sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - zumutbar ist (Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR
  185. 198/99, VersR 2001, 108, 109 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145,
  186. 358). Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht
  187. im Streitfall insoweit eine Klageerhebung schon Ende 2006 für zumutbar gehalten hat. Dass auf der dem Kläger im Jahr 2006 noch fehlenden Seite des Geburtsprotokolls eine Aufklärung im Ansatz dokumentiert war, hatte lediglich
  188. Auswirkungen auf die Beweislage, nachdem die Mutter des Klägers eine Aufklärung bestritten hatte. Der Verjährungsbeginn setzt keineswegs voraus, dass
  189. der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um
  190. einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss dem
  191. Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu
  192. erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko (vgl. Senatsurteile vom
  193. 20. September 1983 - VI ZR 35/82, VersR 1983, 1158, 1159; vom 31. Oktober
  194. 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ
  195. 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 14).
  196. 12
  197. c) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht hinsichtlich der auf Behandlungsfehler gestützten Ansprüche von einem Verjährungsbeginn am
  198. 1. Januar 2007 ausgegangen ist, trägt seine Beurteilung hingegen nicht. Es
  199. - 10 -
  200. kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass
  201. die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis von einem Behandlungsfehler erst im Laufe des Jahres 2007 erlangt worden ist.
  202. 13
  203. aa) Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1
  204. Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den
  205. Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht
  206. schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder dessen gesetzlichem
  207. Vertreter lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist.
  208. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen
  209. Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien
  210. ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen
  211. abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen
  212. Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich
  213. waren (Senatsurteile vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, 816;
  214. vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in
  215. BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214
  216. Rn. 6; jeweils mwN). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteil
  217. vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6 mwN). Allein
  218. die Vorwürfe der Mutter des Klägers im Gedächtnisprotokoll vom 4. August
  219. 2006 lassen nicht auf eine in diesem Sinne ausreichende Kenntnis eines vom
  220. Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens schließen (vgl. BGH, Urteil vom
  221. 23. April 1985 - VI ZR 207/83, VersR 1985, 740, 741; Prelinger, jurisPR-
  222. - 11 -
  223. MedizinR 2/2016 Anm. 5). Für die Gesundheitsschäden ihres Kindes macht sie
  224. darin allein die Schwere der Geburt aufgrund dessen Größe verantwortlich. Anhaltspunkte für einen weitergehenden Kenntnisstand sind nicht festgestellt.
  225. 14
  226. bb) Allerdings ist auch der Kenntnisstand der Rechtsanwälte, die die
  227. Mutter des Klägers mit der Ermittlung und Geltendmachung der Ansprüche beauftragt hatte, in die Prüfung miteinzubeziehen. Nach den Grundsätzen, die die
  228. Rechtsprechung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1
  229. BGB zum so genannten Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige,
  230. der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener
  231. Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen
  232. zurechnen lassen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte bzw.
  233. dessen gesetzlicher Vertreter einen Rechtsanwalt mit der Aufklärung eines
  234. Sachverhalts beauftragt hat (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 1989 - VI ZR
  235. 251/88, VersR 1989, 914; vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66
  236. Rn. 21, jeweils mwN). Die Rechtsanwälte des Klägers haben die ärztlichen Behandlungsfehler, die der Kläger den Beklagten zur Last legt, zwar im Schreiben
  237. vom 9. August 2007 mit hinreichender Deutlichkeit angesprochen, so dass sie
  238. zu dieser Zeit die gemäß § 199 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis hatten (vgl.
  239. Senatsurteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358). Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob sie diese Kenntnis schon im Jahr 2006
  240. hatten oder ob sie sie ggf. bis Ende dieses Jahres ohne grobe Fahrlässigkeit
  241. hätten erlangen müssen, wobei zu beachten ist, dass sie nicht verpflichtet waren, sich im Hinblick auf einen Haftungsprozess medizinisches Fachwissen anzueignen (Senatsurteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, VersR 2007, 66
  242. Rn. 24 mwN).
  243. - 12 -
  244. 15
  245. 2. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen,
  246. dass die Verjährung aufgrund der am 20. August 2007 angezeigten Gesprächsbereitschaft des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1, der aufgrund der Gesamtumstände auch für die Beklagten zu 2 und 3 tätig wurde (vgl.
  247. OLG Düsseldorf, NVersZ 2000, 40, 41), mit Zugang des Schreibens der damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. August 2007 gehemmt wurde, § 203 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - IX ZR
  248. 120/11, VersR 2014, 597 Rn. 2 mwN; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203
  249. Rn. 43; dies., MedR 2016, 340, 341; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF auch Senatsurteil vom
  250. 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00, VersR 2001, 1255, 1257). Es hat aber zu Unrecht
  251. angenommen, dass die Hemmung der Verjährung erst Anfang September 2008
  252. endete.
  253. 16
  254. Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen
  255. über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die
  256. Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere
  257. Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dem Abbruch der Verhandlungen durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu
  258. dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem
  259. nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen gewesen wäre (BT-Drucks. 14/6040,
  260. S. 112; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12, VersR 2015, 637 Rn. 16;
  261. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13).
  262. 17
  263. a) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Aussage
  264. des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007 nicht als
  265. eindeutige Weigerung zur Fortsetzung der Verhandlungen gewertet hat.
  266. - 13 -
  267. 18
  268. aa) Dem Berufungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass für die Annahme, Verhandlungen seien beendet, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl.
  269. OLG Schleswig, BeckRS 2012, 09788 [sub. 5]; BeckOK/Spindler, BGB, § 203
  270. Rn. 7 [Stand: 1. Mai 2016]; Mankowski/Höpker, MDR 2004, 721, 726; NKBGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn. 44). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muss - abgesehen von dem Fall des "Einschlafenlassens" der Verhandlungen - wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht
  271. werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 82/07, GRUR 2009, 1186 Rn. 30;
  272. zum insoweit sachlich entsprechenden, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
  273. § 852 Abs. 2 BGB Senatsurteile vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90, VersR
  274. 1991, 475; vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295; vom 1. März
  275. 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 701). Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, dass der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch
  276. der Verhandlungen zum Ausdruck bringt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1998
  277. - VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295).
  278. 19
  279. bb) Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe ist die Mitteilung des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 1 vom 26. Oktober 2007, eine
  280. Haftung sei dem Grunde nach abzulehnen, er bedauere es, keine bessere Mitteilung machen zu können und berufe sich zusätzlich auf Verjährung, als Weigerung anzusehen, Verhandlungen fortzuführen.
  281. 20
  282. Das Berufungsgericht hat seine Ansicht, der Haftpflichtversicherer der
  283. Beklagten zu 1 habe nicht klar herausgestellt, jede weitere Verhandlung zu
  284. verweigern, darauf gestützt, dass er seine Beurteilung relativierend auf eine
  285. Auswertung der ihm vorliegenden Unterlagen gegründet habe. Die Auslegung
  286. dieser Erklärung durch das Berufungsgericht weist revisionsrechtlich beachtli-
  287. - 14 -
  288. che Rechtsfehler auf und bindet den Senat daher nicht (vgl. BGH, Urteile vom
  289. 25. März 2015 - VIII ZR 125/14, NJW 2015, 2584 Rn. 33; vom 27. Januar 2010
  290. - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 Rn. 31, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ
  291. 184, 128; vgl. auch Senatsurteil vom 22. November 1988 - VI ZR 20/88, VersR
  292. 1989, 138, 139). Für die Auslegung ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung
  293. auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Daneben hat der Tatrichter
  294. den mit der Erklärung verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die
  295. sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der Erklärung erhellen können (BGH, Urteile vom 27. April 2016 - VIII ZR 61/15, NJWRR 2016, 910 Rn. 27; vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422
  296. Rn. 33, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 128). Diesen Maßstäben wird
  297. das Berufungsurteil nicht gerecht. Bei Beachtung des mit dieser Aussage verfolgten Zwecks, der Interessenlage und der Begleitumstände relativiert die Bezugnahme auf die dem Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1 vorliegenden
  298. Unterlagen die Ablehnung einer Haftung nicht, sondern begründet sie. Denn ein
  299. objektiver Erklärungsempfänger muss die Bezugnahme so verstehen, dass der
  300. Haftpflichtversicherer, der im Schreiben vom 20. August 2007 angekündigt hatte, über die Haftungs- und Deckungsfrage nach Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Einholung ärztlicher Stellungnahmen zu entscheiden, gerade aufgrund der ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen und ärztlichen Stellungnahmen den rechtlichen Standpunkt des Klägers nicht teilt. Dass er diese Haltung im Hinblick auf eine eventuelle Unvollständigkeit der Behandlungsunterlagen in irgendeiner Form zur Disposition gestellt haben könnte, ist dem Ablehnungsschreiben entgegen dem Berufungsgericht nicht zu entnehmen. Mit der
  301. abschließenden Wendung, es zu bedauern, keine günstigere Mitteilung machen
  302. zu können, brachte der Haftpflichtversicherer mit der erforderlichen Deutlichkeit
  303. den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck, ohne beim Kläger den Eindruck zu erwecken, an einer gütlichen Einigung interessiert zu sein.
  304. - 15 -
  305. 21
  306. Der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers,
  307. die Angelegenheit sei für den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 nach
  308. dem Schreiben vom 26. Oktober 2007 nicht erledigt gewesen, weil er seine interne Prüfung fortgesetzt habe, ist revisionsrechtlich unbeachtlich. Er ist im Übrigen auch nicht erheblich. Denn die Verjährungshemmung wegen schwebender Verhandlungen setzt die berechtigte Annahme des Gläubigers voraus, dass
  309. die Verhandlungen nicht beendet sind. Intern gebliebene Vorgänge auf Seiten
  310. des Schuldners vermögen eine solche Erwartung beim Gläubiger aber naturgemäß nicht zu begründen.
  311. 22
  312. Damit endete die Verjährungshemmung mit Zugang dieses Schreibens
  313. bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Der Ablauf der Verjährungsfrist
  314. war weniger als drei Monate gehemmt, so dass die Verjährung für die geltend
  315. gemachten Ansprüche wegen Aufklärungsfehlern, für die die Verjährungsfrist
  316. am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen hatte, vor Eingang der Klage am 29.
  317. Oktober 2010 vollendet gewesen ist.
  318. 23
  319. b) Selbst wenn die Beklagten die Fortsetzung von Verhandlungen nicht
  320. ausdrücklich abgelehnt hätten, hätten sie die Verhandlungen nach dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13. November 2007 einschlafen lassen. Daran vermag der erstmals in der Revisionserwiderung gehaltene Vortrag des Klägers, die Beklagten hätten die Verhandlungen "intern nach
  321. Kräften vorangetrieben", nichts zu ändern, da - wie bereits ausgeführt - intern
  322. gebliebene Vorgänge gerade kein Verhandeln im Sinne des § 203 BGB darstellen. Die Verjährungshemmung hätte, wovon das Berufungsgericht insofern
  323. selbst ausgeht, auch in diesem Fall spätestens zum folgenden Jahreswechsel
  324. geendet, ohne dass die Verhandlungen danach wieder aufgenommen worden
  325. wären.
  326. - 16 -
  327. 24
  328. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Einschlafen von Verhandlungen verkannt
  329. hat. Das Berufungsgericht geht unzutreffend davon aus, Verhandlungen könnten nur dann einschlafen, wenn der Gläubiger den Zeitpunkt versäumt, zu dem
  330. er spätestens auf eine Äußerung des Schuldners hätte antworten müssen, umgekehrt jedoch nicht der Schuldner. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des
  331. § 203 Satz 1 BGB, der auf die Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen durch den einen oder anderen Teil abstellt.
  332. 25
  333. Zwar haben der erkennende Senat wie auch andere Senate des Bundesgerichtshofs mehrfach formuliert, dass es für eine Beendigung der Hemmung ausreiche, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen einschlafen
  334. lasse (zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 44/89,
  335. VersR 1990, 755, 756; vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298,
  336. 303; vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, VersR 2005, 699, 700; zu § 203 Satz 1
  337. BGB nF BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, VersR 2009, 945
  338. Rn. 10). Dort ging es indessen stets darum, dass der Gläubiger auf eine Äußerung des Schuldners nicht zeitnah reagiert hatte. Ein Einschlafenlassen durch
  339. den Schuldner sollte mit diesen Formulierungen aber nicht ausgeschlossen
  340. werden. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend in keinem Fall ein Einschlafenlassen der Verhandlungen mit dem Argument abgelehnt, dass dies
  341. durch eine fehlende Reaktion des Schuldners nicht möglich sei. Vielmehr hat er
  342. in solchen Fällen wiederholt ein Ende der Hemmungswirkung bejaht (vgl. BGH,
  343. Urteile vom 30. Oktober 2007 - X ZR 101/06, VersR 2008, 1122 Rn. 24; vom
  344. 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, VersR 2010, 394 Rn. 25; vom 14. Juli 2011
  345. - III ZR 196/10, juris Rn. 13, 15; vom 30. April 2015 - IX ZR 1/13, NJW-RR
  346. 2015, 1321 Rn. 9; zu § 852 Abs. 2 BGB aF Senatsurteil vom 5. November 2002
  347. - VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303). Im Übrigen ist auch in der Instanzrechtsprechung und der Literatur anerkannt, dass Verhandlungen unabhängig davon
  348. - 17 -
  349. einschlafen können, ob der Gläubiger oder der Schuldner weitere Verhandlungsschritte unterlassen hat (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23. Oktober 2008
  350. - 9 U 19/08, juris Rn. 51 ff.; OLG Frankfurt, MDR 2014, 75, 76; OLG Köln, r+s
  351. 2015, 371, 372; OLG Hamm, BauR 2015, 1676, 1679; OLG Koblenz, Urteil vom
  352. 16. März 2016 - 10 U 557/15, juris Rn. 79 f.; Burmann/Heß in Berz/Burmann,
  353. Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 3 A Rn. 109 [Stand: April 2009]; Gehrlein, BB 2015, 2114, 2126; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs,
  354. 5. Aufl., § 21 Rn. 57; Hk-BGB/Dörner, 8. Aufl., § 203 Rn. 3 a.E.; MünchKommBGB/Grothe, 7. Aufl., § 203 Rn. 8; NK-BGB/Budzikiewicz, 3. Aufl., § 203 Rn.
  355. 46; dies., MedR 2016, 340, 342; PWW/Deppenkemper, BGB, 11. Aufl., § 203
  356. Rn. 4; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2012, 217, 218; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB,
  357. Neubearbeitung 2014, § 203 Rn. 13; Symosek, NJW 2016, 1142, 1143;
  358. Winkler, BB 2009, 410; aA OLG Koblenz, NJW 2006, 3150, 3152).
  359. 26
  360. Auch der Gesetzgeber ging nicht davon aus, dass eine Verweigerung
  361. des Schuldners nur im Fall einer ausdrücklichen Ablehnung der Fortsetzung der
  362. Verhandlungen vorliegen könne. Der Bundesrat hat im Gesetzgebungsverfahren sogar vorgeschlagen, § 203 BGB um die Formulierung zu ergänzen, dass
  363. die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der letzten, im Rahmen der
  364. Verhandlungen zwischen dem Schuldner und Gläubiger abgegebenen Erklärung endet, wenn die Verhandlungen dadurch in Stillstand geraten, dass sie
  365. von keiner Seite weiter betrieben werden (BT-Drucks. 14/6857, S. 7). Dass diese Wendung keine Aufnahme in den Gesetzestext fand, lag bezogen auf das
  366. Nichtbetreiben durch den Schuldner nicht an inhaltlichen Gründen, sondern daran, dass die Verjährungsfrist beim Einschlafen von Verhandlungen - so die
  367. Gegenäußerung der Bundesregierung zu diesem Vorschlag - ohnehin nicht auf
  368. unbestimmte Zeit gehemmt sei, weil für die Auslegung des § 203 BGB auf die
  369. Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden könne, in der
  370. diese Frage bereits geklärt sei. Dies trage dem Anliegen des Bundesrates bes-
  371. - 18 -
  372. ser Rechnung als die Bestimmung einer festen Frist (BT-Drucks, 14/6857,
  373. S. 43).
  374. III.
  375. 27
  376. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen
  377. Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
  378. (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen betreffend den Beginn der Verjährung von Ansprüchen, die auf ärztliche
  379. Behandlungsfehler gestützt werden, nachholen kann.
  380. Galke
  381. Wellner
  382. Oehler
  383. von Pentz
  384. Klein
  385. Vorinstanzen:
  386. LG Koblenz, Entscheidung vom 11.03.2015 - 10 O 103/10 OLG Koblenz, Entscheidung vom 23.09.2015 - 5 U 403/15 -