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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 227/06
  5. Verkündet am:
  6. 16. Oktober 2007
  7. Holmes,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. OEG § 5, BVG § 81a, BGB §§ 407, 412
  19. Für den Forderungsübergang gemäß §§ 5 OEG, 81a BVG ist nicht Voraussetzung,
  20. dass der Leistungsberechtigte einen Versorgungsantrag stellt.
  21. Für die Kenntnis von dem Rechtsübergang genügt grundsätzlich die Kenntnis von
  22. Tatsachen, nach denen mit Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu
  23. rechnen ist.
  24. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - VI ZR 227/06 - LG Lübeck
  25. AG Lübeck
  26. -2-
  27. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 16. Oktober 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
  29. Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 14. Zivilkammer
  32. des Landgerichts Lübeck vom 12. Oktober 2006 aufgehoben.
  33. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  34. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Das klagende Land (im Folgenden: der Kläger) macht gegen den Beklagten Ersatzansprüche aus nach §§ 5 Abs. 1 OEG, 81a BVG übergegangenem
  39. Recht geltend. Der Beklagte ist Alleinerbe von B., der am 25. Juni 2003 S. tötete und sich kurz danach selbst das Leben nahm. Der Kläger erbrachte der Witwe des Opfers, Frau S., Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.
  40. 2
  41. Auf den am 17. Juli 2003 eingegangenen Antrag von Frau S. bewilligte
  42. das Landesamt für soziale Dienste ihr mit Bescheid vom 6. Januar 2004 eine
  43. -3-
  44. Witwengrundrente in Höhe von monatlich 372 € ab Juli 2003. Auf ihren Antrag
  45. vom 14. Januar 2004 wurde ihr mit Bescheid vom 12. Februar 2004 ein Bestattungsgeld von 958 € zuerkannt. Unter dem 30. September/20. Oktober 2003
  46. schlossen Frau S. und der Beklagte einen Vergleich, in dem dieser sich verpflichtete, an Frau S. zur Erledigung aller Ansprüche, die ihr "als Erbin" zustehen oder zustehen könnten, 26.000 € zu zahlen. Die Zahlung dieses Betrages
  47. ist erfolgt.
  48. 3
  49. Der Kläger verlangt Ersatz des Bestattungsgeldes und des Unterhaltsschadens für den Zeitraum Juli 2003 bis Februar 2005 in Höhe von monatlich
  50. 128,78 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des
  51. Beklagten und seines Streithelfers hat das Landgericht sie abgewiesen. Mit der
  52. vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
  53. Entscheidungsgründe:
  54. I.
  55. 4
  56. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger stehe kein Anspruch aus übergegangenem Recht von Frau S. zu, weil deren Ansprüche gegen den Beklagten durch den Abfindungsvergleich erloschen seien. Dieser erfasse über seinen Wortlaut hinaus nicht nur Forderungen, die Frau S. als Erbin
  57. ihres verstorbenen Ehemannes zustünden, sondern auch die Beerdigungskosten und den Unterhaltsschaden. Dies belege die dem Vergleichsabschluss vorausgegangene Korrespondenz. Frau S. habe über den in dem Vergleich geregelten Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten wirksam verfügen können,
  58. da ein gesetzlicher Forderungsübergang auf den Kläger nicht schon zum Zeit-
  59. -4-
  60. punkt des Schadensfalles, sondern erst in dem Zeitpunkt erfolgt sei, als Frau S.
  61. die jeweiligen Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragt habe. Dies sei hinsichtlich der Beerdigungskosten erst nach dem Abschluss des
  62. Vergleichs geschehen. Der Antrag auf Bewilligung einer Witwenrente sei zwar
  63. vorher gestellt worden, doch habe der Beklagte davon im Zeitpunkt der Zahlung
  64. des Vergleichsbetrages keine Kenntnis gehabt. Mit Rücksicht darauf stünden
  65. seiner Inanspruchnahme durch den Kläger die Vorschriften der §§ 412, 407
  66. BGB entgegen.
  67. II.
  68. Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
  69. 5
  70. Stand.
  71. 6
  72. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung
  73. des Berufungsgerichts, dass der zwischen Frau S. und dem Beklagten geschlossene Vergleich auch die Beerdigungskosten und den Unterhaltsschaden
  74. erfassen sollte. Die Auslegung einer individuellen Vereinbarung ist im Revisionsrechtszug nur beschränkt nachprüfbar. Sie unterliegt der Nachprüfung aber
  75. jedenfalls insoweit, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. Ein Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze ist u.a. dann gegeben, wenn nicht alle
  76. für die Auslegung wesentlichen Tatsachen berücksichtigt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 1983 - VI ZR 19/82 - VersR 1984, 382 f. und vom
  77. 7. März 2006 - VI ZR 54/05 - VersR 2006, 659, 660; BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 270/01 - NJW 2003, 2382, 2383). Das ist hier nicht der Fall.
  78. Mit Recht hat das Berufungsgericht bei der gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der Vereinbarung vom 30. September/20. Oktober 2003
  79. -5-
  80. über deren Wortlaut hinaus die dem Vergleichsabschluss vorausgegangene
  81. Korrespondenz berücksichtigt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen
  82. Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau S. mit Anwaltsschreiben vom
  83. 1. September 2003 u.a. den Ersatz der Beerdigungskosten und ihres künftigen
  84. Unterhaltsschadens verlangt. Auch die nachfolgende Korrespondenz zeigt,
  85. dass gerade auch diese Ansprüche mit dem angestrebten Vergleich erledigt
  86. werden sollten. Tatsachenvortrag dazu, dass die Beteiligten über diese Schadenspositionen keine Einigkeit erzielt und sie deshalb aus der Abfindungsvereinbarung ausgeklammert hätten, zeigt die Revision nicht auf. Bei dieser Sachlage begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, Gegenstand des Vergleichs seien über dessen Wortlaut hinaus nicht nur die Ansprüche, die Frau S.
  87. als Erbin zustünden, sondern sämtliche Ansprüche, die ihr aufgrund der Tötung
  88. ihres Ehemannes durch B. gegen den Beklagten als dessen Erben zustehen
  89. oder zustehen könnten, keinen durchgreifenden Bedenken.
  90. 7
  91. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind jedoch die Ansprüche von Frau S. auf Ersatz der Beerdigungskosten und ihres Unterhaltsschadens unbeschadet dieses Vergleichs auf den Kläger übergangen. Der Forderungsübergang gemäß §§ 5 OEG, 81a BVG, 823 BGB vollzog sich bereits im
  92. Augenblick der von B. begangenen Tat.
  93. 8
  94. a) Aufgrund der genannten Vorschriften geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten auf das zur Gewährung von Leistungen
  95. verpflichtete Land in dem Umfang über, in dem dieses nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes Leistungen an den Geschädigten oder seine Hinterbliebenen zu erbringen hat. Der Forderungsübergang hat zum Ziel, dem Berechtigten Verfügungen über Schadensersatzansprüche schon dann zu verwehren, wenn zunächst noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe der Versorgungsträger Leistungen erbringen wird, dieser aber in Zukunft wegen solcher
  96. -6-
  97. Leistungen auf einen Rückgriff beim Schädiger angewiesen sein kann (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89 - VersR 1990, 1028, 1029). Für
  98. den Zeitpunkt des Rechtsübergangs ist in Fällen dieser Art nach gefestigter
  99. Rechtsprechung des erkennenden Senats hinsichtlich der Vorhersehbarkeit der
  100. Leistungserbringung danach zu differenzieren, ob dem gesetzlichen Forderungsübergang Leistungen eines Sozialhilfeträgers oder eines Sozialversicherungsträgers zugrunde liegen. In den Fällen, in denen ein nur nachrangig leistungspflichtiger Sozialhilfeträger im Sinne von § 116 Abs. 1 SGB X Leistungen
  101. zu gewähren hat, findet die Legalzession statt, wenn infolge des schädigenden
  102. Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des
  103. Geschädigten, mit der Leistungspflicht ernsthaft zu rechnen ist (Senatsurteil
  104. BGHZ 131, 274, 279). Demgegenüber sind im Rahmen eines Sozialversicherungsverhältnisses mit Rücksicht auf diese besondere Beziehung, die eine
  105. künftige Leistungspflicht nahe legt (vgl. BGHZ 48, 181, 186), nur geringe Anforderungen an die Vorhersehbarkeit künftiger Versicherungsleistungen zu stellen.
  106. Hier reicht für einen bereits bei Schadenseintritt erfolgenden Rechtsübergang
  107. schon die - wenn auch weit entfernte - Möglichkeit aus, dass eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt, die Leistungspflicht also nur nicht völlig unwahrscheinlich, d.h.
  108. geradezu ausgeschlossen sein darf (Senatsurteile BGHZ 127, 120, 125 f. und
  109. vom 17. April 1990 - VI ZR 276/89 - aaO). Nach diesen Grundsätzen vollzieht
  110. sich ein Forderungsübergang nach § 81a BVG dem Grunde nach bereits im
  111. Augenblick der Anspruchsentstehung, soweit auch nur die entfernte Möglichkeit
  112. dafür besteht, dass dem Geschädigten Versorgungsleistungen zu gewähren
  113. sein werden (vgl. Senatsurteile vom 20. November 1973 - VI ZR 72/72 - VersR
  114. 1974, 340, vom 24. September 1985 - VI ZR 101/84 - VersR 1986, 163, 164;
  115. vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85 - VersR 1986, 917, 918 und vom 6. Oktober
  116. 1992 - VI ZR 305/91 - VersR 1993, 56, 58; Fehl in: Wilke, SozEntschR, 7. Aufl.,
  117. -7-
  118. § 81a BVG, Rn. 20). Dasselbe gilt für den Rechtsübergang gemäß §§ 5 OEG,
  119. 81a BVG auf den nach § 4 OEG im Rahmen der Opferentschädigung leistungspflichtigen Versorgungsträger. Dieser gesetzliche Forderungsübergang
  120. setzt nicht eine Leistungserbringung voraus, sondern erfolgt unter den oben
  121. genannten Voraussetzungen jedenfalls dem Grunde nach bereits im Augenblick
  122. der schädigenden Handlung kraft Gesetzes von selbst (Senatsurteile vom
  123. 22. April 1986 - VI ZR 133/85 - aaO und vom 28. März 1995 - VI ZR 244/94 VersR 1995, 600, 601 mit zust. Anm. von Frahm, VersR 1995, 768; ebenso:
  124. OLG Hamm, r+s 1999, 418; OLG Celle, OLGR 2000, 195, 196; OLG Dresden,
  125. OLGR 2001, 508, 509 f.; Kunz/Zellner, OEG, 4. Aufl., § 5 Rn. 2 und 4; SchulzLüke/Wolf, Gewalttaten und Opferentschädigung, 1977, § 5 OEG Rn. 3).
  126. 9
  127. b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass dem Opfer einer Gewalttat bzw. dessen Hinterbliebenen Leistungen
  128. gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 8 Satz 1 OEG nur auf Antrag gewährt werden, keine abweichende rechtliche Beurteilung. Für den Forderungsübergang
  129. gemäß §§ 5 OEG, 81a BVG ist nicht Voraussetzung, dass der Leistungsberechtigte einen Versorgungsantrag stellt.
  130. 10
  131. aa) Der in § 5 OEG, § 81a BVG vorgesehene Forderungsübergang dient
  132. dazu, dem Versorgungsträger den Regress gegenüber dem Schädiger hinsichtlich der Belastung mit Leistungen zu ermöglichen, die mit dem dem Schädiger
  133. aufgegebenen Schadensersatz deckungsgleich sind (vgl. Senatsurteil vom
  134. 28. März 1995 - VI ZR 244/94 - aaO). Richtig ist, dass der Versorgungsanspruch einen Antrag des Berechtigten voraussetzt (vgl. BSGE 2, 289, 290 =
  135. NJW 1957, 197) und deshalb nicht schon mit dem Eintritt der gesundheitlichen
  136. Schädigung im Sinne des § 1 OEG, sondern grundsätzlich erst mit der erfolgten
  137. Antragstellung entsteht (vgl. auch § 40 Abs. 1 SGB I). Diese kann indessen
  138. trotz des materiellrechtlichen Antragsprinzips zu einer rückwirkenden Leis-
  139. -8-
  140. tungspflicht des Versorgungsträgers führen (Düsseldorf in Schoreit/Düsseldorf,
  141. OEG, 1977, § 1 Abs. 1, Anm. 17). So ist für den Anspruch auf Gewährung eines
  142. Bestattungsgeldes gemäß § 36 BVG nicht Voraussetzung, dass der Antrag vor
  143. der Beisetzung des Opfers gestellt wird. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BVG sind
  144. grundsätzlich auch die Kosten für eine von dem Geschädigten vor der Antragstellung selbst veranlasste Heilbehandlung zu erstatten. Wird der Erstantrag auf
  145. Hinterbliebenenversorgung vor Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Opfers
  146. gestellt, beginnt die Versorgung gemäß § 61 lit. a BVG mit dem auf den Sterbemonat folgenden Monat. Diese im Gesetz angelegte rückwirkende Leistungspflicht gebietet es, dass der Versorgungsträger wegen seiner sachlich und
  147. zeitlich kongruenten Leistungen auf den Ersatzanspruch des Geschädigten im
  148. Wege des Regresses auch bezüglich der Schäden zugreifen kann, die zeitlich
  149. vor Stellung des Versorgungsantrags entstanden sind. Dies wird dadurch gewährleistet, dass der Anspruch des Geschädigten oder des Hinterbliebenen
  150. gegen den Dritten nicht erst im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern schon
  151. zum Zeitpunkt des Entstehens auf das nach § 4 OEG zur Gewährung von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz verpflichtete Land übergeht
  152. (Kunz/Zellner, aaO; Schulz-Lüke/Wolf, aaO).
  153. 11
  154. bb) Der erkennende Senat verkennt nicht, dass infolge dieser Rechtslage
  155. eine unmittelbare Schadensregulierung und insbesondere der Abschluss von
  156. Abfindungsvergleichen zwischen Versorgungsberechtigtem und Schädiger erschwert werden können. Auch kann sich ein frühzeitiger Forderungsübergang
  157. für einen "Täter-Opfer-Ausgleich", wie er im Strafrecht angelegt ist (§ 46a StGB,
  158. §§ 155a, 155b StPO), als hinderlich erweisen und damit dem Aussöhnungsgedanken zuwiderlaufen. Diese Gesichtspunkte haben jedoch bei der Abwägung
  159. der schutzwürdigen Interessen - nämlich des Erhalts der Rückgriffsmöglichkeit
  160. des Versorgungsträgers wegen seiner zu gewährenden Leistungen auf den
  161. Schaden einerseits und der abschließenden Regulierung des Schadens durch
  162. -9-
  163. den Schädiger andererseits - zurückzutreten, zumal eine sachgerechte Regelung unter Einbeziehung des Versorgungsträgers in den Vergleichsabschluss
  164. grundsätzlich möglich bleibt (vgl. Senatsurteil vom 17. April 1990 - VI ZR
  165. 276/89 - aaO). Auf die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob
  166. dem Berechtigten, der ohne Beteiligung des Versorgungsträgers mit dem Schädiger einen Abfindungsvergleich geschlossen und von ihm Ersatzleistungen
  167. erhalten hat, aus diesem Grund Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1 OEG wegen Unbilligkeit versagt werden könnten (vgl.
  168. dazu Sack, VersorgB 1983, 138; 1984, 6), kommt es vorliegend nicht an.
  169. 12
  170. c) Dass im Streitfall bereits zum Zeitpunkt der Tötungshandlung damit zu
  171. rechnen war, dass Versorgungsleistungen nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 OEG
  172. zu erbringen sein würden, kann nicht zweifelhaft sein und wird von der Revisionserwiderung auch nicht in Frage gestellt.
  173. 13
  174. 3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss der Kläger die von
  175. dem Beklagten an Frau S. geleistete Zahlung auch nicht nach §§ 407 Abs. 1,
  176. 412 BGB gegen sich gelten lassen.
  177. 14
  178. a) Auf den Rechtsübergang gemäß § 5 OEG finden die Vorschriften der
  179. §§ 398 ff. BGB entsprechende Anwendung (§ 412 BGB). An die Kenntnis vom
  180. Forderungsübergang sind, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht
  181. durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubigerwechsel unterlaufen
  182. zu können, nur maßvolle Anforderungen zu stellen (vgl. Senatsurteil BGHZ 127,
  183. 120, 128). Diese haben sich an den Umständen auszurichten, die den frühen
  184. Zeitpunkt des Rechtsübergangs bewirken (Senatsurteil vom 4. Oktober 1983
  185. - VI ZR 44/82 - VersR 1984, 35, 37). So genügt es etwa in den Fällen, in denen
  186. die Leistungspflicht vom Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses abhängt, dass der Schädiger Umstände kennt, von denen allgemein bekannt ist,
  187. - 10 -
  188. dass sie den Verletzten versicherungspflichtig machen (Senatsurteil vom 7. Mai
  189. 1968 - VI ZR 179/66 - VersR 1968, 771, 772; vom 13. Februar 1975 - VI ZR
  190. 209/73 - VersR 1975, 446, 447 und vom 4. Oktober 1983, aaO).
  191. 15
  192. b) Nach diesen Grundsätzen kann offen bleiben, ob der Kläger, wie in
  193. Ziff. 7 der zu § 81a BVG erlassenen Verwaltungsvorschrift vorgesehen, die
  194. Witwe des Opfers und den ersatzpflichtigen Beklagten unverzüglich davon in
  195. Kenntnis gesetzt hat, dass die gesetzlichen Schadenersatzansprüche oder ein
  196. Teil von ihnen auf das klagende Land übergegangen sind und sie sich daher
  197. jeder Verfügung, insbesondere des Abschlusses von Vergleichen, zu enthalten
  198. haben. Der Beklagte hatte bei Abschluss des Abfindungsvergleichs jedenfalls
  199. Kenntnis von Tatsachen, nach denen mit Leistungen des Klägers nach dem
  200. Opferentschädigungsgesetz zu rechnen war. Die Revisionserwiderung stellt
  201. nicht in Abrede, dass der Beklagte von dem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff seines Erblassers gegen den Verstorbenen und von dessen gewaltsamem Tod wusste. Er hatte bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung mit
  202. der Witwe des Opfers der Gewalttat auch Kenntnis davon, dass es eine Hinterbliebene gab. Damit kannte er die Tatsachen, die im Streitfall den Versorgungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 OEG begründen (vgl. auch VV Ziff. 3 Satz 2
  203. zu § 81a BVG). Auf die Kenntnis von der Antragstellung kommt es nicht an, da
  204. diese - wie oben dargelegt - nicht Voraussetzung für den Forderungsübergang
  205. ist.
  206. III.
  207. 16
  208. Da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der streitgegenständlichen Forderungen getroffen hat, war die
  209. - 11 -
  210. Sache gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung
  211. zurückzuverweisen.
  212. Müller
  213. Greiner
  214. Pauge
  215. Wellner
  216. Stöhr
  217. Vorinstanzen:
  218. AG Lübeck, Entscheidung vom 17.01.2006 - 27 C 1154/05 LG Lübeck, Entscheidung vom 12.10.2006 - 14 S 45/06 -