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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. V ZR 230/12
  5. Verkündet am:
  6. 25. Oktober 2013
  7. Lesniak
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. ja
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
  19. Wird die Nutzung des Sondereigentums durch rechtswidrige Einwirkungen beeinträchtigt, die von im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden Räumen ausgehen, kann dem betroffenen Wohnungseigentümer ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2
  20. Satz 2 BGB zustehen; das gilt auch im Verhältnis von Mietern solcher Räume.
  21. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 230/12 - OLG Köln
  22. LG Aachen
  23. -2-
  24. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  25. vom 25. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
  26. Richter Dr. Lemke und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und
  27. Weinland
  28. für Recht erkannt:
  29. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts Köln vom 11. September 2012 aufgehoben.
  31. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  32. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Beklagte betrieb im dritten Obergeschoss eines Gebäudes ein sog.
  37. ambulantes Operationszentrum. In dem darunter liegenden Stockwerk befand
  38. sich die Arztpraxis von Dr. W. (im Folgenden Versicherungsnehmer), dessen
  39. Betriebsunterbrechungs- und Inhaltsversicherer die Klägerin ist. Das Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Sowohl der Beklagten
  40. als auch dem Versicherungsnehmer waren die von ihnen genutzten Räume
  41. jeweils mietweise überlassen worden, der Beklagten direkt von dem Teil- bzw.
  42. -3-
  43. Wohnungseigentümer, dem Versicherungsnehmer von einem Zwischenvermieter, der die Räume seinerseits von einem Teil- bzw. Wohnungseigentümer
  44. angemietet hatte. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 2007 löste sich im Sterilisationsraum der Beklagten eine Schlauchverbindung, wodurch es zu einem
  45. Wasseraustritt und zu Schäden auch in den Praxisräumen des Versicherungsnehmers kam. Letztere glich die Klägerin in Höhe von 165.889,76 € aus.
  46. Gestützt auf § 67 VVG aF verlangt sie von der Beklagten aus übergegangenem
  47. Recht den genannten Betrag nebst Zinsen, darüber hinaus vorgerichtliche Anwaltskosten.
  48. 2
  49. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von
  50. dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin
  51. die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung
  52. des Rechtsmittels.
  53. Entscheidungsgründe:
  54. I.
  55. 3
  56. Das Berufungsgericht lässt offen, ob die Beklagte ein Verschulden an
  57. dem Schadensereignis trifft. Darauf komme es nicht an, weil das Landgericht
  58. der Klage zu Recht dem Grunde nach gemäß § 67 VVG aF i.V.m. § 906 Abs. 2
  59. Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung stattgegeben habe. Der aus der
  60. zuletzt genannten Vorschrift folgende Ausgleichsanspruch stehe nicht nur dem
  61. Eigentümer eines Grundstücks, sondern auch dem Besitzer zu, der seinen Abwehranspruch aus tatsächlichen Gründen nicht habe geltend machen können.
  62. Schuldner des Ausgleichsanspruchs könne ebenfalls ein Besitzer sein, sofern
  63. er (wie ein Mieter oder Pächter) verantwortlich für den gefahrenträchtigen Zu-
  64. -4-
  65. stand sei. Dies sei hier bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu bejahen.
  66. Auch lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906
  67. Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Es bestehe eine strukturelle Übereinstimmung des von
  68. der Norm erfassten Sachverhalts mit Konstellationen, in denen das schadensträchtige Ereignis - wie hier - nicht vom Gemeinschaftseigentum, sondern vom
  69. Sondereigentum ausgehe und davon eine andere Sondereigentumseinheit betroffen sei. Auch im Verhältnis zwischen Sondereigentümern bestünden Eigentums- und Besitzschutzansprüche, an deren Geltendmachung der betroffene
  70. Sondereigentümer aus tatsächlichen Gründen gehindert sein könne. Der Sondereigentümer befinde sich dann in einer vergleichbaren Situation wie ein
  71. Grundstückseigentümer, der Einwirkungen von einem Nachbargrundstück nicht
  72. verhindern könne. Auch die Schutzbedürftigkeit sei nicht anders zu beurteilen
  73. als in Fällen, in denen sich Eigentümer benachbarter Grundstücke gegenüberstünden. Schließlich sei der Anspruch nicht verjährt.
  74. II.
  75. 4
  76. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  77. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  78. 5
  79. 1. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Berufungsgericht offen lässt, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Wasseraustritt trifft. Zwar
  80. scheidet eine Heranziehung des subsidiären nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus, soweit eine andere - in
  81. sich geschlossene - Regelung besteht (Senat, Urteil vom 19. September 2008
  82. - V ZR 28/08, BGHZ 178, 90, 98 mwN). Das ist jedoch bei den allgemeinen deliktsrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB nicht der Fall (so bereits Senat, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 277/10, NJW 2011, 3294 Rn. 16 f. für eine
  83. an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung;
  84. -5-
  85. vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 374 f.
  86. Rn. 15).
  87. 6
  88. 2. Auch nimmt das Berufungsgericht zu Recht an, dass der Klägerin aus
  89. übergegangenem Recht ein Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
  90. dem Grunde nach zusteht.
  91. 7
  92. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
  93. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 67 f. mwN;
  94. Urteil vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, ist dieser Anspruch über den Wortlaut des
  95. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern erfasst auch - worum es hier geht - die Störung
  96. durch sogenannte Grobimmissionen wie etwa Wasser (Senat, Urteil vom
  97. 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190; Urteil vom
  98. 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 18).
  99. 8
  100. b) Ebenfalls zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dem
  101. berechtigten Besitzer zustehen kann, dessen Abwehranspruch aus § 862
  102. Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte
  103. (Senat, Urteil vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866;
  104. BGH, Urteil vom 10. November 1977 - III ZR 157/75, BGHZ 70, 212, 220; je-
  105. -6-
  106. weils mwN). Das ist deshalb gerechtfertigt, weil der berechtigte Besitzer seine
  107. Rechtsstellung unmittelbar oder - wie etwa in Fällen gestatteter Zwischenvermietung - mittelbar von dem Eigentümer ableitet und dadurch bei der gebotenen wertenden Betrachtung in das zwischen den Grundstückseigentümern bestehende nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis einrückt, welches insbesondere mit § 906 BGB als der Generalnorm des zivilrechtlichen Nachbarschutzes
  108. (PWW/Lemke, BGB, 8. Aufl., § 906 Rn. 1) die widerstreitenden gleichrangigen
  109. Eigentümerinteressen zum Ausgleich bringen soll (vgl. Senat, Urteil vom
  110. 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 346; Urteil vom 12. Dezember
  111. 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 193). Schließlich kann auch der Benutzer
  112. des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein, sofern er die Nutzungsart bestimmt. Die Eigentumsverhältnisse sind
  113. insoweit weder im Bereich der unmittelbaren Anwendung von § 906 Abs. 2
  114. Satz 2 BGB noch im Bereich der entsprechenden Anwendung der Vorschrift
  115. entscheidend (vgl. Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 193/10, NJW-RR
  116. 2011, 739 Rn. 8 mwN). Dass vorliegend weder der Versicherungsnehmer der
  117. Klägerin noch der Beklagte Grundstückseigentümer sind, steht einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch danach ebenfalls nicht von vornherein entgegen (vgl. auch Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, aaO).
  118. 9
  119. c) Ob § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog anzuwenden ist, wenn Sondereigentum durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen, wird nicht einheitlich beurteilt.
  120. 10
  121. aa) Während die herrschende Meinung die Voraussetzungen für einen
  122. Analogieschluss bejaht (OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; LG Bochum VersR
  123. 2004, 1454; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 906 Rn. 89; MünchKomm-BGB/Säcker, 6. Aufl., § 906 Rn. 1; NK-BGB-Ring, 3. Aufl., § 906
  124. Rn. 283a; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 10; Timme/Dötsch, WEG, § 15
  125. -7-
  126. Rn. 182; Wenzel, NJW 2005, 241, 244; wohl auch LG München I, ZMR 2011,
  127. 62, 63 f.; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 14 Rn. 8; Spielbauer/
  128. Then, WEG, 2. Aufl., § 13 Rn. 16; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 906 Rn. 70;
  129. Günther, VersR 2004, 1454; für eine entsprechende Anwendung jedenfalls
  130. dann, wenn sich die Sondereigentumseinheiten in verschiedenen Gebäuden
  131. befinden, LG Bonn, BeckRS 2007, 05000; eine Analogie in Betracht ziehend
  132. OLG München, NZM 2008, 211; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 14
  133. Rn. 39; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rn. 140; vgl. auch Dötsch,
  134. ZMR 2006, 391, 392 f.; ders., NZM 2010, 607, 609 mwN), wenden die Vertreter
  135. der Gegenauffassung ein, mit Rücksicht auf den aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer resultierenden speziellen Schutz könne das
  136. Bestehen einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht angenommen werden
  137. (Schmidt, ZMR 2005, 669, 677; Becker, ZfIR 2010, 645, 647; wohl auch Briesemeister, ZWE 2010, 325; vgl. auch BayObLG, NJW-RR 1994, 718 u. NJWRR 2001, 156 [Ablehnung von Schadensersatzansprüchen mangels Verschuldens ohne Erörterung einer analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2
  138. BGB]; eine Analogie jedenfalls zugunsten obligatorischer Nutzungsberechtigter
  139. von Sondereigentum ablehnend LG Konstanz, NJW-RR 2009, 1670, 1671; kritisch dazu Timme/Dötsch, WEG, § 15 Rn. 182).
  140. 11
  141. bb) Verneint hat der Senat eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2
  142. Satz 2 BGB für das Verhältnis von Mietern bei Beeinträchtigungen, die von
  143. einer Mietwohnung innerhalb desselben (ungeteilten) Grundstückseigentums
  144. auf eine andere Mietwohnung einwirken (Urteil vom 12. Dezember 2003
  145. - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188), für das Verhältnis von sondernutzungsberechtigten Bruchteilseigentümern (Senat, Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012
  146. - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232) sowie für das Verhältnis von Wohnungseigentümern, wenn die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am
  147. Gemeinschaftseigentum
  148. beeinträchtigt
  149. wird
  150. (Urteil
  151. vom
  152. 21. Mai
  153. 2010
  154. -8-
  155. - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 375 ff.). Bejaht hat er jedoch die entsprechende
  156. Anwendbarkeit nachbarrechtlicher Vorschriften für Streitigkeiten über die Bepflanzung benachbarter Gartenteile, an denen Sondernutzungsrechte verschiedener Wohnungseigentümer bestanden (Urteil vom 28. September 2007
  157. - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9; vgl. auch Beschluss vom 4. März
  158. 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 20 für den Fall, dass die Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung möglichst so zu stellen sind, wie
  159. sie bei Realteilung stünden). Ausdrücklich offen gelassen hat er, ob ein Ausgleichsanspruch unter Wohnungseigentümern besteht, wenn Sondereigentum
  160. beeinträchtigt wird durch Einwirkungen, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen (Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 378
  161. Rn. 25).
  162. 12
  163. cc) Der Senat entscheidet die Streitfrage nunmehr im Sinne der herrschenden Auffassung.
  164. 13
  165. (1) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB setzt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück herrührt
  166. (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 190), es
  167. sich also um einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“ handelt (Senat,
  168. Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232
  169. Rn. 9 mwN; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 10). Vor diesem Hintergrund ist in
  170. der Rechtsprechung anerkannt, dass die Norm nur bei struktureller Vergleichbarkeit und nicht anders zu befriedigender Schutzbedürftigkeit analogiefähig ist
  171. (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 195;
  172. Urteil vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 18). Entgegen
  173. der Revision stellt das Berufungsgericht dabei zutreffend nur auf das Verhältnis
  174. der Sondereigentümer und nicht auf das der Mieter ab, weil es bei der Frage,
  175. ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu bejahen ist, um den Ausgleich
  176. -9-
  177. gleichrangiger Eigentümerbefugnisse geht, an denen berechtigte Besitzer lediglich partizipieren (oben II.2.b).
  178. 14
  179. (2) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 906 Abs. 2
  180. Satz 2 BGB liegen vor.
  181. 15
  182. (a) Anders als bei Beeinträchtigungen des Sondereigentums, die von
  183. dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer ausgehen, geht es bei
  184. von Sondereigentum herrührenden Beeinträchtigungen um eine Beeinträchtigung „von außen“; insoweit stehen sich strukturell keine gleichgerichteten Interessen gegenüber. Mit Blick auf das Sondereigentum verwirklicht sich in herausgehobenem Maße, dass es sich bei dem grundstücksgleichen Recht des
  185. Wohnungseigentums um „echtes Eigentum“ im Sinne von § 903 Satz 1 BGB
  186. (vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116,
  187. 392, 394; Urteil vom 1. Oktober 2004 - V ZR 210/03, NJW-RR 2005, 10 f.) handelt. Insoweit besteht kein Bruchteilseigentum mit ideellen Anteilen sämtlicher
  188. Wohnungseigentümer, sondern „Alleineigentum“ an bestimmten dinglichgegenständlich abgegrenzten Gebäudeteilen (vgl. Senat, Beschluss vom
  189. 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 49, 250, 251 f.), mit denen der Wohnungseigentümer grundsätzlich nach Belieben verfahren und jeden anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen kann (§ 13 Abs. 1 WEG). Dies erhellt, dass das
  190. Sondereigentum - auch in der Wahrnehmung des Rechtsverkehrs - als eine Art
  191. Ersatzgrundstück fungiert (zutreffend Dötsch, ZMR 2006, 391, 392). Anders als
  192. bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, besteht daher weder formal noch teleologisch Identität zwischen dem Grundstückseigentum, von dem die Störung ausgeht, und dem beeinträchtigten Grundstückseigentum mit der Folge, dass sich dieselben Miteigentümer gleichzeitig
  193. sowohl auf Störerseite als auch auf Seiten des beeinträchtigten Eigentums befinden. Vielmehr stehen sich die Sondereigentümer ebenso mit gegensätzlichen
  194. - 10 -
  195. Interessen gegenüber wie Grundstückseigentümer in den idealtypischen
  196. - unmittelbar von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfassten - Fällen.
  197. 16
  198. (b) Auch der Aspekt der Schutzbedürftigkeit spricht für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke.
  199. 17
  200. (aa) Grundlage des Anspruches nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist ein
  201. billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter
  202. Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (Senat, Urteil vom
  203. 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 376 Rn. 21). Zwischen Sondereigentümern besteht - wie nicht zuletzt die Vorschriften des § 14 Nr. 1 und § 15
  204. Abs. 3 WEG belegen - ein gesetzliches Schuldverhältnis (vgl. auch Senat, Urteil
  205. vom 21. Mai 2010 - V ZR 10/10, BGHZ 185, 371, 377 Rn. 24 mwN). Das daraus
  206. folgende Gebot der Rücksichtnahme auf die anderen Sondereigentümer ist den
  207. Verpflichtungen, die Grundstückseigentümern aus dem Nachbarverhältnis auferlegt sind, durchaus vergleichbar. Zwar haben die Wohnungseigentümer die
  208. Möglichkeit, Gebrauchsregelungen zum Schutz vor Schäden zu vereinbaren
  209. oder nach § 15 Abs. 2 WEG Mindeststandards zu beschließen. Diese Überlegung wird aber zum einen bereits dadurch deutlich relativiert, dass der einzelne
  210. Wohnungseigentümer bei Vereinbarungen auf die Mitwirkung sämtlicher und
  211. bei einer Beschlussfassung auf die Mehrheit der Miteigentümer angewiesen ist,
  212. und zum anderen dadurch, dass sich die Frage des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches in aller Regel nur in Fällen stellt, in denen aus tatsächlichen
  213. Gründen - etwa in Unkenntnis einer latenten Gefahr - die Bedrohungslage gerade nicht rechtzeitig abgewendet werden konnte (Dötsch, ZMR 2006, 391,
  214. 393).
  215. - 11 -
  216. 18
  217. (bb) Ob neben der in Rede stehenden entsprechenden Anwendung von
  218. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Verschuldenshaftung nach § 823 BGB in Betracht kommt, ist für die Frage der Gesetzesanalogie ohne Bedeutung (s. oben
  219. II.1.; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 2006, 1744; Wenzel, NJW 2005, 241). Der
  220. Umstand, dass das unter Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche
  221. Schuldverhältnis den geschädigten Sondereigentümer bei Schadensersatzansprüchen gegen einen anderen Sondereigentümer hinsichtlich der Darlegungsund Beweislast besser stellt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) als Grundstückseigentümer (§ 823 ff. BGB), zwischen denen regelmäßig keine Sonderverbindung
  222. existiert, ist nicht von einem solchen Gewicht, dass eine andere Beurteilung
  223. gerechtfertigt wäre.
  224. 19
  225. (cc) Anders wäre allerdings zu entscheiden, wenn das Wohnungseigentumsgesetz mit Blick auf das Verhältnis der Sondereigentümer eine abschließende Sonderregelung enthielte. Das ist jedoch schon deshalb nicht der Fall,
  226. weil es keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass einem Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum von einem anderen Sondereigentümer bei Bestehen einer Notstandslage beeinträchtigt wird, der Aufopferungsanspruch aus
  227. § 904 Satz 2 BGB zusteht. Dass zumindest grundsätzlich auch auf andere
  228. nachbarrechtliche Regelungen zurückgegriffen werden kann, hat der Senat bereits für das Verhältnis sondernutzungsberechtigter Wohnungseigentümer entschieden (Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f.
  229. Rn. 9; vgl. auch Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010,
  230. 807 Rn. 20); für das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander kann
  231. nichts anderes gelten. Und anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem
  232. Gemeinschaftseigentum ausgehen, besteht auch kein Konflikt mit der Sonderregelung des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG. Deren Sachbereich ist nur betroffen,
  233. wenn auf das Sondereigentum im Interesse des Gemeinschaftseigentums eingewirkt wird oder Mängel von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, nicht
  234. - 12 -
  235. aber, wenn Beeinträchtigungen von dem Sondereigentum eines anderen Miteigentümers herrühren (vgl. auch LG München I, ZMR 2011, 62, 63 f.).
  236. 20
  237. (dd) Der analogen Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf das
  238. Verhältnis von Sondereigentümern untereinander steht schließlich nicht entgegen, dass der Senat mit Blick auf im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrechte von Bruchteilseigentümern (§ 1010 BGB) eine entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint hat (Senat, Versäumnisurteil
  239. vom 10. Februar 2012 - V ZR 137/11, WM 2013, 231, 232). Da solche Rechte
  240. das nur - ideelle - Bruchteilseigentum ausgestalten, fehlt es im Gegensatz zum
  241. Sondereigentum und zu im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechten
  242. nach dem Wohnungseigentumsgesetz (dazu Senat, Urteil vom 28. September
  243. 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20, 22 f. Rn. 9) an dem erforderlichen Eingriff
  244. von außen. Dabei ist die Gleichstellung von verdinglichten Sondernutzungsrechten von Wohnungseigentümern mit dem Sondereigentum deshalb gerechtfertigt, weil derartige Rechte dem Sondereigentum als Inhaltsbestimmung zugeordnet sind (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 11/77,
  245. BGHZ 73, 145, 148; Beschluss vom 3. Juli 2008 - V ZR 20/07, NZM 2008, 732,
  246. 734 Rn. 36) und daher dessen rechtliche Einordnung auch in Bezug auf eine
  247. entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jedenfalls dann teilen,
  248. wenn sie ein Recht zur Alleinnutzung einräumen.
  249. 21
  250. d) Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht das Eingreifen der
  251. von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. Die diesbezüglichen Erwägungen werden von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
  252. 22
  253. 3. Gleiches gilt für die unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges dem Grunde nach zuerkannten Anwaltskosten.
  254. - 13 -
  255. 23
  256. 4. Die angefochtene Entscheidung kann aber deshalb keinen Bestand
  257. haben, weil das Landgericht „sämtliche Schäden“ dem Grunde nach als ersatzfähig angesehen und das Berufungsgericht diese Erwägung - wenn auch pauschal - gebilligt hat.
  258. 24
  259. a) Das ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision jedoch nicht
  260. schon daraus, dass nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht Schadensersatz, sondern lediglich ein nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bestimmender Ausgleich verlangt werden kann (Senat, Urteil vom 1. Februar 2008
  261. - V ZR 47/07, NJW 2008, 992, 993 Rn. 9 ff.), wonach nur der unzumutbare Teil
  262. der Beeinträchtigung auszugleichen ist (Senat, Urteil vom 19. September 2008
  263. - V ZR 28/08, NJW 2009, 762, 765 Rn. 32 ff.; PWW/Lemke, aaO, § 906 Rn. 43
  264. i.V.m. Rn. 36 f. mwN). Denn selbst wenn die Vorinstanzen die Formulierung in
  265. den Entscheidungsgründen „sämtliche Schäden“ rechtstechnisch verstanden
  266. haben sollten, bliebe der Rüge im Ergebnis jedenfalls deshalb der Erfolg versagt, weil der keinen schadensersatzrechtlichen Bezug enthaltende Tenor im
  267. Lichte des nunmehr ergehenden Revisionsurteils auszulegen wäre.
  268. 25
  269. b) Das Berufungsurteil ist aber deshalb aufzuheben, weil die bisher von
  270. dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den Erlass eines Grundurteils
  271. nach § 304 Abs. 1 ZPO nicht rechtfertigen. Dabei kann offen bleiben, ob in der
  272. Revisionsrüge, wonach beide Vorinstanzen verkannt hätten, dass die geltend
  273. gemachten Positionen nach entschädigungsrechtlichen Grundsätzen „zumindest teilweise“ nicht ausgleichspflichtig seien, bei verständiger Würdigung auch
  274. eine Verfahrensrüge nach § 304 ZPO zu erblicken ist. Denn es entspricht der
  275. gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils im Hinblick auf dessen innerprozessuale
  276. Bindungswirkung - auch im Revisionsverfahren - von Amts wegen zu prüfen
  277. - 14 -
  278. sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991,
  279. 599, 600 mwN).
  280. 26
  281. aa) Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund
  282. und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs
  283. gehören, erledigt sind, und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest
  284. wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil
  285. vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, aaO; vgl. auch Senat, Urteil vom
  286. 12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43, 49 Rn. 16; Versäumnisurteil
  287. vom 14. März 2008 - V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397, 1398).
  288. 27
  289. bb) Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der
  290. Senat im Hinblick auf die Bindungswirkung des Grundurteils nicht überprüfen
  291. kann, ob tatsächlich irgendwelche Positionen dem Grunde nach ausgleichspflichtig sind. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht
  292. getroffen. Mangels Darstellung der geltend gemachten Positionen bleibt damit
  293. auch die Frage, ob die für den Erlass eines Grundurteils erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, in der Schwebe.
  294. 28
  295. 5. Kann das Berufungsurteil nach allem mangels ausreichender Feststellungen keinen Bestand haben, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit Blick auf den erneuten Erlass
  296. - 15 -
  297. eines Grundurteils wird allerdings bei der Ermessensausübung nach § 304
  298. Abs. 1 ZPO ggf. zu berücksichtigen sein, dass die Rechtsfrage der analogen
  299. Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nunmehr geklärt ist.
  300. Stresemann
  301. Lemke
  302. Brückner
  303. Roth
  304. Weinland
  305. Vorinstanzen:
  306. LG Aachen, Entscheidung vom 19.12.2011 - 11 O 279/11 OLG Köln, Entscheidung vom 11.09.2012 - 3 U 7/12 -