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13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 14/00
  4. vom
  5. 13. September 2000
  6. in der Wohnungsgrundbuchsache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. -----------------------------------
  14. GBO § 19; BGB § 877; WEG §§ 10 Abs. 1, 15
  15. a) Betroffen von einer Eintragung in das Grundbuch ist jeder, dessen grundbuchmäßiges Recht durch die vorzunehmende Eintragung nicht nur wirtschaftlich, sondern rechtlich beeinträchtigt wird oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann.
  16. b) Von der Löschung eines Sondernutzungsrechts in dem Wohnungsgrundbuch ist
  17. nur der begünstigte Eigentümer betroffen.
  18. c) Die Löschung bedarf auch sachenrechtlich nicht der Zustimmung der anderen
  19. Wohnungseigentümer.
  20. d) Ein Sondernutzungsrecht kann schuldrechtlich nicht durch einseitigen Verzicht,
  21. sondern nur im Wege einer Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 1 WEG aufgehoben
  22. werden.
  23. -2BGH, Beschl. v. 13. September 2000 - V ZB 14/00 - BayObLG
  24. LG München
  25. AG München
  26. -3-
  27. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. September 2000 durch
  28. den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf,
  29. Dr. Klein und Dr. Lemke
  30. beschlossen:
  31. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluß
  32. der 11. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 12. November 1999 und der Beschluß des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 10. Juni 1999 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10. August 1999 aufgehoben.
  33. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den in seiner Zwischenverfügung vom 10. Juni 1999 unter 2) geäußerten Bedenken abzusehen.
  34. Gründe:
  35. I.
  36. Die Beteiligte ist Eigentümerin einer Wohnung. Im Grundbuch sind zu
  37. ihren Gunsten als Inhalt des Sondereigentums zwei in der Teilungserklärung
  38. vom 23. Oktober 1978/5. Oktober 1979 begründete Sondernutzungsrechte an
  39. Gartenanteilen eingetragen. Das Wohnungseigentum ist lastenfrei.
  40. Mit notariellen Urkunden vom 29. Januar 1999/28. Juli 1999 hat die Beteiligte auf ihre Sondernutzungsrechte "verzichtet" und die Eintragung einer
  41. entsprechenden Änderung der Teilungserklärung im Grundbuch bewilligt und
  42. -4-
  43. beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 10. Juni 1999 hat das Grundbuchamt
  44. den gestellten Antrag beanstandet und die Vorlage der Zustimmungserklärungen aller Wohnungseigentümer und der im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkungsberechtigten verlangt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß
  45. hat die Beteiligte weitere Beschwerde eingelegt.
  46. Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte der weiteren Beschwerde stattgeben. Hieran sieht es sich durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 1995 (FGPrax 1995, 187 ff = DNotZ 1996, 674 ff
  47. = NJW-RR 1996, 1418 ff = Rpfleger 1996, 65) gehindert. Es hat deshalb die
  48. Sache mit Beschluß vom 30. März 2000 (MDR 2000, 757 m. Anm. Böhringer =
  49. ZMR 2000, 472 m. Anm. Müller = ZWE 2000, 347 m. Anm. Röll S. 343) dem
  50. Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
  51. II.
  52. Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft.
  53. Das vorlegende Gericht vertritt den Standpunkt, für die Löschung der im
  54. Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechte sei neben der Bewilligung
  55. der Beteiligten die Zustimmung weiterer Wohnungseigentümer bzw. der im
  56. Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkungsberechtigten nicht erforderlich. Im Gegensatz hierzu erachtet das Oberlandesgericht Düsseldorf die
  57. einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten nicht für ausreichend, um ein im
  58. Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht zu löschen. Dies trägt die
  59. Vorlage. Daß Gegenstand des Vorlagebeschlusses Sondernutzungsrechte an
  60. -5-
  61. Gartenanteilen sind, während sich das Oberlandesgericht Düsseldorf mit einem
  62. Sondernutzungsrecht an einem Abstellplatz zu befassen hatte, ist für die Entscheidung der vorgelegten Rechtsfrage unerheblich (Senat, BGHZ 73, 145,
  63. 146).
  64. III.
  65. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO) und hat auch in
  66. der Sache Erfolg.
  67. Zu Recht nimmt das vorlegende Gericht an, die Löschung eingetragener
  68. Sondernutzungsrechte setze neben der in der Form des § 29 GBO zu erklärenden Bewilligung des begünstigten Wohnungseigentümers (§ 19 GBO) keine
  69. Bewilligung der übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft oder etwaiger
  70. Auflassungsvormerkungsberechtigter voraus.
  71. 1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein im Grundbuch verzeichnetes Sondernutzungsrecht gelöscht werden kann, wird in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings unterschiedlich beurteilt.
  72. a) Ein gewichtiger Teil der Stimmen fordert gemäß §§ 877, 873 BGB
  73. bzw. gemäß §§ 10 Abs. 1, 15 Abs. 1, 5 Abs. 4 WEG die materiellrechtliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Aufhebung des Sondernutzungsrechts und leitet hieraus die verfahrensrechtliche Notwendigkeit einer Löschungsbewilligung der gesamten Eigentümergemeinschaft gemäß §§ 19, 29
  74. GBO ab (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1418; OLG Hamm, ZMR 1997, 34,
  75. 35; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 10 Rdn. 54; Haegele/Schöner/
  76. -6-
  77. Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl., Rdn. 2982 b i.V.m. FN 87; KEHE-Herrmann,
  78. Grundbuchrecht, 5. Aufl., Einl. E 86; Bauer/von Oefele, Grundbuchordnung, AT
  79. V 337 i.V.m. FN 860; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 10 WEG Rdn. 9, 5;
  80. Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 15 Rdn. 37).
  81. b) Eine im Vordringen befindliche andere Ansicht läßt demgegenüber
  82. die Bewilligung des begünstigten Eigentümers genügen, hält aber in materiellrechtlicher Hinsicht ebenfalls die Mitwirkung aller Wohnungseigentümer zur
  83. Aufhebung des Sondernutzungsrechts für erforderlich (Böhringer, NotBZ 1999,
  84. 154, 162; Böttcher, BWNotZ 1996, 80, 92; Demharter, GBO, 23. Aufl., Anhang
  85. zu § 3 Rdn. 61; ders., FGPrax 1996, 6 ff und FGPrax 1997, 201, 202; Schneider, Rpfleger 1998, 53, 56; Meikel/Ebeling, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 3
  86. WGBV Rdn. 31).
  87. c) Eine dritte Meinung vertritt schließlich den Standpunkt, zu einer wirksamen Aufhebung eines eingetragenen Sondernutzungsrechts sei weder materiell-rechtlich – insoweit gelte § 875 BGB – noch grundbuchrechtlich eine Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer notwendig, es genüge vielmehr der
  88. einseitige
  89. Verzicht
  90. (LG
  91. Augsburg,
  92. MittBayNot
  93. 1990,
  94. 175 f;
  95. Streblow,
  96. MittRhNotK 1987, 141, 157; Röll, ZWE 2000, 343; MünchKomm-BGB/Röll,
  97. 3. Aufl., § 10 WEG Rdn. 43).
  98. 2. Der Senat teilt die herrschende Auffassung, daß ein Sondernutzungsrecht schuldrechtlich nicht durch einseitigen Verzicht, sondern im Wege eines
  99. "actus contrarius" zu seiner Begründung nur durch Vereinbarung gemäß § 10
  100. Abs. 1 WEG aufgehoben werden kann (vgl. außer den Nachweisen unter a)
  101. und b) auch Staudinger/Kreuzer, 12. Aufl., WEG § 15 Rdn. 82; Lüke/Becker,
  102. -7-
  103. DNotZ 1996, 676). Das gilt auch dann, wenn das Sondernutzungsrecht - wie
  104. hier - in der Teilungserklärung begründet wurde, weil die Teilungserklärung ab
  105. dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden Eigentümer nicht mehr einseitig
  106. abgeändert werden kann, einer Vereinbarung gleichsteht (vgl. Staudinger/Kreuzer, BGB, 12. Aufl., WEG § 10 Rdn. 6; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl.,
  107. § 10 Rdn. 28; a.A. Röll, ZWE 2000, 343, 344). Der Senat ist aber der Ansicht,
  108. daß die Löschung des Grundbucheintrags nicht einer Mitwirkung der übrigen
  109. Wohnungseigentümer bedarf.
  110. a) Die Eintragung eines Löschungsvermerks (§ 46 Abs. 1 GBO) erfolgt
  111. gemäß § 19 GBO aufgrund einer Bewilligung des hiervon Betroffenen. Betroffen im Sinne des § 19 GBO ist jeder, dessen grundbuchmäßiges Recht durch
  112. die vorzunehmende Eintragung nicht nur wirtschaftlich, sondern rechtlich beeinträchtigt wird oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann (Senat, BGHZ 66, 341, 345; 91, 343, 346; BayObLG DNotZ 1996, 297, 301; NJWRR 1992, 209; OLG Hamm, Rpfleger 1997, 376, 377; OLG Köln, ZMR 1993,
  113. 428, 429). Ob dies der Fall ist, muß unabhängig von etwaigen Veränderungen
  114. des materiellen Sachenrechts und unabhängig von den Folgen der gestatteten
  115. Grundbucheintragung beurteilt werden (Böhringer, MDR 2000, 758; Meikel/
  116. Lichtenberger, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 19 Rdn. 89 ff).
  117. b) Die Löschung des eingetragenen Sondernutzungsrechts im Wohnungseigentumsgrundbuch läßt die schuldrechtliche Vereinbarung über den
  118. Ausschluß des Mitbenutzungsrechts der anderen Wohnungseigentümer gemäß
  119. § 13 Abs. 2 WEG an dem der Sondernutzung unterliegenden Teil des Gemeinschaftseigentums bis zum Abschluß einer Aufhebungsvereinbarung unberührt.
  120. Sie beseitigt nur deren "dingliche Wirkung” (Senat, BGHZ 73, 145, 148), die
  121. -8-
  122. darin besteht, daß der Sonderrechtsnachfolger eines durch die Vereinbarung
  123. von seinem Mitgebrauchsrecht ausgeschlossenen Wohnungseigentümers das
  124. schuldrechtliche Sondernutzungsrecht gegen sich gelten lassen muß. Die Tatsache, daß im Grundbuch wegen des Gegenstands und Inhalts seines Sondereigentums weiter auf die Teilungserklärung Bezug genommen wird, ändert
  125. hieran nichts. Denn “dingliche Wirkung” entfaltet nur die gesonderte (positive)
  126. Eintragung des Sondernutzungsrechts beim begünstigten Eigentümer in Verbindung mit dem hierzu korrespondierenden, bei den übrigen Eigentümern eingetragenen, “Negativvermerk”, daß ein Sondernutzungsrecht begründet wurde
  127. (zum Vollzug im Grundbuch Kreuzer, Sondernutzungsrechte, Festschrift für
  128. Merle [2000], S. 203, 216 ff.). Von der Löschung nachteilig betroffen ist daher
  129. allein der bisher begünstigte Eigentümer, denn er kann dem Sonderrechtsnachfolger eines anderen Wohnungseigentümers seine Berechtigung nicht
  130. mehr gemäß § 10 Abs. 2 WEG entgegenhalten (Böttcher, BWNotZ 1996, 80,
  131. 92; Demharter, FGPrax 1996, 6, 7; Schneider, Rpfleger 1998, 53, 56; LG
  132. Augsburg, MittBayNot 1990, 175, 176). Die übrigen Miteigentümer sind dagegen - anders als etwaige dinglich Berechtigte an dem von der Aufhebung des
  133. Sondernutzungsrechts betroffenen Wohnungseigentum - rechtlich nicht beeinträchtigt.
  134. 3. Durch die ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erfolgende Löschung wird das Grundbuch nicht unrichtig (a.A. Böhringer, MDR
  135. 2000, 758, 759; Müller, ZMR 2000, 473). Daher besteht auch insoweit kein
  136. Grund, die Eintragung eines Löschungsvermerks zu verweigern. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn die Eintragung des Löschungsvermerks
  137. nach materiellem Recht der Einwilligung durch die anderen Wohnungseigentümer bedürfte und die Eintragung ohne deren Einwilligung das Grundbuch
  138. -9-
  139. nicht nur vorübergehend (Senatsbeschl. v. 3. Oktober 1985, V ZB 18/84, NJW
  140. 1986, 314, 315), sondern endgültig unrichtig werden ließe (vgl. Senat, BGHZ
  141. 35, 135, 139; 106, 108, 110). Das ist indessen nicht der Fall.
  142. Das eingetragene Sondernutzungsrecht ist weder ein dingliches noch
  143. gar ein grundstücksgleiches Recht, sondern ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht, das erst mit der Eintragung im Grundbuch eine Inhaltsänderung aller
  144. Wohnungseigentumsrechte bewirkt, so daß hierzu gemäß § 877 BGB in entsprechender Anwendung des § 873 BGB die Einigung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist (Senat, BGHZ 91, 343, 346; Demharter, FGPrax 1996, 6).
  145. Umgekehrt führt auch die Löschung dieses Rechts wiederum zu einer Inhaltsänderung im Sinne des § 877 BGB. Der Sonderrechtsnachfolger eines durch
  146. die schuldrechtliche Vereinbarung von seinem Mitgebrauchsrecht ausgeschlossenen Wohnungseigentümers braucht das schuldrechtliche Sondernutzungsrecht nicht gegen sich gelten zu lassen. Aus dem Schutzzweck des § 877
  147. BGB folgt jedoch, daß sachenrechtlich nichts anderes gilt als in formeller Hinsicht für die Grundbucheintragung, daß also die Beseitigung der "dinglichen
  148. Wirkung” des Sondernutzungsrechts nicht die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erfordert, weil deren sachenrechtliche Eigentümerstellung
  149. nicht nachteilig beeinflußt wird (vgl. BGHZ 73, 145, 149; 91, 343, 346 m.w.N.;
  150. BayObLG, DNotZ 1999, 672 ff; NJW-RR 1992, 209; OLG Hamm, Rpfleger
  151. 1997, 376; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 877 Rdn. 3). Der Wegfall der
  152. “dinglichen Wirkung” des Sondernutzungsrechts führt bei ihnen noch nicht
  153. einmal zu einem Zuwachs an Nutzungsmöglichkeiten und den damit verbundenen Instandhaltungs- bzw. Verkehrssicherungspflichten, solange die schuldrechtlich vereinbarte Nutzungsbeschränkung nicht einvernehmlich aufgehoben
  154. wird. Ob sie durch den Eintritt eines Sonderrechtsnachfolgers auf seiten eines
  155. - 10 -
  156. vom Mitgebrauch ausgeschlossenen Wohnungseigentümers hinfällig wird
  157. (Müller, ZMR 2000, 473, 474), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein zukünftiger Wegfall des schuldrechtlichen Sondernutzungsrechts beeinträchtigt
  158. jedenfalls nicht die dingliche Rechtsstellung der übrigen Wohnungseigentümer
  159. im Zeitpunkt der Eintragung des Löschungsvermerks, so daß diese auch sachenrechtlich nicht der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedarf
  160. und das Grundbuch durch die Eintragung des Löschungsvermerks nicht unrichtig wird.
  161. Wenzel
  162. Lambert-Lang
  163. Klein
  164. Tropf
  165. Lemke