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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- 2 StE 4/02 - 5
- StB 20/03
- vom
- 8. Januar 2004
- in dem Strafverfahren
- gegen
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- wegen Beihilfe um Mord u. a.
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- Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Angeklagten und seiner Verteidiger am 8. Januar 2004
- gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen:
- Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 15. Dezember
- 2003 wird verworfen.
- Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
- tragen.
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- Gründe:
- Der Angeklagte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters
- des Bundesgerichtshofs vom 27. November 2001 am 29. November 2001 wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom
- 11. September 2001 in Untersuchungshaft genommen. Nachdem der Generalbundesanwalt gegen ihn Anklage zum Hanseatischen Oberlandesgericht in
- Hamburg erhoben hatte, änderte dieses am 17. September 2002 den Haftbefehl dahin ab, daß der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer terroristischen
- Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord in 3116 Fällen dringend verdächtig sei. Am 19. Februar 2003 hat das Oberlandesgericht den Angeklagten
- wegen "Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur
- gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in
- einer terroristischen Vereinigung" zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Gleichzeitig hat es die Fortdauer der Untersuchungshaft beschlossen.
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- Über die vom Angeklagten gegen seine Verurteilung eingelegte Revision ist
- noch nicht entschieden.
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- Nachdem in der Hauptverhandlung gegen den anderweitig verfolgten
- M.
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- ,
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- dem
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- im
-
- Zusammenhang
-
- mit
-
- den
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- Anschlägen
-
- vom
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- 11. September 2001 ein ähnlicher Tatvorwurf gemacht wird wie dem Angeklagten, ein "Behördenzeugnis" des Bundeskriminalamtes vom 10. Dezember
- 2003 verlesen worden war, wonach laut Angaben einer "Auskunftsperson" allein die bei den Anschlägen ums Leben gekommenen A.
- J.
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- sowie der anderweitig verfolgte B.
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- klagte noch M.
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- , Al.
-
- und
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- und damit weder der Ange-
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- in die Anschlagspläne eingeweiht gewesen seien, hat das
-
- Oberlandesgericht den Haftbefehl gegen M.
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- aufgehoben, weil ein dringen-
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- der Tatverdacht nicht mehr bejaht werden könne. Daraufhin hat der Angeklagte
- beantragt, auch den gegen ihn bestehenden Haftbefehl mangels Fortbestehens
- eines dringenden Tatverdachts aufzuheben. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.
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- Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO),
- hat in der Sache indessen keinen Erfolg. Zu Recht hat das Oberlandesgericht
- das als Haftprüfungsantrag (§ 117 StPO) auszulegende Begehren des Angeklagten zurückgewiesen und damit den Haftbefehl gegen ihn aufrechterhalten.
- Durch das in der Hauptverhandlung gegen
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- M.
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- verlesene "Be-
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- hördengutachten" des Bundeskriminalamtes ist der dringende Tatverdacht
- (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) gegen den Angeklagten im derzeitigen Verfahrensstand nicht entkräftet.
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- Wird der Angeklagte verurteilt, so setzt die gleichzeitige Entscheidung
- über die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 268 b StPO) keine gesonderte
- Prüfung und Begründung des dringenden Tatverdachts voraus; denn dieser
- wird - in aller Regel - bereits durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend
- belegt (Schlüchter in SK-StPO 14. Lfg. - Mai 1995 - § 268 b Rdn. 6 und 7).
- Tauchen nach Verkündung des tatrichterlichen Urteils und des Beschlusses
- über die Haftfortdauer neue Beweismittel auf, ist für die nachfolgenden Haftentscheidungen zu differenzieren:
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- Ist das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung anfechtbar, so daß das
- neue Beweismittel im Berufungsrechtszug uneingeschränkt verwertet werden
- kann (§ 323 Abs. 3 StPO), ist dieses den Beweisen, auf denen die Verurteilung
- beruht, gegenüberzustellen und auf dieser Beweisgrundlage im Rahmen einer
- Gesamtwürdigung der Fortbestand des dringenden Tatverdachts neu zu prüfen. Unterliegt das tatrichterliche Urteil dagegen allein dem Rechtsmittel der
- Revision, kann dem neuen Beweismittel aus Rechtsgründen nur eine eingeschränkte Bedeutung für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts zukommen. Da das tatrichterliche Urteil in der Revisionsinstanz nur auf Rechtsfehler
- überprüft wird (§ 337 StPO), reicht es für eine Neubewertung des Tatverdachts
- nicht aus, wenn unter Berücksichtigung des neuen Beweismittels eine vom angefochtenen Urteil abweichende, dem Angeklagten günstigere Beweiswürdigung möglich oder sogar naheliegend wäre; denn dies kann der Revision nicht
- zum Erfolg verhelfen und daher den Eintritt der Rechtskraft nicht hindern (vgl.
- OLG Düsseldorf MDR 1974, 686 f.). Eine Neubewertung des Tatverdachts
- kommt daher in diesem Verfahrensstadium nur in Betracht, wenn es aufgrund
- des neuen Beweismittels nach den Maßstäben des Wiederaufnahmerechts als
- wahrscheinlich anzusehen ist, daß ein hierauf gestützter Wiederaufnahmean-
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- trag (§ 359 Nr. 5 StPO) erfolgreich sein und der Angeklagte in einer neuen
- Hauptverhandlung freigesprochen oder aus einem milderen Strafgesetz verurteilt werden wird. Dies hat das Oberlandesgericht hier indessen mit nicht zu
- beanstandender Begründung verneint.
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- Die Beschwerde des Angeklagten ist daher unbegründet.
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- Miebach
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- Becker
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