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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. NotZ 26/03
  4. vom
  5. 22. März 2004
  6. in dem Verfahren
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. ja
  10. _____________________
  11. BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 9;
  12. BeurkG § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 7;
  13. GG Art. 12 Abs. 1, 20 Abs. 3
  14. Eine Amtsenthebung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO kommt wegen der zu beachtenden Verfassungsgrundsätze - insbesondere die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte
  15. Berufsfreiheit und das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Verhältnismäßigkeitsgebot - erst in Betracht, wenn nach einer Gesamtbewertung der Pflichtverletzungen
  16. die Entfernung aus dem Amt notwendig ist, um den mit den Mitwirkungsverboten des
  17. § 3 Abs. 1 BeurkG verfolgten Zweck zu erreichen.
  18. BGH, Beschluß vom 22. März 2004 - NotZ 26/03 - OLG Celle
  19. wegen Feststellung der Voraussetzungen für die Amtsenthebung
  20. - 2 -
  21. Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Streck, Wendt sowie die Notare
  22. Dr. Doyé und Justizrat Dr. Bauer
  23. am 22. März 2004
  24. beschlossen:
  25. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den
  26. Beschluß des Notarsenats bei dem Oberlandesgericht
  27. Celle vom 22. September 2003 wird zurückgewiesen.
  28. Der Antragsgegner hat die dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
  29. zu erstatten.
  30. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird
  31. auf
  32. 50.000 €
  33. festgesetzt.
  34. - 3 -
  35. Gründe:
  36. I.
  37. Der 1949 geborene Antragsteller ist seit 1979 bei dem Amtsgericht
  38. C.
  39. und bei dem Landgericht O.
  40. als Rechtsanwalt zuge-
  41. lassen. Am 31. Juli 1984 wurde er zum Notar mit dem Amtssitz in C.
  42. bestellt. Er verfügt über ein vergleichsweise kleines Notariat.
  43. Gegen ihn wurden folgende Disziplinarmaßnahmen verhängt:
  44. - 1991 eine Geldbuße von 3.000 DM
  45. wegen Verstößen u.a. bei der Abwicklung von Treuhandgeschäften;
  46. - 1995 eine Geldbuße von 700 DM
  47. wegen Verstößen im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften;
  48. - 1999 eine Geldbuße von 500 DM
  49. wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 5 BeurkG a.F. und die
  50. Pflicht zur Wahrung der Unparteilichkeit;
  51. - 2000 eine Geldbuße von 4.500 DM
  52. wegen Verstoßes von Mitteilungspflichten und der Pflicht zur Ablehnung einer Beurkundung, bei der der Verdacht bestand, daß
  53. mit der Urkunde unerlaubte und unredliche Zwecke verfolgt werden.
  54. - 4 -
  55. Im vorliegenden Verfahren legt der Antragsgegner dem Antragsteller Verstöße gegen Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG bei folgenden Beurkundungsvorgängen zur Last:
  56. 1. Am 18. November 1998 beurkundete der Antragsteller eine Tilgungsvereinbarung zwischen einer Reiseplanungs-GmbH und einer Warenhandels GmbH über einen Betrag von 594.497.30 DM. Zuvor war der
  57. Antragsteller bereits als Rechtsanwalt von der Reiseplanungs-GmbH beauftragt worden, einen Mahnbescheid über 24.638,40 DM gegen die Warenhandels GmbH zu erwirken, den er auch bereits beantragt hatte. Dieser Teilbetrag war im Gesamtbetrag der Tilgungsvereinbarung enthalten.
  58. In die Urkunde nahm der Antragsteller auf, daß die Urkundsbeteiligten
  59. darüber einig seien, daß er den Mahnbescheid "im Auftrag" aller an der
  60. Beurkundung Beteiligten beantragt habe.
  61. 2. Am 20. April 1999 beurkundete der Antragsteller eine Scheidungsfolgenvereinbarung, obwohl er zuvor am 13. Februar 1998 den
  62. Scheidungsantrag für die Ehefrau gestellt hatte.
  63. 3. Am 25. Mai 1999 beurkundete der Antragsteller ein Schuldanerkenntnis zugunsten einer Grundstücksgesellschaft über 105.000 DM.
  64. Vorher hatte er der Grundstücksgesellschaft angezeigt, daß er die
  65. Schuldnerin in derselben Angelegenheit anwaltlich vertrete. Am 18. Mai
  66. 2000 beurkundete er ein weiteres Schuldanerkenntnis in dieser Sache,
  67. weil die Bezeichnung der Gläubigerseite in der zuvor errichteten Urkunde
  68. nicht hinreichend bestimmt gewesen war.
  69. - 5 -
  70. 4. Am 2. Dezember 1999 beurkundete der Antragsteller eine
  71. Grundschuldbestellung, bei der seine Schwester und sein Schwager beteiligt waren.
  72. 5. Am 12. Mai 2001 beglaubigte der Antragsteller die Unterschriften seines Bruder und seiner Schwägerin unter einer Grundschuldbestellungsurkunde.
  73. Durch Bescheid vom 9. April 2003 kündigte der Antragsgegner
  74. dem Antragsteller die Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO
  75. an. Dem dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat
  76. das Oberlandesgericht stattgegeben und festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nicht vorliegen, weil die Verstöße gegen
  77. § 3 Abs. 1 BeurkG nicht als grobe zu qualifizieren seien.
  78. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde. Er hält weiterhin die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 9
  79. BNotO für gegeben. Bei der Tilgungsvereinbarung habe der Notar zumindest grob fahrlässig und bei der Scheidungsfolgenvereinbarung sowie dem Schuldanerkenntnis sogar vorsätzlich gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7
  80. BeurkG verstoßen. Er hätte sich vorher über die Reichweite dieses Verbotes unterrichten müssen und habe im übrigen bereits mit Blick auf das
  81. vorangegangene Disziplinarverfahren bewußt pflichtwidrig gehandelt. Mit
  82. der Grundschuldbestellung bzw. Unterschriftenbeglaubigung habe er
  83. vorsätzlich § 3 Abs. 1 Nr. 3 BeurkG verletzt, weil Tätigkeiten in Angelegenheiten naher Angehöriger schon nach altem Recht untersagt waren.
  84. Jedenfalls bei den zuletzt genannten vier Pflichtwidrigkeiten handele es
  85. sich allein schon wegen des erheblichen Verschuldens um grobe Verstö-
  86. - 6 -
  87. ße im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO; bei anderer Beurteilung komme dieser Vorschrift gegenüber den disziplinarrechtlichen Amtsenthebungsmöglichkeiten kein eigener Regelungsgehalt mehr zu.
  88. Der Antragsteller ist demgegenüber der Auffassung, daß er die
  89. Tilgungsvereinbarung auf Wunsch der Parteien - so wie geschehen - habe beurkunden dürfen. Die weiteren von den Beteiligten jeweils gewünschten Beurkundungen enthielten nur einfache Verstöße gegen Mitwirkungsverbote. Interessenkonflikte hätten nicht bestanden. Die Einleitungsverfügung zum vorangegangenen Disziplinarverfahren habe er bei
  90. der Scheidungsfolgenvereinbarung zu der im übrigen einverständlichen
  91. Scheidung noch nicht gekannt. Bei dem Schuldanerkenntnis habe er ein
  92. Anwaltsmandat nicht gehabt und demgemäß auch nicht abgerechnet.
  93. II.
  94. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige
  95. sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, daß der darin genannte Grund für eine Amtsenthebung nicht vorliegt.
  96. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO ist ein Notar zwingend seines Amtes
  97. zu entheben, wenn er wiederholt grob gegen Mitwirkungsverbote gemäß
  98. § 3 Abs. 1 BeurkG verstößt. Ein Ermessen ist der zuständigen Dienstaufsichtsbehörde nicht eingeräumt (Schippel/Vetter, BNotO 7. Aufl. § 50
  99. - 7 -
  100. Rdn. 34a; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 5. Aufl. § 50 Rdn. 30; Eylmann/Vaasen/Custodis, BNotO § 50 Rdn. 43).
  101. Zutreffend sind der Antragsgegner und das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß der Antragsteller bei allen der ihm vorgehaltenen
  102. Urkundstätigkeiten gegen Beurkundungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG
  103. verstoßen hat (1). Diese Verstöße haben auch Gewicht und können
  104. - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nicht sämtlich als
  105. "vergleichsweise einfache" Verstöße angesehen werden (2). Allerdings
  106. kommt hier eine Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO als die
  107. am stärksten in die berufliche Stellung des Notars eingreifende aufsichtsrechtliche Reaktion wegen der zu beachtenden Verfassungsgrundsätze - insbesondere die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Verhältnismäßigkeitsgebot - deshalb nicht in Betracht, weil nach einer Gesamtbewertung
  108. der Pflichtverletzungen die Entfernung aus dem Amt noch nicht notwendig ist, um den mit den Mitwirkungsverboten verfolgten Zweck zu erreichen (3).
  109. 1. Mit der Beurkundung der Tilgungsvereinbarung hat der Antragsteller gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG verstoßen. Er war bereits als
  110. anwaltlicher Vertreter für eine der Vertragsparteien hinsichtlich eines
  111. Teilbetrages der beurkundeten Schuldsumme tätig gewesen. Eine übereinstimmende Erklärung der an der Beurkundung beteiligten Parteien
  112. beseitigt selbst bei Offenlegung der Vorbefassung in der Urkunde das
  113. Beurkundungsverbot nicht.
  114. - 8 -
  115. Auch die Beurkundung der Scheidungsfolgenvereinbarung stellt
  116. einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG dar. Es bestand nach den
  117. eigenen Angaben des Antragstellers damals ein anwaltliches Mandatsverhältnis zur Ehefrau. Das Scheidungsmandat betraf damit dieselbe
  118. Angelegenheit wie die Beurkundung, auch wenn von Anfang an eine einverständliche Scheidung von den Eheleuten beabsichtigt war und diese
  119. übereinstimmend die Beurkundung durch den Antragsteller wünschten.
  120. Die Beurkundung des Schuldanerkenntnisses verstößt ebenfalls
  121. gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG. Der Antragsteller war vorher für die
  122. Schuldnerin anwaltlich tätig. Dies hat er mit seiner Stellungnahme vom
  123. 4. Februar 2003 gegenüber dem Antragsgegner ausdrücklich bestätigt.
  124. Daß er allein aus Freundschaft ohne Honorar gehandelt und deswegen
  125. kein Mandatsverhältnis erwogen haben will, ändert daran nichts. Er hat
  126. sich unter anwaltlichem Briefkopf als Vertreter der Schuldnerin bei den
  127. Anwälten der Anspruchsteller gemeldet und ist auch in Verhandlungen
  128. über die streitgegenständlichen Forderungen eingetreten. Hierbei handelt es sich um anwaltliche Tätigkeiten und nicht um die Vorbereitung einer notariellen Tätigkeit (§ 24 BNotO). Daß mit dem Schuldanerkenntnis
  129. eine einseitige Erklärung zu beurkunden war, begründet nicht die Ausnahme des § 3 Abs. 1 Nr. 7 letzter Halbs. BeurkG. Zwar war die Schuldnerin formell allein an der Beurkundung beteiligt im Sinne des § 6 Abs. 1
  130. BeurkG und sie war auch Auftraggeberin des Rechtsanwaltsmandates.
  131. Die Beteiligung im Sinne dieser Ausnahmevorschrift ist aber nach Sinn
  132. und Zweck entsprechend dem Begriff der "Angelegenheit" in § 3 Abs. 1
  133. Nr. 7 BeurkG auszulegen. Danach ist auf die materiellrechtliche Beteiligung
  134. abzustellen
  135. (vgl.
  136. Begründung
  137. zur
  138. Beschlußempfehlung
  139. des
  140. Rechtsausschusses BT-Drucks. 13/11034 S. 50; vgl. ferner BGH, Urteil
  141. - 9 -
  142. vom 25. Mai 1984 - V ZR 13/83, NJW 1985, 2027; Eylmann, NJW 1998,
  143. 2929, 2931; Winkler, BeurkG 15. Aufl. § 3 Rdn. 122). Beteiligt ist demnach eine Person, wenn ihre Rechte oder Pflichten durch den Urkundsvorgang unmittelbar betroffen werden (Winkler, aaO m.w.N.; Mihm,
  144. DNotZ 1999, 8, 20; Harborth/Lau, DNotZ 2002, 412, 414). Da hier die
  145. Gläubigerin durch das Schuldanerkenntnis materiellrechtlich begünstigt
  146. wird, war auch sie Beteiligte an der vom Antragsteller vorgenommenen
  147. Beurkundung, jedoch nicht Auftraggeberin des Anwaltsmandates.
  148. Die Beurkundungen des Antragstellers für seine Schwester, seinen
  149. Bruder sowie seinen Schwager und seine Schwägerin verstoßen - was
  150. auch dem Antragsteller eingeräumtermaßen bekannt war - gegen § 3
  151. Abs. 1 Nr. 3 BeurkG.
  152. 2. Verstöße gegen Mitwirkungsverbote zählen als solche - wie
  153. auch im vorliegenden Fall - schon zu den erheblichen Pflichtwidrigkeiten
  154. eines Notars, die ganz erhebliche aufsichtsrechtliche Konsequenzen erlauben und auch erforderlich machen. Das belegt der im Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers und der
  155. Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften.
  156. a) Der im übrigen weniger aussagekräftigen Entstehungsgeschichte ist jedenfalls klar zu entnehmen, daß die Bedeutung der Mitwirkungsverbote erheblich verstärkt werden sollte. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf für das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung
  157. (BT-Drucks. 13/4184) war die später verabschiedete Fassung des § 50
  158. Abs. 1 Nr. 9 BNotO noch nicht enthalten. Während des laufenden Ge-
  159. - 10 -
  160. setzgebungsverfahrens ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem mit Art. 3 GG nicht zu vereinbarenden generellen Verbot
  161. einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern ergangen. Das Bundesverfassungsgericht hat darin die mildere Möglichkeit einer Verschärfung von Mitwirkungsverboten, um einer Umgehung untersagter Tätigkeiten entgegenzuwirken, hervorgehoben (BVerfG DNotZ
  162. 1998, 754, 767). Dies hat der Bundesrat aufgegriffen. Er hat eine Überprüfung angeregt, ob nicht ein wiederholter Verstoß gegen die Mitwirkungsverbote in § 3 Abs. 1 Nr. 5 und 6 BeurkG a.F. zu einer Amtsenthebung führen müsse, da Verstöße gegen diese Mitwirkungsverbote ähnliches Gewicht hätten wie das Eingehen unzulässiger Berufsverbindungen, welche eine Amtsenthebung zur Folge hätten. Der Rechtsausschuß
  163. des Deutschen Bundestages hat dann die letztlich Gesetz gewordene
  164. Fassung
  165. des
  166. § 50
  167. Abs. 1
  168. Nr. 9
  169. BNotO
  170. vorgeschlagen
  171. (BT-
  172. Drucks. 13/11034) und damit begründet, daß die Mitwirkungsverbote im
  173. Interesse der Sicherstellung einer geordneten Rechtspflege erheblich
  174. verschärft werden sollten. Um ihre Beachtung zu gewährleisten, sei es
  175. geboten, bei wiederholten groben Verstößen des Notars gegen § 3
  176. Abs. 1 des Beurkundungsgesetzes eine Amtsenthebung vorzusehen,
  177. womit zugleich die hohe Bedeutung der Mitwirkungsverbote hervorgehoben werde (siehe auch Protokoll der 124. Sitzung des Rechtsausschusses vom 17. Juni 1998 S. 23, 89). Die Amtsenthebung ist eine Maßnahme der staatlichen Organisationsgewalt, um eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, und hat als solche grundsätzlich keinen Sanktionscharakter (BT-Drucks. 13/4184 Gegenäußerung der Bundesregierung zur
  178. Stellungnahme des Bundesrates; Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO Rdn. 2).
  179. - 11 -
  180. b) Beurkundungsverbote dienen dem Schutz des Ansehens des
  181. Notaramtes in den Augen der Bevölkerung. Der Notar ist gemäß § 14
  182. Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger
  183. und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten. Er darf niemanden bevorzugen oder benachteiligen. Die Sicherung seiner dafür erforderlichen,
  184. unverzichtbaren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit war einer der Leitgedanken des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung
  185. vom 31. August 1998 (BT-Drucks. 13/4184; Sandkühler in: Frenz, Neues
  186. Berufs- und Verfahrensrecht für Notare 1999 Rdn. 90). Sie sind die wichtigsten Prinzipien des notariellen Berufsrechtes und rechtfertigen überhaupt erst das Vertrauen, das dem Notar entgegengebracht wird; sie bilden mithin das Fundament des Notarberufes. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO die Amtspflicht für den Notar festgeschrieben, jedes Verhalten zu vermeiden, daß den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, insbesondere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit. Die regionalen
  187. Notarkammern haben diese Grundsätze entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 BNotO in ihren Richtlinien aufgenommen und näher umschrieben (vgl. Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen der BNotK/Richtlinien der Notarkammern, 2004, Teil II
  188. B Rdn. 1 ff.). Das Ansehen der Notare in den Augen der Bevölkerung als
  189. unabhängige und unparteiische Betreuer zu wahren, ist zentraler Zweck
  190. der Beurkundungsverbote des § 3 BeurkG (vgl. BVerfG DNotZ 2003, 65,
  191. 66 f.; Winkler, aaO Rdn. 4 f.).
  192. c) Ausgehend von diesen Grundsätzen setzt § 50 Abs. 1 Nr. 9
  193. BNotO bei der Beurteilung der Schwere einzelner Verstöße gegen § 3
  194. Abs. 1 BeurkG - im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts
  195. - 12 -
  196. (zustimmend Schippel/Vetter, aaO § 50 Rdn. 34b; differenzierend Arndt/
  197. Lerch/Sandkühler, aaO § 50 Rdn. 30; a.A. wohl Mihm, DNotZ 1999, 8,
  198. 25; dies. Berufsrechtliche Kollisionsprobleme beim Anwaltsnotar 2000
  199. S. 117 f.; wohl auch Vaasen/Starke, DNotZ 1998, 661, 673) - zunächst
  200. nicht zwingend voraus, daß dem Notar stets ein erheblicher Schuldvorwurf zu machen ist. Auch eine Vielzahl fahrlässiger Verstöße kann unter
  201. Umständen das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars so erheblich beeinträchtigen,
  202. daß eine Amtsenthebung geboten ist. Diese Maßnahme wird dementsprechend auch nicht - wie das Oberlandesgericht wohl annehmen
  203. möchte - erst und nur dann notwendig, wenn die Berufswidrigkeit des jeweiligen Handelns jedermann sogleich ins Auge springt. Dem Oberlandesgericht kann ferner nicht darin gefolgt werden, daß eine Amtsenthebung nur in Betracht kommt, wenn die Verstöße gegen das Beurkundungsverbot so gravierend sind, daß ein nicht förmliches Disziplinarverfahren nicht ausreicht, um dem Notar die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen. Dabei wird verkannt, daß die Amtsenthebung
  204. - wie ausgeführt - keinen Sanktionscharakter hat, sondern als Präventionsmaßnahme das Ansehen des Notarberufs als solches sicherstellen
  205. soll. Aus dem gleichen Grunde ist - in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht - dem Merkmal der groben Verstöße nicht zu entnehmen,
  206. daß darüber bei den einzelnen Beurkundungsverboten differenziert werden soll. Für eine unterschiedliche Gewichtung der Tatbestände gibt es
  207. in § 3 Abs. 1 BeurkG keinen Anhalt (Schippel/Vetter, aaO Rdn. 34b;
  208. Arndt/LerchSandkühler, aaO Rdn. 30; a.A. wohl Mihm, aaO; Vaasen/Starke, aaO; Eylmann/Vaasen/Custodis, BNotO/BeurkG 2000 § 50
  209. Rdn. 44 BNotO).
  210. - 13 -
  211. d) Auf dieser Beurteilungsgrundlage kann mit dem Antragsgegner
  212. nach den festgestellten jeweiligen Umständen den Verstößen des Antragstellers gegen die Beurkundungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG nicht
  213. durchgängig die Eignung für eine Präventionsmaßnahme gemäß § 50
  214. Abs. 1 Nr. 9 BNotO abgesprochen werden.
  215. Die Verstöße des Antragstellers gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG
  216. (Tilgungsvereinbarung,
  217. Scheidungsfolgenvereinbarung,
  218. Schuldaner-
  219. kenntnis) wegen Vorbefassung mit derselben Angelegenheit in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt sind objektiv bedeutsam. Diese Vorschrift
  220. setzt gerade voraus, daß zu einem Urkundsbeteiligten eine besondere
  221. Beziehung besteht, von der der Gesetzgeber ausgeht, daß sie einem unparteiischen Wirken des Notars jedenfalls in den Augen des rechtsuchenden Publikums entgegensteht. Sie wird deshalb auch als Kernvorschrift des § 3 BeurkG angesehen (Mihm, DNotZ 1999, 8, 25; Vaasen/
  222. Starke, DNotZ 1998, 661, 673; Eylman/Vaasen/Custodis, aaO Rdn. 44).
  223. Der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit wird bei einer einseitigen anwaltlichen Vorbefassung in besonderer Weise gesetzt, denn der
  224. Rechtsanwalt ist verpflichtet, ausschließlich die Interessen der Mandatspartei wahrzunehmen. Der Interessengegensatz der Parteien, in die der
  225. Notar aufgrund seines Anwaltsvertrages zuvor einseitig einbezogen war,
  226. wirkt grundsätzlich fort und zwar selbst dann, wenn sich die Parteien in
  227. bestimmten Punkten nunmehr geeinigt haben.
  228. Bei der Tilgungsvereinbarung kann gegenüber dieser objektiven
  229. Bewertung zugunsten des Antragstellers - was auch der Antragsgegner
  230. im Ausgangspunkt nicht anders sieht - der an sich gewichtige Verstoß
  231. insoweit milder zu bewerten sein, als der Antragsteller von einer bloßen
  232. - 14 -
  233. Aufstockung des bislang vorgesehenen Anerkenntnisbetrages ausgegangen sein will. Dabei mag er sich das vorangegangene Mahnbescheidsverfahren nicht mehr als Vorbefassung im Sinne von § 3 Abs. 1
  234. Nr. 7 BeurK, die der übereinstimmend von ihm verlangten Betragserhöhung entgegenstand, hinreichend deutlich bewußt gemacht haben. Bei
  235. der Scheidungsfolgenvereinbarung gibt es dagegen keinerlei vergleichbare Milderungsgesichtspunkte. Mit der Beurkundung, an der er sich
  236. nicht einmal durch das laufende einschlägige Disziplinarverfahren nach
  237. entsprechenden Beschwerden einer Vertragsbeteiligten gehindert sah,
  238. hat er sich bewußt über das Mitwirkungsverbot hinweggesetzt und damit
  239. zweifelsfrei grob gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG verstoßen. Das von ihm
  240. beurkundete Schuldanerkenntnis weist insoweit auf einen letztlich gleich
  241. zu bewertenden Pflichtenverstoß, als der Antragsteller für die Gläubigerin erkennbar in derselben Angelegenheit wissentlich als anwaltlicher
  242. Vertreter der Schuldnerin aufgetreten und dann als "ihr" beurkundender
  243. Notar sogar zweimal tätig geworden ist.
  244. Ähnlich ist die Sicht bei der Grundschuldbestellung. Der damit begangene Verstoß gegen das Verbot der Beurkundung für Verwandte und
  245. Verschwägerte im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BNotO ist gleichermaßen
  246. objektiv bedeutsam. Das gesteigerte Mißtrauen des Gesetzgebers gegenüber solcher Urkundstätigkeit zeigt sich in der zusätzlich angeordneten Unwirksamkeit einer Beurkundung gemäß § 7 Nr. 3 BeurkG, wenn sie
  247. darauf gerichtet war, einem beteiligten Angehörigen einen Vorteil zu verschaffen. Daß der Antragsteller das ihm seit langem bekannte Mitwirkungsverbot als "Sollvorschrift" angesehen haben will, vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, daß er sich bewußt nicht daran gehalten hat, was
  248. er im Kern sogar selbst einräumt. Dagegen stellt sich die bloße Unter-
  249. - 15 -
  250. schriftenbeglaubigung für ihn insoweit günstiger dar, als er lediglich eine
  251. von dem beteiligten Kreditinstitut vorformulierte Grundschuldbestellungsurkunde vorgelegt bekommen hat. Über deren Inhalt hatten sich die
  252. Parteien bereits geeinigt. Der Antragsteller hatte bei diesem Geschäft
  253. mithin keine weitergehenden Hinweis- und Belehrungspflichten als Notar
  254. übernommen oder sonst zu beachten. An seiner Kenntnis, daß ihm diese
  255. Tätigkeit nicht erlaubt war, ändert das allerdings nichts.
  256. 3. Der Antragsgegner hat jedoch bei seiner Beurteilung dieser
  257. Vorgänge nach Maßgabe der in § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO verwandten Begriffe "wiederholter grober" Verstöße nicht in ausreichendem Maß die
  258. verfassungsrechtlichen Erfordernisse bei der Auslegung des einfachen
  259. Rechts beachtet.
  260. a) Eine bloße Addition einzelner im dargelegten Sinne selbst erheblicher Verstöße genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr ist von
  261. Verfassungs wegen zu verlangen, daß sich aufgrund einer Gesamtbewertung aller Umstände die Amtsenthebung als notwendig erweist, um
  262. das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare wirkungsvoll zu sichern (vgl. BVerfG NJW 2003, 419 ff. = DNotZ 2003, 65
  263. ff.). Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG weitgehend frei, wie er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit
  264. und Unparteilichkeit der Notare vorbeugt (BVerfG DNotZ 1998, 754,
  265. 762). Die Mitwirkungsverbote selbst und die sie sichernden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Amtsenthebung begegnen von daher
  266. keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler,
  267. aaO Rdn. 30). Soweit den genannten Gefahren aber noch mit milderen
  268. Mitteln nachhaltig begegnet werden kann, der mit den Mitwirkungsverbo-
  269. - 16 -
  270. ten verfolgte Zweck mithin auch dadurch erreicht werden kann, ist der
  271. völlige Ausschluß von diesem Amt noch nicht gerechtfertigt; er wäre in
  272. diesem Stadium dann unverhältnismäßig (vgl. BVerfG NJW 2003, 419 ff.;
  273. Senatsbeschlüsse vom 20. November 2000 - NotZ 16/00 - ZNotP 2001,
  274. 75 f. und vom 13. Oktober 1986 - Notz 9/86 - BGHR BNotO § 50 Abs. 1
  275. Nr. 8 Prämienrückstand 1; siehe auch Senatsbeschluß vom 21. März
  276. 1977 - NotZ 15/76 - DNotZ 1977, 567 f.).
  277. Die eine Amtsenthebung rechtfertigende Gesamtbewertung hat
  278. sich daran zu orientieren, ob ein weiteres Verbleiben des Notars im Amt
  279. wegen der Gefahr künftiger Verletzungen der Mitwirkungsverbote nicht
  280. mehr vertretbar ist. Diese Prognose kann schon dann negativ ausfallen,
  281. wenn mit Blick auf das Maß der Pflichtverletzungen das Vertrauen des
  282. rechtsuchenden Publikums bereits allein durch die Fortsetzung der Amtstätigkeit erheblich beeinträchtigt wird. Wie der Senat in anderem Zusammenhang entschieden hat, können einerseits schon wenige aber besonders schwerwiegende Verstöße gegen die durch § 50 BNotO geschützten Berufspflichten eine Amtsenthebung rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluß vom 3. Dezember 2001 - NotZ 13/01 - DNotZ 2002, 236:
  283. einmaliger Verstoß), während andererseits Pflichtwidrigkeiten, die nicht
  284. dieses Gewicht aufweisen, erst in größerer Zahl diese Maßnahme zulassen können (vgl. Senatsbeschluß vom 16. März 1998 - NotZ 14/97 DNotZ 1999, 170; OLG Celle Niedersächsische Rechtspflege 2001,
  285. 235 ff.). Zwischen Anzahl und Schwere besteht auch bei den Verstößen
  286. gegen die Beurkundungsverbote des § 3 Abs. 1 BeurkG eine Wechselwirkung, die nur über eine Gesamtschau der Umstände eine abschließende Beurteilung erlaubt. Dabei kann auch das Maß des Verschuldens
  287. Bedeutung erlangen, denn die Gefahr künftiger Verletzungen von Mitwir-
  288. - 17 -
  289. kungsverboten ist naturgemäß bei demjenigen höher anzusetzen, der
  290. sich absichtlich über ein Verbot hinweggesetzt hat, als bei jemandem,
  291. der das Verbot nur gleichsam aus Unaufmerksamkeit übersehen hat.
  292. b) Die gebotene alle maßgeblichen Umstände in den Blick nehmende Abwägungen ergibt hier, daß die durch den Antragsteller gesetzten Gefahren für das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität der
  293. Notare noch nicht seine Amtsenthebung gebieten.
  294. Dabei war zwar zu berücksichtigen, daß nur bei der Tilgungsvereinbarung und bei der Unterschriftenbeglaubigung gegebenenfalls der
  295. damit verbundene jeweilige Verstoß milder zu bewerten ist, während in
  296. den anderen Fällen der Antragsteller selbst durch einschlägige Vorerfahrungen disziplinarrechtlicher Art bzw. die seit langem bestehende
  297. Rechtslage nicht von der Urkundstätigkeit abgehalten worden ist. Dem
  298. steht aber gegenüber, daß anders als bei dem vorangegangenen einschlägigen Disziplinarverfahren keiner der an den maßgeblichen Beurkundungen Beteiligten konkrete Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geäußert hat und auch kein Anhalt für den Eindruck besteht, es handele sich um einen willfährigen Notar, der für mit seinem
  299. Amt nicht zu vereinbarende Tätigkeiten doch einmal zur Verfügung stehen kann. Hinzu kommt, daß die Beurkundungen überwiegend verhältnismäßig zeitnah mit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung angefallen sind und der Antragsteller insoweit zwar nicht entschuldigend aber doch wenigstens teilweise erklärend auf eine noch nicht erfolgte Aufbereitung der neuen Rechtslage
  300. verweisen kann. Das und die weiteren Umstände, daß kein Urkundsbeteiligter über das Bestehen eines Mitwirkungsverbots getäuscht worden
  301. - 18 -
  302. und auch keinerlei Schaden entstanden ist, nimmt den Vorfällen zwar
  303. nicht ihr objektives Gewicht, vermag sie aber bei der Gesamtbewertung
  304. in ein etwas günstigeres Licht zu rücken. Sie und auch die weiteren disziplinaren Vorerkenntnisse deuten allerdings auf eine bislang bestehende laxe, nicht hinnehmbare Einstellung des Antragstellers bei der Erfüllung seiner Pflichten als Notar hin. Das steht jedoch in Übereinstimmung
  305. mit der Stellungnahme der Notarkammer vom 27. Februar 2003 einer
  306. Prognose nicht entgegen, daß er durch eine gegebenenfalls zu verhängende empfindliche Disziplinarmaßnahme doch noch hinreichend angehalten werden kann, die Mitwirkungsverbote künftig peinlich genau
  307. einzuhalten.
  308. Schlick
  309. Streck
  310. Doyé
  311. Wendt
  312. Bauer