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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. KZR 9/05
  5. Verkündet am:
  6. 7. Februar 2006
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2006 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
  14. Prof. Dr. Hirsch und die Richter Ball, Prof. Dr. Bornkamm, Prof. Dr. Meier-Beck
  15. und Dr. Strohn
  16. für Recht erkannt:
  17. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats
  18. des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2005 aufgehoben.
  19. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  20. auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  21. Von Rechts wegen
  22. Tatbestand:
  23. 1
  24. Die Klägerin beliefert Privat- und Gewerbekunden mit elektrischer Energie. Dazu nutzt sie seit dem 1. August 2002 im Netzgebiet der Beklagten, einer
  25. Tochtergesellschaft
  26. der
  27. E. AG,
  28. deren
  29. regiona-
  30. les Stromnetz. Zu einer Einigung der Parteien über das von der Klägerin zu
  31. zahlende Durchleitungsentgelt kam es nicht; einen ihr von der Beklagten unterbreiteten Rahmenvertrag unterzeichnete die Klägerin nicht. Mit der Begründung, sie könne die Angemessenheit der verlangten Entgelte derzeit noch nicht
  32. -3-
  33. abschließend beurteilen, zahlte die Klägerin zunächst nur 70 % der von der Beklagten geforderten Beträge (6,23, später 5,96 Cent/kWh sowie einen Messund Verrechnungspreis von 28 € p.a. für Eintarifzähler für Kunden ohne registrierende Leistungsmessung), später unter Vorbehalt den vollen Betrag.
  34. 2
  35. Die Klägerin hält beide geforderten Entgelte für überhöht und für den
  36. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.
  37. 3
  38. Sie hat beantragt, das jeweilige billige Entgelt gerichtlich für die Zeit vom
  39. 1. August 2002 bis zum 31. Dezember 2004 zu bestimmen, hilfsweise festzustellen, dass der Beklagten kein Netznutzungsentgelt zusteht, das 50 % der bis
  40. zum 31. Dezember 2003 berechneten 6,23 Cent/kWh und 50 % der 2004 berechneten 5,96 Cent/kWh übersteigt, und kein Mess- und Verrechnungspreis für
  41. Eintarifzähler, der mehr als 15,33 € p.a. beträgt.
  42. 4
  43. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung ist ohne Erfolg
  44. geblieben (OLG Stuttgart ZNER 2005, 71).
  45. 5
  46. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zweitinstanzlichen Anträge weiter.
  47. Entscheidungsgründe:
  48. 6
  49. Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
  50. Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  51. 7
  52. I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
  53. folgt begründet: Ein Anspruch nach § 315 Abs. 3 BGB stehe der Klägerin nicht
  54. zu. Zwar möge der Klägerin darin beizutreten sein, dass die Unbilligkeit einer
  55. -4-
  56. Leistungsbestimmung auch durch (Gestaltungs-)Klage geltend gemacht werden
  57. könne. Die Parteien hätten jedoch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht
  58. der Beklagten vereinbart. Soweit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
  59. Tarife eines Energieversorgungsunternehmens generell der Billigkeitskontrolle
  60. nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen seien, sei diese für die Inanspruchnahme
  61. von Leistungen der Daseinsvorsorge entwickelte Rechtsprechung nicht auf den
  62. Streit zweier Handelsgesellschaften übertragbar. Auch § 6 Abs. 1 EnWG (a.F.)
  63. helfe der Klägerin nicht. Denn in erster Instanz sei unstreitig gewesen, dass die
  64. Beklagte bei der Tariferhebung dem Regelwerk der Verbändevereinbarung
  65. Strom II plus folge; soweit die Klägerin dies in der Berufungsinstanz bestreite,
  66. könne sie damit nicht gehört werden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG a.F. werde
  67. damit vermutet, dass die Tarife der Beklagten guter fachlicher Praxis entsprächen. Unbeschadet der gesetzlichen Befristung dieser Vermutung auf die Zeit
  68. bis zum 31. Dezember 2003 habe die gesetzliche Wertung an ihrem Aussagegehalt in der Sache nichts verloren, weshalb auch nach dem 31. Dezember
  69. 2003 davon auszugehen sei, dass der Verbändevereinbarung Strom II plus entsprechende Entgelte im Ansatz nicht beanstandungswürdig seien. Entspreche
  70. aber das Tarifwerk der Beklagten guter fachlicher Praxis, könne es auch keine
  71. Preisüberhöhung verkörpern, die Ausdruck einer missbräuchlichen Ausnutzung
  72. einer marktbeherrschenden Stellung sei.
  73. 8
  74. II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in
  75. entscheidenden Punkten nicht stand.
  76. 9
  77. 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts findet auf die Bestimmung des Netznutzungsentgelts durch die Beklagte die Vorschrift des
  78. § 315 BGB Anwendung.
  79. -5-
  80. 10
  81. Zwar ist seine tatrichterliche Feststellung nicht zu beanstanden, dass
  82. sich die Parteien nicht auf ein Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten geeinigt hätten. Das Berufungsgericht hat dies daraus hergeleitet, dass die Klägerin
  83. den ihr unterbreiteten Lieferantenrahmenvertrag mit der Begründung nicht unterzeichnet hat, sie könne die Angemessenheit der verlangten Entgelte derzeit
  84. nicht abschließend beurteilen. Dabei handelt es sich um ein mögliches und daher revisionsrechtlich hinzunehmendes Verständnis der Erklärungen und des
  85. Verhaltens der Parteien bei Aufnahme der Netznutzung durch die Klägerin;
  86. auch die Revision wendet sich hiergegen nicht.
  87. 11
  88. Das Berufungsgericht geht jedoch gleichwohl stillschweigend davon aus,
  89. dass zwischen den Parteien ein Netznutzungsvertrag zustande gekommen ist,
  90. aufgrund dessen die Beklagte ein Entgelt für die Netznutzung sowie für Messund Verrechnungsleistungen beanspruchen kann. Auch das lässt keinen
  91. Rechtsfehler erkennen und entspricht der übereinstimmenden Auffassung der
  92. Parteien.
  93. 12
  94. Zwar ist im Zweifel ein Vertrag über eine entgeltliche Leistung nicht geschlossen, solange sich die Parteien nicht über das Entgelt oder die Art und
  95. Weise seiner Bestimmung geeinigt haben (§ 154 Abs. 1 BGB). Bei Netznutzungsverträgen entspricht es jedoch regelmäßiger Übung der Vertragsparteien,
  96. die Netznutzung durch ein einseitig bestimmtes Entgelt abzugelten, das der
  97. Netzbetreiber nach Art eines Tarifs zu bestimmten Zeitpunkten festlegt und das
  98. - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit
  99. gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der
  100. Vertrag geschlossen wird. Die Netzbetreiber haben dabei - wie auch die Beklagte - jedenfalls in dem hier in Rede stehenden Zeitraum für sich in Anspruch
  101. genommen, bei der Ermittlung des Entgelts nach den Preisfindungsprinzipien
  102. -6-
  103. der Verbändevereinbarung Strom II plus zu verfahren und verfahren zu dürfen,
  104. was voraussetzt, dass das Entgelt von ihnen als denjenigen festgesetzt wird,
  105. denen die nach der Verbändevereinbarung maßgeblichen betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Preisfindung zugänglich sind. Ein solches Preisbestimmungsrecht wird andererseits auch den Interessen des Netznutzers gerecht, da
  106. die einseitige Preisbestimmung an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist.
  107. Auch im Streitfall hat die Klägerin ein Preisbestimmungsrecht der Beklagten
  108. nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern lediglich die Angemessenheit der konkret verlangten Entgelte in Zweifel gezogen. Bei dieser Sachlage ist die Lücke,
  109. die der Vertrag hinsichtlich der Regelung des Netznutzungsentgelts aufweist,
  110. durch die Anwendung des § 315 BGB zu schließen. Ein Preisbestimmungsrecht
  111. der Beklagten nach dieser Vorschrift entspricht dem beiderseitigen Parteiinteresse und mutmaßlichen Willen und kann daher als das hierzu am besten
  112. geeignete gesetzliche Regelungsmodell zur Ausfüllung der Lücke dienen, die
  113. der Vertrag hinsichtlich der Regelung des Netznutzungsentgelts aufweist (vgl.
  114. BGHZ 41, 271, 276 - Werkmilchabzug; BGH, Urt. v. 19.1.1983 - VIII ZR 81/82,
  115. NJW 1983, 1777).
  116. 13
  117. Der Anwendung der Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte wie jeder Netzbetreiber der Klägerin ihr Netz zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen hatte, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihr in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen tatsächlich oder kalkulatorisch in
  118. Rechnung gestellt werden (§ 6 Abs. 1 EnWG i.d.F. vom 26.8.1998) und seit
  119. dem 24. Mai 2003 zudem von Gesetzes wegen guter fachlicher Praxis zu entsprechen hatten (§ 6 Abs. 1 EnWG i.d.F. vom 20.5.2003). Hierdurch wird der
  120. allgemeine Maßstab des billigen Ermessens, den § 315 Abs. 1 BGB vorsieht,
  121. nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr konkretisiert (BGH, Urt. v. 18.10.2005
  122. -7-
  123. - KZR 36/04, WRP 2006, 253, Tz. 12 f. - Stromnetznutzungsentgelt I, für BGHZ
  124. vorgesehen).
  125. 14
  126. 2. Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob die Entgeltbestimmung der Beklagten in diesem Sinne billigem Ermessen entspricht, da sie
  127. nach § 315 Abs. 3 BGB nur dann für die Klägerin verbindlich ist. Die Annahme
  128. des Berufungsgerichts, dieser Prüfung auch deshalb enthoben zu sein, weil in
  129. erster Instanz unstreitig gewesen sei und in zweiter Instanz von der Klägerin
  130. nicht mehr bestritten werden könne, dass die Beklagte das Netznutzungsentgelt
  131. nach den Preisfindungsprinzipien der Anlage 3 zur Verbändevereinbarung
  132. Strom II plus ermittle, und damit vermutet werde, dass das Netznutzungsentgelt
  133. guter fachlicher Praxis entspreche, ist in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern
  134. beeinflusst.
  135. 15
  136. a) Zu Unrecht hat sich das Berufungsgericht an die tatbestandliche Feststellung des Landgerichts gebunden gesehen, die Beklagte habe ihre Preise
  137. nach der Verbändevereinbarung Strom II plus gebildet. Eine solche bindende
  138. Feststellung enthält das erstinstanzliche Urteil schon deshalb nicht, weil es insoweit widersprüchlich ist.
  139. 16
  140. Zwar heißt es im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, nach dem
  141. Vorbringen der Klägerin berechne die Beklagte das Netznutzungsentgelt und
  142. das Entgelt für die Mess- und Verrechnungsdienstleistungen unzulässig und
  143. unzutreffend auf der Grundlage der Verbändevereinbarung. Bereits die Qualifikation dieser Berechnung als "unzutreffend" lässt jedoch das Verständnis zu,
  144. die Verbändevereinbarung sei nicht richtig angewandt worden. Zudem enthalten die Entscheidungsgründe die materiell einen Teil des Tatbestands darstellende Bemerkung, von der Klägerin sei von Anfang an in Unkenntnis der Kalkulationsgrundlagen der Beklagten in Zweifel gezogen worden, ob die Preisfin-
  145. -8-
  146. dungsprinzipien der Verbändevereinbarung von der Beklagten richtig angewandt worden seien.
  147. 17
  148. b) Auch aus den vom Berufungsgericht ausgewerteten erstinstanzlichen
  149. Schriftsätzen der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie die Beachtung der Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung Strom II plus durch die Beklagte
  150. eingeräumt hätte. Wie im Berufungsurteil ausgeführt, hat die Klägerin dies vielmehr in Abrede gestellt, mag dies auch, wie das Berufungsgericht meint, "vereinzelt" geblieben sein.
  151. 18
  152. c) Im Übrigen konnte die (richtige) Anwendung der Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung Strom II plus auch deshalb in erster Instanz
  153. nicht "unstreitig" sein, weil es sich hierbei nicht um eine Tatsache, sondern um
  154. eine - betriebswirtschaftliche Sachkunde erfordernde - rechtliche Wertung handelt (BGH WRP 2006, 253, Tz. 18 - Stromnetznutzungsentgelt I). Dass die Beklagte indessen Vortrag etwa zu den Einzelheiten der kalkulatorischen Kostenund Erlösrechnung gehalten hätte, den die Klägerin hätte unstreitig stellen können (und der sodann die Wertung hätte erlauben können, dass die Beklagte
  155. das Netznutzungsentgelt in Übereinstimmung mit den Preisfindungsprinzipien
  156. der Anlage 3 zur Verbändevereinbarung Strom II plus ermittelt), ist dem
  157. erstinstanzlichen Urteil - und auch dem Berufungsurteil - nicht zu entnehmen
  158. und wird auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.
  159. 19
  160. d) Das Berufungsgericht war der Überprüfung des Entgelts am - durch
  161. § 6 Abs. 1 EnWG konkretisierten - Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB auch nicht
  162. deshalb enthoben, weil die Klägerin zur Unbilligkeit nicht hinreichend vorgetragen hätte. Denn nicht die andere Vertragspartei hat die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung darzulegen; vielmehr hat derjenige, dem das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist und der typischerweise auch allein dazu in der
  163. -9-
  164. Lage ist, die Billigkeit seiner Bestimmung darzutun (BGH, Urt. v. 30.4.2003
  165. - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, 3132). Zahlt die andere Vertragspartei - wie
  166. hier die Klägerin - nur unter Vorbehalt, gilt dies auch im Rückforderungsprozess
  167. (BGH, Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2922; BGH WRP 2006,
  168. 253, Tz. 19 - Stromnetznutzungsentgelt I).
  169. 20
  170. III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Da der Rechtsstreit nicht
  171. zur Endentscheidung durch den Senat reif ist, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das
  172. weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
  173. 21
  174. 1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung bestehen keine
  175. Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253
  176. Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Entspricht die Leistungsbestimmung durch die Beklagte, wie
  177. von der Klägerin geltend gemacht, nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung
  178. durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung fällig (BGH, Urt. v. 24.11.1995
  179. - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; BGH NJW 2005, 2919, 2920). Da die
  180. Darlegungslast für die Angemessenheit des Entgelts bei der Beklagten liegt,
  181. kann von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie ein bestimmtes Ergebnis
  182. der Leistungsbestimmung in ihrem Antrag vorwegnimmt.
  183. 22
  184. 2. In der Sache muss zunächst die Beklagte Gelegenheit erhalten, zur
  185. Angemessenheit ihrer Tarife vorzutragen. Denn die Vorinstanzen hatten nach
  186. ihrem Rechtsstandpunkt keine Veranlassung, die Beklagte auf ihre Darlegungslast hinzuweisen.
  187. 23
  188. 3. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass die Beklagte der Ermittlung der von ihr verlangten Preise die Preisfindungsprinzipien der Anlage 3 zur
  189. Verbändevereinbarung Strom II plus zugrunde gelegt hat, wird es zu beachten
  190. - 10 -
  191. haben, dass die Preisfindungsprinzipien, die die Erfordernisse guter fachlicher
  192. Praxis im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG a.F. konkretisieren sollen, ihrerseits im Lichte der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG a.F. auszulegen
  193. und anzuwenden sind, und sich bei der Anwendung erforderlichenfalls sachverständiger Hilfe bedienen müssen. Da nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG a.F. die
  194. Vermutungswirkung zugunsten guter fachlicher Praxis entfällt, wenn die Anwendung der Verbändevereinbarung insgesamt oder die Anwendung einzelner
  195. Regelungen der Vereinbarung nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb zu
  196. gewährleisten, kann ferner keine Rede davon sein, dass der Gesetzgeber, wie
  197. das Berufungsgericht meint, der Verbändevereinbarung ein "Richtigkeitstestat"
  198. ausgestellt hätte. Vielmehr wird sich das Berufungsgericht mit den von der Klägerin vorgetragenen Einwendungen gegen die Eignung bestimmter Bestandteile der Preisfindungsprinzipien zur Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs
  199. auseinandersetzen müssen. Schließlich wird das Berufungsgericht zu beachten
  200. haben, dass nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG a.F. nur bis zum 31. Dezember
  201. 2003 bei Einhaltung der Verbändevereinbarung die Erfüllung der Bedingungen
  202. guter fachlicher Praxis vermutet wurde (BGH WRP 2006, 253, Tz. 25 ff.
  203. - Stromnetznutzungsentgelt I).
  204. 24
  205. 4. Soweit in die Prüfung am Maßstab des § 6 Abs. 1 EnWG a.F. nicht bereits alle kartellrechtlich relevanten Gesichtspunkte einfließen sollten, wird
  206. schließlich der Einwand der Klägerin zu erörtern sein, die Beklagte habe die
  207. marktbeherrschende Stellung missbraucht, die sie als Netzbetreiber innehat.
  208. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 6 EnWG a.F. bleiben § 19 Abs. 4 und § 20 Abs. 1
  209. und 2 GWB unberührt; die kartellrechtliche Prüfung ist daher von der energiewirtschaftsrechtlichen grundsätzlich unabhängig (BGHZ 156, 379, 387 - Strom
  210. und Telefon I; BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - KVR 17/04, WuW/E DE-R 1513,
  211. 1514 - Stadtwerke Mainz). Erst recht bleibt - entgegen der Auffassung des
  212. - 11 -
  213. Berufungsgerichts - Art. 82 EG unberührt, dessen Anwendungsbereich nicht zur
  214. Disposition des nationalen Gesetzgebers steht.
  215. Hirsch
  216. Ball
  217. Meier-Beck
  218. Bornkamm
  219. Strohn
  220. Vorinstanzen:
  221. LG Stuttgart, Entscheidung vom 10.02.2004 - 41 O 38/03 KfH OLG Stuttgart, Entscheidung vom 17.02.2005 - 2 U 83/04 -