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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 95/11
  5. Verkündet am:
  6. 12. Januar 2012
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. InsO § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1
  19. Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine
  20. Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem
  21. Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als
  22. Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei
  23. entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden.
  24. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - LG Bochum
  25. AG Bochum
  26. -2-
  27. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 12. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
  29. Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 9. Zivilkammer
  32. des Landgerichts Bochum vom 10. Mai 2011 aufgehoben und die
  33. Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
  34. Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Der Beklagte ist Geschäftsführer der D.
  39. H.
  40. GmbH, der
  41. Kläger Verwalter in dem Insolvenzverfahren über ihr Vermögen, welches auf
  42. den Antrag vom 25. Juni 2009 am 30. Juli desselben Jahres eröffnet worden ist.
  43. Als Teil der Bezüge aus dem Anstellungsverhältnis leistete die Schuldnerin
  44. Prämien auf eine Direktversicherung des Beklagten bei der G.
  45. G.
  46. in Höhe von 102,26 €, die jeweils zur Monatsmitte im Lastschriftverfahren eingezogen wurden. Der Kläger hat die Prämienzahlungen der Schuldnerin
  47. für den Zeitraum vom Juli 2008 bis einschließlich Juni 2009 gegenüber dem
  48. Beklagten angefochten und verlangt den Prämienbetrag von 1.227,12 € nebst
  49. Zinsen seit Insolvenzeröffnung zur Masse zurück.
  50. -3-
  51. 2
  52. Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt. Die Berufung hatte Erfolg.
  53. Mit seiner vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
  54. zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
  55. Entscheidungsgründe:
  56. 3
  57. Die Revision ist begründet.
  58. I.
  59. 4
  60. Den hilfsweise auch auf § 133 Abs. 1 InsO gestützten Klageanspruch hat
  61. das Berufungsgericht mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung verneint.
  62. Die Schuldnerin habe mit der Tätigkeit ihres Geschäftsführers eine gleichwertige und angemessene Gegenleistung für seine Bezüge erhalten. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts sei dem Beklagten schon vor der drohenden Insolvenz und nicht lediglich für diesen Fall gewährt worden. Auch bei Ermächtigung
  63. der Versicherungsgesellschaft zum Lastschrifteinzug der Prämien habe eine
  64. Insolvenz der Schuldnerin noch nicht konkret gedroht. Dagegen wendet sich die
  65. Revision mit Erfolg.
  66. -4-
  67. II.
  68. 5
  69. Der Bundesgerichtshof ist unabhängig von § 17a Abs. 5 GVG zur Entscheidung über die Revision berufen. Denn der Geschäftsführer einer GmbH
  70. gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer (vgl. BAG ZIP 2011,
  71. 2175 Rn. 12).
  72. III.
  73. 6
  74. Wird von der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise
  75. durch weitere Prämienzahlungen der Rückkaufswert einer Direktversicherung
  76. für ihren Geschäftsführer erhöht, so kommt deswegen die Insolvenzanfechtung
  77. in Betracht (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 161/96, NJW 1998, 312, 315,
  78. in BGHZ 136, 220 nicht mit abgedruckt). Die Annahme des Berufungsgerichts,
  79. die Prämienzahlungen an den Lebensversicherer seien wegen der Gegenleistung des Beklagten im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht gläubigerbenachteiligend (ebenso OLG Brandenburg, NZI 2002, 439, 440 f unter 2.), ist rechtsfehlerhaft. Denn für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewähren die erbrachten Tätigkeiten des Beklagten keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 133 Rn. 19).
  80. 7
  81. Da sich die Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin im Anfechtungszeitraum weiter verschlechterte, war das Interesse der Gläubiger auch nicht
  82. darauf gerichtet, dass der Beklagte seine Tätigkeit als Geschäftsführer unver-
  83. -5-
  84. ändert fortsetzte, sondern dass er baldigst nach § 18 Abs. 1 InsO Insolvenzantrag stellte. Die Frage, ob bei einem ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuch der Schuldnerin durch den Beklagten eine objektive Gläubigerbenachteiligung infolge der fortdauernden Prämienzahlungen zu seiner Versorgung hätte verneint werden können, bedarf deshalb keiner Prüfung. Jedenfalls
  85. in der Regel kann der Insolvenzverwalter des Schuldners gegenüber dem Bezugsberechtigten die Rechtshandlungen anfechten, die auf Kosten der Masse
  86. den Wert der Direktversicherung erhöht haben. Dies gilt gerade dann, wenn das
  87. unwiderrufliche Bezugsrecht, wie hier, in anfechtungsfreier Zeit entstanden ist
  88. (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 52).
  89. 8
  90. Zutreffend beanstandet die Revision ferner, dass das Berufungsgericht
  91. den anfechtungsrechtlich maßgebenden Zeitpunkt verkannt habe. Da der einzugsberechtigte Gläubiger zuvor keine gesicherte Rechtsposition innehat, entscheidet nach § 140 Abs. 1 InsO in dieser Hinsicht statt der Erteilung der Einzugsermächtigung die vom Schuldner seiner Bank erklärte Genehmigung
  92. (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - IX ZR 377/99, WM 2003, 524, 529; vom
  93. 4. November 2004 - IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, 56 f; vom 29. Mai 2008
  94. - IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 Rn. 11 ff, 16; vom 30. September 2010 - IX ZR
  95. 177/07, WM 2010, 2167 Rn. 10 f; vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 240/09, ZInsO
  96. 2010, 2293 Rn. 7). Sie wird bei wiederkehrenden Leistungen gleicher Größenordnung an denselben Gläubiger von einem Unternehmer regelmäßig bereits
  97. konkludent vor Ablauf der Widerspruchsfrist des Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken erklärt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 48;
  98. vom 21. Oktober 2010, aaO Rn. 8; vom 3. Mai 2011 - XI ZR 152/09, WM 2011,
  99. -6-
  100. 1267 Rn. 11; vom 27. September 2011 - XI ZR 328/09, WM 2011, 2259
  101. Rn. 15 f; vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 Rn. 13; vom
  102. 1. Dezember 2011 - IX ZR 58/11 unter III. 1., zVb). Das Berufungsurteil kann
  103. danach mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.
  104. IV.
  105. 9
  106. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Berufungsgericht hat, aus seiner Sicht
  107. folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach den behaupteten Verlusten der Schuldnerin der Beklagte als Geschäftsführer wusste, dass dieser
  108. bereits im Juli 2008 die Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 18 Abs. 2 InsO), oder ob
  109. sie aus anderen Gründen bei der angefochtenen Genehmigung des Prämieneinzugs mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat. Dies ist
  110. im zweiten Berufungsdurchgang nachzuholen.
  111. 10
  112. Es bedarf danach voraussichtlich keiner Entscheidung, ob der Beklagte
  113. die gesamte Wertsteigerung seines unwiderruflichen Bezugsrechts aus der Direktversicherung für den Versicherungsfall oder den Rückkaufsfall, die infolge
  114. der angefochtenen Prämienzahlungen eingetreten ist, nach § 143 Abs. 1 InsO
  115. zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss (vgl. dazu etwa Schuschke, BGHReport 2004, 198, 199 f; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des
  116. Arbeitgebers, S. 72 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 52 am Ende). Der Kläger hat hier nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen zurückverlangt, die auch vom Reichsgericht als aus dem Vermögen
  117. -7-
  118. des Versprechensempfängers stammend in dessen Konkurs als Anfechtungsgegenstand anerkannt worden sind (vgl. RGZ 61, 217, 219 f).
  119. Kayser
  120. Raebel
  121. Lohmann
  122. Vill
  123. Pape
  124. Vorinstanzen:
  125. AG Bochum, Entscheidung vom 24.11.2010 - 38 C 273/10 LG Bochum, Entscheidung vom 10.05.2011 - I-9 S 251/10 -