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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 233/09
  5. Verkündet am:
  6. 13. Januar 2011
  7. Kluckow
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 13. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
  15. Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
  16. Möhring
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der
  19. 1. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 27. November 2009
  20. und das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 21. Juli 2009 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
  21. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Klägerin betreibt einen Kfz-Ersatzteilhandel. Sie stand in Geschäftsbeziehung zu dem späteren Insolvenzschuldner. Sie lieferte an diesen KfzErsatzteile und berechnete dafür im Juni 2008 insgesamt 1.500,13 €. Die
  26. Rechnungsbeträge zog sie aufgrund einer ihr vom späteren Schuldner erteilten
  27. Ermächtigung am 10. und 17. Juli 2008 ein.
  28. 2
  29. Am 18. September 2008 wurde der Beklagte zum vorläufigen mitbestimmenden Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt. Noch
  30. vor Ablauf der Frist widersprach er gegenüber der Schuldnerbank den Belas-
  31. -3-
  32. tungsbuchungen. Diese schrieb die Geldbeträge dem Schuldnerkonto wieder
  33. gut und gab die Lastschriften zurück.
  34. 3
  35. Am 24. Oktober 2008 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der
  36. Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
  37. 4
  38. Die Klägerin hält den Widerspruch für unberechtigt und hat den Beklagten als Insolvenzverwalter auf Zahlung von 1.500,13 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner
  39. vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
  40. Entscheidungsgründe:
  41. 5
  42. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
  43. I.
  44. 6
  45. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch
  46. gegen die Masse zugebilligt und - sich der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats
  47. des Bundesgerichtshofs anschließend - ausgeführt: Die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Beklagten sei ebenso rechtsmissbräuchlich wie dies
  48. im Falle der Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Schuldner außerhalb
  49. der Insolvenz gewesen wäre. Es sei nicht gerechtfertigt, das Einzugsermächtigungsverfahren in der Insolvenz des Schuldners zu einem Instrument der Massemehrung umzufunktionieren.
  50. -4-
  51. II.
  52. 7
  53. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  54. 8
  55. 1. Die Klägerin hat den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes und
  56. nicht persönlich verklagt. Das ergibt sich aus der Parteibezeichnung sowohl im
  57. Mahnantrag wie auch in der Anspruchsbegründungsschrift.
  58. 9
  59. 2.
  60. Schadensersatzansprüche
  61. als
  62. Masseverbindlichkeiten
  63. bestehen
  64. schon deswegen nicht, weil die Voraussetzungen des § 55 InsO nicht vorliegen.
  65. Da eine schädigende Handlung allenfalls durch den vorläufigen Verwalter erfolgt sein kann (unberechtigter Widerspruch gegen die Lastschrift - vgl. hierzu
  66. die vom IX. und XI. Zivilsenat entwickelten Grundsätze in den Urteilen vom
  67. 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09, NJW 2010, 3517 und XI ZR 236/07, NJW 2010,
  68. 3510), kann eine Masseverbindlichkeit allein nach § 55 Abs. 2 InsO begründet
  69. worden sein. § 55 Abs. 2 InsO betrifft jedoch nur den vorläufigen Verwalter, auf
  70. den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist. Für den vorläufigen Verwalter ohne Verfügungsbefugnis
  71. gilt die Vorschrift nur insoweit, als dieser vom Insolvenzgericht ermächtigt worden ist, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der
  72. späteren Insolvenzmasse einzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - IX ZR
  73. 61/08, NZI 2009, 475 Rn. 13 mwN; Kreft/Lohmann, InsO, 5. Aufl., § 55 Rn. 29).
  74. Ein solcher vorläufiger Verwalter mit Verfügungsbefugnis war der Beklagte
  75. nicht. Auch hat ihm das Insolvenzgericht - bezogen auf den Lastschriftwiderspruch - keine Einzelermächtigung erteilt.
  76. 10
  77. 3. Ebenso wenig bestehen bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die
  78. Masse. Gemäß § 55 Abs. 2 InsO können schon aus den oben genannten
  79. -5-
  80. Gründen etwaige Bereicherungsansprüche keine Masseverbindlichkeiten darstellen. Auch § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO begründet hier keine Masseverbindlichkeiten. Nach dieser Vorschrift muss die Masse einen Vermögensgegenstand ohne
  81. rechtlichen Grund (§§ 812 ff BGB) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt haben. Ist die Bereicherung bereits vor der Eröffnung zur Masse gelangt,
  82. greift § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch dann nicht ein, wenn der Rechtsgrund erst
  83. mit oder nach der Eröffnung weggefallen ist. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24. Oktober 2008 war die Erfüllung im Wege des Lastschrifteinzugs
  84. bereits fehlgeschlagen; zu einer Vermögensverschiebung zugunsten der Masse
  85. ist es nach der Verfahrenseröffnung nicht gekommen (vgl. BGH, Urteil vom
  86. 7. Mai 2009 aaO Rn. 12 mwN).
  87. III.
  88. 11
  89. Das angefochtene Urteil kann deshalb kein Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis
  90. -6-
  91. erfolgt und nach letzterem die Sache zur Entscheidung reif ist, hat der Senat
  92. eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die unschlüssige
  93. Klage war abzuweisen.
  94. Kayser
  95. Raebel
  96. Pape
  97. Lohmann
  98. Möhring
  99. Vorinstanzen:
  100. AG Hagen, Entscheidung vom 21.07.2009 - 11 C 123/09 LG Hagen, Entscheidung vom 27.11.2009 - 1 S 97/09 -