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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IX ZR 216/05
  5. Verkündet am:
  6. 25. Januar 2007
  7. Preuß
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. nein
  17. ja
  18. InsO § 60
  19. a) Vermietet der Insolvenzverwalter - unter Verletzung der mietvertraglichen Pflicht, vor
  20. einer Untervermietung die Zustimmung des Vermieters einzuholen - eine vom
  21. Schuldner angemietete Immobilie an einen unzuverlässigen Untermieter und gefährdet er dadurch den Rückgabeanspruch des aussonderungsberechtigten Vermieters,
  22. kann dies seine persönliche Haftung begründen.
  23. b) Verletzt der Insolvenzverwalter schuldhaft insolvenzspezifische Pflichten, haftet er
  24. auf den Ersatz des negativen Interesses (Fortführung von BGHZ 159, 104).
  25. BGH, Urteil vom 25. Januar 2007 - IX ZR 216/05 - OLG Düsseldorf
  26. LG Düsseldorf
  27. -2-
  28. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 25. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die
  30. Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev
  31. Fischer
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. November 2005 aufgehoben.
  35. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  36. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. Die Klägerin, eine Immobilienverwaltungsgesellschaft, vermietete Ge-
  40. 1
  41. schäftsräume, die sie ihrerseits gemietet hatte, an die (spätere) Insolvenzschuldnerin. Über deren Vermögen wurde am 1. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 24. März 2003 kündigte dieser das (Unter-) Mietverhältnis zu der Klägerin zum 30. September 2003. Für die Zeit vom 30. Mai bis 30. September
  42. 2003
  43. schloss
  44. er
  45. einen
  46. Untermietvertrag
  47. mit
  48. einer
  49. T.
  50. und überließ dieser das Objekt. Dies teilte er der Kläge-
  51. -3-
  52. rin unter dem 3. Juni 2003 mit. Die Klägerin wies den Beklagten darauf hin, er
  53. habe sich durch die Untervermietung vertragswidrig verhalten, weil eine solche
  54. nach dem Mietvertrag nur mit vorheriger schriftlicher Erlaubnis des Vermieters
  55. zulässig sei. In Bezug auf die Untermieterin teilte die Klägerin mit, sie selbst
  56. habe in der Vergangenheit mehrere Objekte an die T.
  57. vermietet und
  58. mit dieser Gesellschaft wenig Freude gehabt; dem Beklagten werde es voraussichtlich nicht anders ergehen. Die T.
  59. räumte zum Ende des Unter-
  60. mietverhältnisses das Objekt nicht und zahlte fortan auch den Untermietzins
  61. nicht mehr. Die Klägerin gelangte erst im Februar 2005 wieder in den unmittelbaren Besitz der Räume. Der Beklagte hatte bereits am 4. Dezember 2003 die
  62. Unzulänglichkeit der Masse angezeigt.
  63. 2
  64. Nach Klageabweisung in erster Instanz hat die Klägerin mit ihrer in zweiter Instanz erweiterten Klage von dem Beklagten persönlich unter anderem
  65. Schadensersatz in Höhe des mit der Insolvenzschuldnerin vereinbarten Mietzinses für die Zeit vom Oktober 2003 bis Februar 2005, insgesamt 77.732,33 €,
  66. verlangt. In diesem Umfang hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben.
  67. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  68. Entscheidungsgründe:
  69. 3
  70. Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
  71. -4-
  72. I.
  73. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte nach § 60 InsO
  74. 4
  75. auf Schadensersatz. Er habe gegenüber der aussonderungsberechtigten Klägerin eine insolvenzspezifische Pflicht verletzt, indem er durch die Untervermietung an eine unzuverlässige Vertragspartnerin das Unvermögen der Schuldnerin zur pünktlichen Erfüllung ihrer Rückgabeverpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB
  76. verursacht habe. Zudem habe er gegen die mietvertragliche Pflicht verstoßen,
  77. die Erlaubnis der Klägerin zur Untervermietung einzuholen. Die Klägerin hätte
  78. diese bei vorheriger Anfrage nicht erteilt. Eine nachträgliche Genehmigung sei
  79. nicht ausgesprochen worden.
  80. II.
  81. Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht
  82. 5
  83. stand.
  84. 6
  85. 1. Allerdings kann der Beklagte aus § 60 InsO auf Schadensersatz haften, weil er gegenüber der Klägerin schuldhaft insolvenzspezifische Pflichten
  86. verletzt hat.
  87. 7
  88. a) Die Vorschrift des § 60 InsO sanktioniert die Verletzung solcher Pflichten, die dem Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft nach den Vorschriften der
  89. Insolvenzordnung obliegen (BT-Drucks. 12/2443 S. 129). Dazu gehören nicht
  90. solche Pflichten, die ihn wie jeden Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten treffen (BGHZ 99, 151, 154; 100, 346, 350; 148, 175, 178). Nicht insolvenzspezifisch sind außerdem im Allgemeinen Pflichten, die dem Insolvenzverwalter
  91. -5-
  92. als Verhandlungs- oder Vertragspartner eines Dritten auferlegt sind (MünchKomm-InsO/Brandes, InsO § 60 Rn. 72 ff; zur Konkursordnung ebenso BGHZ
  93. 148, 175, 178; BGH, Urt. v. 19. Januar 1990 - IX ZR 71/89, WM 1990, 329,
  94. 332). Sie können jedoch eine Haftung nach § 60 InsO begründen, wenn diesem
  95. Dritten gegenüber andere, insolvenzspezifische Pflichten bestehen, deren Erfüllung durch die Verletzung der zuerst genannten Pflichten gefährdet wird.
  96. 8
  97. b) Die Untervermietung bedurfte - was der Beklagte nicht in Frage stellt der vorherigen Erlaubnis der Klägerin. Eine solche Erlaubnis hat der Beklagte
  98. nicht eingeholt. Die Pflicht des Mieters, eine Untervermietung nicht ohne Erlaubnis des Vermieters vorzunehmen, wurzelt zwar in dem Mietverhältnis. Sie
  99. ergibt sich aus § 540 Abs. 1 Satz 1 BGB und wird zumeist - so auch im vorliegenden Fall - noch ausdrücklich in den Mietvertrag aufgenommen. Sie trifft den
  100. anstelle des insolventen Mieters handelnden Insolvenzverwalter in derselben
  101. Weise, wie sie den Mieter getroffen hätte, falls über dessen Vermögen kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. Diese Pflicht erhält einen insolvenzspezifischen Charakter jedoch dadurch, dass die Untervermietung Auswirkungen auf die Erfüllung der künftigen Rückgabepflicht des Mieters haben kann. Er
  102. kann diese, weil er sich des unmittelbaren Besitzes an der Mietsache begeben
  103. hat, nur bewirken, wenn der Untermieter seinerseits vertragstreu ist.
  104. 9
  105. Die Pflicht des Verwalters, den nach Beendigung des Mietverhältnisses
  106. aussonderungsberechtigten Vermieter eines von dem Insolvenzschuldner gemieteten Gegenstandes nicht durch die Verzögerung der Herausgabe oder gar
  107. durch deren Vereitelung zu schädigen, ist insolvenzspezifisch (MünchKommInsO/Brandes, aaO § 60 Rn. 54; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 60 Rn. 21;
  108. Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 60 Rn. 15; FK-InsO/Kind, 4. Aufl. § 60 Rn. 15; zur
  109. Konkursordnung vgl. BGHZ 100, 346, 350; BGH, Urt. v. 5. März 1998 - IX ZR
  110. -6-
  111. 265/97, NJW 1998, 2213, 2215; OLG Hamm ZIP 1985, 628). Dasselbe gilt dann
  112. für die Pflicht, eine Untervermietung nur mit Erlaubnis des Vermieters vorzunehmen. Die Erfüllung dieser Pflicht trägt dazu bei, dass die mit jeder Untervermietung verbundene Gefährdung des Rückgabeanspruchs vermindert wird.
  113. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vermieter - wie im vorliegenden Fall den in Aussicht genommenen Untermieter kennt und er berechtigte Zweifel an
  114. dessen Seriosität und Vertragstreue hegt.
  115. 10
  116. c) Vergeblich greift die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts
  117. an, der Mitteilung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 10. Juni 2003, sie werde
  118. die vertragswidrige Weitervermietung "tolerieren", sei keine nachträgliche Erlaubnis zu entnehmen, sondern sie sei dahin zu verstehen, dass die Klägerin
  119. die ihr aus der Vertragsverletzung des Beklagten erwachsenen Rechte bis zum
  120. Ende des Untermietvertrages nicht ausüben werde. Insoweit wendet sich die
  121. Revision in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Auslegung dieses
  122. Schreibens. Diese ist rechtlich unbedenklich und wird insbesondere dadurch
  123. gestützt, dass der Beklagte zuvor gar nicht um die nachträgliche Zustimmung
  124. nachgesucht hatte. Zudem hätte die Klägerin nicht mehr die Möglichkeit gehabt,
  125. zwischen der Erteilung der Genehmigung und deren Versagung sinnvoll zu
  126. wählen. Mit der Verweigerung der Genehmigung hätte sie praktisch nichts mehr
  127. bewirken können, weil der Beklagte das Objekt bereits an die T.
  128. übergeben und die Klägerin somit vor vollendete Tatsachen gestellt hatte.
  129. 11
  130. 2. Demgegenüber ist der Revision darin Recht zu geben, dass die Klägerin die Höhe des Schadens nicht schlüssig dargetan hat.
  131. -7-
  132. 12
  133. a) Die Klägerin verlangt Schadensersatz in Höhe des mit der Schuldnerin
  134. vereinbarten Mietzinses für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis Februar
  135. 2005 mit der Begründung, ihr sei in dieser Zeit kein Mietzins zugeflossen, obwohl sie selbst als Mieterin unverändert die Miete habe weiterzahlen müssen.
  136. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht für die schlüssige Darlegung des
  137. Mietausfallschadens in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe von
  138. 77.732,33 € ausreichen lassen.
  139. 13
  140. b) Dem kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.
  141. 14
  142. aa) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Schadensersatzanspruch aus § 60 InsO der Klägerin keinen Ersatzschuldner verschafft, sondern
  143. eine gesetzliche Haftung begründet, die regelmäßig auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist (BGHZ 159, 104, 118; Fischer WM 2004, 2185,
  144. 2187). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn der Insolvenzverwalter die
  145. Pflichtverletzung nicht begangen hätte (§ 249 Abs. 1 BGB). Für einen Mietausfallschaden wegen der von dem Beklagten persönlich - der insoweit außerhalb
  146. des Mietverhältnisses steht - zu verantwortenden verspäteten Rückgabe des
  147. Mietobjekts gilt § 252 Satz 1 BGB. Die Klägerin hätte darlegen müssen, wann
  148. sie das Objekt bei rechtzeitiger Rückgabe anderweitig hätte vermieten können
  149. und zu welchem Mietzins. Dazu fehlt jeder Vortrag. Die Darlegungserleichterung gemäß § 252 Satz 2 BGB ändert nichts daran, dass der Geschädigte Anknüpfungstatsachen vorzutragen und zu beweisen hat, aus denen sich die
  150. Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der geltend gemachte Gewinn zu erzielen gewesen wäre (BGHZ 54, 45, 55; BGH, Urt. v. 17. Juni 1998 - XII ZR 206/96, WM
  151. 1998, 1787, 1788; v. 27. September 2001 - IX ZR 281/00, NJW 2002, 825, 826;
  152. v. 17. Oktober 2003 - V ZR 84/02, NJW-RR 2004, 79, 81).
  153. -8-
  154. Da die Klägerin derartige Anknüpfungstatsachen nicht vorgetragen und
  155. 15
  156. somit ihrer Darlegungslast nicht genügt hat, hätte das Berufungsgericht auch
  157. ohne den - zutreffenden - Hinweis des Beklagten, die Klägerin habe nicht behauptet, dass bei rechtzeitiger Rückgabe des Objekts ein solventer Anschlussmieter bereit gestanden hätte, der Klage nicht stattgeben dürfen. Die Zurückweisung des Beklagtenvortrags als verspätet zeigt, dass das Berufungsgericht
  158. die Darlegungslast unrichtig gesehen hat. Der Hinweis einer Partei auf fehlendes Vorbringen des darlegungsbelasteten Gegners ist kein Verteidigungsmittel
  159. und kann deshalb nicht präkludiert sein.
  160. III.
  161. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
  162. 16
  163. ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Auf die zur Höhe des Klageanspruchs bestehenden Bedenken ist
  164. die Klägerin von den Vordergerichten nicht hingewiesen worden. Ihr ist deshalb
  165. Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ändern oder zu ergänzen (vgl. BGHZ
  166. 163, 351, 361; BGH, Urt. v. 7. Dezember 2000 - I ZR 179/98, NJW 2001, 2548,
  167. 2549).
  168. 17
  169. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird sich das Berufungsgericht auch damit befassen müssen, ob der Beklagte bereits ab dem 1. Oktober 2003 Schadensersatz schuldet, obwohl sich die Klägerin - wie es in dem
  170. -9-
  171. aufgehobenen Urteil heißt - "jedenfalls zunächst mit einer Räumung des Objekts erst zum 10. Oktober 2003 bereit erklärt" hat.
  172. Dr. Gero Fischer
  173. Dr. Ganter
  174. Lohmann
  175. Vill
  176. Dr. Detlev Fischer
  177. Vorinstanzen:
  178. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.03.2005 - 1 O 482/04 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.11.2005 - I-1 U 71/05 -