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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 78/17
  4. vom
  5. 12. Juli 2018
  6. in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
  7. ECLI:DE:BGH:2018:120718BIXZB78.17.0
  8. - 2 -
  9. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  10. Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die
  11. Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
  12. am 12. Juli 2018
  13. beschlossen:
  14. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss
  15. der 7. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 3. November
  16. 2017 aufgehoben.
  17. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
  18. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  19. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.716,91 € festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Auf einen am 17. Juni 2014 eingegangenen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 das Insolvenzverfahren über
  24. das Vermögen der Schuldnerin und ernannte den weiteren Beteiligten zu 1 zum
  25. Treuhänder. Auf Antrag der Schuldnerin stellte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 22. Januar 2016 fest, dass die Schuldnerin Restschuldbefreiung
  26. - 3 -
  27. erlangt, wenn sie während der Laufzeit der Abtretungserklärung, also ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens, den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 InsO oder
  28. § 298 InsO nicht vorliegen. Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf.
  29. 2
  30. Mit Schreiben vom 20. Januar 2017 beantragte die weitere Beteiligte
  31. zu 2, die Restschuldbefreiung zu versagen. Sie machte geltend, dass der Ehemann der Schuldnerin mindestens seit Januar 2015 neben seiner Rente monatliche Einkünfte in Höhe von 450 € erzielt habe. Die Schuldnerin habe nur die
  32. Renteneinkünfte ihres Ehemannes angegeben, jedoch die zusätzlichen monatlichen Einkünfte ihres Ehemannes vorsätzlich verschwiegen. Daher sei der
  33. Ehemann bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Einkommens der
  34. Schuldnerin als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt worden. Dies habe
  35. dazu geführt, dass die Schuldnerin einen zu geringen Teil ihres Einkommens
  36. zur Masse abgeführt habe. Auf Anforderung des weiteren Beteiligten zu 1 zahlte die Schuldnerin daraufhin 3.147,12 € für das Jahr 2016 als weiteren pfändbaren Teil ihres Einkommens an den weiteren Beteiligten zu 1.
  37. 3
  38. Das Insolvenzgericht hat den Antrag der weiteren Beteiligten zu 2 auf
  39. Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Der dagegen eingelegten
  40. sofortigen Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das Insolvenzgericht
  41. abgeholfen und der Schuldnerin die angekündigte Restschuldbefreiung versagt.
  42. Das Landgericht - Einzelrichter - hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin
  43. zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin die Zurückweisung des Antrags.
  44. - 4 -
  45. II.
  46. 4
  47. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6,
  48. 289 Abs. 2 Satz 1 InsO aF) und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an
  49. das Beschwerdegericht.
  50. 5
  51. Entscheidet der originäre Einzelrichter - wie hier - in einer Sache, der er
  52. rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst, über die Beschwerde und lässt er die
  53. Rechtsbeschwerde zu, so ist die Zulassung wirksam. Auf die Rechtsbeschwerde unterliegt die Entscheidung jedoch wegen der fehlerhaften Besetzung des
  54. Beschwerdegerichts der Aufhebung von Amts wegen, weil der Einzelrichter
  55. über die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung
  56. (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht selbst entscheiden durfte, sondern das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer
  57. hätte übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die
  58. Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2012 - I ZB 65/11, NJW 2012, 3518 Rn. 4
  59. mwN). Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche
  60. Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und
  61. verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101
  62. Abs. 1 Satz 2 GG (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ
  63. 154, 200, 201 ff; vom 28. Juni 2012 - IX ZB 298/11, ZInsO 2012, 1439 Rn. 3;
  64. vom 20. November 2014 - IX ZB 56/13, ZInsO 2015, 108 Rn. 4; vom 16. April
  65. 2015 - IX ZB 93/12, ZInsO 2015, 1103 Rn. 4).
  66. - 5 -
  67. 6
  68. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, sich mit
  69. den von der Rechtsbeschwerde gegen die tatsächlichen Feststellungen erhobenen Einwendungen auseinanderzusetzen. Die Frage, ob dem Schuldner
  70. Restschuldbefreiung zu versagen ist, richtet sich nach den bis zum 30. Juni
  71. 2014 geltenden Vorschriften (Art. 103h Satz 1 EGInsO). Nach diesen Vorschriften scheidet eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO aF aus,
  72. wenn kein Gläubiger im Schlusstermin einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt hat (BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - IX ZB
  73. 388/02, WM 2003, 980, 981; vom 18. Mai 2006 - IX ZB 103/05, ZInsO 2006,
  74. 647 Rn. 6; vom 6. November 2008 - IX ZB 34/08, NZI 2009, 66 Rn. 10). Ebenso
  75. wenig käme ein Widerruf der Restschuldbefreiung wegen Vorliegens von Versagungsgründen nach § 290 InsO aF in Betracht, die dem Gläubiger erst nach
  76. Erteilung der Restschuldbefreiung bekannt geworden sind (BGH, Beschluss
  77. vom 8. September 2016 - IX ZB 72/15, ZInsO 2016, 2097 Rn. 8, 16 f mwN).
  78. 7
  79. Das Beschwerdegericht wird daher zu prüfen haben, ob eine Versagung
  80. der Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1 InsO aF in Betracht kommt. Dabei weist der Senat darauf hin, dass für einen Verstoß gegen § 295 Abs. 1 Nr. 3
  81. InsO aF allein erheblich ist, ob in die Treuhandperiode fallende Einkünfte verheimlicht werden. Der Begriff des Verheimlichens geht über denjenigen des
  82. schlichten Verschweigens hinaus (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009
  83. - IX ZB 249/08, ZInsO 2009, 2212 Rn. 11; vom 10. März 2011 - IX ZB 168/09,
  84. WM 2011, 660 Rn. 8). Eine Pflicht, den Treuhänder unaufgefordert über einen
  85. höheren ausgezahlten Lohn oder über die Einkünfte eines Unterhaltsberechtigten zu unterrichten, enthält § 295 Abs. 1 InsO nicht (BGH, Beschluss vom
  86. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 11, 14 ff). Ob der Sachverhalt nach diesen Maß-
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  88. stäben die Anforderungen an ein Verheimlichen auch der Einkünfte in der Treuhandperiode erfüllt, hat der Tatrichter zu entscheiden.
  89. Kayser
  90. Gehrlein
  91. Schoppmeyer
  92. Lohmann
  93. Meyberg
  94. Vorinstanzen:
  95. AG Augsburg, Entscheidung vom 14.09.2017 - 1 IK 666/14 LG Augsburg, Entscheidung vom 03.11.2017 - 71 T 3436/17 -