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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZB 172/03
  4. vom
  5. 15. Juli 2004
  6. in dem Insolvenzverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. InsO § 34 Abs. 2
  14. Wird auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann dem
  15. Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde mit dem Ziel einer Abweisung des Antrags mangels Masse grundsätzlich nicht abgesprochen werden.
  16. BGH, Beschluß vom 15. Juli 2004 - IX ZB 172/03 - LG Flensburg
  17. AG Niebüll
  18. -2-
  19. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Fischer,
  20. Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
  21. am 15. Juli 2004
  22. beschlossen:
  23. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der
  24. 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 20. Juni 2003
  25. aufgehoben.
  26. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
  27. des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht
  28. zurückverwiesen.
  29. Gegenstandswert: 24.560,97 €.
  30. Gründe:
  31. I.
  32. Mit Beschluß vom 30. April 2003 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht auf Antrag einer Gläubigerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  33. Schuldnerin eröffnet. Hiergegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, eine für die Deckung der Verfahrenskosten ausreichende Masse sei nicht vorhanden, so daß der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 InsO
  34. - 3 -
  35. abzuweisen gewesen sei. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
  36. II.
  37. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 34
  38. Abs. 2 InsO) und zulässig (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO).
  39. 1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde für unzulässig
  40. gehalten, weil die Schuldnerin durch den angefochtenen Beschluß in ihrer
  41. Rechtsstellung nicht beeinträchtigt werde und somit materiell nicht beschwert
  42. sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
  43. a) Die von der Rechtsbeschwerde in den Vordergrund gestellte Frage,
  44. ob der Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag eines Gläubigers materiell beschwert ist, wenn er mit der sofortigen Beschwerde
  45. die Abweisung des Antrags mangels Masse erstrebt, ist zweifelsfrei zu bejahen. Mit dem Eröffnungsbeschluß ist stets eine materielle Beschwer des
  46. Schuldners verbunden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 28; MünchKommInsO/
  47. Schmahl, § 34 Rn. 69 m.w.N.). Beruht die Eröffnung auf einem Fremdantrag,
  48. dem der Schuldner entgegengetreten ist, folgt daraus sogar dessen formelle
  49. Beschwer (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 34 Rn. 9).
  50. - 4 -
  51. b) Fraglich ist nur, ob in einem solchen Fall für eine Beschwerde des
  52. Schuldners ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis besteht (zum Unterschied
  53. von Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, § 6
  54. Rn. 26, 35), wenn er lediglich die Abweisung des Antrags mangels Masse erreichen will. In Rechtsprechung und Literatur wird diese Frage zumeist nur
  55. - und zwar überwiegend verneinend - für den Fall eines Eigenantrags erörtert.
  56. Umstritten ist auch, was bei einem Gläubigerantrag gilt. Teils wird das Rechtsschutzbedürfnis verneint (LG Mönchengladbach
  57. ZIP 1997, 1384; FK-InsO/
  58. Schmerbach, 3. Aufl. § 34 Rn. 24; Hess, InsO 2. Aufl. § 34 Rn. 22), teils bejaht
  59. (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 34 Rn. 9).
  60. c) Nach Auffassung des Senats kann dem Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen die auf einen Gläubigerantrag zurückzuführende Verfahrenseröffnung, die nach Meinung des Schuldners mangels
  61. Masse hätte unterbleiben müssen, grundsätzlich nicht abgesprochen werden.
  62. aa) Vielfach wird die Unzulässigkeit der Beschwerde damit begründet,
  63. die Erwartung des Schuldners, das Insolvenzgericht werde das Verfahren mangels Masse nicht eröffnen, sei nicht schutzwürdig. Ob diese Argumentation für
  64. Fälle eines Eigenantrags stichhaltig ist, mag dahinstehen. Auf Fälle, in denen
  65. ein Gläubiger die Eröffnung beantragt hat (§ 14 Abs. 1 InsO), ist sie jedenfalls
  66. nicht übertragbar.
  67. bb) Ist - wie im vorliegenden Fall - Schuldnerin eine Kommanditgesellschaft, so ergibt sich deren rechtliches Interesse an einer Abweisung des
  68. Fremdantrags mangels Masse aus Folgendem: Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis grundsätzlich auf den
  69. - 5 -
  70. Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Wird hingegen die Insolvenzeröffnung mangels Masse abgelehnt, so wird - falls keiner der persönlich haftenden
  71. Gesellschafter eine natürliche Person ist - die Gesellschaft mit Rechtskraft des
  72. Abweisungsbeschlusses aufgelöst (§ 161 Abs. 2, § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Die
  73. Gesellschaft ist regelmäßig durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren
  74. abzuwickeln (§ 146 Abs. 1 Satz 1 HGB). In ihrer Eigenschaft als Liquidatoren
  75. sind die Gesellschafter nicht in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt. Sie haben das vorhandene Vermögen selbst zu verwerten und die Gläubiger zu befriedigen. Schwebende Geschäfte können sie zu Ende führen.
  76. cc) Für die Fälle eines Eigenantrags wird selbst von Anhängern der Ansicht, daß der Schuldner gegen die Insolvenzeröffnung keine Beschwerde mit
  77. dem Ziel einer Abweisung mangels Masse einlegen könne, eine Ausnahme
  78. dann gemacht, wenn der Schuldner mit dem Antrag lediglich einer gesetzlichen
  79. Pflicht genügte (vgl. OLG Bamberg ZIP 1983, 200; OLG Karlsruhe ZIP 1989,
  80. 1070 f; OLG Hamm ZIP 1993, 777 f). Da der Schuldner zur Stellung des Antrags kraft Gesetzes auch verpflichtet sei, wenn dieser mangels Masse nicht
  81. zur Eröffnung führen könne, dürfe ihm - falls das Verfahren wider Erwarten
  82. doch eröffnet worden sei - nicht die Möglichkeit genommen werden, die Unzulänglichkeit der Masse im Beschwerdeverfahren geltend zu machen. Diese Erwägung muß auch und erst recht dann gelten, wenn die Antragstellung durch
  83. einen Gläubiger und somit gänzlich außerhalb des Einflußbereichs des Schuldners erfolgt.
  84. 2. In dem angefochtenen Beschluß hat das Beschwerdegericht weiter
  85. die Ansicht vertreten, die sofortige Beschwerde hätte auch in der Sache keinen
  86. - 6 -
  87. Erfolg haben können, weil eine zur Kostendeckung ausreichende Masse vorhanden sei. Dies ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.
  88. a) Das Beschwerdegericht hat seine Auffassung, es sei eine die Kosten
  89. des Verfahrens deckende Masse vorhanden, auf das Gutachten der Insolvenzverwalterin gestützt. Diese hat die Verfahrenskosten mit 47.310,16 € und eine
  90. freie Masse von 124.560,97 € ermittelt. Maßgeblicher Bestandteil der freien
  91. Masse war dabei ein - "aus Vorsichtsgründen" lediglich mit 100.000 € bewerteter - Anspruch der Schuldnerin auf Zahlung der Kommanditeinlage. Daß diese
  92. bereits gezahlt sei, hielt die Insolvenzverwalterin nicht für nachgewiesen.
  93. b) Die Schuldnerin hatte vorgetragen, sie sei im Wege formwechselnder
  94. Umwandlung
  95. aus
  96. der
  97. F.
  98. GmbH hervorgegangen. Deren Stammkapital von 1.000.000 DM sei in vollem
  99. Umfang erbracht gewesen, wie sich aus den testierten Jahresabschlüssen ergebe und im übrigen unter Zeugenbeweis gestellt werde. Laut Umwandlungsbeschluß habe die Kommanditeinlage des J.
  100. F.
  101. , des vormali-
  102. gen Alleingesellschafters der GmbH, durch das ihm zuzurechnende Eigenkapital der GmbH gedeckt sein sollen. Mit Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses sei damit die Kommanditeinlage erbracht gewesen.
  103. c) Das Beschwerdegericht ist diesem Vorbringen nicht nachgegangen,
  104. obwohl es schlüssig ist. Die Kommanditeinlage konnte durch den dem J.
  105. F.
  106. zuzurechnenden Kapitalanteil an der vormaligen GmbH mit
  107. Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses erbracht sein (vgl. Semler/Stengel/
  108. Ihrig, Umwandlungsgesetz 2003 § 234 Rn. 9; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz 3. Aufl. § 234 Rn. 4). Gegebenenfalls änderte daran auch
  109. - 7 -
  110. nichts der durch einen Handelsregisterauszug belegte Umstand, daß J.
  111. F.
  112. im Zeitpunkt des Eröffnungsantrags als Kommanditist ausge-
  113. schieden und statt seiner im Wege der Sonderrechtsnachfolge die 2. B.
  114. GmbH & Co KG mit einer Einlage von 999.000 € als Kommanditistin
  115. in die Gesellschaft eingetreten war. Denn im Falle einer Veräußerung und Abtretung eines Kommanditanteils verbleibt die Einlage üblicherweise bei der Gesellschaft.
  116. III.
  117. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit geprüft wird, ob der Anspruch auf Erbringung der Kommanditeinlage tatsächlich
  118. noch offen steht.
  119. Den Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Senat lediglich mit 24.560,97 € bemessen. Dies entspricht dem Wert der Masse,
  120. über den die Schuldnerin nach ihrem Vorbringen bei einer Abweisung des Eröffnungsantrags wieder frei verfügen kann.
  121. Fischer
  122. Ganter
  123. Kayser
  124. Raebel
  125. Cierniak