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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- IX ZB 172/03
- vom
- 15. Juli 2004
- in dem Insolvenzverfahren
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- Nachschlagewerk:
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- ja
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- BGHZ:
-
- nein
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- BGHR:
-
- ja
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- InsO § 34 Abs. 2
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- Wird auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann dem
- Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde mit dem Ziel einer Abweisung des Antrags mangels Masse grundsätzlich nicht abgesprochen werden.
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- BGH, Beschluß vom 15. Juli 2004 - IX ZB 172/03 - LG Flensburg
- AG Niebüll
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- Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Fischer,
- Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
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- am 15. Juli 2004
- beschlossen:
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- Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der
- 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 20. Juni 2003
- aufgehoben.
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- Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
- des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht
- zurückverwiesen.
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- Gegenstandswert: 24.560,97 €.
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- Gründe:
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- I.
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- Mit Beschluß vom 30. April 2003 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht auf Antrag einer Gläubigerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
- Schuldnerin eröffnet. Hiergegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, eine für die Deckung der Verfahrenskosten ausreichende Masse sei nicht vorhanden, so daß der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 InsO
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- abzuweisen gewesen sei. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
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- II.
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- Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 34
- Abs. 2 InsO) und zulässig (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO).
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- 1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde für unzulässig
- gehalten, weil die Schuldnerin durch den angefochtenen Beschluß in ihrer
- Rechtsstellung nicht beeinträchtigt werde und somit materiell nicht beschwert
- sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
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- a) Die von der Rechtsbeschwerde in den Vordergrund gestellte Frage,
- ob der Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag eines Gläubigers materiell beschwert ist, wenn er mit der sofortigen Beschwerde
- die Abweisung des Antrags mangels Masse erstrebt, ist zweifelsfrei zu bejahen. Mit dem Eröffnungsbeschluß ist stets eine materielle Beschwer des
- Schuldners verbunden (MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 28; MünchKommInsO/
- Schmahl, § 34 Rn. 69 m.w.N.). Beruht die Eröffnung auf einem Fremdantrag,
- dem der Schuldner entgegengetreten ist, folgt daraus sogar dessen formelle
- Beschwer (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 34 Rn. 9).
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- b) Fraglich ist nur, ob in einem solchen Fall für eine Beschwerde des
- Schuldners ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis besteht (zum Unterschied
- von Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, § 6
- Rn. 26, 35), wenn er lediglich die Abweisung des Antrags mangels Masse erreichen will. In Rechtsprechung und Literatur wird diese Frage zumeist nur
- - und zwar überwiegend verneinend - für den Fall eines Eigenantrags erörtert.
- Umstritten ist auch, was bei einem Gläubigerantrag gilt. Teils wird das Rechtsschutzbedürfnis verneint (LG Mönchengladbach
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- ZIP 1997, 1384; FK-InsO/
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- Schmerbach, 3. Aufl. § 34 Rn. 24; Hess, InsO 2. Aufl. § 34 Rn. 22), teils bejaht
- (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 34 Rn. 9).
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- c) Nach Auffassung des Senats kann dem Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen die auf einen Gläubigerantrag zurückzuführende Verfahrenseröffnung, die nach Meinung des Schuldners mangels
- Masse hätte unterbleiben müssen, grundsätzlich nicht abgesprochen werden.
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- aa) Vielfach wird die Unzulässigkeit der Beschwerde damit begründet,
- die Erwartung des Schuldners, das Insolvenzgericht werde das Verfahren mangels Masse nicht eröffnen, sei nicht schutzwürdig. Ob diese Argumentation für
- Fälle eines Eigenantrags stichhaltig ist, mag dahinstehen. Auf Fälle, in denen
- ein Gläubiger die Eröffnung beantragt hat (§ 14 Abs. 1 InsO), ist sie jedenfalls
- nicht übertragbar.
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- bb) Ist - wie im vorliegenden Fall - Schuldnerin eine Kommanditgesellschaft, so ergibt sich deren rechtliches Interesse an einer Abweisung des
- Fremdantrags mangels Masse aus Folgendem: Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis grundsätzlich auf den
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- Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Wird hingegen die Insolvenzeröffnung mangels Masse abgelehnt, so wird - falls keiner der persönlich haftenden
- Gesellschafter eine natürliche Person ist - die Gesellschaft mit Rechtskraft des
- Abweisungsbeschlusses aufgelöst (§ 161 Abs. 2, § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Die
- Gesellschaft ist regelmäßig durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren
- abzuwickeln (§ 146 Abs. 1 Satz 1 HGB). In ihrer Eigenschaft als Liquidatoren
- sind die Gesellschafter nicht in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt. Sie haben das vorhandene Vermögen selbst zu verwerten und die Gläubiger zu befriedigen. Schwebende Geschäfte können sie zu Ende führen.
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- cc) Für die Fälle eines Eigenantrags wird selbst von Anhängern der Ansicht, daß der Schuldner gegen die Insolvenzeröffnung keine Beschwerde mit
- dem Ziel einer Abweisung mangels Masse einlegen könne, eine Ausnahme
- dann gemacht, wenn der Schuldner mit dem Antrag lediglich einer gesetzlichen
- Pflicht genügte (vgl. OLG Bamberg ZIP 1983, 200; OLG Karlsruhe ZIP 1989,
- 1070 f; OLG Hamm ZIP 1993, 777 f). Da der Schuldner zur Stellung des Antrags kraft Gesetzes auch verpflichtet sei, wenn dieser mangels Masse nicht
- zur Eröffnung führen könne, dürfe ihm - falls das Verfahren wider Erwarten
- doch eröffnet worden sei - nicht die Möglichkeit genommen werden, die Unzulänglichkeit der Masse im Beschwerdeverfahren geltend zu machen. Diese Erwägung muß auch und erst recht dann gelten, wenn die Antragstellung durch
- einen Gläubiger und somit gänzlich außerhalb des Einflußbereichs des Schuldners erfolgt.
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- 2. In dem angefochtenen Beschluß hat das Beschwerdegericht weiter
- die Ansicht vertreten, die sofortige Beschwerde hätte auch in der Sache keinen
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- Erfolg haben können, weil eine zur Kostendeckung ausreichende Masse vorhanden sei. Dies ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.
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- a) Das Beschwerdegericht hat seine Auffassung, es sei eine die Kosten
- des Verfahrens deckende Masse vorhanden, auf das Gutachten der Insolvenzverwalterin gestützt. Diese hat die Verfahrenskosten mit 47.310,16 € und eine
- freie Masse von 124.560,97 € ermittelt. Maßgeblicher Bestandteil der freien
- Masse war dabei ein - "aus Vorsichtsgründen" lediglich mit 100.000 € bewerteter - Anspruch der Schuldnerin auf Zahlung der Kommanditeinlage. Daß diese
- bereits gezahlt sei, hielt die Insolvenzverwalterin nicht für nachgewiesen.
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- b) Die Schuldnerin hatte vorgetragen, sie sei im Wege formwechselnder
- Umwandlung
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- aus
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- der
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- F.
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- GmbH hervorgegangen. Deren Stammkapital von 1.000.000 DM sei in vollem
- Umfang erbracht gewesen, wie sich aus den testierten Jahresabschlüssen ergebe und im übrigen unter Zeugenbeweis gestellt werde. Laut Umwandlungsbeschluß habe die Kommanditeinlage des J.
-
- F.
-
- , des vormali-
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- gen Alleingesellschafters der GmbH, durch das ihm zuzurechnende Eigenkapital der GmbH gedeckt sein sollen. Mit Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses sei damit die Kommanditeinlage erbracht gewesen.
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- c) Das Beschwerdegericht ist diesem Vorbringen nicht nachgegangen,
- obwohl es schlüssig ist. Die Kommanditeinlage konnte durch den dem J.
- F.
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- zuzurechnenden Kapitalanteil an der vormaligen GmbH mit
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- Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses erbracht sein (vgl. Semler/Stengel/
- Ihrig, Umwandlungsgesetz 2003 § 234 Rn. 9; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz 3. Aufl. § 234 Rn. 4). Gegebenenfalls änderte daran auch
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- nichts der durch einen Handelsregisterauszug belegte Umstand, daß J.
- F.
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- im Zeitpunkt des Eröffnungsantrags als Kommanditist ausge-
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- schieden und statt seiner im Wege der Sonderrechtsnachfolge die 2. B.
- GmbH & Co KG mit einer Einlage von 999.000 € als Kommanditistin
- in die Gesellschaft eingetreten war. Denn im Falle einer Veräußerung und Abtretung eines Kommanditanteils verbleibt die Einlage üblicherweise bei der Gesellschaft.
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- III.
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- Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit geprüft wird, ob der Anspruch auf Erbringung der Kommanditeinlage tatsächlich
- noch offen steht.
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- Den Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Senat lediglich mit 24.560,97 € bemessen. Dies entspricht dem Wert der Masse,
- über den die Schuldnerin nach ihrem Vorbringen bei einer Abweisung des Eröffnungsantrags wieder frei verfügen kann.
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- Fischer
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- Ganter
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- Kayser
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- Raebel
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- Cierniak
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