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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 163/04
  4. vom
  5. 14. September 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
  9. Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
  10. am 14. September 2005
  11. für Recht erkannt:
  12. 1. Die Revision wird zugelassen.
  13. 2. Das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 2004 wird
  14. aufgehoben.
  15. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
  16. an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  17. Von Rechts wegen
  18. Gründe:
  19. A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld wegen eines Teilbetrages
  20. von 50.000 € in Anspruch.
  21. -3-
  22. Nach einer Kreditanfrage der Beklagten, die ein landwirtschaftliches Anwesen erwerben und in eine Pferdepension umwandeln wollte,
  23. unterbreitete die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 1999 ein Angebot.
  24. Darin wurden ein Darlehen der Klägerin in Höhe von 320.000 DM, ein
  25. Darlehen aus dem Programm zur Minderung eines Kohlendioxyd-Ausstoßes in Höhe von 30.000 DM sowie ein Existenzgründerdarlehen der
  26. l.
  27. R.
  28. bank in Höhe von weiteren 300.000 DM in
  29. Aussicht gestellt gegen entsprechende dingliche Sicherheiten, die in Höhe von 230.000 DM auf einem anderen Grundstück als dem zu erwerbenden Hof hätten eingetragen werden sollen. Letzteres lehnte die Beklagte ab. Am 1. Oktober 1999 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über 320.000 DM, der ab 30. Mai 2000 bedient werden sollte. Zur
  30. Sicherung dieser Darlehensforderung sowie des vorgesehenen Darlehens aus dem Kohlendioxyd-Programm bestellten die Parteien unter dem
  31. 5. Oktober 1999 eine Grundschuld am Kaufgrundstück in Höhe von
  32. 350.000 DM; nach der zugehörigen Zweckvereinbarung sollte die Grundschuld der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin aus Krediten oder laufenden Rechnungen dienen.
  33. 320.000 DM zahlte die Klägerin vereinbarungsgemäß an die Beklagte
  34. aus. Die für den Preis des Anwesens von 480.000 DM weiter erforderlichen Mittel brachte die Klägerin anderweit auf. Zu einer Auszahlung der
  35. im Angebot der Klägerin vom 8. Juli1999 vorgesehenen weiteren Darlehen kam es jedoch nicht. Da die Beklagte das Darlehen der Klägerin
  36. nicht wie vereinbart tilgte, kündigte diese schließlich dieses Darlehen
  37. sowie einen Kontokurrentkredit, die in einer den hier geltend gemachten
  38. Teilbetrag übersteigenden Höhe valutieren.
  39. -4-
  40. Die Beklagte hält den Darlehensvertrag für sittenwidrig. Er sei Teil
  41. eines Gesamtkonzepts gewesen; bis zur Finanzierung und Durchführung
  42. auch der über den Ankauf des Hofs hinausgehenden Maßnahmen sei die
  43. im Darlehensvertrag vom 1. Oktober 1999 vorgesehene Tilgung nicht
  44. möglich gewesen. Deshalb habe sie von der Klägerin auch nicht geltend
  45. gemacht werden dürfen (pactum de non petendo). Die Klägerin habe
  46. aber entgegen ihren Zusicherungen die weiter erforderlichen Finanzierungsmittel nicht beschafft und daher das Scheitern des Projekts selbst
  47. herbeigeführt.
  48. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit
  49. der Nichtzulassungsbeschwerde.
  50. B. Das Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das
  51. Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO).
  52. I. Nach seiner Auffassung kann nicht festgestellt werden, dass sich
  53. die Klägerin bindend verpflichtet habe, der Beklagten eine Gesamtfinanzierung in der Größenordnung von 600.000 DM bis 650.000 DM zu beschaffen. Das Angebot der Klägerin vom 8. Juli 1999 sei im Hinblick darauf gegenstandslos geworden, dass die Beklagte es abgelehnt hatte, eine weitere Sicherheit von 230.000 DM zu stellen. Es sei nicht ersichtlich,
  54. dass sich die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt doch noch darauf
  55. verständigt hätten, dass die Klägerin für eine Gesamtfinanzierung sorgen
  56. sollte. Vielmehr sei allein der Darlehensvertrag vom 1. Oktober 1999
  57. -5-
  58. über 320.000 DM abgeschlossen worden, der nicht einmal ausgereicht
  59. habe, um den Grundstückskaufpreis zu finanzieren. Selbst wenn man unterstelle, dass die Beklagte Anfang August 1999 mit einem Mitarbeiter
  60. der Klägerin vereinbart habe, dass dieses Darlehen erst dann habe bedient werden sollen, wenn das Unternehmen gemäß dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept aufgenommen worden sei, habe die Beklagte
  61. nicht schlüssig dargelegt, dass eine solche Abrede auch noch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages Gültigkeit gehabt habe.
  62. Der schriftliche Vertrag enthalte darüber keine Regelung. Die im Vorfeld
  63. geführten Gespräche seien offensichtlich überholt gewesen. Aus einem
  64. von der Klägerin vorgelegten Aktenvermerk vom 30. September 1999 ergebe sich nämlich, dass die Beklagte ihre ursprüngliche Planung aufgegeben habe und nur eine "abgespeckte Version" habe durchführen wollen. Jedenfalls gehe die Beklagte inzwischen selbst davon aus, dass ihr
  65. Projekt gescheitert sei. Deshalb sei ein angebliches pactum de non petendo gegenstandslos geworden.
  66. II. Die Beschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe mit
  67. dieser Entscheidung erhebliche Beweisantritte der Beklagten unter Verletzung von § 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG übergangen.
  68. 1. Das Berufungsgericht unterstellt den Vortrag der Beklagten als
  69. richtig, sie habe Anfang August 1999 mit der Klägerin vereinbart, dass
  70. das hier streitgegenständliche Darlehen erst von ihr habe bedient werden müssen, wenn die Gesamtfinanzierung ausgereicht und das Unternehmen gemäß dem vorgelegten Konzept aufgenommen worden sei
  71. (Schriftsatz vom 14. März 2003 S. 2). Die Annahme des Berufungsge-
  72. -6-
  73. richts, die Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass auch bei Abschluss des Darlehensvertrages am 1. Oktober 1999 noch Einigkeit über
  74. eine Gesamtfinanzierung durch die Klägerin und über die Abhängigkeit
  75. der Rückzahlung des Kredits von der Betriebsaufnahme bestanden habe,
  76. ist nicht gerechtfertigt.
  77. a) Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2003 S. 4 ff. hat die Beklagte unter
  78. Beweisantritt vorgetragen, anlässlich der Unterzeichnung des Darlehensvertrages über 320.000 DM am 1. Oktober 1999 habe sie den Sachbearbeiter der Klägerin nach den weiteren Darlehen gefragt; dieser habe
  79. geantwortet, dazu bedürfe es anderer Formulare, die die Klägerin vorbereite; die Restfinanzierung werde in vier bis sechs Monaten "stehen". Die
  80. Vorinstanzen haben die angetretenen Beweise nicht erhoben. Für die
  81. Darstellung der Beklagten spricht, dass die Grundschuld am 5. Oktober
  82. 1999 über einen Betrag von 350.000 DM bestellt worden ist. Damit sollten nach dem Vortrag der Klägerin außer dem Darlehen vom 1. Oktober
  83. 1999 über 320.000 DM auch das ins Auge gefasste, von der Klägerin
  84. dann aber nicht beantragte weitere Darlehen aus dem Programm zur
  85. Minderung des Kohlendioxyd-Ausstoßes über 30.000 DM gesichert werden. Der Darlehensvertrag vom 1. Oktober 1999 sieht sogar noch eine
  86. Reihe zusätzlicher Sicherheiten vor (Verpfändung eines Depots, Abtretung von Bauspar- und Lebensversicherungsforderungen, Bürgschaft).
  87. b) Darüber hinaus hat die Beklagte im Schriftsatz vom 14. März
  88. 2003 S. 4 unter Beweisantritt vorgetragen, nachdem sie die von der Klägerin geforderten Ersatzsicherheiten an anderen Objekten abgelehnt hatte, sei bei weiteren Verhandlungen im August und September 1999 Einigkeit erzielt worden, dass die geforderten Sicherheiten auf andere
  89. -7-
  90. Weise erbracht werden könnten, u.a. indem das anzukaufende Grundstück über die erstrangige Grundschuld in Höhe von 350.000 DM hinaus
  91. belastet werde.
  92. c) Soweit das Berufungsgericht seiner Würdigung den Aktenvermerk der Klägerin vom 30. September 1999 zugrunde legt, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2003 S. 6 vorgetragen, der Mitarbeiter
  93. der Klägerin, der den Aktenvermerk aufgenommen hat, habe sie an dem
  94. fraglichen Tag zwar angerufen; eine Zurückstellung von Teilen des Gesamtprojekts sei aber in keiner Weise Thema dieses Gesprächs gewesen. Dem Beweisangebot der Klägerin, die sich auf die Aussage ihres
  95. Mitarbeiters bezogen hatte, sind die Vorinstanzen nicht nachgegangen.
  96. Des Weiteren hat die Beklagte in dem genannten Schriftsatz auf S. 1 f.
  97. unter Beweisantritt vorgetragen, der Klägerin sei auch aus Geschäftsbeziehungen mit dem Voreigentümer des zu erwerbenden Hofes bekannt
  98. gewesen, dass der landwirtschaftliche Betrieb allein ohne weitere Investitionen nicht genug für den Kapitaldienst abwerfen werde (bestritten in
  99. der Berufungserwiderung S. 8).
  100. d) Soweit das Berufungsgericht schließlich darauf abhebt, die Klägerin habe nicht von einem weiteren Finanzierungsbedarf der Beklagten
  101. ausgehen können, nachdem diese den Kaufpreis von 480.000 DM nur in
  102. Höhe von 320.000 DM mit Hilfe des Darlehens der Klägerin vom
  103. 1. Oktober 1999 und im Übrigen anderweit aufgebracht habe, wendet die
  104. Beschwerde mit Recht ein, aus diesen finanziellen Eigenleistungen der
  105. Beklagten habe nicht ohne weiteres geschlossen werden können, dass
  106. die Klägerin auch für die über den Kauf hinaus erforderlichen erheblichen Aufwendungen für Bau- und Sanierungsmaßnahmen, Beschaffung
  107. -8-
  108. von Betriebsinventar und Anlaufwerbung nicht auf die Beklagte angewiesen sei.
  109. 2. Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Den
  110. Beweisantritten beider Parteien wird nachzugehen sein. Erweist sich der
  111. Vortrag der Beklagten zu den im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag vom 1. Oktober 1999 und der Grundschuldbestellung vom 5. Oktober 1999 getroffenen Vereinbarungen als richtig, kann er für die Rechtsverteidigung der Beklagten Bedeutung erlangen. Von den nachzuholenden Feststellungen hängt insbesondere ab, ob und in welcher Höhe die
  112. Beklagte der Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus culpa in
  113. contrahendo oder positiver Vertragsverletzung entgegenhalten kann.
  114. Terno
  115. Dr. Schlichting
  116. Dr. Kessal-Wulf
  117. Seiffert
  118. Dr. Franke