You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

211 lines
9.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. III ZR 63/04
  5. Verkündet am:
  6. 11. November 2004
  7. Freitag
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BNotO § 14 Abs. 1 Satz 2; BeurkG § 40
  19. Zur Pflicht des Notars, bei der Beglaubigung einer Unterschrift, durch
  20. die ein vollmachtlos geschlossener Vertrag über die Gründung einer
  21. GmbH genehmigt wird, über drohende Haftungsrisiken zu belehren.
  22. BGH, Urteil vom 11. November 2004 - III ZR 63/04 - OLG Celle
  23. LG Stade
  24. - 2 -
  25. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 11. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
  27. für Recht erkannt:
  28. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats
  29. des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Dezember 2003 aufgehoben.
  30. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  31. über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand
  34. Der Beklagte beurkundete am 10. Oktober 1997 die Gründung der HAH.
  35. GmbH (im folgenden: HA-GmbH). Den Gesellschaftsvertrag schloß
  36. der Vater der Klägerin, der für sich selbst und als vollmachtloser Vertreter der
  37. Klägerin handelte. Die HA-GmbH wurde gegründet, um die Arbeitnehmer und
  38. die Aufträge der insolvent gewordenen HR-B.
  39. GmbH zu übernehmen. Mit von
  40. dem Beklagten beglaubigter Erklärung vom 22. Oktober 1997 genehmigte die
  41. Klägerin die Erklärungen ihres Vaters zur Gründung der HA-GmbH und erteilte
  42. - 3 -
  43. ihm nachträglich Vollmacht. Die HA-GmbH wurde bereits vor der Eintragung
  44. tätig. Sie machte Verlust und wurde ebenfalls insolvent. Der Konkursverwalter
  45. der HA-GmbH nahm die Klägerin als Gesellschafterin auf Zahlung der Stammeinlage und Ausgleich der Unterbilanz in Anspruch.
  46. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von
  47. 123.346,53 € nebst Zinsen wegen Verletzung notarieller Amtspflichten. Der
  48. Beklagte habe sie nicht hinreichend über die mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages verbundenen Haftungsrisiken belehrt.
  49. Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit
  50. der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag,
  51. die Klage abzuweisen, weiter.
  52. Entscheidungsgründe
  53. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
  54. und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  55. I.
  56. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
  57. Die notarielle Beurkundung des Gründungsvertrages der HA-GmbH, bei
  58. der die Klägerin durch ihren Vater vertreten gewesen sei, und die Beglaubi-
  59. - 4 -
  60. gung der Unterschrift, mit der die Klägerin die Vertretererklärung genehmigt
  61. habe, seien als ein einheitliches Amtsgeschäft zu betrachten. Diesbezüglich
  62. habe der Beklagte jedenfalls eine sogenannte erweiterte Belehrungspflicht gehabt. Ein besonderer Umstand, der eine solche Belehrungspflicht begründet
  63. habe, habe in der hier erfolgten "Vertragsaufspaltung" gelegen. Die Klägerin
  64. sei dadurch in die Gefahr geraten, als Gesellschafterin zu haften, ohne jemals
  65. belehrt worden zu sein. Wäre die Klägerin - was der Beklagte bei der Unterschriftsbeglaubigung pflichtwidrig versäumt habe - über das mit dem Abschluß
  66. des Gesellschaftsvertrages verbundene Haftungsrisiko belehrt worden, hätte
  67. sie die Genehmigung nicht erteilt. Es wäre nicht zur Gründung der HA-GmbH
  68. gekommen und die Klägerin hätte weder eine Einlage zu leisten gehabt noch
  69. auf Unterbilanzhaftung in Anspruch genommen werden können.
  70. II.
  71. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
  72. Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann die Klägerin von dem
  73. Beklagten nicht Schadensersatz wegen Verletzung notarieller Amtspflichten
  74. (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO) verlangen.
  75. 1.
  76. Zunächst ist klarzustellen, daß im Streitfall nicht ein "einheitliches Amts-
  77. geschäft", sondern zwei Amtsgeschäfte vorliegen, nämlich die Beurkundung
  78. des Gründungsvertrages der HA-GmbH am 10. Oktober 1997 und die Beglaubigung der Unterschrift der diesen Vertrag genehmigenden Klägerin am
  79. 22. Oktober 1997. Für die gegenteilige Auffassung nimmt das Berufungsgericht
  80. - 5 -
  81. zu Unrecht die in JW 1938, 889 veröffentlichte Entscheidung des Reichsgerichts in Anspruch. Dort ging es um die Beglaubigung von Unterschriften auf
  82. einem von dem Notar entworfenen Vertrag (vgl. RG aaO S. 890), nicht um die
  83. Genehmigung eines früher beurkundeten Vertrages.
  84. 2.
  85. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht
  86. angenommen werden, der Beklagte habe bei der Beglaubigung der Unterschrift, mit der die Klägerin den durch ihren Vater geschlossenen Gesellschaftsvertrag genehmigt hat, Belehrungspflichten verletzt.
  87. a) Bei der bloßen Beglaubigung einer Unterschrift (§ 40 BeurkG) trifft
  88. den Notar nur eine eingeschränkte Prüfungs- und Belehrungspflicht. Zu einer
  89. Rechtsbelehrung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet. Er muß lediglich prüfen,
  90. ob Gründe bestehen, seine Amtstätigkeit zu versagen (§ 40 Abs. 2 i.V.m. §§ 2
  91. bis 5 BeurkG), und die Beteiligten gegebenenfalls entsprechend unterrichten
  92. (Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung 2004 Rn. 1411
  93. m.w.N.). Etwas anderes, d.h. eine Rechtsbelehrungspflicht hinsichtlich der Bezugsurkunde, ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Bezugsurkunde von
  94. dem beglaubigenden Notar errichtet wurde. Andernfalls müßte er in jedem Fall
  95. einer Unterschriftsbeglaubigung nachforschen, ob die Bezugsurkunde von ihm
  96. stammt. Der Notar müßte sich deren Inhalt und rechtliche Tragweite wieder
  97. vergegenwärtigen. Praktisch müßte er sich in vielen Fällen wieder völlig neu
  98. einarbeiten. Im übrigen wäre das Haftungsrisiko, das sich daraus für den Notar
  99. ergäbe, mit der Gebühr für eine Beglaubigung ohne Entwurf nicht angemessen
  100. abgegolten (vgl. Ganter aaO).
  101. - 6 -
  102. b) Bei der Beglaubigung der Unterschrift, die die Klägerin unter die Genehmigungserklärung setzte, könnte den Beklagten allerdings eine an den
  103. Entwurf der Genehmigungserklärung knüpfende Belehrungspflicht wie bei einer
  104. zur Niederschrift aufgenommenen Urkunde getroffen haben; denn der Beklagte
  105. dürfte es übernommen haben, den Text der Genehmigungserklärung zu formulieren (vgl. BGHZ 125, 218, 226; Winkler, BeurkG 15. Aufl. 2003 § 40 Rn. 49).
  106. Die Belehrungspflicht (§ 17 Abs. 1 BeurkG) beträfe aber nur die rechtlichen
  107. Folgen der Genehmigungserklärung, d.h. das Wirksamwerden des Geschäfts,
  108. nicht den Inhalt und die Ausgestaltung des Vertretergeschäfts (vgl. BGHZ aaO
  109. 225 f). Die Verletzung einer solchen eingeschränkten Belehrungspflicht wird
  110. dem Beklagten jedoch nicht angelastet.
  111. c) Schließlich kann bei Unterschriftsbeglaubigungen (mit und ohne Entwurf) die betreuende Belehrungspflicht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) zum Schutz
  112. der Beteiligten vor unerkannten, aber für den Notar erkennbaren Gefahren eingreifen (vgl. Ganter aaO Rn. 1411 a.E.). Die besonderen Umstände, die hier
  113. bei der Unterschriftsbeglaubigung durch den Beklagten einen Hinweis auf die
  114. Unterbilanzhaftung geboten hätten, hat das Berufungsgericht darin gesehen,
  115. daß eine "Vertragsaufspaltung", d.h. ein nachträglich genehmigter Vertragsschluß durch einen vollmachtlosen Vertreter, stattgefunden habe. Dem kann
  116. indes nicht beigetreten werden. Nach der bestehenden Gesetzeslage (§ 6
  117. Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) ist der Schutz
  118. des Vertretenen bewußt nicht so ausgestaltet, als habe er selbst an der Beurkundung teilgenommen (vgl. BGHZ 125, 218, 225); denn Adressat der notariellen Belehrung sind nur die Beteiligten. Wenn der Vertretene aber das Rechtsgeschäft genehmigt (§ 184 Abs. 1 BGB), erklärt er damit zugleich, er lasse die
  119. dem Vertreter erteilte Belehrung gegen sich gelten. Es ist Sache des Vertrete-
  120. - 7 -
  121. nen, sich die erfolgte Belehrung von dem Vertreter erläutern zu lassen oder
  122. sich anderweitig zu informieren, bevor er das Geschäft genehmigt (vgl. Ganter
  123. aaO Rn. 1133).
  124. Besondere Umstände, die Anlaß zu einer eingehenden Belehrung über
  125. drohende Haftungsfolgen gegeben hätten, wären allerdings gegeben, wenn der
  126. Beklagte gewußt hätte, daß der Vater der Klägerin vor der Gründung der HAGmbH bereits mehrere, jeweils insolvent gewordene GmbHs "hatte" und die
  127. HA-GmbH als Auffanggesellschaft für eine solche insolvente GmbH dienen
  128. sollte. Dann nämlich hätte sich dem Beklagten aufdrängen müssen, daß auf
  129. Seiten der Klägerin eine - gegebenenfalls auf Informationen ihres Vaters beruhende - hinreichende Kenntnis der bestehenden beträchtlichen Haftungsrisiken
  130. nicht erwartet werden konnte. Diesbezügliche konkrete Feststellungen hat das
  131. Berufungsgericht nicht getroffen. Sie können insbesondere nicht - entgegen
  132. der von der Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
  133. vertretenen Ansicht - der allgemein gehaltenen Wendung des Berufungsgerichts entnommen werden, "der Beklagte habe bereits in der Klageerwiderung
  134. eingeräumt, daß ihm die Verhältnisse nicht ganz unbekannt waren".
  135. III.
  136. Das Berufungsgericht wird in der neuen mündlichen Verhandlung zu
  137. klären haben, ob der Beklagte die vorgenannten Umstände, die zur Gründung
  138. der HA-GmbH führten, kannte und deshalb über die Haftungsfolgen bei einer
  139. sofortigen Aufnahme der Geschäfte zu belehren hatte (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNo-
  140. - 8 -
  141. tO).
  142. - 9 -
  143. Gegebenenfalls wird dann auf die Frage der Rechtsbelehrungspflicht (§ 17
  144. Abs. 1 Satz 1 BeurkG) bei der Beurkundung des Gründungsvertrages und die
  145. weiteren Rügen der Revision einzugehen sein.
  146. Schlick
  147. Wurm
  148. Dörr
  149. Kapsa
  150. Galke