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194 lines
10 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZR 311/07
  4. vom
  5. 11. November 2008
  6. in dem Rechtsstreit
  7. - 2 -
  8. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2008 durch
  9. den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr, Dr. Herrmann, Wöstmann
  10. und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
  11. beschlossen:
  12. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 2007 - 1 U 138/07 - wird zurückgewiesen.
  13. Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Kläger zu 1
  14. 13,96 %, der Kläger zu 2 11,90 %, der Kläger zu 3 40,02 %, der
  15. Kläger zu 4 6,69 % und der Kläger zu 5 27,43 % zu tragen.
  16. Der Beschwerdewert wird auf 134.314 € festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. I.
  19. Die Kläger beteiligten sich - jeder für sich, aber teilweise zusammen mit
  20. 1
  21. ihren Ehepartnern - unter Vermittlung der T.
  22. in W.
  23. P.
  24. GmbH
  25. zwischen September 2000 und Dezember 2003 an einem von der
  26. GmbH (im Folgenden: P. GmbH) aufgelegten P.
  27. Managed Account. Bei dieser Anlage wurden Gelder von Anlegern gesammelt,
  28. - 3 -
  29. um auf deren gemeinsame Rechnung Handel mit Termingeschäften zu betreiben. Im Jahr 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
  30. P. GmbH eröffnet. Der seit 1990 für diese Gesellschaft, später als deren Mitgeschäftsführer tätige M.
  31. wurde im Jahr 2006 wegen Betruges in Tateinheit mit
  32. Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt. Der Beklagte, ein Wirtschaftsprüfer, prüfte im Auftrag der Gesellschaft seit 1997 deren Jahres- und Konzernabschlüsse nach §§ 316 ff HGB
  33. sowie die Einhaltung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach § 36 WpHG
  34. und erteilte, da seine Prüfungen zu keinen Beanstandungen führten, Bestätigungsvermerke. Dass M.
  35. Fälschungen vorgenommen hatte, die sich auf ein
  36. in Wirklichkeit nicht bestehendes Konto bei einer Brokergesellschaft bezogen,
  37. bemerkte der Beklagte bei seinen Prüfungen nicht.
  38. 2
  39. Die Kläger nehmen den Beklagten wegen des Verlustes ihrer eingezahlten Beträge auf Schadensersatz in Anspruch, weil sich der Beklagte in einem
  40. Telefongespräch mit der Vermittlerin im Oktober 2000 positiv über die Seriosität
  41. der P. GmbH geäußert und angeboten habe, Prüfberichte und Testate zum
  42. Zwecke der Weiterleitung an ihre Kunden zu übermitteln. In den Beratungsgesprächen habe die Vermittlerin hierauf Bezug genommen und - soweit vorhanden - Prüfberichte des Beklagten vorgelegt, die Grundlage für die Anlageentscheidung der Kläger geworden seien.
  43. 3
  44. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde
  45. erstreben die Kläger die Zulassung der Revision.
  46. - 4 -
  47. II.
  48. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
  49. 4
  50. Die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfordert die
  51. Eröffnung eines Revisionsverfahrens nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
  52. 5
  53. 1.
  54. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, unter welchen näheren
  55. Voraussetzungen die Haftung eines Wirtschaftsprüfers, der mit der Pflichtprüfung einer Gesellschaft nach §§ 316 ff HGB betraut ist, Dritten gegenüber in
  56. Betracht kommt (vgl. BGHZ 138, 257; 167, 155). Danach gilt grundsätzlich,
  57. dass der Abschlussprüfer für Fehler nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist,
  58. auch diesem gegenüber, nicht jedoch den Anteilseignern und sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist (vgl. BGHZ 138, 257, 259 f). Die Bestimmung des § 323 HGB schließt
  59. zwar nicht von Rechts wegen aus, dass für den Abschlussprüfer auf vertraglicher Grundlage auch eine Schutzpflicht gegenüber dritten Personen begründet
  60. werden kann (BGHZ aaO S. 260 f). An die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich sind jedoch strenge Anforderungen
  61. zu stellen (BGHZ 167, 155, 162 ff Rn. 13). Da Bestätigungsvermerken nach
  62. § 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und
  63. ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben,
  64. dies den Gesetzgeber aber nicht veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, genügt es für die Annahme einer
  65. Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich allein nicht, dass ein Dritter die
  66. von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur
  67. - 5 -
  68. Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte. Der
  69. Senat hat daher namentlich Bedenken gegen eine stillschweigende Ausdehnung der Haftung auf Dritte geäußert und es hierfür grundsätzlich für erforderlich gehalten, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (vgl. BGHZ 167, 155, 166
  70. Rn. 15).
  71. 6
  72. 2.
  73. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das
  74. Berufungsgericht eine vertragliche Haftung des Beklagten verneint hat.
  75. 7
  76. a) Unmittelbare vertragliche Beziehungen bestanden zwischen den Parteien nicht, auch nicht auf der Grundlage eines Auskunftsvertrags. Die Beschwerde beanstandet auch nicht die Feststellung des Berufungsgerichts, dass
  77. sich aus dem Prüfvertrag der P. GmbH mit dem Beklagten keine Schutzwirkungen zugunsten der beitretenden Anleger ergaben.
  78. 8
  79. b) Die Beschwerde möchte den telefonischen Kontakten der Vermittlerin
  80. mit dem Beklagten im Oktober 2000 entnehmen, dass insoweit ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, in den alle - auch künftige - Kunden der Vermittlerin einbezogen worden seien. Insoweit hält sie die Zulassung der Revision
  81. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Rechtsfortbildung für
  82. erforderlich.
  83. 9
  84. Es ist schon zweifelhaft, was die Beschwerde aber ohne weiteres unterstellt, ob dem Telefongespräch von Oktober 2000 ein Auskunftsvertrag zwischen der Vermittlerin und dem Beklagten entnommen werden kann. Das Berufungsgericht hat dies nach dem Verständnis des Senats nicht etwa bejaht, son-
  85. - 6 -
  86. dern ist sofort auf die Frage eingegangen, ob sich aus diesem Gespräch
  87. Schutzwirkungen für die Kunden der Vermittlerin ergeben konnten. Dies hat es
  88. auf der Grundlage seiner nachvollziehbaren Würdigung, die Vermittlerin habe
  89. nicht nur an die Einbeziehung von etwa 100 bis 200 Kunden aus dem vorhandenen Kundenkreis, sondern von weiteren neuen Kunden gedacht, rechtsfehlerfrei verneint. Die Beschwerde macht zwar unter Bezugnahme auf die Urteile
  90. des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997 (X ZR
  91. 144/94 - NJW 1998, 1059, 1062) und vom 20. April 2004 (X ZR 250/02 - BGHZ
  92. 159, 1, 10) geltend, die Einbeziehung setze nicht voraus, dass die Zahl und
  93. Namen der zu schützenden Dritten von vornherein feststünden und dass der
  94. Schuldner sie kenne. Die Fallgestaltungen, die jenen Entscheidungen zugrunde
  95. lagen, sind indes nicht vergleichbar. In der Sache X ZR 144/94 ging es um die
  96. Einbeziehung eines (unbekannten) Bürgen, ohne dass damit eine Vervielfältigung des Risikos verbunden war, während in der Sache X ZR 250/02 der Wert
  97. des als Sicherheit vorgesehenen Grundstücks das Risiko des als Gutachter
  98. herangezogenen Sachverständigen begrenzte.
  99. 10
  100. Demgegenüber ist für die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich,
  101. dass eine Dritthaftung des Pflichtprüfers nur unter strengen Voraussetzungen
  102. angenommen werden kann (siehe oben 1). Das ist auch bei der Prüfung der
  103. Frage von Bedeutung, ob im Rahmen eines Auskunftsvertrags von einem
  104. Pflichtprüfer, der wenig mehr bestätigt, als dass er eine Prüfung vorgenommen
  105. und dass diese - bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt - keine Beanstandungen ergeben hat, billigerweise erwartet werden kann, er wolle gegenüber
  106. einer Vielzahl ihm nicht bekannter Kunden einer Vermittlerin für die Seriosität
  107. des geprüften Unternehmens eintreten (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember
  108. 2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611, 612 Rn. 12). Es wäre ein Verstoß
  109. gegen die gesetzliche Wertung des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, wenn man unter
  110. - 7 -
  111. den hier gegebenen Umständen annehmen wollte, der Pflichtprüfer übernehme
  112. ohne besonderen Anlass und ohne Gegenleistung - gewissermaßen in doppelter Hinsicht konkludent - sowohl die Begründung als auch die mögliche Vervielfältigung seiner Haftung.
  113. Unter diesen Umständen ist auch kein Raum für die Überlegung der Be-
  114. 11
  115. schwerde, es komme ferner ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus
  116. Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht.
  117. 12
  118. 3.
  119. Soweit es um eine mögliche deliktische Verantwortlichkeit des Beklagten
  120. geht, hat das Berufungsgericht zwar erwogen, dem Beklagten könne bei seinen
  121. Prüfungen grobe Leichtfertigkeit zur Last gefallen sein und er möge eine Schädigung von Anlegern billigend in Kauf genommen haben. § 826 BGB setze Sittenwidrigkeit aber gerade im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten voraus. Die Kläger behaupteten nicht, dass sie zu dem Personenkreis gehörten, der auf die nach Publizitätsvorschriften offen gelegten Bestätigungsvermerke vertraut habe.
  122. 13
  123. Ob dies in Einklang damit steht, dass den Klägern nach ihrem Vortrag
  124. über die Vermittlerin Kopien von verschiedenen Bestätigungsvermerken vorgelegt worden sein sollen, mag auf sich beruhen. Denn die angefochtene Entscheidung wird von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Kläger hätten
  125. nicht bewiesen, dass der Beklagte das Bewusstsein gehabt habe, seine künftigen, nach Oktober 2000 zu erstellenden Prüfberichte und Testate würden
  126. - entgegen den Vereinbarungen mit der P. GmbH - als Argumentationshilfe bei
  127. Verhandlungen mit Anlageinteressenten eingesetzt.
  128. - 8 -
  129. 14
  130. 4.
  131. Auch die weiter erhobenen Rügen der Beschwerde erfordern eine Zulas-
  132. sung der Revision nicht. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544
  133. Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
  134. Schlick
  135. Dörr
  136. Wöstmann
  137. Herrmann
  138. Harsdorf-Gebhardt
  139. Vorinstanzen:
  140. LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.02.2007 - 2/25 O 236/06 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.11.2007 - 1 U 138/07 -