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  1. BGHR: ja
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. III ZR 125/14
  5. vom
  6. 18. Dezember 2014
  7. in dem Rechtsstreit
  8. - 2 -
  9. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2014 durch
  10. den
  11. Vizepräsidenten
  12. Schlick
  13. und
  14. die
  15. Richter
  16. Wöstmann,
  17. Tombrink,
  18. Dr. Remmert und Reiter
  19. beschlossen:
  20. Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats
  21. des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2014
  22. gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
  23. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  24. über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht
  25. zurückverwiesen.
  26. Gründe:
  27. I.
  28. 1
  29. Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung im Rahmen seiner Notaraufsicht in Anspruch. Sie hatte auf
  30. Grundlage eines Generalunternehmervertrags durch zwei Überweisungen eine
  31. Erfüllungssicherheit in Höhe von 250.000 € an einen Auftraggeber geleistet, der
  32. danach insolvent wurde. Zuvor hatte ihr der Notar Dr. L.
  33. , der den Auftrag-
  34. geber und dessen Gesellschaft auch anwaltlich betreute, unter dem 29. April
  35. 2005 unzutreffend bestätigt, ihm liege die Kreditzusage einer europäischen
  36. Bank über 9,2 Mio. € vor, von denen 6 Mio. € für den Generalunternehmervertrag vorgesehen seien.
  37. - 3 -
  38. 2
  39. Wegen dieses Vorfalls wurde der Notar wegen einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung zum Schadensersatz verurteilt. Mit der vorliegenden Klage
  40. macht die Klägerin weiteren Schadensersatz geltend. Nach ihrer Ansicht hätten
  41. die Bediensteten des Beklagten die ihr gegenüber bestehenden Amtspflichten
  42. dadurch verletzt, dass sie den erkennbar in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebenden Notar nicht vorläufig seines Amtes enthoben hätten, bevor dieser die falsche Bestätigung hätte abgeben können. Zur Ermittlung der Vermögensverhältnisse und zu einer vorläufigen Amtsenthebung habe spätestens Anlass bestanden, nachdem die Aufsichtsbehörde am 23. August 2004 von einem
  43. gegen den Notar ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfahren habe. Im Grundbuch (Abteilung III) waren bezüglich des Miteigentumsanteils des Notars Dr. L.
  44. markung K.
  45. an dem Grundstück Flur 5 Flurstück 226/13 der Ge-
  46. unter anderem folgende Eintragungen enthalten:
  47. - Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in
  48. Höhe von 4.935,13 € für W.
  49. Bedachungen GmbH, eingetragen
  50. am 30. April 2002,
  51. - Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in
  52. Höhe von 12.224,54 € sowie einer Kostenpauschale von 237 € für
  53. E.
  54. Z.
  55. GmbH, eingetragen am 21. März 2003,
  56. - Zwangssicherungshypothek in Höhe von 109.178,37 € für das Land
  57. H.
  58. (Finanzamt K.
  59. ), eingetragen am 1. September 2003,
  60. - Zwangssicherungshypothek in Höhe von 8.373,89 € für I.
  61. und Betonsteinwerk GmbH, eingetragen am 18. Mai 2004.
  62. Natur-
  63. - 4 -
  64. 3
  65. Neben der Mitteilung über den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erhielt das beklagte Land am 23. August 2004 Kenntnis von
  66. einem Schreiben des Gläubigers, woraus sich ergab, dass der Pfändungs- und
  67. Überweisungsbeschluss als gegenstandslos zu betrachten sei. Der Gläubiger
  68. hatte den Titel seinerzeit jedoch noch nicht an den Notar zurückgegeben.
  69. 4
  70. Dem Präsidenten des Landgerichts als Notaraufsichtsbehörde wurden
  71. am 18. Juli 2006 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehrerer Gläubiger gegen
  72. den Notar bekannt. Nach einer persönlichen Anhörung wurde der Notar im Oktober 2006 vorläufig des Amtes enthoben.
  73. 5
  74. Die Klägerin macht geltend, dass der Präsident des Landgerichts K.
  75. bereits vor dem 23. August 2004 Kenntnis von den Grundbucheintragungen zu
  76. Lasten des Notars erhalten habe und deshalb schon zuvor Anlass gehabt habe,
  77. den Notar zumindest vorläufig seines Amtes zu entheben, so dass es zu der
  78. vorsätzlichen Schädigung zu Lasten der Klägerin nicht gekommen wäre.
  79. 6
  80. Die Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung ist erfolglos gewesen. Das Berufungsgericht hat die Revision
  81. nicht zugelassen, wogegen sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet.
  82. - 5 -
  83. II.
  84. 7
  85. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg und
  86. führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
  87. Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Recht der Klägerin
  88. auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
  89. 8
  90. 1.
  91. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  92. für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Der Schutzzweck der Pflicht zur Enthebung eines Notars seines Amtes nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO umfasse auch den hier eingetretenen
  93. Schaden infolge der falschen Bestätigung, die dieser abgegeben habe.
  94. 9
  95. Gleichwohl sei die Klage unbegründet, weil der Präsident des Landgerichts keine die Klägerin schützende Amtspflicht verletzt habe. Die Notaraufsicht
  96. diene grundsätzlich allgemeinen Interessen und nicht dem Schutz einzelner
  97. Dritter. Dies ändere sich jedoch, wenn der Aufsichtsbehörde Verdachtsgründe
  98. bekannt würden, die Anlass für eine Einleitung einer (vorläufigen) Amtsenthebung gäben. Ein solcher Ausnahmefall sei nicht gegeben. Der Präsident des
  99. Landgerichts habe vor dem 29. April 2005 keine Kenntnis von Tatsachen erhalten, die ihn zu einer derartigen Maßnahme hätten veranlassen müssen. Die
  100. Klägerin sei beweisfällig dafür, dass dem Präsidenten des Landgerichts K.
  101. oder von ihm mit der Notaraufsicht betrauten Personen so frühzeitig zureichende Anhaltspunkte für eine zu beanstandende Wirtschaftsführung des Notars
  102. vorgelegen hätten, so dass er diesen vor dem 29. April 2005 vorläufig seines
  103. Amtes hätte entheben müssen. Die Behauptung der Klägerin, der Prüfungsbeauftragte des Beklagten habe Kenntnis von den vier Zwangsvollstreckungs-
  104. - 6 -
  105. maßnahmen in den Grundbesitz des Notars gehabt, sei unbeachtlich, da sie
  106. ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt worden sei. Der Beklagte habe unwiderlegt behauptet, die Eintragung und die ihm zugrunde liegenden Verfahren seien
  107. ihm nicht mitgeteilt worden. Die Mitteilungspflichten gehörten noch in den im
  108. allgemeinen Interesse ausgeführten Bereich der Aufsichtstätigkeit ohne Drittschutz. Der Präsident des Landgerichts K.
  109. habe allerdings am 23. August
  110. 2004 von einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Notar
  111. Kenntnis erhalten. Die Durchführung dieser Zwangsvollstreckungsmaßnahme
  112. habe aber keine Bedenken gegen die Art der Wirtschaftsführung des Notars
  113. hervorgerufen. Der Präsident des Landgerichts habe ein Schreiben des vollstreckenden Gläubigers erhalten, das die Vollstreckung als gegenstandslos
  114. ausgewiesen habe. Die Kenntnis einer einzigen, sich auch ohne Rückgabe des
  115. Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und des Vollstreckungstitels wirtschaftlich als erledigt darstellende Vollstreckungsmaßnahme habe noch keinen
  116. hinreichenden Anlass dazu geboten, die Art der Wirtschaftsführung des Notars
  117. und seine Vermögensverhältnisse einer näheren Überprüfung zu unterziehen,
  118. indem etwa der Notar zu einer umfassenden Darstellung seiner Vermögensverhältnisse angehalten wird und seinen Grundbesitz betreffende Grundbuchauszüge eingeholt werden.
  119. 10
  120. 2.
  121. Mit Erfolg macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht ihr
  122. Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, weil es ihren Vortrag zur Kenntnis des
  123. Präsidenten des Landgerichts K.
  124. über die Zwangsvollstreckungsmaßnah-
  125. me in den Grundbesitz des Notars nicht berücksichtigt und die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben habe.
  126. - 7 -
  127. 11
  128. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt
  129. gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet.
  130. Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen
  131. an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober
  132. 2014 - VIII ZR 34/14, WuM 2014, 741 Rn. 13 mwN). Danach kann insbesondere auch die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Vortrags und des dazu
  133. angebotenen Beweises für eine erhebliche Tatsache als "ins Blaue hinein aufgestellt" Art. 103 Abs. 1 GG verletzen. So liegt der Fall hier.
  134. 12
  135. a) Das Berufungsgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, dass die Kenntnis der Vollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz des Notars Anlass dazu gegeben hätten, dessen Vermögenssituation zu
  136. überprüfen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen der Amtsenthebung eines Notars
  137. nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO. Nach dieser Vorschrift ist der Notar seines
  138. Amtes zu entheben, wenn die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der
  139. Rechtsuchenden gefährdet. Dies ist gegeben, wenn Gläubiger gezwungen sind,
  140. wegen berechtigter Forderungen gegen den Notar Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Das gilt auch dann, wenn sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse im
  141. Einzelfall nicht feststellen lassen. Denn es ist bereits als solches nicht hinzunehmen, dass der Notar in eine derartige Lage gerät. Für die Voraussetzungen
  142. des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO ist es unbeachtlich, wenn Zwangsvollstreckungsaufträge nicht mehr zu Vollstreckungsmaßnahmen führen, weil der Notar
  143. die zugrundeliegenden Ansprüche zuvor befriedigt hat (vgl. st. Rspr. BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ [Brfg] 17/13, DNotZ 2014, 548 Rn. 3 f mwN).
  144. Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  145. geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Verletzung einer drittgerichteten
  146. - 8 -
  147. Amtspflicht vorliegen kann, wenn ein auf die Amtsenthebung des Notars gerichtetes Verfahren nicht eingeleitet und nicht sachgerecht durchgeführt wird, etwa
  148. weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden und die Behörde bei
  149. Ausübung der Dienstaufsicht oder sonstwie eine durch bestimmte und nachprüfbare Tatsachen belegte Kenntnis solcher belastender Umstände erhält, die
  150. bei pflichtgemäßer Würdigung Anlass zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens geben (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1997 - III ZR 204/96, BGHZ 135,
  151. 354, 358).
  152. 13
  153. b) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Anforderungen
  154. überspannt und den Vortrag zur Kenntnis des Präsidenten des Landgerichts
  155. beziehungsweise seiner Prüfungsbeauftragten und die dazu ergangenen Beweise zu Unrecht zurückgewiesen. Eine Partei genügt nach höchstrichterlicher
  156. Rechtsprechung ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das
  157. Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der
  158. Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (BGH, Beschluss vom
  159. 2. Juni 2008 - II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 Rn. 2). Es kann von der Klägerin im vorliegenden Fall nicht verlangt werden, sie müsse im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher Mitteilung der Präsident des Landgerichts Kenntnis erhalten haben könnte, da diese Mitteilung nicht aus ihrem Geschäfts- oder Verantwortungsbereich stammte. Die Tatsachen, die der Beklagte durch die Mitteilung zur Kenntnis erhalten haben sollte, sind inhaltlich klar abgegrenzt und individualisiert. Darüber hinaus hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen,
  160. dass nach XXIII der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen unter anderem
  161. jede gegen einen Notar ergriffene Zwangsvollstreckungsmaßnahme der zu-
  162. - 9 -
  163. ständigen Notarkammer und dem Präsidenten des zuständigen Landgerichts zu
  164. melden ist. Bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung dieser Mitteilungspflicht wäre
  165. eine entsprechende Kenntnisnahme der die Notaraufsicht ausübenden Stelle
  166. von den mitgeteilten Tatsachen zu erwarten gewesen. Ausgehend hiervon
  167. macht die Beschwerde zu Recht darauf aufmerksam, dass die Klägerin durchaus einen hinreichenden Anhalt für ihr Vorbringen hat. Weiteren Vortrags dazu,
  168. wie der Präsident des Landgerichts oder seine Prüfungsbeauftragten Kenntnis
  169. hätten erhalten können, bedurfte es nicht.
  170. 14
  171. 3.
  172. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Für die neue Verhandlung
  173. weist der Senat auf Folgendes hin:
  174. 15
  175. a) Entgegen der Auffassung der Klägerin gab nicht bereits die Kenntnis
  176. vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss Anlass, gegen den Notar mit dem
  177. Ziel einer zumindest vorläufigen Amtsenthebung vorzugehen. Das Berufungsgericht ist insoweit in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung davon ausgegangen, dass aufgrund des vorgelegten Gläubigerschreibens zum Zeitpunkt der
  178. Kenntnisnahme diese Vollstreckungsmaßnahme bereits hinfällig geworden war.
  179. 16
  180. b) Sollte der Klägerin nicht der Nachweis gelingen, dass die Notaraufsichtsbehörde von den gegen den Notar ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Kenntnis erlangt hat, so genügte, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, allein der Umstand, dass die den Notar betreffenden
  181. Vorgänge entgegen den Vorgaben der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen den Notaraufsichtsbehörden nicht mitgeteilt wurden, nach den vom Senat
  182. in dem Urteil vom 15. Mai 1997 (III ZR 204/96, BGHZ 135, 354) aufgestellten
  183. - 10 -
  184. Kriterien nicht, eine Amtshaftung des beklagten Landes gegenüber der Klägerin
  185. zu begründen.
  186. Schlick
  187. Wöstmann
  188. Remmert
  189. Tombrink
  190. Reiter
  191. Vorinstanzen:
  192. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.05.2012 - 2-4 O 475/11 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 31.03.2014 - 1 U 132/12 -