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17 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZB 22/17
  4. vom
  5. 20. November 2018
  6. in dem Zwischenstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. ja
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 385 Abs. 1 Nr. 4
  14. a) Vor Vernehmung eines Zeugen müssen die Voraussetzungen des § 385 Abs. 1
  15. Nr. 4 ZPO nicht bewiesen oder unstreitig sein. Es reicht insoweit der schlüssige
  16. Vortrag des Beweisführers aus.
  17. b) Der vollmachtslose Vertreter unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 385
  18. Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
  19. c) In einem Prozess eines Gläubigers auf Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle ist der Insolvenzschuldner nicht Rechtsvorgänger des beklagten Insolvenzverwalters im Sinne des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Die Vorschrift ist auch nicht
  20. analog auf den Insolvenzschuldner anwendbar.
  21. BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - II ZB 22/17 - LG Köln
  22. AG Köln
  23. ECLI:DE:BGH:2018:201118BIIZB22.17.0
  24. -2-
  25. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2018 durch den
  26. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, die Richter Wöstmann, Sunder,
  27. Dr. Bernau und die Richterin B. Grüneberg
  28. beschlossen:
  29. Auf die Rechtsbeschwerde des Zeugen wird der Beschluss
  30. der 34. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Juli 2017
  31. aufgehoben und neu gefasst.
  32. Auf die sofortige Beschwerde des Zeugen wird das
  33. Zwischenurteil des Amtsgerichts Köln vom 2. Januar 2017
  34. abgeändert. Der Zeuge ist berechtigt, nach § 384 Nr. 1 ZPO
  35. das Zeugnis zu verweigern.
  36. Die Kosten des Zwischenstreits trägt die Klägerin.
  37. Der Streitwert wird auf 2.627,95 € festgesetzt.
  38. Gründe:
  39. 1
  40. I. Die Klägerin ist Betreiberin der M.
  41. Unternehmensverbund der R.
  42. R.
  43. klinik in K.
  44. und gehört zum
  45. Gruppe, die unter der Leitung der
  46. GmbH Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen
  47. betreibt. Über das Vermögen des Zeugen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte des Hauptsacheverfahrens als Insolvenzverwalter bestellt.
  48. -3-
  49. Die Klägerin hat eine Forderung in Höhe von 2.627.954,69 € zur Insolvenztabelle angemeldet, die vom Beklagten bestritten worden ist. Die Klägerin hat im
  50. Hauptsacheverfahren behauptet, der Beschwerdeführer habe innerhalb der
  51. R.
  52. Gruppe als faktischer Geschäftsführer der an der Gruppe beteiligten
  53. Gesellschaften, darunter auch der Klägerin, gehandelt. Auf seine Veranlassung
  54. seien in den Jahren 2006 und 2007 aus dem Vermögen der Klägerin Beträge in
  55. Höhe der angemeldeten Forderung unberechtigt abgeflossen. Der Zeuge habe
  56. dabei die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt, zu deren Verletzung angestiftet oder Beihilfe geleistet. Die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen beruhten auf einem Anspruch aus unerlaubter Handlung nach
  57. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 266, 26, 27 StGB. Ein gegen den Beschwerdeführer gerichtetes Strafverfahren ist zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen. Die
  58. Klägerin hat zum Beweis ihrer Behauptung, dass der Zeuge die Anweisungen
  59. zur Ausführung bargeldloser Zahlungen aus dem Vermögen u.a. der Klägerin
  60. unter dem Verwendungszweck "bekannt" ohne geschäftliche Veranlassung erteilt habe, dessen Vernehmung beantragt. Er hat sich nach Abschluss des
  61. Strafverfahrens auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO berufen.
  62. 2
  63. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sich der Zeuge nicht auf
  64. ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO berufen könne, da ihm
  65. kein unmittelbarer Schaden drohe. Die Ausnahmevorschrift des § 385 Abs. 1
  66. Nr. 4 ZPO greife nicht ein, da der Zeuge als faktischer Geschäftsführer gehandelt habe.
  67. 3
  68. Das Amtsgericht hat die Zeugnisverweigerung des Zeugen für unrechtmäßig erklärt.
  69. -4-
  70. 4
  71. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Zeugen ist vom
  72. Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Landgericht zugelassenen
  73. Rechtsbeschwerde verfolgt der Zeuge sein Begehren auf Feststellung der
  74. Rechtmäßigkeit seiner Zeugnisverweigerung weiter.
  75. 5
  76. II. Die Rechtsbeschwerde des Zeugen hat Erfolg.
  77. 6
  78. 1. Das Landgericht hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von
  79. Bedeutung - ausgeführt, dass dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht
  80. nach § 384 Nr. 1 ZPO dem Grunde nach zustehe. Nach dieser Vorschrift müsse
  81. als Folge der Aussage ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden drohen.
  82. Diese Voraussetzungen lägen vor. Die Fragen zu den streitgegenständlichen
  83. Vermögensverschiebungen ermöglichten es der Klägerin, Ansprüche gegen
  84. den Zeugen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB geltend zu machen.
  85. Hinzu komme, dass diese Forderung von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen wäre, wenn zusätzlich festgestellt würde, dass sie aus unerlaubter
  86. Handlung resultiere.
  87. 7
  88. Es greife jedoch hier die Ausnahmevorschrift des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO
  89. ein. Als Vertreter im Sinne von § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sei der Vertreter im
  90. Rechtssinne zu verstehen. Die Vorschrift sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und dürfe nur dann angewendet werden, wenn ihre Voraussetzungen
  91. nach ihrem Sinn und Wortlaut eindeutig gegeben seien. Hier sei jedoch von
  92. Bedeutung, dass nach dem Vortrag der Klägerin deren Schadensersatzansprüche gerade daraus folgen sollten, dass der Zeuge ohne bzw. über die Grenzen
  93. seiner etwaigen Vertretungsmacht hinaus veruntreuend tätig geworden sein
  94. solle. Aus dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift folge, dass
  95. auch der vollmachtlose Vertreter zum Zeugnis verpflichtet sei. Vertreter im Sin-
  96. -5-
  97. ne der Vorschrift sei grundsätzlich auch derjenige, der im Rechtsverkehr eine
  98. eigene Willenserklärung in fremden Namen abgebe. Ob dies mit rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Vertretungsmacht geschehe, sei erst in einem
  99. zweiten Schritt zu prüfen und nicht entscheidend für die Eigenschaft als Vertreter. Hierfür spreche der Wortlaut des § 179 BGB. Entscheidend sei, dass der
  100. Zweck des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO weitgehend leerliefe, würde man ihn nur auf
  101. den Vertreter mit Vertretungsmacht anwenden und damit dem Vertreter ohne
  102. Vertretungsmacht ein Zeugnisverweigerungsrecht zubilligen. § 385 Abs. 1 Nr. 4
  103. ZPO erfasse auch den Fall, dass ein Vertreter außerhalb der Grenzen seiner
  104. Vertretungsmacht tätig geworden sei. Dass der Zeuge in diesem Sinne tätig
  105. geworden sei, habe die Klägerin schlüssig dargelegt, weil der Zeuge Mitarbeiter
  106. angewiesen haben solle, bestimmte Beträge vom Konto der Klägerin auf andere Konten zu überweisen und er eine eigene Willenserklärung im Namen der
  107. Klägerin im Rechtsverkehr in der Absicht abgegeben habe, mit Wirkung für die
  108. Klägerin zu handeln. Es reiche aus, dass die beweisführende Partei die Voraussetzungen des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schlüssig vortrage.
  109. 8
  110. 2. Die Entscheidung des Landgerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
  111. 9
  112. a) Dem Zeugen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384
  113. Nr. 1 ZPO im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragenen beweisbedürftigen Behauptungen zu, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.
  114. 10
  115. b) Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält jedoch die Auffassung
  116. des Landgerichts, der Zeuge könne sich nach § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht auf
  117. das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO berufen, weil er als
  118. -6-
  119. vollmachtloser Vertreter einer Partei auf das streitige Rechtsverhältnis sich beziehende Handlungen vorgenommen haben soll.
  120. 11
  121. aa) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht noch davon ausgegangen, dass
  122. es nicht darauf ankommt, dass die Voraussetzungen des § 385 Abs. 1
  123. Nr. 4 ZPO vor Vernehmung des Zeugen bereits bewiesen oder unstreitig sein
  124. müssen. Es reicht insoweit der schlüssige Vortrag des Beweisführers aus
  125. (RGZ 53, 117; RG, JW 1911, 489 Nr. 15; OLG Celle, SeuffA 1896 Nr. 231;
  126. MünchKommZPO/Damrau, 5. Aufl., § 385 Rn. 5; Stein/Jonas/Berger, ZPO,
  127. 23. Aufl., § 385 Rn. 7). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 385 Abs. 1
  128. Nr. 4 ZPO ("vorgenommen sein sollen"). Macht der Zeuge jedoch bei seiner
  129. Vernehmung geltend, nicht als Vertreter des Klägers oder Rechtsvorgängers
  130. gehandelt zu haben, und wird dies nicht durch andere Umstände belegt, kann
  131. er es dann ablehnen, sich weiter zur Sache vernehmen zu lassen (OLG Celle,
  132. SeuffA 1896 Nr. 231; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 385 Rn. 7;
  133. MünchKommZPO/Damrau, 5. Aufl., § 385 Rn. 5; a.A. Wieczorek/Schütze/
  134. Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 385 Rn. 37). Dass die Klägerin schlüssig ein vollmachtloses Handeln des Zeugen behauptet hat, stellt die Rechtsbeschwerde nicht in
  135. Frage.
  136. 12
  137. bb) Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält jedoch die Auffassung
  138. des Landgerichts, auch der vollmachtlose Vertreter unterfalle dem Begriff des
  139. Vertreters im Sinne des § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
  140. 13
  141. Vertreter nach dieser Norm ist nur derjenige, der im Namen der Partei
  142. oder für die Partei gehandelt hat, so dass diese dessen Handlung als die ihrige
  143. gelten lässt oder gelten lassen muss. Diese Auslegung entspricht dem Willen
  144. des historischen Gesetzgebers (RGZ 13, 355, 357; RG, Gruchot 48, 1102,
  145. -7-
  146. 1104; RG, JW 1911, 489 Nr. 15; OLG Köln, NJW 1955, 1561; OLG München,
  147. OLGR 1996, 242; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 4. Aufl., § 385 Rn. 32;
  148. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 385 Rn. 5; weitergehend Musielak/Voit/Huber,
  149. ZPO, 15. Aufl., § 385 Rn. 5; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 385 Rn. 6;
  150. MünchKommZPO/Damrau, 5. Aufl., § 385 Rn. 5; offengelassen von OLG
  151. Hamm, OLGRspr. 40, S. 377). Aus den Materialien zum Erlass der Zivilprozessordnung ergibt sich, dass der historische Gesetzgeber den im heutigen
  152. § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO verwendeten Begriff des Vertreters einer Partei (§ 338
  153. Abs. 1 Nr. 4 CPO-E) so gebraucht hat, dass er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sei. Unter "Vertreter" sei nur derjenige zu verstehen, für dessen Handlung die Partei hafte (Hahn, Die gesamten Materialen
  154. zu den Reichsjustizgesetzen, 2. Bd., S. 312, 335, 332; vgl. RGZ 13, 355,
  155. 356 f.). Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers wird deshalb der vollmachtlose Vertreter nicht von § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfasst (vgl. RG,
  156. JW 1911, 489 Nr. 15; RGZ 47, 430, 433). Dies entspricht auch dem Sinn und
  157. Zweck der Regelung. Der Vertreter soll über Handlungen aussagen, die sich
  158. auf das streitige Rechtsverhältnis beziehen und die er als Vertreter einer Partei
  159. vorgenommen hat. Wenn er als vollmachtloser Vertreter gehandelt hat und
  160. auch später keine Genehmigung seiner Vertretung erklärt wurde, verpflichten
  161. seine Rechtshandlungen die von ihm vertretene Partei nicht. Regelmäßig werden sie aber dann nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung für den
  162. Rechtsstreit über das streitige Rechtsverhältnis sein.
  163. 14
  164. cc) Die Entscheidung des Landgerichts stellt sich auch nicht aus anderen
  165. Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist auch
  166. nicht anwendbar, weil der Zeuge Rechtsvorgänger der beklagten Partei des
  167. Hauptsacheverfahrens sei. Das Landgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt
  168. aus diese Frage nicht geprüft. Sie ist jedoch zu verneinen.
  169. -8-
  170. 15
  171. Die beklagte Partei des Hauptsacheverfahrens ist der Insolvenzverwalter, der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zeugen bestellt worden
  172. ist. Er ist deshalb als beklagte Partei des Hauptsacheverfahrens als Partei kraft
  173. Amtes tätig.
  174. 16
  175. Der Insolvenzschuldner ist nicht Rechtsvorgänger des Insolvenzverwalters. Der Begriff des Rechtsvorgängers nach § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist nach
  176. dem Willen des Gesetzgebers nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts
  177. zu beurteilen (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen,
  178. 2. Bd., S. 332, 335, 312; RGZ 13, 355, 356 f.). Zwar ist mit der Insolvenzeröffnung und der Bestellung des Insolvenzverwalters ein Übergang der Verfügungsbefugnis vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter verbunden.
  179. Dies stellt jedoch weder für den Übergang der Verwaltungsbefugnis auf den
  180. Insolvenzverwalter (BGH, Beschluss vom 30. August 2017 - VII ZB 23/14,
  181. ZIP 2017, 1919 Rn. 9; OLG Dresden, SächsArch 13, 265; a.A. RGZ 53, 8, 10),
  182. noch für deren Wegfall nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder Freigabe
  183. durch
  184. den
  185. Insolvenzverwalter
  186. - VII ZB 23/14,
  187. ZIP 2017,
  188. 1919
  189. (BGH,
  190. Rn. 9;
  191. Beschluss
  192. Beschluss
  193. vom
  194. vom
  195. 30. August 2017
  196. 14. April 2005
  197. - V ZB 25/05, WM 2005, 1324, 1325 f.; Urteil vom 15. Juni 1992 - II ZR 88/91,
  198. BB 1992, 1583, 1584) eine Rechtsnachfolge dar.
  199. 17
  200. Eine analoge Anwendung des § 385 Abs. 1 Nr. 4 1. Fall ZPO auf den Insolvenzschuldner als Zeuge in einem Prozess des Gläubigers gegen den Insolvenzverwalter kommt auch nicht in Betracht. Zwar wird eine analoge Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung, in denen die Rechtsnachfolge
  201. bzw. eine Stellung als Rechtsvorgänger eine Rolle spielt, auf den Insolvenzverwalter in Erwägung gezogen (analoge Anwendung des § 727 ZPO: BGH,
  202. Beschluss vom 30. August 2017 - VII ZB 23/14, ZIP 2017, 1919 Rn. 9;
  203. -9-
  204. Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 54/10, BGHZ 188, 177 Rn. 8; Beschluss
  205. vom 14. April 2005 - V ZB 25/05, WM 2005, 1324, 1325 f.; für § 325 ZPO analog: MünchKommZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 325 Rn. 25; HK-ZPO/Saenger,
  206. 7. Aufl., § 325 Rn. 13; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 325 Rn. 28;
  207. ablehnend für § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO: BGH, Urteil vom 7. Januar 2007
  208. - II ZR 283/06, BGHZ 175, 86, Rn. 9; Urteil vom 15. Juni 1992 - II ZR 88/91,
  209. BB 1992, 1583, 1584). Die für eine analoge Anwendung des § 385 Abs. 1 Nr. 4,
  210. 1. Fall ZPO erforderliche planwidrige Regelungslücke fehlt jedoch. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Materialien zur Verabschiedung der Zivilprozessordnung unter dem Rechtsvorgänger nur denjenigen im Sinne des Bürgerlichen
  211. Rechts verstanden. Der Übergang der Verwaltungsbefugnisse auf den Insolvenzverwalter macht den Insolvenzverwalter nicht zum Rechtsnachfolger des
  212. Insolvenzschuldners und umgekehrt letzteren nicht zum Rechtsvorgänger des
  213. Insolvenzverwalters. Die Zivilprozessordnung gehörte wie auch die Konkursordnung zu den Reichsjustizgesetzen, die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang miteinander verabschiedet und in Kraft getreten sind (Reichsgesetzblatt 1877, S. 83 [CPO] und S. 351 [KO]). Gleichwohl hat der Gesetzgeber den
  214. Übergang der Verwaltungsbefugnisse auf den Konkursverwalter nach der Konkursordnung nicht ausdrücklich mit in die Regelungen des § 350 Abs. 1 Nr. 4
  215. CPO [jetzt § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO] einbezogen.
  216. 18
  217. Gegen eine analoge Anwendung spricht, dass § 385 Abs. 1 Nr. 4 ZPO
  218. als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (RGZ 13, 355, 357; OLG München,
  219. OLGR 1996, 242; OLG Köln, NJW 1955, 1561; a.A. MünchKommZPO/Damrau,
  220. 5. Aufl., § 385 Rn. 5; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 385 Rn. 6).
  221. 19
  222. Dagegen spricht weiterhin der Zweck des § 384 Nr. 1 ZPO. Dieser besteht darin, den Zeugen vor nachteiligen Folgen seiner eigenen wahrheitsge-
  223. - 10 -
  224. mäßen Aussage zu schützen. Niemand soll wegen seiner Zeugnispflicht zu
  225. selbstschädigenden Handlungen gezwungen werden. Der Zeuge muss deshalb
  226. seine vermögensrechtlichen Interessen denen der beweisführenden Partei nicht
  227. unterordnen. Selbst die Prozessparteien sind nach der Rechtsprechung des
  228. Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht gehalten, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht von sich aus verfügt;
  229. eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei besteht nicht (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006
  230. - III ZB 2/06, NJW 2007, 155 Rn. 7).
  231. 20
  232. Der Schutz des Zeugen vor einer im Zeugenstand strafbewehrten Pflicht
  233. zur Selbstbelastung muss auch nicht aus Gründen materieller Gerechtigkeit
  234. zurücktreten, weil der Prozessgegner des Insolvenzverwalters als Beweisführer
  235. wegen des Zeugnisverweigerungsrechts sonst in Beweisnot geriete. Der Insolvenzverwalter unterliegt als Partei der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO.
  236. Dazu gehört, dass er sich über die ihm nicht bekannten Tatsachen erkundigt,
  237. denn das Recht, sich auf ein Nichtwissen zu berufen, ist durch die Pflicht der
  238. Partei eingeschränkt, die ihr möglichen Informationen von bestimmten anderen
  239. Personen einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2003 - VII ZR 79/02,
  240. NJW-RR 2004, 92, 93 mwN). Die nötigen Informationen kann der Insolvenzverwalter beim Insolvenzschuldner einholen, da dieser gemäß § 97 Abs. 1 InsO
  241. dem Insolvenzverwalter Auskunft geben muss, selbst wenn Tatsachen zu
  242. offenbaren sind, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder
  243. einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Der Prozessgegner kann die Parteivernehmung des Insolvenzverwalters gemäß § 445 Abs. 1 ZPO beantragen.
  244. Wenn der Insolvenzverwalter seine Parteivernehmung verweigert, kann dies
  245. vom Prozessgericht nach § 446 ZPO bewertet werden.
  246. - 11 -
  247. 21
  248. 3. Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache selbst entscheiden, da die
  249. Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts nur wegen der Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt
  250. und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1
  251. ZPO).
  252. Drescher
  253. Wöstmann
  254. Bernau
  255. Sunder
  256. B. Grüneberg
  257. Vorinstanzen:
  258. AG Köln, Entscheidung vom 02.01.2017 - 142 C 329/14 LG Köln, Entscheidung vom 28.07.2017 - 34 T 22/17 -