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22 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZB 12/11
  4. vom
  5. 13. Dezember 2011
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. SpruchG § 15
  14. Im Spruchverfahren können die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners (§ 5
  15. SpruchG) nicht dem Antragsteller auferlegt werden.
  16. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 12/11 - KG
  17. LG Berlin
  18. -2-
  19. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011
  20. durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn,
  21. die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
  22. beschlossen:
  23. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Februar 2009 wird zurückgewiesen, soweit sie die Auferlegung der außergerichtlichen
  24. Kosten und der Auslagen der Antragsgegnerin auf die Antragstellerin betrifft.
  25. Der Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom
  26. 26. Mai 2011 wird, soweit er eine Entscheidung über die Gerichtskosten im zweiten Rechtszug enthält, dahingehend abgeändert,
  27. dass von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens die Antragstellerin 24/25 und die Antragsgegnerin 1/25 tragen.
  28. Gründe:
  29. I.
  30. 1
  31. Die Antragstellerin hat nach der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der B.
  32. AG auf die Antragsgegnerin am 17. Januar 2007 im
  33. Spruchverfahren einen Antrag auf die gerichtliche Bestimmung der angemessenen
  34. Abfindung und eines angemessenen Ausgleichs nebst Verzinsung einer Erhöhung
  35. gestellt. Das Landgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen. Gegen diesen
  36. -3-
  37. Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim Kammergericht eingelegt. Die Antragsgegnerin hat Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt, die
  38. Gerichtskosten und außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin in Abänderung
  39. der angefochtenen Entscheidung der Antragstellerin aufzuerlegen. Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und auf die
  40. Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin die im ersten Rechtszug entstandenen
  41. Gerichtskosten der Antragstellerin auferlegt. Außerdem hat es der Antragstellerin die
  42. im zweiten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten auferlegt. Wegen der weitergehenden, die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin betreffenden Anschlussbeschwerde hat es die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Insoweit möchte das Kammergericht die Anschlussbeschwerde zurückweisen, weil es die Kostenregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG für abschließend hält. Daran
  43. sieht es sich durch den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 9. Juni 2005 - 11 W 30/05 (AG 2005, 853) gehindert.
  44. II.
  45. 2
  46. Die Vorlage ist zulässig.
  47. 3
  48. 1. Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beurteilen,
  49. dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG in der Fassung
  50. des Gesetzes vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838) angeordnet war. Nach Art. 111
  51. Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGGReformgesetz-FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum
  52. 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in
  53. -4-
  54. erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
  55. und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 eingeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09,
  56. BGHZ 186, 229 Rn. 5 - STOLLWERCK). Das Spruchverfahren wurde 2007 eingeleitet.
  57. 4
  58. 2. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof ist auch wegen einer Rechtsfrage
  59. zulässig, die die Kostenerstattungspflicht (hier nach § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG bzw.
  60. § 13a Abs. 1 FGG) betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 1958 - V ZB 13/58,
  61. WM 1958, 1087; Beschluss vom 23. Oktober 1959 - IV ZB 105/59, BGHZ 31, 92, 94;
  62. Beschluss vom 6. Oktober 1960 - VII ZB 14/60, BGHZ 33, 205, 206).
  63. 5
  64. 3. Das vorlegende Gericht will bei seiner Entscheidung von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen.
  65. 6
  66. a) Der vom vorlegenden Kammergericht angeführte Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg ist in einem Spruchverfahren ergangen und beruht auf einer
  67. Rechtsauffassung, von der das vorlegende Gericht abweichen will. Eine Abweichung
  68. im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung, von der
  69. abgewichen werden soll, nicht zu demselben gesetzlichen Tatbestand ergangen ist,
  70. aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010
  71. - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 6 - STOLLWERCK; Beschluss vom 25. Juni 2008
  72. - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 5; Beschluss vom 13. März 2006 - II ZB 26/04,
  73. BGHZ 166, 329 Rn. 6). Danach liegen die Vorlagevoraussetzungen vor, obwohl vom
  74. vorlegenden Gericht über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren entschieden werden soll, während das Oberlandesgericht Hamburg darüber entschieden hat, wer die außergerichtlichen Kosten
  75. im Beschwerdeverfahren zu tragen hat. Das Oberlandesgericht Hamburg hat ange-
  76. -5-
  77. nommen, dass § 15 SpruchG zu den außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners
  78. nicht abschließend und § 13a Abs. 1 FGG über § 17 Abs. 1 SpruchG aF anwendbar
  79. sei. Das Kammergericht will dagegen die Regelung in § 15 Abs. 2 bis 4 SpruchG gegenüber § 13a Abs. 1 FGG als abschließend ansehen.
  80. 7
  81. Die Vorlagepflicht ist nicht entfallen, weil § 17 Abs. 1 SpruchG in der Fassung
  82. des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) nunmehr auf das Gesetz über das
  83. Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) verweist und § 13a Abs. 1 FGG aufgehoben wurde. Wenn das vorlegende Gericht von einer Entscheidung zu einem aufgehobenen Gesetz abweichen
  84. will, ist die Vorlage allerdings nur zulässig, wenn die frühere Gesetzesfassung weiter
  85. anzuwenden ist oder wenn die gleiche Norm ihrem wesentlichen Inhalt nach Bestandteil des geltenden Rechts ist (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1965
  86. - IV ZB 342/65, BGHZ 44, 220, 222 f.). Im Verfahren des Kammergerichts sind § 17
  87. Abs. 1 SpruchG in der seither geltenden Fassung und damit die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) anzuwenden,
  88. soweit das Spruchverfahrensgesetz keine Regelung enthält. Außerdem stellt sich die
  89. Frage, ob durch eine abschließende Regelung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners ausgeschlossen ist, auch
  90. weiterhin. § 81 und § 84 FamFG, die an die Stelle von § 13a Abs. 1 FGG getreten
  91. sind, ermöglichen unter bestimmten Umständen, einem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners aufzuerlegen.
  92. 8
  93. c) Für die Zulässigkeit der Vorlage ist weiter erforderlich, dass es für die Entscheidung vom Standpunkt des vorlegenden Gerichts aus auf die streitige Rechtsfrage ankommt. Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts
  94. -6-
  95. mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung
  96. des
  97. Falles
  98. 1981- IVb ZB 718/80,
  99. zu
  100. prüfen
  101. BGHZ
  102. 82,
  103. (vgl.
  104. 34,
  105. BGH,
  106. 36 f.;
  107. Beschluss
  108. Beschluss
  109. vom
  110. vom
  111. 14. Oktober
  112. 11. Juli
  113. 1990
  114. - XII ZB 113/87, BGHZ 112, 127, 129; Beschluss vom 16. Juli 1997 - XII ZB 97/96,
  115. NJW-RR 1997, 1162). Es ist zwar zweifelhaft, ob die Entscheidung über die Anschlussbeschwerde allein von der Geltung von § 13a Abs. 1 FGG für die Kostenentscheidung im Spruchverfahren abhängt. § 13a Abs. 1 Satz 1 sieht nicht vor, dass die
  116. außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten bei Misserfolg eines Antrags dem Antragsteller auferlegt werden müssen, sondern regelt die Kostenerstattung nach Billigkeit. Insoweit ist die Ansicht des vorlegenden Gerichts, es könne ohne Beantwortung
  117. der streitigen Rechtsfrage nicht über die Anschlussbeschwerde entscheiden, für die
  118. Beurteilung der Zulässigkeit der Vorlage aber bindend.
  119. III.
  120. 9
  121. 1. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.
  122. 10
  123. Eine Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist im Spruchverfahren
  124. grundsätzlich statthaft. Die Anschlussbeschwerde kann sich auch allein gegen die
  125. Kosten- und Auslagenentscheidung richten. Nach § 20a FGG ist die Kostenentscheidung zwar nicht ohne die Hauptsache anfechtbar. Wenn in der Hauptsache ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt ist, ist eine Anschlussbeschwerde nur wegen der
  126. Kosten aber statthaft (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 20a Rn. 9).
  127. 11
  128. 2. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin bleibt - soweit der Senat
  129. hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin darüber zu entscheiden hat - ohne Erfolg. Im Spruchverfahren können die außergerichtlichen Kosten des
  130. -7-
  131. Antragsgegners (§ 5 SpruchG) nicht dem Antragsteller auferlegt werden. Eine Erstattung der Kosten des Antragsgegners ist in § 15 SpruchG nicht vorgesehen. § 15
  132. Abs. 4 SpruchG regelt die Kostenerstattung für die außergerichtlichen Kosten abschließend.
  133. 12
  134. a) Ob der Antragsteller dem nach § 5 SpruchG bestimmten Antragsgegner im
  135. Spruchverfahren außergerichtliche Kosten zu erstatten hat, ist streitig. Teilweise wird
  136. angenommen, dass § 15 Abs. 4 SpruchG den § 13a Abs. 1 FGG verdrängt (Meilicke/
  137. Heidel, DB 2003, 2267, 2275; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und
  138. GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 21b; Hüffer, AktG, 9. Aufl., Anh.
  139. § 305 § 15 SpruchG Rn. 6 für § 81 FamFG); teilweise wird über § 17 Abs. 1 SpruchG
  140. aF § 13a Abs. 1 FGG für anwendbar erachtet (Klöcker/Frowein, SpruchG, § 15
  141. Rn. 18; Krieger/Mennicke in Lutter UmwG, 4. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 15; MünchKommAktG/Kubis, 3. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 21; Rosskopf in KK-SpruchG § 15
  142. Rn. 53; Volhard in Semler/Stengel, UmwG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 14; Ederle/
  143. Theusinger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 7). Eine vermittelnde
  144. Ansicht hält § 15 Abs. 4 SpruchG nur für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten im erstinstanzlichen Verfahren für abschließend, dagegen nicht für die Kosten im
  145. Beschwerdeverfahren (Winter in Simon, SpruchG, § 15 Rn. 102 und 103). In der
  146. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren wird eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners teilweise angeordnet (vgl. neben dem OLG
  147. Hamburg OLG München, Beschluss vom 3. Februar 2010 - 31 Wx 135/09, juris;
  148. OLGR Düsseldorf, 2009, 438, 443; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Januar 2006
  149. - 12 W 136/04, juris; OLG Zweibrücken, ZIP 2005, 948, 951) und teilweise abgelehnt
  150. (vgl. außer dem Kammergericht BayObLG, NZG 2004, 1111, 1114; OLG Stuttgart,
  151. Beschluss vom 5. Mai 2009 - 20 W 13/08, juris).
  152. -8-
  153. 13
  154. b) § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG regeln die Kostenerstattung im Spruchverfahren
  155. abschließend.
  156. 14
  157. aa) Für eine abschließende Regelung spricht schon, dass zwischen der
  158. Pflicht, die Gerichtskosten zu tragen, und den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller unterschieden wird, ohne die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners
  159. zu erwähnen. Hätten die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners wie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers nach Billigkeit verteilt werden sollen, hätte
  160. es nahegelegen, dies ausdrücklich aufzunehmen oder auf eine Regelung der Erstattung für außergerichtliche Kosten zugunsten des Verweises über § 17 Abs. 1
  161. SpruchG auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu verzichten. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1
  162. FGG sind nach Billigkeit die außergerichtlichen Kosten und gegebenenfalls auch
  163. verauslagte Gerichtskosten einem Beteiligten aufzuerlegen.
  164. 15
  165. Die Ausgestaltung der Kostentragungspflicht in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG
  166. spricht ebenfalls dafür, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner nicht
  167. erstattet werden. Grundsätzlich hat ein Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten
  168. selbst zu tragen (§ 15 Abs. 4 SpruchG), abhängig vom Verfahrensausgang können
  169. sie auch dem Antragsgegner auferlegt werden. Gerichtskosten sollen dem Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Verfahrens dagegen nur ausnahmsweise auferlegt werden können (§ 15 Abs. 2 SpruchG). Ihn dann nach Billigkeit darüber hinaus
  170. sogar zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners zu verpflichten,
  171. passt nicht zu dieser Abstufung des Kostenrisikos.
  172. 16
  173. bb) Die Entstehungsgeschichte von § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG stützt dieses
  174. Ergebnis. Die Neuregelung des Spruchverfahrens ging unter anderem auf die Empfehlung
  175. der
  176. Regierungskommission
  177. „Corporate
  178. Governance“
  179. zurück
  180. (Neye,
  181. NZG 2002, 23; Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des gesell-
  182. -9-
  183. schaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], BTDrucks. 15/371 S. 1 und S. 11). Die Empfehlung sah vor, dass die Gerichtskosten
  184. und die Kosten des gemeinsamen Vertreters von der Gesellschaft getragen werden,
  185. die Antragsteller wie bisher von der Gesellschaft Erstattung ihrer außergerichtlichen
  186. Kosten verlangen können, aber abweichend von der seitherigen Praxis nur noch im
  187. Falle ihres Obsiegens. Die außergerichtlichen Kosten der Gesellschaft sollten dagegen wie bisher unabhängig vom Ausgang des Verfahrens bei dieser verbleiben (Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“, Unternehmensführung
  188. - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 14/7515
  189. S. 83 f.). Dem entsprechend ging der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung
  190. in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG davon aus, dass bis dahin nach § 306 Abs. 7 AktG
  191. bzw. 312 UmwG der Antragsgegner bzw. der andere Vertragsteil regelmäßig sowohl
  192. die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen hatte. Dass der Antragsgegner seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst
  193. tragen musste, wurde dabei vorausgesetzt (vgl. Referentenentwurf eines Gesetzes
  194. zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], abgedruckt NZG 2002, 25, 31; Regierungsentwurf BTDrucks. 15/371 S. 11).
  195. 17
  196. Dem Gesetzgeber erschien eine völlige Änderung der Grundlagen des Verfahrens im Sinne einer Umgestaltung in einen reinen Parteiprozess nach der Zivilprozessordnung nicht als sinnvoll (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 11 f.), und
  197. eine Kostenentscheidung nach Obsiegen und Unterliegen sollte nicht getroffen werden, weil den Antragsberechtigten ansonsten in den meisten Fällen das Spruchverfahren wegen des Kostenrisikos faktisch verbaut wäre (Regierungsentwurf BTDrucks. 15/371 S. 17). Die Gerichtskosten sollte nach der Neuregelung weiter grundsätzlich der Antragsgegner tragen, nur ausnahmsweise - etwa bei Rechtsmissbrauch - sollen sie dem Antragsteller auferlegt werden können. Bei den außergericht-
  198. - 10 -
  199. lichen Kosten der Antragsteller sollte die Möglichkeit einer stärkeren Differenzierung
  200. durch das Gericht eröffnet werden. Grundsätzlich sollten die Antragsteller ihre Kosten
  201. selbst tragen. Eine Anordnung der Kostenerstattung durch den Antragsgegner soll
  202. aus Billigkeitsgründen in Betracht kommen, insbesondere bei einer deutlichen Erhöhung der Leistung des Antragsgegners (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371
  203. S. 17 f.). Daraus, dass den Antragstellern mit der Aufbürdung der eigenen außergerichtlichen Kosten nur ein begrenztes Kostenrisiko auferlegt werden sollte (so ausdrücklich Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 17), lässt sich entnehmen, dass
  204. - entsprechend der Empfehlung der Corporate Governance Kommission - die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners bei diesem verbleiben sollten.
  205. 18
  206. cc) Eine solche Kostenverteilung entspricht auch dem Zweck der ausdifferenzierten Kostenregelung in § 15 SpruchG. Sie ist ein Ausgleich dafür, dass die Antragsberechtigten die Erfolgsaussichten des Verfahrens nicht notwendig im Voraus
  207. abschätzen können. Sie sind nach der Konzeption des Spruchverfahrensgesetzes
  208. hinsichtlich der Informationen auf den in § 7 Abs. 3 Satz 1 SpruchG genannten Bericht und den Prüfungsbericht des sachverständigen Prüfers beschränkt, während
  209. der Antragsgegner regelmäßig weitergehende Informationen über die zur Bewertung
  210. der Angemessenheit der Kompensation heranzuziehenden Umstände besitzt. Dieses
  211. informationelle Ungleichgewicht rechtfertigt es, die Antragsberechtigten nur mit einem beschränkten, berechenbaren Kostenrisiko zu belasten. Dass der Antragsgegner seine eigenen außergerichtlichen Kosten - wie auch schon die Gerichtskosten
  212. und die Kosten des gemeinsamen Vertreters - tragen muss, ist auch deshalb plausibel, weil der Antragsgegner die Strukturmaßnahme, die regelmäßig in seinem Interesse liegt, nach der gesetzlichen Konzeption zunächst unabhängig von der angemessenen Höhe eines Ausgleichs durchsetzen und die Antragsteller auf das Spruchverfahren verweisen kann. Sie können die Strukturmaßnahme regelmäßig weder
  213. wegen der Unangemessenheit der Kompensation noch wegen unzureichender In-
  214. - 11 -
  215. formation verhindern, sondern werden auf eine Überprüfung im Spruchverfahren
  216. verwiesen (vgl. § 243 Abs. 4 Satz 2, § 304 Abs. 3, § 305 Abs. 5, § 320b Abs. 2,
  217. § 327 f AktG, § 14 Abs. 2 UmwG, § 6 Abs. 1 SEAG, § 7 Abs. 1 SCEAG). Da der Antragsgegner die von ihm gewünschte Maßnahme ohne endgültige Klärung der Ausgleichshöhe durchsetzen kann, dürfen die Hürden für ihre nachträgliche Überprüfung
  218. nicht zu hoch angesetzt werden.
  219. IV.
  220. 19
  221. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren war durch den Senat
  222. unter Aufhebung der unzulässigen Teilkostenentscheidung im Beschluss des Kammergerichts nach § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG zu treffen, weil er nach § 28 Abs. 3
  223. FGG abschließend zu entscheiden hat.
  224. 20
  225. 1. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind zwischen den Beteiligten im Verhältnis 24/25 zu 1/25 zu teilen.
  226. 21
  227. a) Die Regelung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG zu den Gerichtskosten und der
  228. Erstattung außergerichtlicher Kosten gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Der
  229. Wortlaut verhält sich dazu zwar nicht. § 15 Abs. 1 Satz 7 SpruchG, der eine Bestimmung zur Gebührenhöhe im Rechtsmittelverfahren enthält, legt aber nahe, dass auch
  230. die übrigen Regelungen in § 15 SpruchG für ein Rechtsmittelverfahren gelten sollen.
  231. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 15 Abs. 4 SpruchG für das
  232. Beschwerdeverfahren Geltung hat. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs
  233. zum Spruchverfahrensneuordnungsgesetz soll das Beschwerdegericht im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten
  234. die Begründung des Landgerichts auch auf Rechtsfehler überprüfen können (Regie-
  235. - 12 -
  236. rungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 18). Zwar trifft der Gedanke, dass die Antragsberechtigten ihre Aussichten im Verfahren nur beschränkt einschätzen können und ein
  237. Informationsgefälle besteht, wegen des Vorliegens einer erstinstanzlichen Entscheidung regelmäßig nur noch eingeschränkt zu. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen,
  238. dass erst im Rechtsmittelverfahren weitere Informationen eingeholt werden oder
  239. dass ein Rechtsmittel des Antragsgegners zu einer Abweisung des Antrags führt.
  240. Hinsichtlich der Gerichtskosten sollte ohnehin nicht auf den Erfolg der Anträge abzustellen sein, und ihre außergerichtlichen Kosten sollten die Antragsteller ohne weiteres Kostenrisiko grundsätzlich selbst tragen. Dem widerspräche es, die Kosten des
  241. Beschwerdeverfahrens nach anderen Grundsätzen als die Kosten der ersten Instanz
  242. zu verteilen.
  243. 22
  244. b) Danach sind die Gerichtskosten, soweit die Beschwerde erfolglos war, anteilig nach § 15 Abs. 2 SpruchG der Antragstellerin aufzuerlegen.
  245. 23
  246. Der Gesetzgeber ging zwar davon aus, dass die Gerichtskosten nur ausnahmsweise einem Antragssteller aufzuerlegen sind, etwa bei Rechtsmissbrauch
  247. (BT-Drucks. 15/371 S. 18). Einem Ausnahmefall wie dem Rechtsmissbrauch steht es
  248. nicht schon gleich, wenn ein Rechtsmittel erfolglos ist. Dem Antragsteller können die
  249. Gerichtskosten aber auferlegt werden, wenn sein Rechtsmittel bei einer Beurteilung
  250. ex ante offensichtlich von vorneherein ohne Erfolgsaussichten war. Das war hier der
  251. Fall, weil die Begründung des Antrags den Mindestanforderungen nach § 4 Abs. 2
  252. Satz 2 Nr. 4 SpruchG eindeutig nicht entsprach und die Antragstellerin mit der Entscheidung des Landgerichts darauf bereits hingewiesen worden war. Zwar sind an
  253. die Begründung des Antrags im Spruchverfahren keine besonders strengen Anforderungen zu stellen und muss kein bezifferter Antrag gestellt werden, so dass auch
  254. keine Berechnung verlangt werden kann; im Gegenteil sollen die Anforderungen
  255. nach der Gesetzesbegründung zum Spruchverfahrensgesetz ausdrücklich nicht
  256. - 13 -
  257. überspannt werden (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 13). Mit dem Erfordernis konkreter Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation oder den
  258. als Grundlage der Kompensation ermittelten Unternehmenswert sollte verhindert
  259. werden, dass Antragsteller - wie dies nicht selten der Fall war - praktisch mit einem
  260. Satz und ohne jede sachliche Erläuterung ein aufwendiges und kostenträchtiges
  261. Überprüfungsverfahren
  262. in
  263. Gang
  264. setzen
  265. können
  266. (Regierungsentwurf
  267. BT-
  268. Drucks. 15/371 S. 13).
  269. 24
  270. Hier genügt die Anspruchsbegründung diesen Mindestanforderungen nicht.
  271. Sie steht einer Antragstellung „in einem Satz“ ohne sachliche Erläuterung gleich. Die
  272. Unternehmensbewertung wird nur mit einer pauschalen, nicht näher erläuterten Behauptung als unrichtig gekennzeichnet. Die Antragsbegründung beschränkt sich darauf, den angesetzten Wachstumsabschlag als zu niedrig und einen anderen Wachstumsabschlag als „fair“ zu bezeichnen, weil nicht erkennbar sei, warum gerade „in
  273. dem aktuellen Marktumfeld und in dieser Sparte mit weniger als der Inflation“ zu
  274. rechnen sein sollte; außerdem enthält sie noch eine Frage nach den Unternehmen in
  275. einer Vergleichsgruppe.
  276. 25
  277. c) Dagegen sind die Gerichtskosten hinsichtlich der Anschlussbeschwerde
  278. nach der Regel in § 15 Abs. 2 SpruchG dem Antragsgegner aufzuerlegen. Wie schon
  279. aus der unterschiedlichen Fassung von § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG folgt, ist der teilweise Erfolg des Rechtsmittels nicht ausschlaggebend. Gründe für eine ausnahmsweise Belastung der Antragstellerin sind, nachdem die Entscheidung des Landgerichts zu den Gerichtskosten vertretbar war, nicht erkennbar.
  280. 26
  281. 2. Für die Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 4 SpruchG besteht keine
  282. Veranlassung. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin
  283. - 14 -
  284. durch die Antragstellerin ist in § 15 SpruchG nicht vorgesehen; § 13a Abs. 1 Satz 2
  285. FGG ist - wie dargelegt - nicht anwendbar.
  286. Bergmann
  287. Strohn
  288. Drescher
  289. Reichart
  290. Born
  291. Vorinstanzen:
  292. LG Berlin, Entscheidung vom 20.02.2009 - 102 O 2/09 AktG KG, Entscheidung vom 26.05.2011 - 2 W 72/09 -