You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

196 lines
12 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 45/04
  4. vom
  5. 21. April 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2005 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm,
  10. Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
  11. beschlossen:
  12. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
  13. Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision wird zurückgewiesen.
  14. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des
  15. Oberlandesgerichts Köln vom 17. März 2004 wird als unzulässig
  16. verworfen.
  17. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  18. Der
  19. Gegenstandswert
  20. 250.000 € festgesetzt.
  21. für
  22. das
  23. Revisionsverfahren
  24. wird
  25. auf
  26. -3-
  27. Gründe:
  28. I. Die Beklagte vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung "K.
  29. PRO" ein Arzneimittel, das die Klägerin in Spanien unter der Bezeichnung
  30. "K.
  31. Comprimidos" auf den Markt bringt. Die Klägerin ist der Ansicht,
  32. die Beklagte verletze ihre Rechte an der Marke "K.
  33. ", indem sie die Origi-
  34. nalverpackung des spanischen Präparats mit der Bezeichnung "K.
  35. PRO"
  36. überklebe, und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das
  37. Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete
  38. Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
  39. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat die
  40. Beklagte Beschwerde eingelegt. Der Senat hat mit Beschluß vom 16. Dezember
  41. 2004 die Revision zugelassen. Der Beschluß ist dem Prozeßbevollmächtigten
  42. der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 Abs. 1 ZPO) am 20. Dezember 2004 zugestellt worden. Durch Verfügung vom 2. März 2005 ist die Beklagte
  43. darauf hingewiesen worden, daß bislang eine Schrift zur Revisionsbegründung
  44. nicht zu den Akten gelangt sei. Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom
  45. 10. März 2005 unter Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und in Abänderung
  46. des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Weiter hat sie beantragt, ihr
  47. gegen die Versäumung der Frist für die Revisionsbegründung Wiedereinsetzung
  48. in den vorigen Stand zu gewähren.
  49. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt sie vor, im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten in der Revisionsinstanz sei versäumt worden, die
  50. Revisionsbegründungsfrist einzutragen. In dessen Kanzlei sei die Eintragung
  51. aller gesetzlichen und richterlichen Fristen unter Einschluß der Fristen des seit
  52. -4-
  53. dem 1. Januar 2002 geltenden Revisionsrechts so organisiert, daß seine beiden
  54. Büroangestellten angewiesen seien, die Fristen selbständig zu berechnen, zu
  55. kontrollieren und in den Fristenkalender einzutragen. Zudem werde von dem
  56. Prozeßbevollmächtigten die Eintragung in den Fristenkalender - bei gesetzlichen Fristen unter ausdrücklicher Nennung des Ablaufdatums - vorsorglich in
  57. jedem Einzelfall noch einmal mündlich angeordnet. Die Eintragung im Fristenkalender werde sodann zusätzlich in den Handakten vermerkt. Darüber hinaus
  58. führe eine der Büroangestellten selbständig eine Computerliste, in der sie alle
  59. Fristen und Termine zusätzlich erfasse. Der Prozeßbevollmächtigte selbst führe
  60. unabhängig von seinem Sekretariat einen eigenen Termin- und Fristenkalender.
  61. Ihr Prozeßbevollmächtigter könne nicht ausschließen, daß im konkreten Fall die
  62. Eintragung der Revisionsbegründungsfrist in den beiden Fristenkalendern, der
  63. Computerliste und der Handakte deshalb versäumt worden sei, weil er unter
  64. sehr großem Zeitdruck gestanden und die Zulassung der Revision mit der Annahme der Revision nach altem Recht verwechselt habe, die ein weiteres Tätigwerden nicht erfordert hätte. Eine der beiden Büroangestellten habe sich in
  65. einer schweren persönlichen und familiären Krise befunden, die bereits zu innerbetrieblichen Störungen einschließlich anderer Fehler im Sekretariatsbereich
  66. geführt gehabt habe. Die andere Büroangestellte sei dadurch zusätzlich belastet
  67. gewesen.
  68. II. Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 552 Abs. 1
  69. Satz 2 ZPO). Sie ist erst am 10. März 2005 und daher nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten seit Zustellung der der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten stattgebenden Entscheidung des Senats am 20. Dezember 2004 (§ 544 Abs. 6 Satz 3 i.V. mit § 551 Abs. 2 Satz 2 ZPO) begründet
  70. worden.
  71. -5-
  72. 1. Die Revision ist nicht schon zugleich mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde begründet worden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 7.7.2004
  73. - IV ZR 140/03, NJW 2004, 2981). Die Beschwerdebegründung der Beklagten
  74. vom 2. August 2004 enthält nur die Darlegung der Zulassungsgründe und genügt daher nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
  75. 2. Gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Ihr hierauf gerichteter Antrag ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
  76. a) Nach § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen
  77. Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist
  78. gehindert war. Die mit dem Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachten Angaben schließen ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten in
  79. der Revisionsinstanz bei der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht
  80. aus. Die Partei muß sich dieses nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Der
  81. Antrag auf Wiedereinsetzung ist daher zurückzuweisen (vgl. BGH, Beschl. v.
  82. 18.10.1995 - I ZB 15/95, NJW 1996, 319; Beschl. v. 4.11.2003 - VI ZB 50/03,
  83. NJW 2004, 688, 689).
  84. b) Die Revisionsbegründungsfrist (§ 551 Abs. 2 Satz 2 ZPO), deren Lauf
  85. mit der Zustellung des Beschlusses zur Zulassung der Revision begann (§ 544
  86. Abs. 6 Satz 3 ZPO), ist im Fristenkalender des Rechtsanwalts der Beklagten
  87. nicht eingetragen worden. Deshalb wurde die Frist versäumt. Die Beklagte hat
  88. nicht dargelegt, daß das Unterbleiben der Eintragung nicht auf einem Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten in der Revisionsinstanz beruht.
  89. c) Nach ihrem Vortrag zur allgemeinen Behandlung der Fristen im Büro
  90. ihres Prozeßbevollmächtigten und zu den Gründen, aus denen dessen Büro-
  91. -6-
  92. personal die Eintragung der Revisionsbegründungsfrist unterlassen hat, kann
  93. ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten nicht ausgeschlossen werden. Denn dieser hat das Empfangsbekenntnis
  94. über die Zustellung des Senatsbeschlusses vom 16. Dezember 2004 unterzeichnet und zurückgegeben, obwohl das Datum der Zustellung nicht in den
  95. Handakten vermerkt war.
  96. aa) Da es für den Fristbeginn im Falle einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis darauf ankommt, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis
  97. unterzeichnet hat (vgl. § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO), bedarf es darüber eines besonderen Vermerks (BGH, Beschl. v. 17.9.2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002,
  98. 3782 m.w.N.). Um sicherzustellen, daß ein solcher Vermerk angefertigt wird und
  99. das maßgebliche Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt nach
  100. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Empfangsbekenntnis
  101. über die Zustellung einer Entscheidung, mit der eine Rechtsmittelfrist zu laufen
  102. beginnt, erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die
  103. Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist (BGH, Beschl. v. 13.2.2003
  104. - V ZR 422/02, NJW 2003, 1528, 1529 m.w.N.).
  105. bb) Dieses Sorgfaltsgebot hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten
  106. objektiv verletzt, als er am 20. Dezember 2004 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne daß die Revisionsbegründungsfrist notiert war. Nach dem Vortrag der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihn insoweit kein Verschulden trifft.
  107. Daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bei Unterzeichnung des
  108. Empfangsbekenntnisses die Handakten vorgelegt worden sind und er überprüft
  109. hat, ob die Frist bereits notiert worden war, kann nach dem Vorbringen der Beklagten ausgeschlossen werden. Es ist zwar nicht erforderlich, daß das Emp-
  110. -7-
  111. fangsbekenntnis erst nach vollständiger Fristensicherung unterzeichnet und in
  112. den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Rechtsanwalts und von dort an das zuständige Gericht zurückgegeben wird (vgl. BGH NJW 2003, 1528, 1529). Unterzeichnet der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis, bevor die Frist in den Fristenkalender eingetragen und dies in den Handakten vermerkt ist, dann muß er
  113. aber durch konkrete Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen (vgl. BGH NJW 2003, 1528, 1529). Eine solche konkrete Einzelanweisung
  114. ist im vorliegenden Fall nicht erteilt worden. Ob eine Einzelanweisung entbehrlich sein kann, wenn ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen worden sind, damit die erforderlichen Eintragungen nach der Unterzeichnung des
  115. Empfangsbekenntnisses nachgeholt werden (vgl. BGH, Urt. v. 5.5.1993
  116. - XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214 f.), kann dahingestellt bleiben. Denn
  117. die Beklagte hat nicht hinreichend vorgetragen, welche organisatorischen Maßnahmen im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten zur Fristensicherung im Zusammenhang mit der Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses bestanden
  118. haben. Ihrem Vortrag zur allgemeinen Behandlung der Fristen und deren Eintragung in die Fristenkalender, die Handakten und die Computerliste läßt sich
  119. nicht entnehmen, ob diese Eintragungen vor oder nach der Unterzeichnung des
  120. Empfangsbekenntnisses durch den Rechtsanwalt erfolgen und durch welche
  121. organisatorischen Maßnahmen überprüft wird, ob die Fristensicherung im Einzelfall auch tatsächlich erfolgt, bevor das Empfangsbekenntnis an das Gericht
  122. zurückgegeben wird. Werden die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen
  123. nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht, so ist ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten
  124. zu vermuten (vgl. BGH NJW 2004, 688, 689).
  125. Dem Vortrag der Beklagten, ihr Prozeßbevollmächtigter könne nicht ausschließen, daß die Eintragung der Revisionsbegründungsfrist nach Zustellung
  126. des Senatsbeschlusses vom 16. Dezember 2004 unterblieben sei, weil er die
  127. -8-
  128. Zulassung der Revision mit der Annahme der Revision nach altem Recht verwechselt und deshalb angenommen habe, ein weiteres Tätigwerden sei nicht
  129. erforderlich, kann nicht entnommen werden, daß die Fristversäumung auf einem
  130. unverschuldeten Irrtum des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten beruht. Der
  131. Umstand, daß ihr Prozeßbevollmächtigter unter sehr großem Zeitdruck stand,
  132. weil er bis zum 23. Dezember 2004 noch verschiedene Arbeiten abzuschließen
  133. hatte, vermag den Irrtum nicht zu entschuldigen. Soweit die Beklagte in diesem
  134. Zusammenhang weiter anführt, ihr Prozeßbevollmächtigter in der Revisionsinstanz sei möglicherweise durch die Vorkorrespondenz mit ihrem Bevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen beeinflußt gewesen, weil dieser in seinem
  135. Schreiben vom 8. Dezember 2004 von der "Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde" gesprochen habe, kann darin gleichfalls kein Umstand gesehen werden, der den Irrtum als unverschuldet erscheinen lassen könnte.
  136. d) Da somit nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen ist, daß die Fristversäumung auf einem Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten in der Revisionsinstanz beruht, kann die beantragte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Eine Wiedereinsetzung kommt schon dann nicht in
  137. Betracht, wenn ein Mitverschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 1 ZPO) Ursache für die Fristversäumung war (BGH, Beschl. v.
  138. 8.3.2001 - V ZB 5/01, NJW-RR 2001, 1072 m.w.N.).
  139. -9-
  140. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  141. Ullmann
  142. Bornkamm
  143. Büscher
  144. Pokrant
  145. Bergmann