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4 years ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 172/16
  5. Verkündet am:
  6. 5. Oktober 2017
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Großhandelszuschläge
  19. UWG § 3a; AMG § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; AMPreisV § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 2
  20. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV legt für den pharmazeutischen Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen lediglich eine Preisobergrenze fest. Der Großhandel ist danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann
  21. deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent
  22. ganz oder teilweise verzichten.
  23. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 172/16 - OLG Bamberg
  24. LG Aschaffenburg
  25. ECLI:DE:BGH:2017:051017UIZR172.16.0
  26. -2-
  27. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
  28. Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den
  29. Richter Feddersen
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 3. Zivilsenat - vom 29. Juni 2016 aufgehoben.
  32. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
  33. Aschaffenburg - 1. Kammer für Handelssachen - vom 22. Oktober
  34. 2015 wird zurückgewiesen.
  35. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. 1
  39. Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit pharmazeutischen Produkten. Sie vertreibt verschreibungspflichtige Arzneimittel (sogenannte Rx-Artikel).
  40. 2
  41. Die Beklagte warb in einem Informationsblatt (Anlage K2) jedenfalls bis
  42. zur Erhebung der vorliegenden Klage im März 2015 wie folgt:
  43. -3-
  44. Wir gewähren unseren Apothekenkunden auf alle Rx-Artikel
  45. -
  46. bis 70,00 €
  47. 3 % Rabatt plus 2,5 % Skonto auf den rabattierten Preis
  48. (Skonto nur bei Einhaltung des Zahlungsziels) = in Summe
  49. 5,425 %
  50. -
  51. ab 70,00 € bis zur Hochpreisgrenze
  52. 2 % Rabatt plus 2,5 % Skonto auf den rabattierten Preis
  53. (Skonto nur bei Einhaltung des Zahlungsziels) = in Summe
  54. 4,45 %.
  55. Unsere Rabatte bei Rx-Produkten beziehen sich auf die gesetzlich
  56. festgesetzte Höchstbasis (rAEP).
  57. 3
  58. In vergleichbarer Weise warb die Beklagte auch in ihrem Internetauftritt
  59. (Anlage K3). Die Beklagte gewährt ihren Kunden die beworbenen Konditionen.
  60. 4
  61. Unstreitig liegen die von der Beklagten versprochenen und gewährten
  62. Preisabschläge einschließlich der Skonti im Betrag insgesamt über dem
  63. Höchstzuschlag von 3,15 Prozent, den der pharmazeutische Großhandel nach
  64. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 AMPreisV auf den nach § 78 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1
  65. AMG vom pharmazeutischen Unternehmer sicherzustellenden einheitlichen
  66. Abgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufschlagen darf.
  67. 5
  68. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ist
  69. der Auffassung, die von der Beklagten beworbenen und gewährten Rabatte und
  70. Skonti verstießen gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften in § 78
  71. Abs. 1 AMG und §§ 1, 2 AMPreisV und das Heilmittelwerberecht. Sie mahnte
  72. die Beklagte mit Schreiben vom 26. November 2014 erfolglos ab.
  73. -4-
  74. 6
  75. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
  76. geschäftlich handelnd bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken Rabatte zu bewerben, die über den Höchstzuschlag
  77. von 3,15% hinausgehen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage K2 oder der
  78. Anlage K3 ersichtlich, und/oder solchermaßen beworbene Rabatte ankündigungsgemäß zu gewähren.
  79. 7
  80. Darüber hinaus hat sie den Ersatz von pauschalen Abmahnkosten in
  81. Höhe von 246,10 Euro nebst Zinsen begehrt.
  82. 8
  83. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Aschaffenburg, PharmR
  84. 2016, 56). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage
  85. stattgegeben (OLG Bamberg, WRP 2016, 1151). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  86. Entscheidungsgründe:
  87. 9
  88. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 4 Nr. 11 UWG aF
  89. und §§ 3, 3a UWG nF in Verbindung mit § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 Satz 1
  90. AMPreisV und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG zu. Dazu hat es ausgeführt:
  91. 10
  92. Die von der Beklagten gewährten Rabatte und Skonti bei der Abgabe
  93. von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken gingen über den in
  94. § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV vorgesehenen Höchstzuschlag von 3,15 Prozent
  95. auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens hinaus. Damit er-
  96. -5-
  97. hebe sie den in dieser Regelung vorgesehenen Festzuschlag von 70 Cent nicht
  98. in vollem Umfang. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV lege für den
  99. pharmazeutischen Großhandel für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht nur eine Höchstgrenze, sondern auch eine Untergrenze fest. Der
  100. Großhandel habe den Festzuschlag von 70 Cent stets zu erheben. Hiermit stehe das Verhalten der Beklagten nicht in Einklang.
  101. 11
  102. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  103. Erfolg.
  104. 12
  105. 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Klage als zulässig angesehen.
  106. 13
  107. a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt ist. Dies steht zwischen den Parteien
  108. nicht in Streit.
  109. 14
  110. b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Klage sei nicht
  111. im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass nach der Behauptung der Beklagten alle anderen pharmazeutischen Großhändler, die dem Bundesverband
  112. des pharmazeutischen Großhandels angeschlossen sind, der Mitglied der Klägerin ist, bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken in
  113. vergleichbarer Weise wie die Beklagte Preisabschläge vornehmen.
  114. 15
  115. aa) Einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband ist es
  116. grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie
  117. es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein)
  118. -6-
  119. angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr er
  120. allein die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse - ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits
  121. gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urteil vom 17. August 2011
  122. - I ZR 148/10, GRUR 2012, 411 Rn. 19 = WRP 2012, 453 - Glücksspielverband,
  123. mwN).
  124. 16
  125. bb) Die Klägerin handelt mit der Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs nach der vom Berufungsgericht gebilligten Ansicht des Landgerichts nicht rechtsmissbräuchlich. Das Landgericht hat angenommen, im Streitfall seien nicht nur die Interessen der Mitbewerber der Beklagten, sondern auch diejenigen der Allgemeinheit berührt, so dass es im
  126. freien Ermessen der Klägerin stehe, die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines
  127. bestimmten Verhaltens gerichtlich klären zu lassen und zunächst nur gegen
  128. bestimmte Verletzer vorzugehen, gegen andere aber nicht. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
  129. 17
  130. c) Gegen die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende - hinreichende Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Unterlassungsantrags bestehen keine Bedenken.
  131. 18
  132. aa) Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag zwar nicht näher
  133. ausgelegt. Das ist jedoch unschädlich. Bei einem Klageantrag handelt es sich
  134. um eine Prozesserklärung, die das Revisionsgericht selbständig auslegen kann
  135. (BGH, Urteil vom 3. April 2008 - I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002 Rn. 16 = WRP
  136. 2008, 1434 - Schuhpark; Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011,
  137. 152 Rn. 23 bis 25 = WRP 2011, 223 - Kinderhochstühle im Internet I; Urteil vom
  138. -7-
  139. 12. September 2013 - I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259 Rn. 13 = WRP 2013,
  140. 1579 - Empfehlungs-E-Mail).
  141. 19
  142. bb) Die Klägerin begehrt nach der sprachlichen Fassung des Klageantrags, es der Beklagten zu untersagen, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken Rabatte zu bewerben, anzukündigen und zu gewähren, die über den Höchstzuschlag von 3,15 Prozent hinausgehen. Dies ist aus sich heraus nicht ohne Weiteres verständlich. Unter Berücksichtigung des Klagevorbringens und der Bezugnahme auf die beiden konkreten, von der Klägerin beanstandeten Verletzungsformen im Klageantrag wird
  143. jedoch deutlich, worin das Klagebegehren liegt. Die Formulierung des Unterlassungsantrags nimmt sprachlich erkennbar Bezug auf die in § 2 Abs. 1 Satz 1
  144. AMPreisV geregelten Großhandelszuschläge für Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Danach darf der Großhandel auf den
  145. Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer
  146. höchstens einen Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erheben.
  147. Nach dem zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehenden Vortrag der Klägerin wendet sich diese nicht dagegen, dass die Beklagte Rabatte und Skonti
  148. gewährt, die im Ergebnis dazu führen, dass der in dieser Regelung vorgesehene höchstens zulässige preisabhängige Großhandelszuschlag in Höhe von
  149. 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, nicht erhoben wird. Es soll der Beklagten vielmehr verboten werden, Rabatte und Skonti zu gewähren, die zu einer Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken ohne
  150. den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV vorgesehenen und nach Ansicht der Klägerin zwingend zu erhebenden Festzuschlag von 70 Cent führen.
  151. 20
  152. 2. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei der Klägerin
  153. -8-
  154. gegenüber gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG aF (§ 3a UWG nF) in Verbindung mit
  155. § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG und § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV sowie nach den
  156. §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG aF (§ 3a UWG nF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1
  157. Nr. 2 Buchst. a Halbs. 2 HWG zur Unterlassung verpflichtet, hält den Angriffen
  158. der Revision nicht stand. Die Beklagte hat nicht gegen Preisvorschriften verstoßen, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Aus diesem Grund steht der
  159. Klägerin auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten
  160. nebst Zinsen nicht zu.
  161. 21
  162. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte verstoße mit der
  163. Gewährung der streitgegenständlichen Rabatte und Skonti und der Werbung
  164. hierfür gegen § 78 Abs. 1 AMG, § 2 Abs. 1 AMPreisV und § 7 Abs. 1 Satz 1
  165. Nr. 2 Buchst. a HWG und damit gegen Marktverhaltensregelungen. Zwischen
  166. den Parteien sei unstreitig, dass die von der Beklagten gewährten Rabatte unter Einschluss der Skonti über den Höchstzuschlag von 3,15 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers hinausgingen. Lediglich dieser prozentuale Zuschlag von 3,15 Prozent sei nach § 2 Abs. 1 AMPreisV der
  167. Preisdisposition des Großhandels unterworfen. Bei dem in dieser Regelung
  168. vorgesehenen Festzuschlag handele es sich dagegen nach dem gesetzgeberischen Willen um einen Festpreis, der nicht durch einen Preisnachlass reduziert
  169. werden dürfe, sondern stets zu erheben sei. Die Regelung in § 2 Abs. 1
  170. AMPreisV lege damit eine Mindestpreisgrenze für den Abgabepreis verschreibungspflichtiger Arzneimittel für den Großhandel fest. Die Gewährung von
  171. Skonti sei von der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV erfasst. Es sei
  172. unerheblich, ob der unabhängig vom Arzneimittelpreis aufzuschlagende Festzuschlag in der vorgesehenen Höhe von 70 Cent zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und wohnortnahen
  173. Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln tatsächlich erforderlich sei.
  174. -9-
  175. 22
  176. b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich
  177. bei § 78 Abs. 1 AMG, § 2 AMPreisV und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a HWG
  178. um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a
  179. UWG nF handelt, weil sie nach ihrem Zweck dazu bestimmt sind, den
  180. (Preis-)Wettbewerb unter den Pharmagroßhändlern zu regeln (vgl. BGH, Urteil
  181. vom 9. September 2010 - I ZR 98/08, GRUR 2010, 1133 Rn. 19 = WRP 2010,
  182. 1471 - Bonuspunkte; Urteil vom 6. November 2014 - I ZR 26/13, GRUR 2015,
  183. 504 Rn. 9 = WRP 2015, 565 - Kostenlose Zweitbrille).
  184. 23
  185. c) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV der pharmazeutische
  186. Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an
  187. Apotheken zwingend auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers einen Festzuschlag von 70 Cent zu erheben hat und nicht berechtigt ist,
  188. auf diesen Festzuschlag ganz oder teilweise zu verzichten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts legt § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV lediglich eine
  189. Preisobergrenze und nicht auch eine Preisuntergrenze fest.
  190. 24
  191. aa) Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel hat ihre
  192. Grundlage in § 78 AMG. Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG ist ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind. Danach müssen Apotheken bei der
  193. Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Patienten einheitliche Preise
  194. verlangen. Für diese Arzneimittel hat zudem der pharmazeutische Unternehmer
  195. nach § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen.
  196. In § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AMG wird der Verordnungsgeber ermächtigt,
  197. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, und Preise für Arzneimittel, die in
  198. Apotheken oder von Tierärzten hergestellt und abgegeben werden, festzuset-
  199. - 10 -
  200. zen. Nach § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG gelten die Preisvorschriften für den Großhandel aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG auch für pharmazeutische
  201. Unternehmer bei der direkten Abgabe an Apotheken, die die Arzneimittel zur
  202. Abgabe an den Verbraucher beziehen.
  203. 25
  204. Die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 78 Abs. 1
  205. AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung regelt die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln im
  206. Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit
  207. § 2 AMPreisV) und die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit den §§ 3, 6 und 7 AMPreisV).
  208. 26
  209. Maßgeblich ist im Streitfall die Regelung in § 2 AMPreisV über Großhandelszuschläge für Fertigarzneimittel in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden
  210. Fassung. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV darf bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens
  211. ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines
  212. Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden. Der Berechnung der Zuschläge nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ist jeweils der Betrag
  213. zugrunde zu legen, zu dem der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel
  214. nach § 78 Abs. 3 oder Abs. 3a AMG abgibt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AMPreisV).
  215. 27
  216. bb) Die Revision macht zu Recht geltend, dass aus diesen Regelungen
  217. nicht hervorgeht, dass eine Belieferung von Apotheken durch den pharmazeutischen Großhandel zu Preisen, die unter dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent liegen, unzulässig ist.
  218. - 11 -
  219. 28
  220. (1) Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bietet hierfür keinen
  221. hinreichenden Anhaltspunkt.
  222. 29
  223. Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ist sprachlich eindeutig.
  224. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV "darf" auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Umsatzsteuer "höchstens" ein Zuschlag von
  225. 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von
  226. 70 Cent sowie die Umsatzsteuer "erhoben werden". Diese Regelung stellt die
  227. Erhebung von Zuschlägen in das Ermessen des Großhandels (KG, GRUR-RR
  228. 2013, 78, 79). Zu Unrecht wird dem im Schrifttum entgegengehalten, damit
  229. werde die Neufassung dieser Vorschrift durch Art. 8 Nr. 1 des Gesetzes zur
  230. Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung
  231. (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I, S. 2262) nicht berücksichtigt
  232. (Meyer, PharmR 2013, 39). Die sprachliche Struktur der Regelung der Großhandelszuschläge in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ("darf ... höchstens ... erhoben
  233. werden") ist weder durch Art. 8 Nr. 1 AMNOG noch durch vorangehende Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung angetastet worden. Diese Struktur ist
  234. seit ihrer Einführung am 1. Januar 1981 im Grundsatz unverändert geblieben.
  235. Die Regelung sah bereits in der Fassung vom 1. Januar 1981 vor, dass bei der
  236. Abgabe von Fertigarzneimitteln auf den Abgabepreis des pharmazeutischen
  237. Unternehmers ohne die Umsatzsteuer "höchstens Zuschläge nach Absatz 2
  238. oder 3 sowie die Umsatzsteuer erhoben" werden "dürfen". Durch Art. 8 Nr. 1
  239. AMNOG haben sich allein die Zuschläge geändert, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1
  240. AMPreisV vom Großhandel auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers aufgeschlagen werden können. Damit wird nach dem Wortlaut in § 2
  241. Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ("darf ... höchstens ... erhoben werden") nicht ein Festoder Mindestpreis, sondern ein Höchstpreis festgelegt. Für die Festlegung eines Mindestpreises hätte der Gesetzgeber, der in Art. 8 Nr. 1 AMNOG den
  242. - 12 -
  243. Wortlaut dieser Verordnung festgelegt hat, Begriffe verwenden müssen, aus
  244. denen sich ergibt, dass der Großhandel auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers "mindestens" den genannten Festzuschlag aufschlagen
  245. "muss".
  246. 30
  247. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aus der Verwendung
  248. des Wortes "Festzuschlag" nicht geschlossen werden, dass dieser Zuschlag
  249. stets zu erheben ist. Mit der Beschreibung des Zuschlags von 70 Cent als "fest"
  250. wird vom Wortlaut her lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen
  251. Zuschlag in Höhe eines festen Betrags handelt, der im Gegensatz zu dem variablen Aufschlag von 3,15 Prozent vom Preis des jeweiligen Arzneimittels unabhängig ist.
  252. 31
  253. Soweit die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV einen "Festzuschlag" und die "Umsatzsteuer" als solche Zuschläge nennt, die der Unternehmer erheben "darf", ergibt sich hieraus nichts anderes (Zwenke/Hoßbach, MPR
  254. 2016, 130, 131; aA OLG München, Urteil vom 23. Februar 2017 - 29 U 2934/16,
  255. juris Rn. 46; Meyer, PharmR 2016, 56, 61 f.). Die Regelung zählt enumerativ
  256. die zulässigen Zuschläge auf, die dem Großhandel bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln an Apotheken gestattet sind. Daraus folgt lediglich, dass weitere
  257. Zuschläge unzulässig sind, nicht jedoch, dass diese Zuschläge stets zu erheben sind. Aus dem Umstand, dass der Großhandel im eigenen Interesse die
  258. Umsatzsteuer erheben wird, kann nicht geschlossen werden, dass er gezwungen ist, den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV gestatteten Festzuschlag zu erheben. Der Großhandel kann nach dem Wortlaut der Regelung hierauf ganz
  259. oder teilweise verzichten ebenso wie auf den preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag auf den Abgabepreis des
  260. pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer, höchstens jedoch
  261. 37,80 Euro.
  262. - 13 -
  263. 32
  264. (2) Aus der Systematik der Regelungen des Arzneimittelgesetzes und
  265. der Arzneimittelpreisverordnung ergibt sich ebenfalls nicht, dass der Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zwingend einen
  266. Mindestpreis zu beanspruchen hat, der der Summe aus dem Abgabepreis des
  267. pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag
  268. von 70 Cent entspricht.
  269. 33
  270. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV sind bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 16 Cent
  271. zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer zu
  272. erheben. In § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV wird festgelegt, dass der Festzuschlag
  273. auf den Betrag "zu erheben ist", der sich aus der Zusammenrechnung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer und
  274. des darauf entfallenden Großhandelshöchstzuschlags nach § 2 ergibt. Durch
  275. die Wendung im Imperativ, dass bestimmte Zuschläge "zu erheben sind" oder
  276. ein Festzuschlag "zu erheben ist", wird deutlich, dass die Apotheken bei der
  277. Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln keinen preislichen
  278. Spielraum haben. Der Wortlaut dieser Regelung weicht damit deutlich von demjenigen des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ab, nach dem der Großhandel Zuschläge erheben "darf".
  279. 34
  280. Für die Annahme, § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV lege für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Preisuntergrenze für den pharmazeutischen Großhandel in Höhe des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers zuzüglich eines Festzuschlags in Höhe von 70 Cent fest, spricht nicht der Umstand, dass nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG für den Großhandel "Preisspannen" festgelegt werden und dies nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AMPreisV in § 2
  281. AMPreisV erfolgen soll. Bei Preisspannen handelt es sich um die Differenz zwi-
  282. - 14 -
  283. schen Einkaufs- und Verkaufspreis (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1984
  284. - I ZR 13/82, GRUR 1984, 748, 749 = WRP 1984, 538 - Apothekerspannen).
  285. Wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 AMPreisV ergibt, hat der Verordnungsgeber bei
  286. der Festlegung der Preisspanne des Großhandels den gemäß § 78 Abs. 3 AMG
  287. vom pharmazeutischen Unternehmer sicherzustellenden einheitlichen Abgabepreis als Einkaufspreis des Großhandels zugrunde gelegt. Außerdem hat er
  288. einen Höchstverkaufspreis festgelegt, der sich aus diesem Einkaufspreis und
  289. mehreren darauf erhobenen Zuschlägen zusammensetzt. Demgegenüber ist
  290. nicht erkennbar, dass durch § 2 AMPreisV für den Großhandel überhaupt eine
  291. Preisuntergrenze festgesetzt wird und der Abgabepreis des pharmazeutischen
  292. Unternehmers zuzüglich Umsatzsteuer und zuzüglich des Festzuschlags von
  293. 70 Cent diese Untergrenze für die vom Verordnungsgeber festgesetzte Preisspanne ist.
  294. 35
  295. (3) Allerdings wird im Hinblick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlichen Willen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten und dem
  296. mit der Einführung des Festzuschlags verfolgten Zweck in der Rechtsprechung
  297. und im Schrifttum die Auffassung vertreten, § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV begründe eine Verpflichtung des Großhandels, auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers einen Festzuschlag von 70 Cent und die Umsatzsteuer zu erheben (OLG Saarbrücken, GRUR-RR 2017, 80, 82; OLG München,
  298. Urteil vom 23. Februar 2017 - 29 U 2934/16, juris Rn. 46; Kutlu in Spickhoff,
  299. Medizinrecht, 2. Aufl., § 2 AMPreisV Rn. 4; Mand in Gröning/Mand/Reinhart,
  300. Heilmittelwerberecht, Stand 1. Januar 2015, § 7 HWG Rn. 205; Mand in Prütting, Medizinrecht, 4. Aufl., § 7 HWG Rn. 80b; Rektorschek, Preisregulierung
  301. und Rabattverbote für Arzneimittel, Diss. Hamburg 2012, S. 62; Mand, A&R
  302. 2014, 147; Czettritz/Thewes, PharmR 2014, 450, 462; Meyer, PharmR 2016,
  303. 56, 62; zweifelnd Grau/Volkwein, A&R 2016, 64, 67, 70).
  304. - 15 -
  305. 36
  306. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU
  307. und FDP des AMNOG vom 6. Juli 2010 sollte der mit einer Änderung der Arzneimittelpreisverordnung neu einzuführende preisunabhängige Bestandteil nicht
  308. rabattfähig sein. Der Festzuschlag sollte sicherstellen, dass der Großhandel
  309. eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen kann. Der rabattfähige prozentuale Zuschlag dagegen sollte dem Großhandel einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung gegenüber den Apotheken gewährleisten und insbesondere Funktionsrabatte, etwa für die Bestellung
  310. größerer Mengen ermöglichen (BT-Drucks. 17/2413, S. 36 f.).
  311. 37
  312. Ein entsprechender Wille ist zudem aus der Beschlussempfehlung und
  313. dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zum Entwurf des
  314. GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 30. November 2011 erkennbar, auf
  315. dessen Anregung § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG in das Arzneimittelgesetz eingefügt
  316. worden ist, mit dem die Geltung der Preisvorschriften für den pharmazeutischen
  317. Großhandel auf den Direktvertrieb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
  318. durch den pharmazeutischen Unternehmer an Apotheken angeordnet wird. In
  319. der Beschlussempfehlung heißt es, dass "die Vorschriften zur Höhe der Großhandelszuschläge und zum Rabattverbot" für den Großhandel mit Arzneimitteln
  320. (§ 78 Abs. 1 AMG in Verbindung mit § 2 AMPreisV) gälten und dass das Gewähren von Rabatten auf den fixen Großhandelszuschlag unzulässig sei. Mit
  321. der vorgeschlagenen Neuregelung solle klargestellt werden, dass dies für alle
  322. Unternehmen gelte, die Großhandelsfunktionen ausübten, mithin auch für
  323. pharmazeutische Unternehmer im Direktvertrieb oder für Apotheken, die entsprechende wirtschaftliche Betätigungen wahrnähmen (BT-Drucks. 17/8005,
  324. S. 135).
  325. 38
  326. Die Verfasser des Gesetzesentwurfs haben das Ziel verfolgt, dem Großhandel eine für seine Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestvergütung zu si-
  327. - 16 -
  328. chern. Nach § 52b Abs. 1 AMG hat der Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln sicherzustellen, damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich dieses Gesetzes gedeckt ist. Vollversorgende Arzneimittelgroßhandlungen müssen im
  329. Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der mit ihnen in Geschäftsbeziehung stehenden Apotheken gewährleisten. Dies gilt entsprechend für andere Arzneimittelgroßhandlungen im Umfang
  330. der von ihnen jeweils vorgehaltenen Arzneimittel (§ 52b Abs. 3 AMG). Da dieser
  331. Auftrag unabhängig vom Preis eines Arzneimittels zu erfüllen ist, sollte der
  332. Großhandel nach dem Willen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten im
  333. Gegenzug eine Vergütung erhalten, die ausreichend ist, eine angemessene und
  334. flächendeckende Belieferung der Apotheken zu gewährleisten (Begründung
  335. zum Regierungsentwurf des AMNOG, BT-Drucks. 17/2413, S. 36).
  336. 39
  337. (4) Der Ansicht, dass dieses gesetzgeberische Ziel eine Auslegung von
  338. § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV dahingehend rechtfertigt, dass der Großhandel auf
  339. den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend 70 Cent aufzuschlagen hat, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Dieser gesetzgeberische Wille ist im Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV nicht zum Ausdruck
  340. gekommen, obwohl der Verordnungsgeber von der gesetzgeberischen Vorgabe
  341. in Art. 8 Nr. 1 AMNOG nicht abgewichen ist. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1
  342. Satz 1 AMPreisV legt nach ihrem Wortlaut und der Systematik der Verordnung
  343. lediglich einen Höchstpreis fest.
  344. 40
  345. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er
  346. sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang
  347. ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist demgegenüber die
  348. subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder
  349. - 17 -
  350. einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen
  351. ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen
  352. Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfGE 1, 299, 312; BGH, Urteil
  353. vom 20. Mai 1954 - GSZ 6/53, BGHZ 13, 265, 277). Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut
  354. aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 4/94, BGHZ 129, 38, 50 - Weiterverteiler;
  355. Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 Rn. 20 - S-BahnVerkehr Rhein/Ruhr I; Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195,
  356. 257 Rn. 30 - Alles kann besser werden; Beschluss vom 19. April 2012
  357. - I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Rn. 29; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April
  358. 1983 - VII ZR 199/82, BGHZ 87, 191, 194 ff.; Beschluss vom 25. Juni 2008
  359. - II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 17).
  360. 41
  361. (5) Zu berücksichtigen ist bei der Auslegung zudem, dass es sich bei
  362. Preisvorschriften um Berufsausübungsregelungen handelt, die die verfassungsrechtlich garantierte, wenn auch unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Berufsfreiheit einschränken (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Derartige Regelungen
  363. müssen aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit das verbotene
  364. Handeln unzweideutig beschreiben (vgl. BVerfGE 76, 171, 187 f.). Es ist den
  365. von einer ihrem Wortlaut nach klaren Berufsausübungsregelung Betroffenen
  366. nicht zuzumuten, den Umfang der sie treffenden Pflichten aus Gesetzgebungsmaterialien zu ermitteln.
  367. 42
  368. - 18 -
  369. cc) Die Frage, ob ein vom Großhandel zwingend zu erhebender Festzuschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers mit unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar wäre, kann deshalb offen bleiben.
  370. 43
  371. (1) Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober
  372. 2016 (C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36 - Deutsche Parkinson
  373. Vereinigung/Zentrale) wäre für diese Frage allerdings ohne Bedeutung. Der
  374. Gerichtshof der Europäischen Union hat dort entschieden, dass sich die im
  375. deutschen Recht vorgesehene Festlegung einheitlicher Apothekenabgabepreise auf in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf im deutschen Hoheitsgebiet ansässige Apotheken und dass dadurch der Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Eine solche Regelung stelle eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie
  376. eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar
  377. (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 26 f. - Deutsche Parkinson Vereinigung/
  378. Zentrale). Außerdem hat der Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht, das für verschreibungspflichtige
  379. Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festsetzt, nicht mit dem
  380. Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne von Art. 36
  381. AEUV gerechtfertigt werden könne, da es nicht geeignet sei, die angestrebten
  382. Ziele zu erreichen (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 46 - Deutsche Parkinson
  383. Vereinigung/Zentrale; hierzu auch BGH, Urteil vom 24. November 2016
  384. - I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 Rn. 45 ff. = WRP 2017, 694 - Freunde werben
  385. Freunde).
  386. 44
  387. (2) Die Frage, ob eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Versandapotheke bei einem Versand von Arzneimitteln nach Deutschland an den
  388. in § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3
  389. - 19 -
  390. AMPreisV vorgesehenen einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden ist,
  391. stellt sich im Streitfall nicht. Im zur Entscheidung stehenden Verfahren geht es
  392. allein um die Frage, in welchem Umfang der pharmazeutische Großhandel in
  393. seiner Preisgestaltung durch § 2 AMPreisV gebunden ist und ob die im Inland
  394. ansässige Beklagte dagegen verstoßen hat. Der Streitfall betrifft damit zum einen einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ohne grenzüberschreitenden Bezug, in dem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Art. 34 bis 36 AEUV nicht zur Anwendung gelangen (EuGH, Urteil vom
  395. 19. Januar 2017 - C-282/15, GRUR Int. 2017, 259 Rn. 38 ff. = WRP 2017, 288
  396. - Queisser Pharma/Bundesrepublik Deutschland). Zum anderen geht es im
  397. Streitfall nicht um die Frage, ob einheitliche Apothekenabgabepreise in
  398. Deutschland mit der unionsrechtlich garantierten Waren- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind.
  399. 45
  400. dd) Danach stellt sich im Streitfall nicht die Frage, ob die Anordnung eines Festzuschlags von 70 Cent in ungerechtfertigter Weise in die durch Art. 12
  401. GG verfassungsrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Großhandels eingreifen würde.
  402. 46
  403. d) Liegt danach kein Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Preisvorschriften vor, sind die fraglichen Rabatte und Skonti auch nicht nach § 7 Abs. 1
  404. Satz 1 HWG unzulässig, weil der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2
  405. Buchst. a HWG eingreift.
  406. - 20 -
  407. 47
  408. III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, ist das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
  409. Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
  410. Büscher
  411. Schaffert
  412. Schwonke
  413. Löffler
  414. Feddersen
  415. Vorinstanzen:
  416. LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 22.10.2015 - 1 HKO 24/15 OLG Bamberg, Entscheidung vom 29.06.2016 - 3 U 216/15 -