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20 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 171/04
  5. Verkündet am:
  6. 20. September 2007
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ
  14. :
  15. BGHR
  16. :
  17. ja
  18. nein
  19. ja
  20. Saugeinlagen
  21. UWG §§ 3, 5, 6 Abs. 1 und 2 Nr. 5
  22. a) Ob in einem Werbevergleich enthaltene Aussagen eine pauschale Abwertung des fremden Erzeugnisses enthalten, ist nicht anhand einer isolierten
  23. Betrachtung der einzelnen Erklärungen, sondern aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Angaben zu beurteilen.
  24. b) Die Herabsetzung von Produkten in einem Werbevergleich durch eine abträgliche Wortwahl und die irreführende Darstellung von Gefahren der Produkte wegen Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften sind auch
  25. bei einem identischen Klageantrag unterschiedliche Streitgegenstände.
  26. BGH, Urt. v. 20. September 2007 - I ZR 171/04 - OLG Düsseldorf
  27. LG Düsseldorf
  28. -2-
  29. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
  30. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Prof.
  31. Dr. Büscher und Dr. Schaffert
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Antrag zu II 1 abgewiesen worden ist.
  35. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung
  36. und Entscheidung - auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  37. Von Rechts wegen
  38. Tatbestand:
  39. 1
  40. Die Parteien vertreiben Saugeinlagen für die Verpackungen von frischem
  41. Fleisch, Fisch und Geflügel. Die Lebensmittel werden zum Verkauf in Kunststoffschalen angeboten, die eine Saugeinlage enthalten. Diese nimmt die aus
  42. den frischen Produkten austretende Flüssigkeit auf.
  43. -3-
  44. 2
  45. Die von der Klägerin vertriebenen Saugeinlagen bestehen aus drei
  46. Schichten. Die mittlere Vliesschicht - von der Klägerin als "Superabsorber" bezeichnet - enthält Polyacrylat-Polymeren. Eine entsprechende Schicht ist bei
  47. den Saugeinlagen der Beklagten, die ausschließlich aus Zellulose bestehen,
  48. nicht vorhanden.
  49. 3
  50. Mit Schreiben vom 3. März 2003 wandte sich die Beklagte an die K.
  51. AG, die von der Klägerin vertriebene Saugeinlagen verwendet. In
  52. dem Schreiben, in dem die Beklagte Vorteile ihrer Produkte und Bedenken gegen die in den Saugeinlagen der Klägerin enthaltenen Kunststoffanteile darlegte, heißt es auszugsweise:
  53. Die sogenannten Polymer-Saugeinlagen haben aber gerade in der Diskussion um QS-Fleisch Eigenschaften, die durch Auflagen in der Aufzucht von Schlachtvieh erzielten Verbesserungen in den Fleischqualitäten QS- und Biofleisch ad absurdum führen.
  54. Die weiße Saugeinlage hat dazu noch eine Perforation an beiden Seiten, durch die sich mit Polymer kontaminierter Fleischsaft an das Packgut drückt.
  55. Es macht also keinen Sinn, weitestgehend unbelastetes Fleisch vom
  56. Erzeuger zu verlangen, um es dann mit der Verpackung zu kontaminieren.
  57. 4
  58. Die Klägerin hat die in dem Schreiben der Beklagten enthaltenen Aussagen als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hat geltend gemacht, die von ihr
  59. vertriebenen Saugeinlagen seien lebensmitteltechnisch getestet und gesundheitlich unbedenklich. In dem Schreiben der Beklagten vom 3. März 2003 wür-
  60. -4-
  61. den ihre Produkte durch die drei vorstehend angeführten Aussagen unsachlich
  62. abgewertet.
  63. 5
  64. Nachdem die Beklagte im Hinblick auf die vorstehenden Aussagen eine
  65. Unterwerfungserklärung abgegeben hatte, hat die Klägerin - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,
  66. II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen gegenwärtigen und zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist bzw. noch entstehen wird,
  67. dass die Beklagte gegenüber Dritten im geschäftlichen Verkehr auf
  68. dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs,
  69. 1. Schreiben mit dem Inhalt des an die K.
  70. AG,
  71. (…) gerichteten Schreibens vom 3.3.2003 noch versendet hat.
  72. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, die
  73. 6
  74. Angaben in ihrem Schreiben seien inhaltlich richtig und nicht pauschal herabsetzend. Die von der Klägerin gesondert angegriffenen Aussagen seien aus
  75. dem Gesamtzusammenhang gerissen.
  76. 7
  77. Das Landgericht hat der Klage mit dem vorstehenden Feststellungsantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht
  78. das landgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen.
  79. 8
  80. Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin den
  81. Feststellungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
  82. -5-
  83. Entscheidungsgründe:
  84. 9
  85. I. Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag als unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
  86. 10
  87. Bei den Äußerungen der Beklagten in dem angegriffenen Schreiben
  88. handele es sich um vergleichende Werbung i.S. des § 2 Abs. 1 UWG a.F., § 6
  89. Abs. 1 UWG. Diese sei nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG a.F., § 6 Abs. 2
  90. Nr. 5 UWG wettbewerbswidrig. Es lägen keine Umstände vor, die den Vergleich
  91. in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen ließen. Die drei angegriffenen Aussagen seien im Gesamtzusammenhang des
  92. Schreibens vom 3. März 2003 zu würdigen. Die Beklagte habe die Empfänger
  93. über die von den Produkten der Klägerin ausgehenden Gefahren aufklären wollen. Dazu enthalte das Schreiben nahezu ausschließlich Informationen über die
  94. Saugeinlagen der Klägerin. In diesem Zusammenhang stünden auch die
  95. - vorstehend gesondert angeführten - drei Aussagen der Beklagten.
  96. 11
  97. Die Frage, ob die Saugeinlagen lebensmittelrechtlich unbedenklich seien, sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Klägerin habe in der Klageschrift klargestellt, dass sie sich gegen die gesondert angeführten Äußerungen
  98. der Beklagten wende, weil diese geeignet seien, ihre Produkte herabzuwürdigen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Klägerin ergebe sich nicht, dass diese
  99. die Frage der Unrichtigkeit der gegnerischen Behauptungen zur lebensmittelrechtlichen Bedenklichkeit der klägerischen Produkte zum Streitgegenstand
  100. gemacht habe.
  101. 12
  102. II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in
  103. allen Punkten stand. Die Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des ange-
  104. -6-
  105. fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Klage mit dem Antrag zu II 1 abgewiesen worden ist.
  106. 13
  107. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts vermögen die Annahme nicht zu tragen, der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten zu. In Betracht
  108. kommt vorliegend ein Schadensersatzanspruch wegen irreführender Werbung
  109. nach §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 UWG a.F., § 9 Satz 1 i.V. mit §§ 3, 5 UWG.
  110. 14
  111. 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Herabsetzung oder Verunglimpfung i.S. von § 2
  112. Abs. 2 Nr. 5 UWG a.F., § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG im Hinblick auf die Wortwahl im
  113. Schreiben der Beklagten vom 3. März 2003 verneint.
  114. 15
  115. a) Das Berufungsgericht hat das von der Klägerin beanstandete Schreiben der Beklagten zutreffend als vergleichende Werbung i.S. von § 2 Abs. 1
  116. UWG a.F., § 6 Abs. 1 UWG angesehen. Der in diesen Vorschriften angeführte
  117. Begriff der vergleichenden Werbung ist in einem weiten Sinn zu verstehen.
  118. Vergleichende Werbung liegt immer dann vor, wenn eine Äußerung - auch nur
  119. mittelbar - auf einen Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Waren oder
  120. Dienstleistungen Bezug nimmt (EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - C-44/01, Slg. 2003,
  121. I-3095 Tz. 35 = GRUR 2003, 533 = WRP 2003, 615 - Pippig Augenoptik/Hartlauer; BGHZ 158, 26, 32 - Genealogie der Düfte). Dabei ist es ohne Belang, ob sich die vergleichende Werbung an Endverbraucher oder Unternehmen richtet (BGHZ 139, 378, 382, 384 - Vergleichen Sie).
  122. 16
  123. Ein Werbevergleich in diesem Sinn liegt im Streitfall vor, weil die Beklagte dem Schreiben vom 3. März 2003, in dem sie die von ihr vertriebenen Saug-
  124. -7-
  125. einlagen aus reiner Zellulose mit den Polymer-Saugeinlagen verglichen hat,
  126. eine Saugeinlage der Klägerin beigefügt hat.
  127. 17
  128. b) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Werbevergleich der
  129. Produkte der Parteien die Waren der Klägerin unabhängig von deren lebensmittelrechtlicher Unbedenklichkeit nicht allein aufgrund der Ausdrucksform herabsetzt oder verunglimpft. Es hat dazu ausgeführt, dass die drei Aussagen über
  130. die Produkte der Klägerin im Gesamtzusammenhang des Schreibens vom
  131. 3. März 2003 bewertet werden müssten. Dieses sei an die Verantwortlichen der
  132. K.
  133. AG gerichtet und enthalte Informationen über die Beschaf-
  134. fenheit und Gefahren der in Rede stehenden Saugeinlagen. Die erste Aussage,
  135. wonach die bei der Aufzucht von Schlachtvieh erzielten Verbesserungen durch
  136. Polymer-Saugeinlagen ad absurdum geführt würden, kündige mit einer missglückten Formulierung die folgenden Darlegungen in der Sache an. Die zweite
  137. Aussage über die Wirkungen kontaminierten Fleischsaftes stehe in Zusammenhang mit dem Austreten von Superabsorber-Partikeln, und mit der dritten Aussage werde der Schluss aus den vorangegangenen Darlegungen in dem
  138. Schreiben gezogen, ohne dass damit eine über den Vergleich hinausgehende
  139. Herabsetzung oder Verunglimpfung der Waren der Klägerin verbunden sei.
  140. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
  141. 18
  142. Eine Herabsetzung oder Verunglimpfung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG
  143. a.F., § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG setzt mehr voraus als die einem kritischen Werbevergleich immanente Gegenüberstellung der Vorteile und Nachteile der verglichenen Produkte. Maßgeblich ist, ob die angegriffene Werbeaussage sich noch
  144. in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung hält oder bereits eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellt. Herabsetzend i.S. von § 2
  145. Abs. 2 Nr. 5 UWG a.F., § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ist ein Vergleich daher nur, wenn
  146. zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die
  147. -8-
  148. Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die ihn als unangemessen abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 12.7.2001
  149. - I ZR 89/99, GRUR 2002, 72, 73 = WRP 2001, 1441 - Preisgegenüberstellung
  150. im Schaufenster; Urt. v. 17.1.2002 - I ZR 161/99, GRUR 2002, 633, 635 = WRP
  151. 2002, 828 - Hormonersatztherapie). Nach diesen Maßstäben ist aufgrund des
  152. Gesamtzusammenhangs des angegriffenen Schreibens, in dem die Beklagte
  153. die aus ihrer Sicht bestehenden Bedenken gegen die unter Verwendung von
  154. Polyacrylat-Polymeren gefertigten Saugeinlagen der Klägerin angeführt hat,
  155. nicht von einem - unabhängig von der Richtigkeit der Aussagen - herabsetzenden oder verunglimpfenden Vergleich der Waren der Klägerin auszugehen.
  156. 19
  157. Ihre gegenteilige Ansicht stützt die Revision auf die Verwendung des
  158. Begriffs "kontaminieren" in dem angegriffenen Schreiben. Das Berufungsgericht
  159. hat den Begriff der "Kontamination" jedoch mit "Verunreinigung" gleichgesetzt
  160. und den angegriffenen Angaben der Beklagten, in denen von "kontaminieren"
  161. die Rede ist, eine sachliche Aussage entnommen. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Inhalt des Schreibens der Beklagten, in dem es um die Gefahren der Verunreinigung frischer Lebensmittel
  162. durch Kunststoffbestandteile geht, ist nichts für die von der Revision vertretene
  163. Auffassung ersichtlich, die angesprochenen Verkehrskreise fassten das Wort
  164. "kontaminieren" als Verunreinigen von Menschen, Tieren und Material durch
  165. atomare, biologische oder chemische (Kampf-)Stoffe auf oder es würden entsprechende Assoziationen hervorgerufen.
  166. 20
  167. 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten die Frage, ob die von der Klägerin unter Verwendung von PolyacrylatPolymeren hergestellten Saugeinlagen gegen lebensmittelrechtliche Vorschrif-
  168. -9-
  169. ten verstoßen und gesundheitsgefährlich sind, nicht als Streitgegenstand des
  170. vorliegenden Rechtsstreits angesehen hat.
  171. 21
  172. a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
  173. dass Schadensersatzansprüche aufgrund einer die Produkte der Klägerin durch
  174. die Wortwahl des Schreibens vom 3. März 2003 herabsetzenden vergleichenden Werbung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG a.F., §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG
  175. einerseits und einer irreführenden Werbung gemäß § 3 UWG a.F., §§ 3, 5 UWG
  176. wegen einer unrichtigen Darstellung von Gefahren durch Verunreinigung der
  177. verpackten Lebensmittel im Falle der Verwendung der Saugeinlagen der Klägerin andererseits unterschiedliche Streitgegenstände sind.
  178. 22
  179. aa) Der Streitgegenstand bestimmt sich nach dem Antrag und dem zu
  180. seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Von einem einheitlichen
  181. Lebenssachverhalt ist ungeachtet weiterer Erläuterungen, Berichtigungen und
  182. neuen Tatsachenvortrags auszugehen, wenn der Kern des in der Klage angeführten Sachverhalts
  183. unverändert bleibt
  184. (BGH, Beschl. v.
  185. 11.10.2006
  186. - KZR 45/05, GRUR 2007, 172 Tz. 10 = WRP 2007, 81 - Lesezirkel II; Urt. v.
  187. 7.12.2006 - I ZR 166/03, GRUR 2007, 605 Tz. 25 = WRP 2007, 772 - Umsatzzuwachs).
  188. 23
  189. bb) Je nachdem, ob die Produkte der Klägerin durch eine abträgliche
  190. Wortwahl in dem in Rede stehenden Schreiben herabgesetzt werden oder ob in
  191. der Sache unzutreffend behauptet wird, von den Saugeinlagen der Klägerin
  192. gingen Gefahren für die Gesundheit aus, handelt es sich um unterschiedliche
  193. Sachverhalte. Der ausschließlich auf die Verwendung abträglicher Begriffe gestützte Schadensersatzanspruch betrifft auch bei identischem Klageantrag im
  194. Kern einen anderen Lebenssachverhalt als ein Schadensersatzanspruch, der
  195. aus einer unrichtigen und deshalb irreführenden Darstellung von Gefahren der
  196. - 10 -
  197. Produkte wegen Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hergeleitet wird. Zu dem zuletzt genannten Sachverhalt gehört die objektive Unrichtigkeit der verbreiteten Behauptung.
  198. 24
  199. b) Mit Recht macht die Revision aber geltend, die Klägerin habe bereits
  200. in erster Instanz den mit dem Klageantrag verfolgten Schadensersatzanspruch
  201. auch darauf gestützt, dass die Äußerungen in dem angeführten Schreiben zu
  202. Gesundheitsgefahren ihrer Saugeinlagen und zu Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften unrichtig seien. Die Klägerin hatte hierzu in der Klageschrift vorgetragen, die von ihr vertriebenen Produkte entsprächen in jeder Hinsicht lebensmittelrechtlichen Anforderungen und internationalen Standards. Sie
  203. seien gesundheitlich unbedenkliche Hightech-Produkte. Durch ein patentiertes
  204. und mit einem Innovationspreis ausgezeichnetes Verfahren werde das Austreten von Superabsorberfasern aus der Saugeinlage verhindert. Durch diesen
  205. Vortrag hatte die Klägerin eindeutig und zweifelsfrei klargestellt (zu diesem Erfordernis: BGH, Urt. v. 2.4.1992 - I ZR 146/90, GRUR 1992, 552, 554 = WRP
  206. 1992, 557 - Stundung ohne Aufpreis), dass sie den Schadensersatzanspruch
  207. auch auf eine unrichtige Behauptung gesundheitlicher Gefahren ihrer Produkte
  208. in dem in Rede stehenden Schreiben der Beklagten stützte.
  209. 25
  210. Zu weitergehenden Ausführungen hatte die Klägerin keine Veranlassung.
  211. In dem Urteil des vorausgegangenen Verfügungsverfahrens, dessen Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, hatte
  212. das Landgericht das von der Klägerin begehrte Unterlassungsgebot ebenso wie
  213. die Verurteilung im vorliegenden Rechtsstreit auf eine diskriminierende Ausdrucksform im Schreiben der Beklagten gestützt.
  214. 26
  215. Aus dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, der Beweis für das
  216. mündliche Vorbringen der Parteien nach § 314 ZPO liefert, ergibt sich ebenfalls,
  217. - 11 -
  218. dass die Klägerin die Wettbewerbswidrigkeit des in Rede stehenden Schreibens
  219. wegen unrichtiger inhaltlicher Angaben der Beklagten zum Streitgegenstand
  220. gemacht hatte. Dort ist der Sachvortrag der Klägerin zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit ihrer Produkte und zu einer sich daraus ergebenden Wettbewerbswidrigkeit der Äußerungen der Beklagten angeführt.
  221. 27
  222. Den auf eine Unrichtigkeit der Angaben der Beklagten gestützten Schadensersatzanspruch hat die Klägerin nach Klageerhebung nicht fallenlassen.
  223. Weder aus dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu
  224. den Gerichtsakten gelangten Schriftsätzen vom 23. Dezember 2003 und
  225. 11. Februar 2004 noch aus der Berufungserwiderung ergeben sich hinreichend
  226. deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Klage nicht mehr auf den
  227. Vorwurf der Unrichtigkeit der fraglichen Aussage hat stützen wollen.
  228. 28
  229. c) Die Rechtshängigkeit dieses Streitgegenstands ist auch nicht nachträglich dadurch entfallen, dass das Berufungsgericht den prozessualen Anspruch versehentlich übergangen und die Klägerin keine Urteilsergänzung nach
  230. § 321 ZPO beantragt hat (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.2.2005 - VIII ZR 133/04,
  231. NJW-RR 2005, 790, 791). Eine Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO kommt
  232. nur in Betracht, wenn das Urteil versehentlich lückenhaft ist, nicht dagegen,
  233. wenn ein prozessualer Anspruch (Streitgegenstand) rechtsirrtümlich nicht beschieden wurde (BGH, Urt. v. 16.12.2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351
  234. Tz. 9; MünchKomm.ZPO/Musielak, 2. Aufl., § 321 Rdn. 6). Im Streitfall hat das
  235. Berufungsgericht den auf eine irreführende Darstellung der Gesundheitsgefahren der Saugeinlagen der Klägerin gestützten prozessualen Anspruch nicht versehentlich übergangen, sondern bewusst von der Entscheidung ausgeklammert. In einem derartigen Fall scheidet eine Urteilsergänzung aus; das Berufungsurteil muss vielmehr - wie vorliegend mit der Revision auch geschehen -
  236. - 12 -
  237. mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel angefochten werden (BGH, Urt. v.
  238. 27.11.1979 - VI ZR 40/78, NJW 1980, 840, 841).
  239. 29
  240. d) Sollten die Saugeinlagen der Klägerin, anders als in dem Schreiben
  241. der Beklagten vom 3. März 2003 dargestellt, nicht gegen lebensmittelrechtliche
  242. Vorschriften verstoßen und gesundheitlich unbedenklich sein, liegt ein Verstoß
  243. gegen das Irreführungsverbot nach § 3 UWG a.F., §§ 3, 5 UWG vor. Denn die
  244. Behauptung, die Waren der Klägerin verstießen gegen lebensmittelrechtliche
  245. Bestimmungen, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefahren dienen, war, sofern die Angabe unrichtig war, geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise - im Streitfall die mit der Frage der Verwendung der Saugeinlagen
  246. der
  247. Klägerin
  248. befassten
  249. Mitarbeiter
  250. der
  251. K.
  252. AG -
  253. irrezuführen.
  254. Die dadurch hervorgerufene Fehlvorstellung bei den angesprochenen Verkehrskreisen ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Sie ist geeignet, das
  255. Marktverhalten der Gegenseite, in der Regel also den Kaufentschluss, zu beeinflussen (zu diesem Erfordernis beim Irreführungsverbot: BGH, Urt. v.
  256. 26.10.2006 - I ZR 33/04, GRUR 2007, 247 Tz. 34 = WRP 2007, 303
  257. - Regenwaldprojekt I). In der Regel kann aus dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung auf die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Irreführung geschlossen
  258. werden. Eine Ausnahme hiervon, die in Betracht kommt, wenn über Umstände
  259. getäuscht worden ist, die für das Marktverhalten der Gegenseite nur eine unwesentliche Bedeutung haben (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2007 - I ZR 122/04, WRP
  260. 2007, 1346 Tz. 26 - Bundesdruckerei), scheidet vorliegend aus, weil die lebensmittelrechtliche Unbedenklichkeit der Saugeinlagen für deren Verwendung
  261. im Zusammenhang mit Fleischprodukten von großer Bedeutung ist.
  262. 30
  263. e) Dazu, ob die Angaben der Beklagten über die Saugeinlagen der Klägerin in dem angeführten Schreiben unzutreffend sind und die Beklagte das für
  264. einen Schadensersatzanspruch nach § 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 UWG a.F., § 9
  265. - 13 -
  266. Satz 1 UWG erforderliche Verschulden trifft, hat das Berufungsgericht - von
  267. seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.
  268. Diese wird es im wiedereröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen haben. Die
  269. Beweislast dafür, dass die Beklagte schuldhaft unrichtige Angaben im vorstehenden Sinn gemacht hat, trifft die Klägerin (vgl. BGH GRUR 2007, 247 Tz. 33
  270. - Regenwaldprojekt I).
  271. Bornkamm
  272. Pokrant
  273. RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg
  274. ist ausgeschieden und kann daher nicht unterschreiben.
  275. Bornkamm
  276. Büscher
  277. Schaffert
  278. Vorinstanzen:
  279. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.02.2004 - 34 O 143/03 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.10.2004 - I-20 U 62/04 -