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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 148/04
  5. Verkündet am:
  6. 12. Juli 2007
  7. Walz
  8. Justizamtsinspektor
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. BGHZ:
  14. BGHR:
  15. ja
  16. ja
  17. ja
  18. CORDARONE
  19. MarkenG § 24
  20. a) Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen sich der Originalhersteller dem Vertrieb eines parallelimportierten Arzneimittels in einer neuen Verpackung nicht unter Berufung auf sein Markenrecht widersetzen kann, weil sich dessen Ausübung
  21. als eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
  22. i.S. von Art. 30 Satz 2 EG darstellt, gelten auch dann, wenn der Markeninhaber
  23. für dasselbe Produkt im Inland und im Ausland unterschiedliche Marken verwendet und gegen den Vertrieb des parallelimportierten Arzneimittels im Inland unter
  24. der im Ausland verwendeten Bezeichnung aus seiner inländischen Marke unter
  25. dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr vorgeht.
  26. b) Für die Prüfung, ob das Erfordernis, dass das Umpacken eines parallelimportierten Arzneimittels notwendig ist, um die Ware in dem Einfuhrmitgliedstaat vermarkten zu können, als eine der Voraussetzungen dafür erfüllt ist, dass sich der Markeninhaber dem Vertrieb des Arzneimittels in einer neuen Verpackung unter Wiederanbringung der Marke nicht widersetzen kann, kommt es nur auf das konkrete
  27. im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebrachte Warenexemplar an
  28. und nicht auf mit diesem identische oder ähnliche Waren.
  29. -2UWG §§ 3, 4 Nr. 10
  30. Vertreibt der Markeninhaber ein Arzneimittel im Inland und im Ausland unter unterschiedlichen Marken, so ist, wenn der Parallelimporteur die im Ausland verwendete,
  31. im Inland aber bislang nicht geschützte Bezeichnung für sich im Inland als Marke
  32. eintragen lässt und das Arzneimittel unter dieser Bezeichnung (weiter-)vertreibt, eine
  33. unlautere Mitbewerberbehinderung nur gegeben, wenn zur Kenntnis von der Benutzung im Ausland besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Parallelimporteurs als wettbewerbswidrig erscheinen lassen.
  34. BGH, Urt. v. 12. Juli 2007 - I ZR 148/04 - OLG Hamburg
  35. LG Hamburg
  36. -3-
  37. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
  38. die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
  39. für Recht erkannt:
  40. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
  41. Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 2. September
  42. 2004 aufgehoben.
  43. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 26. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
  44. Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
  45. Von Rechts wegen
  46. Tatbestand:
  47. 1
  48. Die Klägerin ist seit dem 19. Mai 1987 Inhaberin der für "Produits et
  49. spécialités pharmaceutiques" eingetragenen IR-Marke "CORDARONE", deren
  50. Schutz mit Wirkung zum 19. Januar 2001 auf Deutschland erstreckt worden ist.
  51. Unter dieser Marke wird von Gesellschaften, die zum Konzern der Klägerin ge-
  52. -4-
  53. hören, in Belgien ein Herzmittel in Packungsgrößen zu 20 und 60 Tabletten vertrieben. In Deutschland wird dieses Arzneimittel in Packungsgrößen zu 20, 50
  54. und 100 Tabletten unter der Marke "CORDAREX" vertrieben. Inhaberin der am
  55. 21. März 1994 für "Herzmittel" eingetragenen Marke "CORDAREX" ist eine
  56. Tochtergesellschaft der Klägerin, die dieser eine Lizenz zur Nutzung der Marke
  57. erteilt hat.
  58. 2
  59. Die Beklagten zu 1 und 2 importieren das Arzneimittel "CORDARONE"
  60. in der Packungsgröße zu 60 Tabletten aus Belgien und vertreiben es in
  61. Deutschland unter der Bezeichnung "CORDARONE" in von ihnen hergestellten
  62. neuen äußeren Umverpackungen zu 20 und 100 Tabletten. Die Beklagte zu 3,
  63. die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1 und 2, ist Inhaberin der am
  64. 29. September 2000 angemeldeten und am 19. April 2001 für
  65. "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;
  66. Babykost; Pflaster, Verbandsmaterial; Papier, Pappe (Karton) und
  67. Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten;
  68. Druckerzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren;
  69. Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; wissenschaftliche
  70. und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"
  71. eingetragenen deutschen Wortmarke "Cordarone".
  72. 3
  73. Die Klägerin beanstandet das Anbieten und den Vertrieb des aus Belgien importierten Arzneimittels in Deutschland unter der Bezeichnung "CORDARONE" in neuen Umverpackungen zu 20 und 100 Tabletten als Verletzung
  74. ihrer Markenrechte. Die von den Beklagten verwendete Bezeichnung "CORDARONE" sei mit ihrer IR-Marke identisch und mit der Marke "CORDAREX"
  75. -5-
  76. verwechselbar. Die Markenrechte seien nicht erschöpft, weil die Verwendung
  77. von neuen Umverpackungen nicht erforderlich sei. Die Beklagten könnten das
  78. Arzneimittel in Deutschland in den Packungsgrößen zu 20 und 100 Tabletten
  79. vertreiben, indem sie die gleichfalls in Belgien vertriebenen Packungsgrößen zu
  80. 20 Tabletten importierten und überklebten und die Packungsgröße zu
  81. 100 Tabletten durch Bündeln von fünf Packungen zu 20 Tabletten herstellten.
  82. Der Geltendmachung der Rechte aus ihren Marken stehe die prioritätsältere
  83. Marke der Beklagten zu 3 nicht entgegen, weil deren Anmeldung als rechtsmissbräuchliche "Sperrmarke" eine unlautere Behinderung i.S. von § 1 UWG
  84. a.F. darstelle.
  85. 4
  86. Die Klägerin hat beantragt,
  87. 1. die Beklagten zu 1 und 2 zu verurteilen, es zu unterlassen, das
  88. Arzneimittel "CORDARONE" aus Belgien zu importieren, umzupacken und in der Bundesrepublik Deutschland in eigenen
  89. Umverpackungen à 20 und 100 Tabletten anzubieten und/oder
  90. zu vertreiben;
  91. 2. die Beklagte zu 3 zu verurteilen, in die Löschung der Eintragung der Marke Nr. 3072735 "CORDARONE" vor dem Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.
  92. 5
  93. Die Beklagten haben demgegenüber geltend gemacht, Rechte aus der
  94. Marke "CORDAREX" würden mangels Verwechslungsgefahr nicht verletzt. Auf
  95. die IR-Marke "CORDARONE" könne die Klägerin ihre Ansprüche nicht stützen,
  96. weil die Marke der Beklagten zu 3 prioritätsälter sei. Eine Behinderungsabsicht
  97. habe bei deren Anmeldung nicht vorgelegen. Die Klägerin habe in Deutschland
  98. nur die Marke "CORDAREX" benutzt, die IR-Marke "CORDARONE" sei dage-
  99. -6-
  100. gen 13 Jahre lang nicht auf Deutschland erstreckt und hier auch nicht benutzt
  101. worden.
  102. 6
  103. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
  104. 7
  105. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten auf die Berufung der Klägerin
  106. antragsgemäß verurteilt (OLG Hamburg OLG-Rep 2005, 401).
  107. 8
  108. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten die
  109. Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, das
  110. Rechtsmittel zurückzuweisen.
  111. Entscheidungsgründe:
  112. 9
  113. I. Das Berufungsgericht hat den gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichteten Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3
  114. bis 5 MarkenG und den gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Löschungsanspruch nach § 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1 UWG für begründet erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
  115. 10
  116. Der Unterlassungsanspruch sei aus der Marke "CORDARONE" begründet; auf die Marke "CORDAREX" komme es daher nicht an. Die Rechte aus der
  117. Marke "CORDARONE" seien hinsichtlich der in Belgien in Verkehr gebrachten
  118. Arzneimittel nicht erschöpft, weil das Umpacken in neue Umverpackungen nicht
  119. erforderlich sei und die Klägerin sich daher der Markenbenutzung beim weiteren Vertrieb der Waren durch die Beklagten zu 1 und 2 aus berechtigten Gründen i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen könne. Die in Deutschland übli-
  120. -7-
  121. che Packungsgröße zu 20 Tabletten ließe sich unter Verwendung der belgischen Original-Umverpackung zu 20 Tabletten mit Überklebungen unschwer
  122. herstellen. Die Packungsgröße zu 100 Tabletten könne durch Bündeln der
  123. überklebten Originalpackungen erreicht werden. Da es in Belgien die Packungsgrößen zu 20 und 60 Tabletten gebe, seien Bündelungen sogar in zweifacher Weise möglich, nämlich durch Bündeln von 5 x 20 Tabletten sowie durch
  124. Zusammenfassung einer Packung zu 60 Tabletten und zweier Packungen zu
  125. 20 Tabletten.
  126. 11
  127. Die hinsichtlich der Priorität vorrangige Marke der Beklagten zu 3 stehe
  128. den Rechten der Klägerin aus deren Marke "CORDARONE" nicht entgegen,
  129. weil die Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 offensichtlich in gezielter unlauterer Behinderungsabsicht erfolgt sei. Den Beklagten gehe es nur um den
  130. Zweitvertrieb des parallelimportierten Arzneimittels der Klägerin in Deutschland.
  131. Dafür benötigten sie kein eigenes Markenrecht an der Bezeichnung des Arzneimittels. Die Marke der Beklagten zu 3 solle demgemäß allein dazu dienen,
  132. den Parallelimport ohne Rücksicht auf die Rechte der Klägerin durchsetzen zu
  133. können.
  134. 12
  135. II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
  136. Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Landgerichts.
  137. 13
  138. 1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe aus ihrer
  139. Marke "CORDARONE" gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG einen Anspruch gegen die Beklagten zu 1 und 2, es zu unterlassen, das aus Belgien in
  140. Packungsgrößen zu 60 Tabletten importierte Arzneimittel "CORDARONE" in
  141. eigenen Umverpackungen zu je 20 und 100 Tabletten in Deutschland unter die-
  142. -8-
  143. ser Bezeichnung anzubieten und/oder zu vertreiben, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
  144. 14
  145. a) Das Unterlassungsbegehren der Klägerin richtet sich dagegen, dass
  146. die Beklagten zu 1 und 2 das Arzneimittel der Klägerin in der Packungsgröße
  147. zu 60 Tabletten aus Belgien importieren und dann in Deutschland in eigenen
  148. Umverpackungen zu je 20 und 100 Tabletten unter der Bezeichnung "CORDARONE" anbieten und vertreiben. Soweit die Beklagten solche Handlungen vor
  149. dem 19. Januar 2001 vorgenommen haben, scheidet eine Verletzung der IRMarke der Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schon deshalb aus, weil
  150. für diese Marke bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland kein Schutz bestanden
  151. hat. Der Schutz der IR-Marke der Klägerin ist erst mit Wirkung zum 19. Januar
  152. 2001 gemäß Art. 3bis, Art. 3ter MMA auf Deutschland erstreckt worden. Gemäß
  153. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 MMA, § 112 Abs. 1 MarkenG treten die Schutzwirkungen in
  154. Deutschland erst mit dem Zeitpunkt der Erstreckung ein.
  155. 15
  156. b) Soweit eine nach diesem Zeitpunkt begründete Begehungsgefahr in
  157. Betracht kommt, kann die Klägerin den Beklagten zu 1 und 2 das Anbieten und
  158. Vertreiben des aus Belgien in der Packungsgröße zu 60 Tabletten importierten
  159. Arzneimittels unter der Bezeichnung "CORDARONE" ab dem 19. Januar 2001
  160. nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG untersagen, weil die Beklagten
  161. zu 1 und 2 sich insoweit auf das vorrangige Recht der Beklagten zu 3 aus deren
  162. Marke "Cordarone" stützen können.
  163. 16
  164. aa) Das aus einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem
  165. Zeitrang folgende Schutzhindernis (hier: aus § 107 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
  166. MarkenG) kann einredeweise im Verletzungsprozess auch von Dritten geltend
  167. gemacht werden, denen der Inhaber des prioritätsälteren Rechts die Benutzung
  168. schuldrechtlich gestattet hat (vgl. BGHZ 122, 71, 73 f. - Decker; 150, 82, 88
  169. -9-
  170. - Hotel Adlon; BGH, Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 65/00, GRUR 2004, 512, 513 =
  171. WRP 2004, 610 - Leysieffer). Der Zeitrang der Marke der Beklagten zu 3 bestimmt sich nach dem Tag ihrer Anmeldung am 29. September 2000 (§ 6
  172. Abs. 2, § 33 Abs. 1 MarkenG). Sie ist damit prioritätsälter als die IR-Marke der
  173. Klägerin, für deren Zeitrang der zwischen den Parteien unstreitige Zeitpunkt der
  174. Schutzerstreckung zum 19. Januar 2001 maßgeblich ist (vgl. § 112 Abs. 1
  175. MarkenG). Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten
  176. hat die Beklagte zu 3 den Beklagten zu 1 und 2 die Benutzung ihrer Marke gestattet.
  177. 17
  178. bb) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, die Beklagte zu 3 habe die Marke "Cordarone" in der Absicht angemeldet, sie gezielt
  179. zu behindern.
  180. 18
  181. (1) Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann allerdings, wovon das Berufungsgericht mit Recht ausgegangen ist, nach der Rechtsprechung des Senats einredeweise entgegengehalten werden, dass auf Seiten des
  182. Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als sittenwidrig i.S. des § 826 BGB oder als unlauter i.S.
  183. des § 3 UWG erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 3.2.2005
  184. - I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 417 = WRP 2005, 610 - Russisches Schaumgebäck, m.w.N.). Solche Umstände können insbesondere darin liegen, dass der
  185. Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne hinreichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren
  186. die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der
  187. Störung des Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den
  188. Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen
  189. (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1998 - I ZR 138/95, GRUR 1998, 1034, 1036 f.
  190. = WRP 1998, 978 - Makalu; Urt. v. 10.8.2000 - I ZR 283/97, GRUR 2000, 1032,
  191. - 10 -
  192. 1034 = WRP 2000, 1293 - EQUI 2000, m.w.N.). Das wettbewerbsrechtlich Unlautere (vgl. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG) kann auch darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende
  193. und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als
  194. Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzen will (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.1979
  195. - I ZR 125/75, GRUR 1980, 110, 111 - TORCH; Urt. v. 9.10.1997 - I ZR 95/95,
  196. GRUR 1998, 412, 414 = WRP 1998, 373 - Analgin; Urt. v. 20.1.2005
  197. - I ZR 29/02, GRUR 2005, 581, 582 = WRP 2005, 881 - The Colour of Elégance).
  198. 19
  199. (2) Über einen schutzwürdigen Besitzstand an der Bezeichnung "CORDARONE" verfügte die Klägerin im Inland zum Zeitpunkt der Anmeldung der
  200. Marke der Beklagten zu 3 nicht. Die Erstreckung des Schutzes der IR-Marke
  201. der Klägerin auf Deutschland war noch nicht erfolgt. Die Klägerin hat die Bezeichnung "CORDARONE" im Inland vor der Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 auch nicht benutzt. Die durch die IR-Marke der Klägerin geschützte
  202. Bezeichnung ist von ihr vielmehr nur im Ausland verwendet worden. Wegen des
  203. im Markenrecht geltenden Territorialitätsgrundsatzes ist es grundsätzlich rechtlich unbedenklich, wenn im Inland ein Zeichen als Marke in Kenntnis des Umstands angemeldet wird, dass ein anderer dasselbe Zeichen im benachbarten
  204. Ausland als Marke für gleiche oder sogar identische Waren benutzt (vgl. zum
  205. Warenzeichenrecht BGH, Urt. v. 2.4.1969 - I ZR 47/67, GRUR 1969, 607, 609
  206. - Recrin; Urt. v. 6.11.1986 - I ZR 196/84, GRUR 1987, 292, 294 - KLINT). Nur
  207. wenn zur Kenntnis von der Benutzung im Ausland besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen, steht der markenrechtliche Territorialitätsgrundsatz der Anwendung des
  208. inländischen Wettbewerbsrechts nicht entgegen.
  209. - 11 -
  210. 20
  211. (3) Solche besonderen Umstände sind hier entgegen der Ansicht des
  212. Berufungsgerichts nicht gegeben.
  213. 21
  214. Die Anmeldung einer Marke kann als wettbewerbswidrig zu beurteilen
  215. sein, wenn der Anmelder den Inhaber eines wertvollen ausländischen Zeichens,
  216. der dieses demnächst auch auf dem inländischen Markt benutzen will, daran
  217. durch die mit der Eintragung der angemeldeten Marke verbundene zeichenrechtliche Sperre hindern will (BGH GRUR 1969, 607, 609 - Recrin, m.w.N.).
  218. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass die Klägerin bereits
  219. zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 beabsichtigte, den
  220. Schutz ihrer IR-Marke auf Deutschland zu erstrecken, und die Beklagte zu 3
  221. dies wusste. Aus dem Vorbringen der Klägerin und den vom Berufungsgericht
  222. getroffenen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass sich der Beklagten zu 3
  223. ein entsprechender Schluss hätte aufdrängen müssen. Der Umstand, dass die
  224. Klägerin ihr Arzneimittel in Deutschland unter der Bezeichnung "CORDAREX"
  225. vertreibt, während dafür im Ausland seit über zehn Jahren die IR-Marke "CORDARONE" benutzt wird, legt die Annahme einer Absicht der Klägerin, die Bezeichnung "CORDARONE" in absehbarer Zeit auch im Inland zu benutzen,
  226. nicht nahe. Die nach der Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 veranlasste
  227. Schutzerstreckung der IR-Marke der Klägerin ist für die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu 3 ohne Bedeutung. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit des Zeichenerwerbs der Beklagten zu 3 sind die
  228. Verhältnisse zum Zeitpunkt der Anmeldung ihrer Marke (vgl. BGH GRUR 1969,
  229. 607, 609 - Recrin).
  230. 22
  231. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Wettbewerbswidrigkeit der Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 nicht darin gesehen werden, dass die Beklagten die Marke beim Vertrieb des aus Belgien importierten und mit einer neuen Verpackung versehenen Arzneimittels der Kläge-
  232. - 12 -
  233. rin benutzen. Die vom Berufungsgericht festgestellte Absicht der Beklagten
  234. zu 3, ihren Parallelimport mit dem Erwerb einer eigenen Marke an der Bezeichnung "Cordarone" ohne Rücksicht auf die Rechte der Klägerin durchsetzen zu
  235. können, ist nicht auf eine unlautere gezielte Behinderung der Klägerin i.S. von
  236. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG gerichtet. Das Berufungsgericht meint mit den von ihm in
  237. diesem Zusammenhang angesprochenen "selbstverständlich auch geschützten" Rechten der Klägerin die Rechte des Originalherstellers eines Arzneimittels, die der Parallelimporteur beachten muss, wenn er das aus dem Ausland
  238. importierte Arzneimittel im Inland vertreiben will. Dabei handelt es sich in der
  239. Regel um inländische Markenrechte des Originalherstellers an Zeichen, die mit
  240. den Kennzeichnungen übereinstimmen, unter denen er oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen das Arzneimittel im Ausland in den Verkehr gebracht
  241. hat. Solche inländischen Markenrechte, auf welche die Beklagte zu 3 möglicherweise hätte Rücksicht nehmen müssen, standen der Klägerin an der Bezeichnung "CORDARONE" im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke der Beklagten zu 3 jedoch nicht zu.
  242. 23
  243. Die Wettbewerbswidrigkeit des Zeichenerwerbs der Beklagten zu 3 folgt
  244. auch nicht daraus, dass die Beklagten für den Vertrieb des parallelimportierten
  245. Arzneimittels der Klägerin in Deutschland kein eigenes Markenrecht an der Bezeichnung des Arzneimittels benötigen. Da im Zeitpunkt der Anmeldung der
  246. Marke der Beklagten zu 3 Dritten an der als Marke angemeldeten Bezeichnung
  247. "Cordarone" für die beanspruchten Waren im Inland keine besseren Rechte
  248. zustanden, kann die Berechtigung der Beklagten zu 3, diese Marke anzumelden, nicht davon abhängen, ob für sie ein Bedürfnis bestand, diese Bezeichnung als Marke für ein bestimmtes Erzeugnis zu benutzen. Der Inhaber einer
  249. Marke hat grundsätzlich das Recht, diese für alle Erzeugnisse des eingetragenen Warenverzeichnisses unbeschränkt benutzen zu dürfen. Ob er die betreffenden Erzeugnisse auch ohne Markenschutz unter dieser oder unter einer an-
  250. - 13 -
  251. deren Bezeichnung vertreiben könnte, ist ohne Belang. Eine in diesem Sinne
  252. zwar nicht notwendige, im Übrigen aber nicht zu beanstandende Markenbenutzung führt als solche nicht zu einer Behinderung, die über diejenige Sperrwirkung hinausgeht, die mit jedem Markenerwerb und mit jeder Markenverwendung verbunden ist und daher von Dritten, die diese Bezeichnung gleichfalls
  253. benutzen wollen, hingenommen werden muss.
  254. 24
  255. Der Umstand, dass die Beklagte zu 3 unter ihrer Marke ein fremdes Produkt, nämlich ein vom Konzern der Klägerin in Belgien in den Verkehr gebrachtes Arzneimittel, vertreiben lässt, stellt ebenfalls keine unlautere gezielte Behinderung der Klägerin i.S. von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG dar. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Erwägung, die Beklagten könnten den Vertrieb eines an sich
  256. fremden Produkts mit einem eigenen Markenrecht nach eigenem Gutdünken in
  257. letztlich beliebiger Packungsaufmachung erzwingen, kann die Unlauterkeit des
  258. Verhaltens der Beklagten nicht begründet werden, weil Dritten der Vertrieb eines von ihnen veränderten Produkts eines anderen Markeninhabers nicht generell untersagt ist. Der Hersteller einer Markenware, der diese unter seiner Marke
  259. in den Verkehr bringt, hat nicht grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die
  260. Ware nur unter Belassung seiner Marke und in unverändertem Zustand weitervertrieben wird. Unter Berufung auf sein Markenrecht kann er sich dem weiteren Vertrieb von ihm in Verkehr gebrachter Waren in einem veränderten Zustand vielmehr nur dann widersetzen, wenn bei dem weiteren Vertrieb der Waren die Marke weiterbenutzt wird, aus der ihm Rechte zustehen (vgl. § 24
  261. Abs. 1 und 2 MarkenG). Wird die Ware - verändert oder unverändert - nach Beseitigung der vom Hersteller angebrachten Marke weiterveräußert, stehen ihm
  262. insoweit markenrechtliche Ansprüche nicht zu, weil es an einer Benutzung seiner Marke fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 277/01, GRUR 2004, 1039,
  263. 1041 = WRP 2004, 1486 - SB-Beschriftung). Der Markeninhaber kann sich unter Berufung auf sein Markenrecht auch nicht dagegen wenden, dass das von
  264. - 14 -
  265. ihm in Verkehr gebrachte Produkt nicht unter seiner Marke, sondern nach Veränderung der Ware oder ihrer Verpackung unter Anbringung einer fremden
  266. Marke weitervertrieben wird. Die Hauptfunktion der Marke, die darin besteht, die
  267. Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, wird nicht verletzt, wenn die ursprüngliche Kennzeichnung mit der
  268. zunächst angebrachten Marke beseitigt und die Ware mit der Marke eines anderen Markeninhabers neu gekennzeichnet wird. Denn die mit der Kennzeichnung einer Ware durch eine Marke verbundene Garantiefunktion kann nur dem
  269. Inhaber derjenigen Marke zugerechnet werden, unter der die Ware dem Verkehr entgegentritt.
  270. 25
  271. Eine andere Beurteilung ist im vorliegenden Fall nicht deshalb angebracht, weil die Marke der Beklagten zu 3 mit der IR-Marke der Klägerin übereinstimmt. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass der
  272. prioritätsälteren Marke der Beklagten zu 3 in Deutschland gegenüber der IRMarke der Klägerin markenrechtlich der Vorrang zukommt. Für die zeichenrechtliche Beurteilung ist deshalb davon auszugehen, dass die Ware nach dem
  273. Umpacken und (Wieder-)Anbringen der Bezeichnung "CORDARONE" durch die
  274. Beklagten beim Vertrieb im Inland nicht (mehr) mit der in Belgien angebrachten
  275. und dort geschützten IR-Marke der Klägerin, sondern nunmehr mit der Marke
  276. der Beklagten zu 3 gekennzeichnet ist. Demgegenüber kann sich die Klägerin
  277. aus ihrer IR-Marke nicht auf Identitätsschutz und auf Schutz gegen Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG berufen, weil dieser Schutz
  278. ihrer IR-Marke erst ab dem Zeitpunkt der Schutzerstreckung auf Deutschland
  279. zukommt. Wegen des Vorrangs des Markenrechts sind deshalb auch wettbewerbsrechtliche Einwendungen der Klägerin wegen einer etwaigen Gefahr der
  280. Verwechslung der Marken ausgeschlossen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Gefahr einer anderweitigen Irreführung der beteiligten Verkehrskreise (§ 5 UWG). Nach dem Sachvortrag der Parteien ist davon
  281. - 15 -
  282. auszugehen, dass die Beklagten bei dem Vertrieb des umgepackten Arzneimittels die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bestehenden Informationspflichten (vgl. zuletzt EuGH, Urt. v.
  283. 26.4.2007 - C-348/04, GRUR 2007, 586 Tz. 21, 32 = WRP 2007, 627 - Boehringer Ingelheim/Swingward II, m.w.N.) erfüllen und daher auf der neuen Verpackung klar angeben, wer das Arzneimittel umgepackt hat und wer dessen Hersteller ist. Auch ein Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG kommt
  284. nicht in Betracht. Dieser setzt zwar weder eine Schutzerstreckung noch eine
  285. Benutzung im Inland zwingend voraus. Einer ausländischen Marke kommt
  286. Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG jedoch nur dann zu, wenn sie im Inland
  287. bekannt ist; die alleinige Bekanntheit im Ausland genügt nicht (vgl. Hacker in
  288. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 14 Rdn. 166; Piper, GRUR 1996,
  289. 429, 433). Die Klägerin, die für ihr Arzneimittel in Deutschland die Bezeichnung
  290. "CORDAREX" benutzt, hat nicht geltend gemacht, dass für die im Ausland verwendete Bezeichnung "CORDARONE" im Inland in dem Zeitpunkt, der für den
  291. Zeitrang der Marke der Beklagten zu 3 maßgeblich ist (vgl. dazu BGH, Urt. v.
  292. 10.10.2002 - I ZR 235/00, GRUR 2003, 428, 433 = WRP 2003, 647 - BIG
  293. BERTHA, m.w.N.), die Voraussetzungen eines Schutzes als bekannte Marke
  294. nach § 4 Nr. 2 oder 3 MarkenG i.V. mit § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG vorgelegen
  295. haben.
  296. 26
  297. Der vom Berufungsgericht ferner angesprochene Umstand, dass die Beklagte zu 3 unter Berufung auf ihr Markenrecht andere Parallelimporteure an
  298. der Verwendung der Bezeichnung "CORDARONE" für das Arzneimittel der
  299. Klägerin hindern könnte, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines sittenwidrigen
  300. Zeichenerwerbs der Beklagten zu 3. Die Beklagten haben unwidersprochen
  301. vorgetragen, sie gingen nicht dagegen vor, dass andere Parallelimporteure das
  302. Arzneimittel unter der Bezeichnung "CORDARONE" vertrieben. Im Übrigen wären andere Parallelimporteure an dem Vertrieb des importierten Arzneimittels in
  303. - 16 -
  304. Deutschland selbst dann nicht gehindert, wenn sich die Beklagte zu 3 ihnen
  305. gegenüber auf ihre besseren Rechte an der Bezeichnung "CORDARONE" berufen würde. In diesem Falle wären die anderen Parallelimporteure berechtigt,
  306. beim Vertrieb in Deutschland anstelle der Bezeichnung "CORDARONE" die von
  307. der Klägerin in Deutschland verwendete Marke "CORDAREX" zu benutzen. Der
  308. Parallelimporteur ist zu einer solchen Markenersetzung befugt, wenn der tatsächliche Zugang zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaats durch die ältere
  309. inländische Marke eines anderen Zeicheninhabers behindert ist (vgl. BGH, Urt.
  310. v. 11.7.2002 - I ZR 219/99, GRUR 2002, 1059, 1061 = WRP 2002, 1163
  311. - Zantac/Zantic, m.w.N.).
  312. 27
  313. 2. Aus den vorstehend unter II 1 b bb genannten Gründen steht der Klägerin auch der auf § 4 Nr. 10 UWG gestützte Anspruch auf Einwilligung der Beklagten zu 3 in die Löschung ihrer Marke "CORDARONE" nicht zu.
  314. 28
  315. III. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen
  316. als (teilweise) richtig dar (§ 561 ZPO). Soweit die Klägerin den Unterlassungsantrag auch auf eine Verletzung ihrer Marke "CORDAREX" nach § 14 Abs. 2
  317. Nr. 2 MarkenG gestützt hat, ist ihre Klage gleichfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat zwar zur Frage einer Verwechslungsgefahr zwischen den Marken "CORDARONE" und "CORDAREX" keine Feststellungen getroffen, so dass
  318. dem Senat insoweit eine eigene Beurteilung nicht möglich ist. Die Sache muss
  319. deswegen jedoch nicht an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil
  320. der geltend gemachte Unterlassungsanspruch selbst dann nicht gegeben ist,
  321. wenn man für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz von einer Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen "CORDARONE" und "CORDAREX" ausgeht. Auch in diesem Fall kann die Klägerin nach
  322. den Grundsätzen, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur
  323. Zulässigkeit des Umpackens von parallelimportierten Arzneimitteln entwickelt
  324. - 17 -
  325. hat, den Beklagten zu 1 und 2 das Anbieten und den Vertrieb der aus Belgien in
  326. der Packungsgröße zu 60 Tabletten importierten Arzneimittel in neuen Umverpackungen zu 20 und 100 Tabletten nicht untersagen.
  327. 29
  328. 1. Die Beklagten zu 1 und 2 können sich gegenüber Ansprüchen, die die
  329. Klägerin auf die Marke "CORDAREX" stützt, allerdings nicht auf Erschöpfung
  330. berufen. Nach § 24 Abs. 1 MarkenG, Art. 7 Abs. 1 MarkenRL erschöpfen sich
  331. nur die Rechte aus der Marke, unter der die betreffenden Waren in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind. Die aus Belgien importierten
  332. Arzneimittel in der Packungsgröße zu 60 Tabletten sind dort nicht unter der
  333. Marke "CORDAREX", sondern unter der Marke "CORDARONE" in den Verkehr
  334. gebracht worden.
  335. 30
  336. 2. Die auf Art. 28, 30 EG gestützte Rechtsprechung des Gerichtshofs der
  337. Europäischen Gemeinschaften zur Zulässigkeit des Umpackens von parallelimportierten Arzneimitteln ist jedoch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der
  338. Markeninhaber dasselbe Produkt im In- und Ausland unter derselben Marke
  339. vertreibt und somit aus der Marke vorgeht, mit der er die Arzneimittel im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht hat und unter der der Parallelimporteur sie im Inland weitervertreiben will. Die Prüfung, ob sich die Ausübung von Markenrechten als eine verschleierte Beschränkung des Handels
  340. zwischen den Mitgliedstaaten i.S. von Art. 30 Satz 2 EG darstellt, ist vielmehr
  341. auch dann vorzunehmen, wenn der Markeninhaber das gleiche Produkt in verschiedenen Mitgliedstaaten unter verschiedenen Marken vertreibt. Für den Fall,
  342. dass der Parallelimporteur wegen einer solchen "Zwei-Marken-Strategie" des
  343. Originalherstellers beim Weitervertrieb der Waren dessen inländische Marke
  344. anstelle der von diesem ursprünglich im Ausland verwendeten Marke benutzt
  345. (Markenersetzung), ist die Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen
  346. Gemeinschaften entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit des Parallelimports
  347. - 18 -
  348. anerkannt (vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.1999 - C-379/97, Slg. 1999, I-6927 Tz. 28
  349. = GRUR Int. 2000, 159 = WRP 1999, 1264 - Pharmacia & Upjohn/Paranova;
  350. BGH GRUR 2002, 1059, 1061 - Zantac/Zantic). Für den hier zu beurteilenden
  351. Fall, dass der Markeninhaber, der für das gleiche Produkt im In- und Ausland
  352. unterschiedliche Marken verwendet, gegen den Vertrieb des parallel importierten Arzneimittels nicht (nur) aus der ausländischen, sondern (auch) - unter dem
  353. Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr - aus der von ihm für das gleiche Produkt verwendeten inländischen Marke vorgeht, stellt sich die Frage, ob hierin
  354. eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten i.S.
  355. von Art. 30 Satz 2 EG liegt, in gleicher Weise. Demnach kann sich der Markeninhaber auch in einem solchen Fall dem weiteren Vertrieb des umgepackten
  356. parallelimportierten Arzneimittels im Inland unter Beibehaltung der im Ausland
  357. verwendeten Bezeichnung nicht unter Berufung auf eine Verwechslungsgefahr
  358. mit seiner inländischen Marke widersetzen, wenn der Parallelimporteur die aus
  359. der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften folgenden Voraussetzungen für den weiteren Vertrieb des umgepackten und mit
  360. der ursprünglichen Kennzeichnung versehenen Produkts beachtet. Diese Voraussetzungen werden entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von den
  361. Beklagten im vorliegenden Fall erfüllt.
  362. 31
  363. a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist die Erschöpfung der Marke in den Fällen des Re- oder Parallelimports von fünf Bedingungen abhängig (EuGH GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 79
  364. - Bristol-Myers Squibb u.a./Paranova): (1) Die Geltendmachung der Rechte aus
  365. der Marke trägt erwiesenermaßen zu einer künstlichen Abschottung der Märkte
  366. bei. Von einer solchen Marktabschottung ist auszugehen, wenn der Markeninhaber das gleiche Arzneimittel in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Packungen in Verkehr gebracht hat und das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um das Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu
  367. - 19 -
  368. können. (2) Der Originalzustand des Arzneimittels darf durch das Umpacken
  369. nicht beeinträchtigt werden. (3) Auf der Verpackung müssen sowohl das die
  370. Umverpackung vornehmende Unternehmen als auch der Hersteller genannt
  371. sein. (4) Das umgepackte Arzneimittel darf nicht so aufgemacht sein, dass der
  372. Ruf der Marke geschädigt wird. Dies bedeutet, dass die Verpackung nicht
  373. schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein darf. (5) Der Importeur
  374. muss den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels
  375. unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster liefern.
  376. 32
  377. b) Das Erfordernis, dass das Umpacken notwendig ist, um die Ware in
  378. dem Einfuhrmitgliedstaat zu vermarkten, gilt nur für das Umpacken der Ware
  379. als solches sowie für die Wahl, ob die Wiederanbringung der Marke durch Neuverpackung oder durch Aufkleben eines Etiketts auf die Verpackung der Ware
  380. erfolgt. Es gilt dagegen nicht für die Art und Weise, in der das Umpacken
  381. durchgeführt wird (EuGH GRUR 2007, 586 Tz. 38 - Boehringer Ingelheim/
  382. Swingward II; EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 8.7.2003 - E-3/02, GRUR Int. 2003,
  383. 936 Tz. 41-45 - Paranova/Merck).
  384. 33
  385. c) Das Umpacken der in Belgien in der Packungsgröße zu 60 Tabletten
  386. in Verkehr gebrachten und von dort durch die Beklagten importierten Arzneimittel ist im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften für deren weiteren Vertrieb in Deutschland erforderlich. Denn in
  387. der Originalverpackung lassen sich diese Arzneimittel in Deutschland nicht vertreiben, weil hier nur Packungsgrößen zu 20, 50 und 100 Tabletten üblich sind.
  388. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Beklagten das gleiche Arzneimittel in der Packungsgröße zu
  389. 20 Tabletten aus Belgien importieren und in Deutschland ohne Umverpackung
  390. weitervertreiben könnten. Bei dem durch Art. 28, 30 EG bezweckten Schutz des
  391. freien Warenverkehrs ist ebenso wie beim Erschöpfungsgrundsatz des Art. 7
  392. - 20 -
  393. MarkenRL nur auf das konkrete im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr
  394. gebrachte Warenexemplar und nicht auf mit diesem identische oder ähnliche
  395. Waren abzustellen (vgl. zu Art. 7 MarkenRL EuGH, Urt. v. 1.7.1999 - C-173/98,
  396. Slg. 1999, I-4103 Tz. 19/20 = GRUR Int. 1999, 870 = WRP 1999, 803
  397. - Sebago). Wird ein Erzeugnis in verschiedenen Gestaltungen in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht, so liegt eine Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten auch dann vor, wenn das Erzeugnis in anderen Mitgliedstaaten nur in einigen dieser Gestaltungen vertrieben werden kann, andere
  398. Gestaltungen dagegen ausgeschlossen sind. Dies folgt im Übrigen auch daraus, dass nach Art. 28 EG mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen zwischen
  399. den Mitgliedstaaten grundsätzlich verboten sind.
  400. d) Die Art und Weise, in der die Beklagten das Umpacken durchführen,
  401. 34
  402. hat die Klägerin nicht beanstandet. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass
  403. durch das Umpacken etwa der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Arzneimittel beeinträchtigt oder der Ruf der Marke "CORDAREX" der Klägerin beschädigt werden könnte. Die Beklagten geben auf der neuen Umverpackung auch an, dass sie die Arzneimittel eingeführt und umverpackt haben
  404. und wer deren Hersteller ist.
  405. IV. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Berufung der
  406. 35
  407. Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.
  408. - 21 -
  409. 36
  410. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
  411. Bornkamm
  412. v. Ungern-Sternberg
  413. Schaffert
  414. Pokrant
  415. Bergmann
  416. Vorinstanzen:
  417. LG Hamburg, Entscheidung vom 26.02.2002 - 312 O 668/01 OLG Hamburg, Entscheidung vom 02.09.2004 - 3 U 63/02 -