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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 5/11
  4. vom
  5. 17. August 2011
  6. in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 803 Abs. 1 Satz 2
  14. Der Schuldner kann den Einwand der Übersicherung des Gläubigers (§ 803
  15. Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO und nicht mit der
  16. Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltend machen.
  17. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - I ZB 5/11 - LG Berlin
  18. AG Schöneberg
  19. -2-
  20. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011 durch
  21. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
  22. Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
  23. beschlossen:
  24. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss
  25. des Landgerichts Berlin vom 10. Dezember 2010 aufgehoben.
  26. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
  27. des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
  28. Beschwerdewert: 1.500 €.
  29. Gründe:
  30. 1
  31. I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung
  32. wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Im Termin zur Abgabe
  33. der eidesstattlichen Versicherung hat der Schuldner nach § 900 Abs. 4 Satz 1
  34. ZPO Widerspruch eingelegt. Er macht geltend, er sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet, weil der Gläubiger bereits durch andere
  35. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung hinreichend gesichert sei.
  36. 2
  37. Das Vollstreckungsgericht hat den Widerspruch des Schuldners zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben.
  38. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt
  39. der Schuldner seinen Widerspruch weiter.
  40. -3-
  41. 3
  42. II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
  43. ausgeführt, der Einwand einer Übersicherung des Gläubigers sei im Widerspruchsverfahren unstatthaft. Dem Prüfungsgegenstand sei allein das Erinnerungsverfahren angemessen. Dieses führe bereits in erster Instanz zu einer
  44. richterlichen Entscheidung und verkürze auch nicht den Rechtsschutz des
  45. Schuldners.
  46. 4
  47. III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist
  48. statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.
  49. 5
  50. 1. Die Pfändung im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen darf nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht
  51. weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Diese Bestimmung
  52. dient dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2002 - IX ZB 26/02, BGHZ 151, 384,
  53. 387).
  54. 6
  55. 2. Der Schuldner kann den Einwand einer Übersicherung des Gläubigers
  56. allerdings grundsätzlich mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO
  57. geltend machen (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 766 Rn. 15). Gemäß § 766
  58. Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Diese Entscheidung ist nach § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG dem Richter vorbehalten.
  59. -4-
  60. 7
  61. Im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist jedoch
  62. der Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO gegenüber der Erinnerung
  63. nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO der speziellere und damit vorrangige Rechtsbehelf (KG, NJW 1956, 115 f.; LG Berlin, Rpfleger 2007, 407 f.; MünchKomm.ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 900 Rn. 19; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl.,
  64. § 900 Rn. 24; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 32. Aufl., § 900 Rn. 30b; vgl. auch
  65. Zöller/Stöber aaO § 900 Rn. 22). Bestreitet der Schuldner im Termin die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, so hat nach § 900
  66. Abs. 4 Satz 1 ZPO das Gericht durch Beschluss zu entscheiden. Diese Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist nach § 20 Nr. 17 Satz 1 RPflG dem
  67. Rechtspfleger übertragen.
  68. 8
  69. Auch den Einwand der Übersicherung kann der Schuldner im Verfahren
  70. zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gemäß
  71. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO geltend machen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434 f.;
  72. LG Detmold, Rpfleger 1990, 432, 433; LG Stuttgart, Rpfleger 2000, 28; MünchKomm.ZPO/Schmidt aaO § 777 Rn. 19; MünchKomm.ZPO/Eickmann aaO
  73. § 900 Rn. 21; Musielak/Lackmann aaO § 777 Rn. 6; Musielak/Voit aaO § 900
  74. Rn. 25; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 900 Rn. 47; aA LG Hannover,
  75. Rpfleger 1986, 187; Zöller/Stöber aaO § 777 Rn. 8). Entgegen der Ansicht des
  76. Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, die Aussichten des
  77. Gläubigers, aufgrund anderer Maßnahmen der Zwangsvollstreckung Befriedigung zu erlangen, könnten in der Regel nur im Erinnerungsverfahren hinreichend geprüft werden. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die
  78. Entscheidung über den Einwand der Übersicherung dem Richter vorbehalten
  79. bleiben müsste. Vielmehr spricht der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie
  80. dafür, sämtliche Einwände, die der Schuldner im Termin gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorbringt - und so auch den
  81. Einwand der Übersicherung - im Widerspruchsverfahren vom Rechtspfleger
  82. -5-
  83. überprüfen zu lassen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434, 435; LG Stuttgart,
  84. Rpfleger 2000, 28).
  85. 9
  86. IV. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben. Die
  87. Sache ist zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Die Vorinstanzen
  88. haben sich bislang nicht mit der Frage befasst, ob der Gläubiger hinreichend
  89. gesichert ist.
  90. Bornkamm
  91. Büscher
  92. Koch
  93. Schaffert
  94. Löffler
  95. Vorinstanzen:
  96. AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 07.10.2010 - 32 M 767/10 LG Berlin, Entscheidung vom 10.12.2010 - 51 T 753/10 -