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- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- BLw 5/13
- vom
- 25. April 2014
- in der Landwirtschaftssache
- Nachschlagewerk:
-
- ja
-
- BGHZ:
-
- nein
-
- BGHR:
-
- ja
-
- GrdstVG § 9 Abs. 5
- a) Die Behörde darf die Genehmigung eines Vertrags über die Veräußerung eines
- land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks auch dann nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1
- GrdstVG versagen, wenn sie den Vertrag, obwohl das Vorkaufsrecht nach dem
- Reichssiedlungsrecht hätte ausgeübt werden können, entgegen § 12 GrdstVG
- dem Siedlungsunternehmen nicht vorgelegt hat (Fortführung von Senat,
- Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, NJW 1966, 2310).
- GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 3
- b) Die Genehmigung zur Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
- einem im Bieterverfahren ermittelten Preis ist - ungeachtet eines von einem
- Gutachter ermittelten niedrigeren innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts - nicht
- nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zu versagen, wenn um dieselbe Fläche
- konkurrierende Landwirte bereit sind, einen (annähernd) gleich hohen Preis zu
- zahlen.
- BGH, Beschluss vom 25. April 2014 - BLw 5/13 - OLG Jena
- AG Erfurt
-
- -2-
-
- Der
-
- Bundesgerichtshof,
-
- Senat
-
- für
-
- Landwirtschaftssachen,
-
- hat
-
- am
-
- 25. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter
- Dr. Lemke und Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Beer und Kees
- beschlossen:
- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Thüringer
- Oberlandesgerichts in Jena - Senat für Landwirtschaftssachen vom 24. Juni 2013 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1, die den
- Beteiligten zu 2 und zu 5 auch die außergerichtlichen Kosten des
- Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, zurückgewiesen.
- Die in dem Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Gerichtsgebühren sind von der Beteiligten zu 1 nicht zu erheben.
- Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
- 46.000 €.
- Gründe:
-
- I.
- 1
-
- Mit notariellem Vertrag vom 17. August 2010 verkaufte die Beteiligte zu 2
- fünf in Thüringen belegene landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Größe
- von 2,5 ha zu einem Kaufpreis von 46.000 € an den Beteiligten zu 5. Die
- Beteiligte zu 2, die ehemals volkseigene landwirtschaftliche Grundstücke
- veräußert, hatte zuvor eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, bei der der
- Beteiligte zu 5 das höchste Angebot abgegeben hatte. Der Beteiligte zu 5 ist
- Haupterwerbslandwirt und Inhaber eines etwa 250 km von den gekauften
- Grundstücken entfernten landwirtschaftlichen Betriebs; er beabsichtigt nicht,
- diese Grundstücke selbst zu bewirtschaften, sondern will sie an einen
- ortsansässigen Landwirt verpachten.
-
- -3-
-
- 2
-
- Die Beteiligte zu 3 (Genehmigungsbehörde), die den Vertrag nicht dem
- Siedlungsunternehmen
-
- zur
-
- Entscheidung
-
- über
-
- die
-
- Ausübung
-
- des
-
- Vorkaufsrechts vorgelegt hatte, versagte mit Bescheid vom 14. Oktober 2010
- die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz, weil die Veräußerung
- zum Zwecke der Verpachtung im Hinblick auf das Erwerbsinteresse
- ortsansässiger landwirtschaftlicher Unternehmen eine ungesunde Verteilung
- des Bodens bedeute und der vereinbarte Kaufpreis in einem groben
- Missverhältnis zum Wert des Grundstücks stehe.
- 3
-
- Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 2 auf
- Erteilung der Genehmigung mit der Begründung stattgegeben, dass die
- Veräußerung auch zu einem Preis von 46.000 € der Agrarstruktur nicht
- widerspreche, weil bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung sich
- keine erwerbswilligen und aufstockungsbedürftigen Landwirte gemeldet hätten,
- die bereit gewesen seien, den noch angemessenen Kaufpreis (von 50 % über
- dem
-
- von
-
- dem
-
- Sachverständigen
-
- festgestellten innerlandwirtschaftlichen
-
- Verkehrswert von 27.200 €) zu zahlen.
- 4
-
- Mit der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde hat die
- Beteiligte zu 1 (die übergeordnete Behörde) zwei Erklärungen in der Nähe
- ansässiger Landwirte vorgelegt, die die Grundstücke für einen Preis von bis zu
- 41.118 € erwerben wollen. Das Oberlandesgericht (Landwirtschaftssenat) hat
- die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit
- der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung der
- Genehmigung erreichen will.
- II.
-
- 5
-
- Das Beschwerdegericht (dessen Entscheidung in AUR 2013, 338 ff. veröffentlicht ist) meint, die Beteiligte zu 3 hätte die beantragte Genehmigung nicht
- versagen dürfen.
-
- -4-
-
- 6
-
- Eine Versagung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG komme nach § 9 Abs. 5
- GrdstVG schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beteiligte zu 3 den Vertrag
- nicht gemäß § 12 GrdstVG dem Siedlungsunternehmen zur Entscheidung über
- die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorgelegt habe, obwohl
- die Voraussetzungen für dessen Ausübung vorgelegen hätten.
-
- 7
-
- Der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG liege nicht vor,
- obwohl
-
- nach
-
- dem
-
- gutachterlich
-
- festgestellten
-
- innerlandwirtschaftlichen
-
- Verkehrswert ein grobes Missverhältnis zwischen dem Preis und dem Wert der
- Grundstücke bestehe. Eine Versagung der Genehmigung aus diesem Grund
- komme, wenn - wie hier - ein Landwirt Käufer sei, nur in den Ausnahmefällen in
- Betracht, in denen der gebotene Preis außerhalb jeder vernünftigen
- betriebswirtschaftlichen
-
- Kalkulation
-
- liege.
-
- Davon
-
- könne
-
- jedoch
-
- nicht
-
- ausgegangen werden, wenn zwei um die Fläche konkurrierende Landwirte
- einen annähernd gleich hohen Preis für den Erwerb dieser Fläche zu zahlen
- bereit seien.
- III.
- 8
-
- Die nach § 9 LwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG auf Grund der Zulassung
- durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen nach § 71 Abs. 1
- FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die nach § 2 Abs. 1
- GrdstVG erforderliche Genehmigung zu Veräußerungen landwirtschaftlicher
- Grundstücke, derer es auch bei den Verkäufen durch die Beteiligte zu 2 bedarf
- (Senat, Beschluss vom 27. November 2009 - BLw 4/09, NJW-RR 2010, 886
- ff.), ist von dem Landwirtschaftsgericht zu Recht nach § 22 Abs. 3 GrdstVG
- erteilt worden.
-
- 9
-
- 1. Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die
- Beteiligte zu 3 nach § 9 Abs. 5 GrdstVG die beantragte Genehmigung nicht
- nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagen durfte.
-
- -5-
-
- 10
-
- a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde musste sich das Beschwerdegericht
-
- nicht
-
- landwirtschaftlicher
-
- mit der Frage befassen, ob die Veräußerung
-
- Grundstücke
-
- an
-
- einen
-
- Haupterwerbslandwirt
-
- eine
-
- ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet, wenn der Käufer
- wegen der zu großen Entfernung von seiner Hofstelle das Kaufgrundstück nicht
- selbst bewirtschaften kann. Das ist hier nach § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht zu
- prüfen. Diese Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die Voraussetzungen
- vorliegen, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz
- ausgeübt werden kann, jedoch nicht ausgeübt wird, die Genehmigung nach
- (§ 9) Absatz 1 Nr. 1 nur versagt werden kann, falls es sich um die Veräußerung
- eines
-
- land-
-
- oder
-
- forstwirtschaftlichen
-
- Betriebes
-
- handelt.
-
- Dass
-
- die
-
- Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 Abs. 1 RSG
- vorlagen, hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt.
- 11
-
- b) Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen,
- sondern meint, dass § 9 Abs. 5 GrdstVG nur dann einschlägig sei, wenn ein mit
- einem Nichtlandwirt geschlossener Vertrag wegen des Erwerbsinteresses
- anderer Landwirte nicht hätte genehmigt werden können und die Behörde die
- Genehmigung versage, ohne dass siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht geprüft zu
- haben.
-
- 12
-
- aa) Das widerspricht indessen dem Regelungsinhalt der Norm. Der
- Senat hat bereits entschieden, dass bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts,
- falls ein Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrdstVG nicht
- vorliegt,
-
- die
-
- Genehmigung
-
- eines
-
- Vertrags
-
- über
-
- die
-
- Veräußerung
-
- landwirtschaftlicher Grundstücke ohne weitere Prüfung zu erteilen ist, also auch
- dann, wenn der Erwerber schon genug Land hat oder das Grundstück zu
- anderen als landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden soll oder
- Landwirte das Grundstück dringend brauchen und auch erwerben wollen
- (Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, NJW 1966, 2310). An dieser
- Rechtsprechung, die von den Oberlandesgerichten (vgl. OLG Stuttgart, RdL
-
- -6-
-
- 1970, 232; OLG Frankfurt, RdL 2005, 274, 275; OLG Jena, AuR 2013, 340,
- 341) und im Schrifttum (Netz, GrdstVG, 6. Aufl., § 9 Anm. 4.10.7, S. 559) geteilt
- wird, hält der Senat fest.
- 13
-
- bb) Die in § 9 Abs. 5 GrdsVG bestimmte Rechtsfolge tritt auch dann ein,
- wenn wegen eines erheblich über dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert
- liegenden Kaufpreises die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zu erwarten war.
- Da das Siedlungsunternehmen den Vertrag nur als Ganzes oder überhaupt
- nicht übernehmen kann, ist es nicht zulässig, bei der Auslegung des § 9 Abs. 5
- GrdstVG danach zu differenzieren, ob das Siedlungsunternehmen das
- Vorkaufsrecht wegen der Höhe des Kaufpreises oder aus anderen Gründen
- nicht ausgeübt hat (Senat, Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, aaO).
-
- 14
-
- cc) Die Behörde darf die Genehmigung des Vertrags auch dann nicht
- nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagen, wenn sie den Vertrag, obwohl das
- Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsrecht hätte ausgeübt werden können,
- entgegen der Bestimmung in § 12 GrdstVG dem Siedlungsunternehmen nicht
- vorgelegt hat. Die Behörde kann durch ein solches gesetzwidriges Verhalten
- weder dem Antragsteller die Vorteile entziehen, die sich für ihn nach § 9 Abs. 5
- GrdstVG bei Nichtausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ergeben,
- noch den ihr zustehenden Prüfungsrahmen auf den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG
- bezeichneten Versagungsgrund erweitern (vgl. OLG Koblenz, RdL 1964, 292,
- 293; OLG Oldenburg, RdL 1976, 52).
-
- 15
-
- 2. Das Vorliegen des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG bezeichneten
- Versagungsgrunds verneint das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler. Nach
- dieser Vorschrift darf die Genehmigung versagt werden, wenn Tatsachen
- vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Gegenwert in einem groben
- Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.
-
- -7-
-
- 16
-
- a) Nach den auf einem Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen zum Verkehrswert wäre allerdings von einem solchen Missverhältnis
- auszugehen.
-
- 17
-
- aa) Der Wert des Grundstücks im Sinne dieser Vorschrift ist der
- innerlandwirtschaftliche Verkehrswert. Er wird durch den Preis bestimmt, der
- bei einem Verkauf von einem Landwirt an einen anderen erzielt wird (Senat,
- Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300; Beschluss
- vom 27. April 2001 - BLw 14/00, WM 2001, 1569, 1570). Dieser Wert entspricht
- in
-
- der
-
- Regel
-
- dem
-
- durchschnittlichen
-
- Preis,
-
- der
-
- sich
-
- aus
-
- den
-
- Kaufpreissammlungen über die bei Verkäufen landwirtschaftlicher Grundstücke
- in der näheren Umgebung in den vergangenen Jahren erzielten Preise ergibt
- (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, aaO; OLG Frankfurt,
- RdL
-
- 2005,
-
- 274,
-
- 276;
-
- Ehrenforth,
-
- Reichssiedlungsgesetz
-
- und
-
- Grundstücksverkehrsgesetz, § 9 GrdstVG S. 452; Netz, GrdstVG, 6. Aufl., § 9
- Anm.
-
- 4.12.2.1,
-
- S.
-
- 603).
-
- Auf
-
- dieser
-
- Grundlage
-
- hat
-
- der
-
- gerichtliche
-
- Sachverständige den innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert ermittelt.
- 18
-
- Den Einwand der Beteiligten zu 2, die Rechtsprechung zur Bestimmung
- eines innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts sei überholt, jedenfalls aber auf
- die neuen Länder nicht ohne weiteres übertragbar, ist unbegründet. Der Senat
- hat
-
- bereits
-
- entschieden,
-
- dass
-
- das
-
- Grundstücksverkehrsgesetz
-
- bundeseinheitlich anzuwenden und den besonderen Marktverhältnissen in den
- neuen
-
- Ländern
-
- auf
-
- sachverständiger
-
- Ebene
-
- bei
-
- der
-
- Ermittlung
-
- des
-
- innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts Rechnung zu tragen ist (Senat,
- Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 2/12, BzAR 2014, 104 Rn. 58). Die
- Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG auch auf die im Bieterverfahren
- erzielten Preise entspricht dem Zweck des Versagungsgrunds. Die Vorschrift
- soll Erschwerungen des zur Verbesserung der Agrarstruktur erforderlichen
- Landerwerbs durch interessierte Land- und Forstwirte infolge überhöhter Preise
- verhindern (BVerfGE 21, 87, 90; Senat, Beschlüsse vom 2. Juni 1968
-
- -8-
-
- - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 299 und vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM
- 1976, 849, 851). Dem widerspräche es, wenn die Beteiligte zu 2 als größte
- Anbieterin solcher Flächen in den neuen Ländern bei ihren Verkäufen Preise
- durchsetzen
-
- könnte,
-
- welche
-
- die
-
- landwirtschaftlichen
-
- Betriebe
-
- mit
-
- Anschaffungskosten für den Grunderwerb belasteten, die ihren Bestand oder
- ihre Wirtschaftlichkeit bedrohten.
- 19
-
- bb) Danach wäre hier von einem groben Missverhältnis zwischen dem
- Preis (46.600 €) und dem Verkehrswert (27.300 €) auszugehen. Ein
- Missverhältnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG liegt in der Regel dann
- vor, wenn der vereinbarte Preis den nach den Kaufpreissammlungen
- ermittelten Verkehrswert um mehr als 50 vom Hundert übersteigt (Senat,
- Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 304; OLG
- Frankfurt, RdL 2005, 274, 275; OLG Jena, NJOZ, 2012, 1400, 1401; OLG
- Stuttgart, NJW-RR 2011, 1385, 1387).
-
- 20
-
- b) Hier nicht zu entscheiden ist die Frage, ob die zur Veräußerung
- landwirtschaftlicher Grundstücke erforderliche Genehmigung nach § 9 Abs. 1
- Nr. 3 GrdstVG auch bei einem durch öffentliche Ausschreibung zustande
- gekommenen Verkaufspreis versagt werden darf, wenn der Verkäufer ein dem
- Staat
-
- zuzurechnendes
-
- Unternehmen
-
- ist,
-
- das
-
- für
-
- dessen
-
- Rechnung
-
- landwirtschaftliche Grundstücke verkauft. In diesen Fällen stoßen die auf
- gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen beruhende preisrechtliche
- Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG (BVerfGE 21, 87, 90) und das
- europarechtliche Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 107 Abs. 1 AEUV)
- möglicherweise
-
- aneinander.
-
- Diese
-
- Rechtsfrage
-
- ist
-
- Gegenstand
-
- eines
-
- Vorlagebeschlusses des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union
- (Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 2/12, BzAR 2014, 104 ff.). Sie ist
- allerdings dann nicht entscheidungserheblich, wenn der sich aus dem
- Verhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert ergebende Versagungsgrund
- nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG nicht anzuwenden ist, weil durch die
-
- -9-
-
- Veräußerung zu diesem Preis ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur
- nicht zu erwarten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75,
- WM 1976, 849, 851). So liegt es hier.
- 21
-
- c) Das Beschwerdegericht verneint im Ergebnis zutreffend den
- Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG unter Hinweis darauf, dass
- der Beteiligte zu 5 im Hauptberuf Landwirt ist und dass die um die verkauften
- Fläche konkurrierenden ortsnahen Betriebe mit 41.118 € einen Preis zu zahlen
- bereit sind, der nicht wesentlich unter dem vereinbarten Kaufpreis von 46.000 €
- liegt.
-
- 22
-
- aa) Für den Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG kommt es
- - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht darauf an, ob der das
- Grundstück erwerbende Landwirt dieses selbst bewirtschaften oder verpachten
- will. Das ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend darlegt - allein für die
- Prüfung des Versagungsgrunds nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG von Bedeutung,
- wenn das Erwerbsinteresse des künftigen Verpächters in Konkurrenz zu dem
- Erwerbsinteresse eines Landwirts tritt, der das Grundstück zur Aufstockung
- seines Betriebs dringend benötigt und zum Erwerb bereit und in der Lage ist
- (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juli 1990 - BLw 8/88, BGHZ 112, 86, 88 mwN).
- Mit dem Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG soll dagegen
- verhindert werden, dass durch Veräußerungen zu überhöhten Preisen
- Nachteile für die Agrarstruktur eintreten (Senat, Beschluss vom 5. Juni 1976
- - V BLw 16/75, AgrarR 1977, 65, 66). Nach dem Zweck dieser Vorschrift kommt
- es nicht darauf an, ob der Erwerber, der den hohen Preis zu zahlen bereit ist,
- beabsichtigt, das Grundstück selbst zu bewirtschaften oder es zu verpachten.
- Maßgebend
-
- ist
-
- vielmehr,
-
- dass
-
- die
-
- Veräußerung
-
- zwecks
-
- weiterer
-
- landwirtschaftlicher Nutzung des Grundstücks erfolgt und dass der vereinbarte
- Kaufpreis aus dem Betriebsertrag eines Berufslandwirts erwirtschaftet werden
- muss. Ist beides der Fall, ist davon auszugehen, dass der Preis nach
-
- - 10 -
-
- Auffassung des Erwerbers nicht zu einer Belastung führt, die die Existenz oder
- die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes gefährdet.
- 23
-
- bb) Ob deswegen der Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG
- schon dann entfällt, wenn der Erwerber Vollerwerbslandwirt ist, ist allerdings
- umstritten.
-
- 24
-
- (1) Einige Oberlandesgerichte (OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 1385,
- 1387 und OLG Jena, AuR 2013, 341, 342) vertreten unter Hinweis auf Netz
- (GrdstVG, 6. Aufl. § 9 Anm. 4.12.6., S. 610), mit Rücksicht auf den
- gesetzgeberischen Zweck dürfe der Preis, den ein hauptberuflicher Landwirt zu
- zahlen bereit sei, nur in Ausnahmefällen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG von der
- Behörde beanstandet werden. Es sei nämlich grundsätzlich Sache des
- erwerbenden Landwirts, zu überlegen, ob der angebotene Preis für ihn und
- seinen Betrieb sinnvoll sei. Die Behörde und das Gericht hätten diese
- eigenständige Kalkulation nicht zu überprüfen.
-
- 25
-
- (2) Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Schleswig (AuR 1980,
- 254; dieser Entscheidung ebenfalls zustimmend Netz, aaO, Anm. 4.12.2.2,
- S. 604), dass bei der Prüfung des Versagungsgrunds auf die Gesamtheit der
- Landwirte, insbesondere im örtlichen Bereich, abzustellen sei. Überpreise
- führten im Falle der behördlichen Genehmigung der Verträge zur Erhöhung des
- Mittelwerts als Richtschnur des Verkehrswerts und hätten dadurch eine
- allgemeine Anhebung des genehmigungsfähigen Preisvolumens zur Folge. Das
- sei eine Gefahr, die vor allem finanzschwache Landwirte träfe. Diese Gefahr
- laufe konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur zuwider und
- sei von dem Schutzbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG erfasst.
-
- - 11 -
-
- 26
-
- (3) Beide Auffassungen sind in ihrer Allgemeinheit nicht richtig.
-
- 27
-
- (a) Die auf die Kalkulation nur eines Landwirts gestützten Erwägungen
- des Beschwerdegerichts treffen so nicht zu. Der Versagungsgrund entfällt nicht
- schon deswegen, weil ein Landwirt den Preis als für seinen Betrieb noch
- tragbar erachtet. Der mit dem Versagungsgrund in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrstVG
- verfolgte gesamtwirtschaftliche und soziale Zweck ist auf die Gesamtheit der
- erwerbswilligen und erwerbsbereiten Land- und Forstwirte bezogen. Durch die
- Genehmigung der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
- einem Preis, der weit über dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert liegt,
- sind ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur auch dann zu erwarten,
- wenn der zur Zahlung eines solchen Preises bereite Erwerber Landwirt ist. Die
- Genehmigung solcher Veräußerungen führt zu einer Erschwerung des
- Grunderwerbs
-
- durch
-
- interessierte
-
- Landwirte.
-
- An
-
- diesen
-
- negativen
-
- Auswirkungen, welche die Genehmigungen von Veräußerungen zu überhöhten
- Preisen für die Agrarstruktur insgesamt haben, ändert der Umstand
- grundsätzlich nichts, dass der einen solchen Preis zu zahlen bereite Erwerber
- Landwirt ist.
- 28
-
- (b) Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung dennoch richtig. Die
- Genehmigung zur Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
- einem im Bieterverfahren ermittelten Preis ist - ungeachtet des von einem
- Gutachter ermittelten innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts - dann nicht nach
- § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zu versagen, wenn die um dieselbe Fläche
- konkurrierenden erwerbswilligen landwirtschaftlichen Unternehmen - wie hier ebenfalls bereit sind, einen (annähernd) gleich hohen Preis zu zahlen. In
- diesem Fall ist nämlich vor dem Hintergrund, dass Berufslandwirte keine aus
- dem Betriebsertrag nicht zu erwirtschaftende Kaufpreisangebote abzugeben
- pflegen, die Annahme begründet, dass der nach einem Bieterverfahren
- bestimmte
-
- Preis
-
- nicht
-
- überhöht
-
- ist.
-
- Von
-
- der
-
- Veräußerung
-
- eines
-
- landwirtschaftlichen Grundstücks zu einem Preis, der nach der Einschätzung
-
- - 12 -
-
- mehrerer
-
- (auch
-
- ortsansässiger)
-
- Landwirte
-
- aus
-
- dem
-
- Betriebsertrag
-
- erwirtschaftet werden kann, sind die ungünstigen Auswirkungen auf die
- Agrarstruktur, die mit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG bestimmten
- Versagungsgrund abgewehrt werden sollen, nicht zu erwarten.
- IV.
- 29
-
- Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 44 Abs. 1, § 47
- Abs. 2 LwVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 KostO, diejenige über die
- außergerichtlichen Kosten ergeht nach § 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG. Die
- Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 36 Abs. 1 Satz 1
- LwVG.
-
- Stresemann
-
- Lemke
-
- Vorinstanzen:
- AG Erfurt, Entscheidung vom 07.11.2012 - Lw 13/10 OLG Jena, Entscheidung vom 24.06.2013 - Lw U 47/13 -
-
- Czub
-
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