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13 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. BLw 32/01
  4. vom
  5. 26. April 2002
  6. in der Landwirtschaftssache
  7. betreffend Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
  8. Nachschlagewerk:
  9. ja
  10. BGHZ:
  11. nein
  12. BGHR:
  13. ja
  14. BGB § 328, LwAnpG §§ 28 Abs. 2, 36, 44
  15. Die zwischen einem ehemaligen LPG-Mitglied und einem Dritten geschlossene Vereinbarung über die Abgeltung aller Ansprüche aus der früheren LPG-Zugehörigkeit
  16. kann für den nicht an der Vereinbarung beteiligten Rechtsnachfolger der LPG einen
  17. eigenen Anspruch begründen, daß auch gegen ihn keine weiteren Forderungen
  18. geltend gemacht werden.
  19. BGH, Beschl. v. 26. April 2002 - BLw 32/01 - OLG Brandenburg
  20. AG Fürstenwalde
  21. -2-
  22. Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 26. April
  23. 2002
  24. durch
  25. den
  26. Vorsitzenden
  27. Richter
  28. Dr. Wenzel
  29. und
  30. die
  31. Richter
  32. Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Siebers und
  33. Gose
  34. beschlossen:
  35. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Landwirtschaftssenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2001 aufgehoben.
  36. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des
  37. Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Fürstenwalde vom 11. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
  38. Die gerichtlichen Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich
  39. der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin trägt der Antragsteller.
  40. Beschwerdewert: 51.129,19 €
  41. -3-
  42. Gründe:
  43. I.
  44. Der Antragsteller verfolgt aus abgetretenem Recht Ansprüche nach dem
  45. Landwirtschaftsanpassungsgesetz.
  46. W.
  47. R.
  48. S.
  49. war zum 1. Januar 1959 in die LPG Typ III "F.
  50. eingetreten. Später wurde er im Zuge der Konzentration
  51. und Spezialisierung der Landwirtschaft Mitglied der LPG "E.
  52. R.
  53. "
  54. und F.
  55. "
  56. , die sich im Jahr 1991 mit drei anderen LPG'en zu der "Vereinigte
  57. LPG (P) G.
  58. des Herrn S.
  59. " zusammenschloß. Diese bezifferte den Wert der Beteiligung
  60. mit 21.400 DM.
  61. In einer Vollversammlung wurde am 8. November 1991 mit 928 Stimmen
  62. von 942 anwesenden bzw. vertretenen Mitgliedern (bei insgesamt 1.056 Mitgliedern) beschlossen, das gesamte Vermögen der LPG auf eine neu zu gründende GmbH & Co. KG zu übertragen, bei der eine ebenfalls neu zu gründende GmbH Komplementärin und die LPG zunächst alleinige Kommanditistin
  63. werden sollten; die Komplementär-GmbH wurde ermächtigt, die Aufteilung des
  64. Kommanditanteils auf die Mitglieder der LPG nach Maßgabe des Umwandlungsbeschlusses in der Weise vorzunehmen, daß jeder Sonderrechtsnachfolger erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister Gesellschafter wurde.
  65. Dementsprechend schlossen die neu gegründete "Landwirtschaft G.
  66. GmbH" und die LPG am 28. November 1991 den Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin. Deren Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 19. Juni
  67. 1992. Die LPG schied am 21. April 1994 aus der Antragsgegnerin aus, indem
  68. -4-
  69. sie ihre Kommanditeinlage im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf 554 frühere LPG-Mitglieder übertrug. Ab dem 16. September 1994 wurde die Antragsgegnerin im Register als Rechtsnachfolgerin der LPG geführt.
  70. W.
  71. S.
  72. wurde nicht Kommanditist. Er veräußerte sein "Anwart-
  73. schaftsrecht auf Eintragung als Gesellschafter" für 4.280 DM an die "Landwirtschaft G.
  74. Betriebs GmbH", eine Kommanditistin der Antragsgegnerin; sie
  75. hatte ihm im April 1993 den Erwerb entsprechend dem in dem Umwandlungsbeschluß enthaltenen Übernahmeangebot nach § 36 LwAnpG in Höhe von
  76. 20 % des buchmäßigen Nennbetrags seines Kommanditanteils unterbreitet. In
  77. § 5 des Vertrags ist vereinbart, daß damit "alle Ansprüche aus der früheren
  78. LPG-Zugehörigkeit des Verkäufers - einschließlich der Ansprüche gegen deren
  79. Rechtsnachfolger - erledigt sind".
  80. Am 12. Mai 2000 trat W.
  81. schaft in der LPG "E.
  82. und F.
  83. S.
  84. seine Ansprüche aus der Mitglied-
  85. " R.
  86. an den Antragsteller ab.
  87. Der Antragsteller meint, daß die Umstrukturierung der "Vereinigte
  88. LPG (P) G.
  89. " nicht den Bestimmungen des Landwirtschaftsanpassungsge-
  90. setzes entspreche; es liege keine identitätswahrende Umwandlung der LPG in
  91. die Antragsgegnerin vor. Den Vertrag über die Veräußerung der Kommanditbeteiligung hält der Antragsteller für nichtig, weil W.
  92. S.
  93. lediglich 20 %
  94. des Werts seiner Beteiligung erhalten habe. Das Landwirtschaftsgericht hat
  95. den auf die Feststellung, daß die Antragsgegnerin nicht durch Umstrukturierung der "Vereinigte LPG (P) G.
  96. " nach den Bestimmungen des Landwirt-
  97. schaftsanpassungsgesetzes entstanden ist, gerichteten Antrag und die auf
  98. Zahlung von 17.945 DM nebst Zinsen sowie Auskunftserteilung gerichteten
  99. -5-
  100. Hilfsanträge zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der
  101. - zugelassenen - Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der
  102. Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts erstrebt. Der Antragsteller beantragt
  103. die Zurückweisung des Rechtsmittels.
  104. II.
  105. Das Beschwerdegericht hält den Feststellungsantrag für zulässig. Die
  106. Frage nach dem rechtlichen Bestand der Strukturänderung betreffe das
  107. Rechtsverhältnis der Antragsgegnerin zu den zusammengeschlossenen
  108. LPG'en; sie berühre zugleich die Stellung des Antragstellers aus der ihm abgetretenen Rechtsposition des W.
  109. S.
  110. als Mitglied der früheren LPG und
  111. damit das Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin.
  112. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Feststellungsantrag
  113. begründet. Der Antragsteller sei aktivlegitimiert. Die Strukturänderung entspreche allerdings nicht den vom Landwirtschaftsanpassungsgesetz zur Verfügung
  114. gestellten Umwandlungsmöglichkeiten, weil die Mitglieder der LPG'en nicht
  115. unmittelbar Gesellschafter der Antragsgegnerin geworden seien. Deswegen
  116. liege keine identitätswahrende Umwandlung vor.
  117. III.
  118. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, ohne daß es auf die Frage der
  119. identitätswahrenden Umwandlung ankommt.
  120. -6-
  121. 1. Zu Recht hält das Beschwerdegericht allerdings den negativen Feststellungsantrag für zulässig. Er betrifft zwar kein Rechtsverhältnis zwischen
  122. den Beteiligten. Im streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann
  123. aber ein Antrag nach § 256 ZPO analog auch auf die Feststellung gerichtet
  124. sein, daß zwischen dem Antragsgegner und einem Dritten ein Rechtsverhältnis
  125. bestehe oder nicht bestehe, wenn dies zugleich für die Rechtsbeziehungen der
  126. streitenden Parteien von Bedeutung ist, der Antragsteller an einer alsbaldigen
  127. Klärung dieser Frage ein rechtliches Interesse hat und das Umwandlungs- oder
  128. Gesellschaftsrecht für die Austragung eines solchen Streits keine abschließende Regelung trifft (Senat, BGHZ 137, 134, 136 f; Senatsbeschl. v. 7. November
  129. 1997, BLw 26/97, AgrarR 1998, 21, 22). Diese Voraussetzungen liegen hier
  130. vor. Die Frage nach dem rechtlichen Bestand der Strukturänderung betrifft das
  131. Rechtsverhältnis der Antragsgegnerin zu der "Vereinigte LPG (P) G.
  132. " und
  133. somit zu den zusammengeschlossenen LPG'en. Sie berührt zugleich die Ste
  134. llung des W.
  135. S.
  136. als früheres LPG-Mitglied und damit sein Rechtsver-
  137. hältnis zu der Antragsgegnerin. Durch die Abtretung ist der Antragsteller in diese Stellung eingetreten. Würde der Antragsgegnerin gegenüber festgestellt,
  138. daß sie nicht im Wege der formwandelnden Strukturänderung aus den in der
  139. "Vereinigte LPG (P) G.
  140. " zusammengeschlossenen LPG'en hervorgega
  141. n-
  142. gen ist, könnte dem Antragsteller ein Anspruch gegen die dann als Liquidationsgenossenschaft fortbestehende LPG (§ 69 Abs. 3 LwAnpG) zustehen. Hätte
  143. der Hauptantrag dagegen keinen Erfolg, könnten Ansprüche gegen die Antragsgegnerin bestehen. Angesichts dieser Rechtsunsicherheit hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung, denn er muß sich
  144. nicht von vornherein für den einen oder anderen Anspruch entscheiden; da
  145. jedoch Ansprüche überhaupt denkbar sind, schadet es auch nicht, daß W.
  146. -7-
  147. S.
  148. nicht Kommanditist der Antragsgegnerin geworden ist, ein Rechtsver-
  149. hältnis zu ihr somit nicht besteht (vgl. Senat, BGHZ aaO, 137).
  150. Da auch durch eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nicht geklärt
  151. werden kann, ob im Fall der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit eines angefochtenen Umwandlungsbeschlusses die Strukturänderung nicht gleichwohl Bestand hat, und dem Antragsteller die Auflösungsklage nach §§ 161, 133 HGB
  152. wegen fehlender Gesellschafterstellung nicht zur Verfügung steht (vgl. Senat,
  153. BGHZ aaO, 138), bestehen nach alledem keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags.
  154. 2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
  155. a) Allerdings ist der Antragsteller aktivlegitimiert. Bedenken gegen die
  156. Abtretbarkeit von Abfindungsansprüchen nach §§ 36, 44 LwAnpG bestehen
  157. nicht (Senatsbeschl. v. 16. Juni 2000, BLw 30/99, AgrarR 2001, 22, 23). Auch
  158. die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit nichts. Sie meint vielmehr, daß W.
  159. S.
  160. im Frühjahr 1994 seine sämtlichen Rechte auf die "Landwirtschaft
  161. G.
  162. Betriebs GmbH" übertragen habe und deswegen keine Forderung an
  163. den Antragsteller mehr habe abtreten können. Das ist indes nicht richtig. Die
  164. Vereinbarung zwischen W.
  165. S.
  166. und der "Landwirtschaft G.
  167. Betriebs
  168. GmbH" betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Veräußerung seines Anwartschaftsrechts auf Eintragung als Kommanditist der Antragsgegnerin in das
  169. Handelsregister. Weitere Rechte und Ansprüche wurden nicht übertragen und
  170. abgetreten. Insbesondere erfolgte keine Abtretung von eventuellen Ansprüchen nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz; sie verblieben bei W.
  171. S.
  172. , so daß er sie später noch abtreten konnte. Das geschah dann am
  173. -8-
  174. 12. Mai 2000; seitdem ist der Antragsteller Inhaber dieser Ansprüche. Dem
  175. steht nicht entgegen, daß nach § 5 der Vereinbarung zwischen W.
  176. und der "Landwirtschaft G.
  177. ren LPG-Zugehörigkeit des W.
  178. S.
  179. Betriebs GmbH" alle Ansprüche aus der früheS.
  180. - einschließlich der Ansprüche gegen
  181. deren Rechtsnachfolger - erledigt sein sollten. Diese Klausel bewirkt schon
  182. deswegen nicht den Untergang der Ansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, weil die Vereinbarung nicht mit der Antragsgegnerin geschlossen wurde; ein Erlaß von Forderungen zugunsten Dritter ist jedoch nicht
  183. möglich (BGHZ 126, 261, 266). Allenfalls könnte für die Antragsgegnerin aus
  184. der Vereinbarung ein Anspruch gegen W.
  185. S.
  186. entstanden sein, eventu-
  187. elle Ansprüche gegen sie nicht geltend zu machen (vgl. BGH, Urt. v.
  188. 18. September 1957, V ZR 209/55, LM BGB § 328 Nr. 15). Das berührt indes
  189. nicht den Bestand der Forderungen.
  190. b) Jedoch ist die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Antragsgegnerin ausgeschlossen.
  191. Die Vereinbarung zwischen W.
  192. S.
  193. und der "Landwirtschaft G.
  194. Betriebs GmbH" enthält im Hinblick auf Ansprüche gegen die Antragsgegnerin
  195. ein sogenanntes pactum de non petendo. Ihr Sinn bestand darin, daß
  196. W.
  197. S.
  198. sich verpflichtete, keine Ansprüche aus seiner früheren LPG-
  199. Mitgliedschaft mehr zu erheben. Dementsprechend erklärten die Vertragsparteien solche Ansprüche, auch soweit sie sich gegen Rechtsnachfolger der LPG
  200. richteten, für erledigt. Allerdings kann der Vertragszweck nicht dadurch erreicht
  201. werden, daß W.
  202. S.
  203. lediglich der "Landwirtschaft G.
  204. Betriebs
  205. GmbH" gegenüber verpflichtet ist, die Antragsgegnerin nicht in Anspruch zu
  206. nehmen. Erforderlich und sinnvoll ist vielmehr die Begründung auch eines ei-
  207. -9-
  208. genen Anspruchs der Antragsgegnerin darauf, daß W.
  209. S.
  210. ihr gegen-
  211. über keine weiteren Forderungen mehr geltend macht. Ein derartiger Anspruch
  212. ergibt sich unmittelbar aus der Vereinbarung. Gegen die Wirksamkeit einer
  213. solchen Abrede bestehen keine Bedenken (BGH, Urteil vom 18. September
  214. 1957, aaO).
  215. Die Vereinbarung ist auch im übrigen wirksam; sie verstößt nicht gegen
  216. die guten Sitten (§ 138 BGB). Die Tatsache, daß W.
  217. S.
  218. auf 80 % des
  219. buchmäßigen Nennbetrags seines möglichen Kommanditanteils verzichtet hat,
  220. führt nicht zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten Regelung. Der Verzicht auf eine
  221. Forderung ist nämlich nur dann sittenwidrig, wenn er sich nach der Würdigung
  222. von Inhalt, Beweggrund und Zweck seinem Gesamtcharakter nach als nicht mit
  223. den guten Sitten vereinbar darstellt (Senatsbeschl. v. 16. Juni 2000,
  224. BLw 19/99, WM 2000, 1762, 1763). Hieran fehlt es. W.
  225. S.
  226. waren der
  227. auf der Grundlage von Landfläche und Arbeitsjahren ermittelte Wert seines
  228. Beteiligungsanspruchs aus der Mitgliedschaft in der LPG und der damit der
  229. Höhe nach identische buchmäßige Nennbetrag seines möglichen Kommanditanteils bekannt; der Betrag wurde sogar mit in die Vereinbarung aufgenommen. Auch war in dem Umwandlungsbeschluß die mit dem späteren Entgelt für
  230. die Veräußerung der möglichen Eintragung als Kommanditist in das Handelsregister identische Höhe der angebotenen Barabfindung nach § 36 LwAnpG
  231. enthalten. Zwischen dem Umwandlungsbeschluß und dem Abschluß der Ve reinbarung lag ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren, in welchem W.
  232. S.
  233. abwägen konnte, ob er seine mögliche Kommanditbeteiligung zu dem vereinbarten Preis veräußern wollte. Deswegen wußte er genau, auf welchen Betrag
  234. er mit dem Abschluß der Vereinbarung verzichtete. Das alles schließt die A nnahme der Sittenwidrigkeit aus.
  235. - 10 -
  236. 3. Der Ausschluß der Geltendmachung von Ansprüchen des W.
  237. S.
  238. gegen die Antragsgegnerin führt dazu, daß auch die Hilfsanträge un-
  239. begründet sind.
  240. - 11 -
  241. IV.
  242. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
  243. Wenzel
  244. Krüger
  245. Lemke