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5.4 KiB

  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (Brfg) 44/16
  4. vom
  5. 21. März 2017
  6. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. ECLI:DE:BGH:2017:210317BANWZ.BRFG.44.16.0
  9. - 2 -
  10. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
  11. Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Bellay sowie die
  12. Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Wolf
  13. am 21. März 2017
  14. beschlossen:
  15. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
  16. ihm am 11. August 2016 zugestellte Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.
  17. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
  18. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Der Kläger ist seit dem 6. Februar 2002 im Bezirk der Beklagten zur
  23. Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 15. April 2015 widerrief sie
  24. die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Die Klage des Klägers
  25. gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger
  26. die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
  27. - 3 -
  28. II.
  29. 2
  30. Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4
  31. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
  32. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e
  33. Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird
  34. (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3
  35. mwN). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang
  36. mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.
  37. 3
  38. 1. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
  39. ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
  40. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die
  41. sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember
  42. 2010 - AnwZ (B) 119/09, juris [in NJW-RR Rn. nicht abgedruckt] Rn. 12; vom
  43. 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember
  44. 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4). Ist der Rechtsanwalt in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen,
  45. wird der Vermögensverfall vermutet. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Widerrufsverfügung, hier also der 15. April 2015 (vgl. dazu BGH, Beschluss vom
  46. 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.)
  47. 4
  48. 2. Die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO
  49. greift nicht ein. Der Kläger wurde am 11. Mai 2015 mit zwei Verfahren und am
  50. 12. Juni 2015 mit weiteren 14 Verfahren in das Verzeichnis gemäß § 882b ZPO
  51. - 4 -
  52. eingetragen, also erst nach dem Erlass des Widerrufsbescheids am 15. April
  53. 2015. Der Widerruf konnte jedoch auf die zahlreichen offenen Forderungen,
  54. Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestützt werden, die im angefochtenen Urteil näher dargestellt worden sind.
  55. 5
  56. 3. Der Kläger bestreitet, in Vermögensverfall geraten zu sein. Die Forderung der V
  57. bank S.
  58. sei vollständig getilgt; deren Antrag auf Zwangsvoll-
  59. streckung sei zurückgenommen worden. Alle anderen Angelegenheiten seien
  60. ebenfalls durch Zahlung oder Ratenzahlungsvereinbarung erledigt worden.
  61. Steuerschulden hätten nicht bestanden.
  62. 6
  63. a) Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs in Zweifel zu ziehen. Die Forderung der V
  64. bank S.
  65. hat
  66. der Anwaltsgerichtshof ausdrücklich unberücksichtigt gelassen. Schon im Tatbestand des angefochtenen Urteils heißt es zudem, die Zwangsvollstreckung
  67. sei nach Antragsrücknahme eingestellt worden. Hinsichtlich der übrigen im angefochtenen Urteil aufgeführten Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fehlt es an substantiiertem, durch geeignete Unterlagen belegten
  68. Vortrag des Klägers. Darauf hat bereits der Anwaltsgerichtshof hingewiesen.
  69. Vom Bestand der Forderungen noch im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung ist
  70. daher auszugehen. Die nur wenige Wochen nach dem Widerrufsbescheid, am
  71. 11. Mai 2015 und am 12. Juni 2015 erfolgten Eintragungen im Verzeichnis nach
  72. § 882b ZPO schließen aus, dass der Kläger, wie er behauptet, am 15. April
  73. 2015 schuldenfrei war oder hinsichtlich der noch offenen Forderungen mit den
  74. Gläubigern Ratenzahlungen vereinbart hatte.
  75. - 5 -
  76. 7
  77. b) Liegen Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor, die den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diese Schlussfolgerung nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen
  78. im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und
  79. wie er sie zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Urteil vom
  80. 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14). Das ist nicht geschehen. Der
  81. allgemeine Hinweis auf vorhandenes Grundvermögen und Einnahmen aus der
  82. Anwaltstätigkeit reicht nicht aus.
  83. III.
  84. 8
  85. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
  86. Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
  87. Kayser
  88. Lohmann
  89. Schäfer
  90. Bellay
  91. Wolf
  92. Vorinstanz:
  93. AGH Celle, Entscheidung vom 11.08.2016 - AGH 8/15 (II 6/37) -